Studien zur Anthroposophie

Michael Muschalle


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Michael Muschalle

Der Verfall der introspektiven Psychologie und das Methodenproblem der Anthroposophie

(Stand 07. 10. 12)

Anmerkungen

Eine exzellente Übersicht über Forschungsfragen des Denkens im Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert mit Schwerpunkt Würzburger Schule bietet folgender Sammelband: Paul Ziche, Hgr., Introspektion. Texte zur Selbstwahrnehmung des Ichs. Springerverlag, Wien New York, 1999. Es enthält vor allem wertvolle, aber heute schwer zugängliche klassische Originalaufsätze. Unter anderem von Karl Bühler und Oswald Külpe.

1 Franz Brentano, Psychologie vom empirischen Standpunkt, Bd. 1, 1874, S. 36.

2 Ebd, S. 37.

3 Siehe hierzu John Horgan, Ist das Bewußtsein erklärbar? =Spektrum der Wissenschaft, 9/94, S. 74-80. Für die Psychologie: Volker Gadenne, Margit E. Oswald, Kognition und Bewußtsein, Springer, Heidelberg 1991. Zum Thema Bewußtsein und Quantenphysik siehe: Roger Penrose, Computerdenken, Verlag Spektrum der Wissenschaft, Heidelberg, o.J. .

4 Siehe etwa, Thomas S. Kuhn, Logik der Forschung oder Psychologie der wissenschaftlichen Arbeit; in: Imre Lakatos / Alan Musgrave (Hgr), Kritik und Erkenntnisfortschritt, Braunschweig 1974, S.8.

Karl R. Poppers Urteil über die Theorien von Freud, Adler und Marx etwa lautet: "...what worried me was neither the problem of truth...nor the problem of exactness or mesurability. It was rather that I felt that these other three theories [von Marx, Freud und Adler] though posing as sciences, had in fact more in common with primitive myths than with science; that they resembled astrology rather than astronomy." Karl R. Popper in, Conjectures and Refutations, London 1972, S. 33 ff. Es war insbesondere die Existenz solcher "scheinbaren" Wissenschaften wie die Psychoanalyse, die Popper nach einem Abgrenzungskriterium zwischen Wissenschaft und Nicht-Wissenschaft suchen ließ.

5 Zum Verschwinden der introspektiven Psychologie aus der akademischen Forschung siehe E. Boring, A History of Introspection, = Psychological Bulletin, Vol. 50, No. 3, 1953, S. 169-189. Ebenso W. Lyons, The Disappearence of Introspection, The MIT Press, Cambridge/Mass.,London/England, 1986. Weitere Literatur ebendort.

6 In neuerer Zeit vertritt Aebli die Ansicht, daß die Introspektion der Theoriebildung genauso ein Material liefere, wie dies ein Experiment tut. Introspektive Befunde sind nach Aebli "überall dort legitim und zuverlässig..., wo sie der Versuchsperson einen wohldefinierten Beobachtungsgesichtspunkt in die Hand geben." Die Deutung dieses Materials aber ist dem Fachpsychologen vorbehalten. Es ist also nicht der Fachpsychologe selbst, der "in sein Inneres schaut", wie einst Franz Brentano, sondern dieser bedient sich der Beobachtungen von Versuchspersonen. Siehe H. Aebli, Denken: Das Ordnen des Tuns, 2 Bde, 1981, Bd. II, S. 298.

Ein weiterer Hinweis auf das steigende Interesse an introspektiver Psychologie findet sich in Lück/Miller u.a., Geschichte der Psychologie, München, 1982. Dort heißt es betreffend Introspektion, sie sei eine "Methode der Psychologie, der neuerdings wieder mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird und deren Unentbehrlichkeit zur Erforschung mancher moderner psychologischer Fragestellungen allmählich wieder erkannt wird."(S. 86; weitere Literatur ebd.)

Siehe auch Brigitte Rollet, Reinhard Munzert, Introspektion und verbal report, Mainz 1983. Die Autoren beleuchten die wieder wachsende Bedeutung der Introspektion in der psychologischen Methodologie.

Zum gegenwärtigen Stand der Selbstbeobachtungspsychologie siehe, Sigrun-Heide Fillip, Selbstkonzeptforschung, 2Stuttgart 1984. Ebenso den Beitrag von Ruth Rustemeyer in der Psychlogischen Rundschau, 1986, S. 210-216.

7 Carl Friedrich Graumann/Alexandre Métraux, Die Phänomenologische Orientierung in der Psychologie, in, Schneewind, K.A. (Hgr), Wissenschaftstheoretische Grundlagen der Psychologie, München 1977, S. 35 f.

8 Siehe Hans Aebli, 1981, Bd. 2. Aebli greift bei seinen Untersuchungen zur Frage des amodalen Denkens auf die introspektiven Befunde der Würzburger Schule um Oswald Külpe zurück. Siehe S. 291, insbes. S. 298 f.

9 In dem kürzlich erschienenen Sammelband des Hardenberg Instituts zum Thema Psychologie befaßt sich von drei Beiträgen ein einziger immerhin mit Steiners Verhältnis zur Psychoanalyse und bemüht sich um historische Klärung. Die Arbeiten von Klüncker und Dietz dagegen lassen weder historische noch methodische Fragestellungen in dem Sinne erkennen, daß sie Steiners Zeitgenossen in irgend einer Form berücksichtigen; Dietz schreibt noch nicht einmal zum Thema "Psychologie", dem der Sammelband doch gewidmet ist. Siehe, Psychologie und Geisteswissenschaft, Konturen, Bd. 4, herausgegeben vom Friedrich von Hardenberg Institut für Kulturwissenschaften, Heidelberg 1993.

10 Ich habe das an anderer Stelle schon an einigen Fragestellungen zu zeigen versucht. Siehe, Michael Muschalle, Anthroposophie und Wissenschaftliche Selbstbeobachtung = Jahrbuch für anthroposophische Kritik, 1994, S. 41-54.

11 Für Wilhelm Wundt schien es generell nicht möglich, zu einer, von jeder Beobachtungsabsicht ungetrübten inneren Beobachtung zu kommen. Wilhelm Wundt, Die Aufgaben der experimentellen Psychologie, 1882, in Wundt, Essays, 21908, S. 198.

G. E. Müller sieht den störenden Einfluß dieser Absicht nur bei natürlichen Bewußtseinsvorgängen und nicht bei solchen, die willkürlich zum Zwecke der Beobachtung erzeugt werden. Müller, G.E., Zur Analyse der Gedächtnistätigkeit und des Vorstellungsverlaufs, in: Zeitschrift für Psychologie, Ergänzungsband 5. Leipzig 1911, S. 72 ff.

12 Zum Problem der Suggestion siehe W. Wundt, Über Ausfrageexperimente und über die Methoden zur Psychologie des Denkens, in W. Wundt, Psychologische Studien III., 1908, S. 301-360, insbes. S. 339 f. Das suggestive Moment sieht Wundt hier vor allem in Leitfragen, die ein Versuchsleiter an den Selbstbeobachter richtet und dadurch dessen Aufmerksamkeit in eine vorgegebene Richtung lenkt (Fremdsuggestion). Der Versuchsleiter selber "denkt" aufgrund seiner (theoretischen) Erwartungen bestimmte Erlebnisse in die Versuchsperson hinein und fragt sie dann aus dieser wieder heraus (Autosuggestion des Versuchsleiters). Diese Art von Suggestion ist natürlich auch dann möglich, wenn der Versuchsleiter selber zum Beobachter wird und entsprechend seiner theoretischen Erwartungen die Beobachtungsinhalte überformt.

In diese Richtung weisen auch die Aussagen von G. E. Müller, für den schon die Beobachtungsabsicht zu suggestiven Einflüssen auf den Beobachtungsinhalt führt. Müller, G.E., Zur Analyse der Gedächtnistätigkeit und des Vorstellungsverlaufs, in: Zeitschrift für Psychologie, Ergänzungsband 5. Leipzig 1911, S.74 f .

13 Einen exemplarischen und geradezu klassischen Gelehrtenstreit um diese Dinge gab es zwischen Wilhelm Wundt und der Würzburger Schule um Oswald Külpe anläßlich der Frage, wie man komplexe Denkvorgänge wissenschaftlich korrekt beobachtet. Eine ausführliche Darstellung der Versuche und ihrer Resultate gab Karl Bühler in den Aufsätzen, Tatsachen und Probleme zu einer Psychologie der Denkvorgänge. I. Über Gedanken = Archiv für die gesamte Psychologie 9, 1907, S. 297-365.

- Ders. Tatsachen und Probleme zu einer Psychologie der Denkvorgänge, II. Über Gedankenzusammenhänge = Archiv für die gesamte Psychologie 12, 1908, S. 1-23.

- Ders., Tatsachen und Probleme zu einer Psychologie der Denkvorgänge, III. Über Gedankenerinnerungen = Archiv für die gesamte Psychologie 12, 1908, S. 24-92

Zu Wundts Kritik an diesen Versuchen: W. Wundt, Über Ausfrageexperimente und über die Methoden zur Psychologie des Denkens, in W. Wundt, Psychologische Studien III., 1908, S. 301-360.

Wundt, Wilhelm, Kritische Nachlese zur Ausfragemethode = Archiv für die gesamte Psychologie, Bd. 11, 1908, S. 445-459.

Die Antwort der Würzburger veröffentlichte K. Bühler, unter dem Titel, Antwort auf die von W. Wundt erhobenen Einwände gegen die Methode der Selbstbeobachtung an experimentell erzeugten Erlebnissen, in : Archiv für Psychologie XII:, 1908, S. 93ff.

Eine sehr gründliche Zusammenfassung der Würzburger Untersuchungen und der anschließenden Diskussion mit W. Wundt gibt G. Humphrey in, Thinking. An Introduction to its Experimental Psychology, London/New York, 1951, Kap. II.-IV.

14 Diese Ansicht findet sich bei Gadenne und Oswald. Danach gibt es nach heutigem Wissensstand viele kognitive Vorgänge, die gar nicht von Erlebnisen begleitet sind, "so daß für sie die Erlebniserfahrung als Erkenntnisquelle grundsätzlich ausscheidet." Für die Autoren hat dies weitreichende Konsequenzen, "weil es danach gerade diese nicht bewußten Prozesse sind, die kausale Verknüpfungen zwischen bewußten Zuständen herstellen. Demnach ist die Möglichkeit eingeschränkt, zwischen bewußten Zuständen selbst gesetzmäßige Verbindungen zu suchen. Die Suche nach den Gesetzmäßigkeiten kognitiver Vorgänge erfordert die Konstruktion von Theorien, die zu einem großen Teil nicht bewußte Prozesse betreffen." Volker Gadenne, Margit E. Oswald, Kognition und Bewußtsein, Springer, Heidelberg 1991, S. 63 f.

15 Für William James etwa ist die Sprache die Hauptquelle von Irrtümern bei der Introspektion, weil sie nicht von Psychologen geschaffen sei und die Umgangssprache überwiegend zur Bezeichnung äußerer Gegenstände benutzt wird. Für den Bereich einer differenzierten Innenerfahrung fehlen einfach die angemessenen Worte, was dazu führt, daß Innenerfahrungen sprachlich nicht zutreffend gekennzeichnet werden. Siehe William James, The Principles of Psychology, 1890, Neudruck, New York 1950, S. 194 ff, The Sources of Error in Psychology.

Die Überlegungen Max Schelers zielen in die gleiche Richtung: "Es wäre ein großer Irrtum", so Scheler, "zu meinen, daß das Werkzeug der Mitteilung, die Sprache, nur die Bedeutung und Funktion habe, Erlebnisse, die bereits wahrgenommen sind, mitzuteilen. Faktisch reicht der Einfluß erheblich viel weiter. Die Wortbedeutungen für seelische Tatbestände, die wir durch die Tradition aufnehmen, haben vielmehr eine weithin bestimmende Kraft für das, was wir an eigenen und fremden Erlebnissen überhaupt wahrnehmen. Ein Erleben, für das es kein gesondertes Wort gibt, oder die besondere Qualität eines Erlebens, für das nur eine ganz allgemeine, undifferenzierte Wortbedeutung vorhanden ist, wird meist auch von dem Individuum, das das Erlebnis erlebt, nicht bzw. nur so weit wahrgenommen, als es dieser Wortbedeutung entspricht." = Die Idole der Selbsterkenntnis, in: Scheler, M. Gesammelte Werke, herausgegeben von Maria Scheler, Bd. 3, 4 1955, S. 283.

16 Eine definitive Überprüfung der Beobachtungsaussagen von Selbstbeobachtern ist im Prinzip nicht möglich - es bleiben nur indirekte Kontrollen. Man kann die Aussagen auf innere Widersprüche hin überprüfen, indem man etwa Versuche mehrfach wiederholt. Man kann sie mit den Aussagen anderer vergleichen und schließlich läßt sich auch aus dem Verhalten von Selbstbeobachtern ein gewisser Rückschluß hinsichtlich der Glaubwürdigkeit ziehen. Diese Methoden wurden zu Steiners Zeiten angewandt. Siehe dazu die erwähnte Arbeit von G. E. Müller, Zur Analyse der Gedächtnistätigkeit und des Vorstellungsverlaufs, insbesondere § 21, S. 168 ff. Ebenso Oswald Külpe, Vorlesungen über Psychologie, 21922, S. 47 ff.

17 Insbesondere der fehlende Konsens unterschiedlicher Schulen selbst in grundlegenden Fragen der introspektiven Methode und ihrer Resultate wurde immer wieder beklagt. Eine ausführliche historische Darstellung dazu gibt William Lyons in seinem Buch, The Disappearance of Introspection, 1986, Cambridge/Mass., London/England.

Raymond Dodge führt diesen Mangel an Übereinkunft schon 1912 auf unterschiedliche Ausstattung der Schulen mit "apperceptive systems" zurück (S. 223), worunter er einen festen Bestandteil an Theorien, Methoden, Ausbildungsinhalten und exemplarischen Erfahrungen versteht, die das Wahrnehmungs- und Erklärungsvermögen der einzelnen Anhänger der Schule derart festlegen, daß sie im wesentlichen nur ihre hypostasierten Theorien beobachten. Das zentrale Problem der introspektiven Methode liegt nach Dodge deshalb auch nicht darin, ob ein gegebener Untersucher bestimmte postulierte Beobachtungsinhalte findet, sondern "ob irgendein Beobachter mit dem entsprechenden Training es vermeiden kann, sie zu finden - ob es nun notwendige Bestandteile der Erlebnisse sind oder nicht." (223) Siehe: Raymond Dodge, The Theory and Limitations of Introspection, = American Journal of Psychology, 23, 1912, S. 214-229. Der Gedanke an die "Denkstile" Ludwik Flecks oder die "Paradigmen" Thomas Kuhns drängt sich hier unweigerlich auf.

18 Zum Begriff der Theoriebeladenheit ist sehr lesenswert die Arbeit von Wolfgang Stegmüller: Walther von der Vogelweides Lied von der Traumliebe und Quasar 3 C 273, in ders., Rationale Rekonstruktion von Wissenschaft und ihrem Wandel, Stuttgart, 1979, S. 27-86.

Zum Problem des Wissenschaftsfortschrittes der Klassiker Thomas S. Kuhns, Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen, 2Frankfurt 1967.

Diese Fragen nach theoretischer Beladenheit innerer Beobachtungen und wissenschaftlichem Fortschritt in der Psychologie waren immer wieder Gegenstand heftiger Auseinandersetzungen. Exemplarisch läßt sich dazu die Ansicht von Dodge anführen: "The difficulty is inherent in the psychology of observation. Good observers must be trained - trained to look for certain specific things. Psychological observation offers no exception to the rule. No psychological scheme has been to absurd to be supported by introspection... Even the fundamental categories of consciousness change with the years, while new and previously totally unsuspected facts may be readily introspected as soon there is theoretical ground for belief that they exist." R. Dodge, Theory and limitations of introspection, = American Journal of Psychology, 23, 1912, S. 227

Die von der Würzburger Schule um Oswald Külpe postulierten "anschauungslosen Gedanken" sind ein besonders gutes Beispiel für die Auseinandersetzung um interne Beobachtungsgegenstände, die offensichtlich höchst theorieabhängig "gesehen" und erklärt werden. Dodge führt sie in diesem Zusammenhang eigens an (S. 223) Siehe zu dieser Kontroverse auch G. Humphrey in, Thinking. An Introduction to its Experimental Psychology, London/New York, 1951.

19 Diese Frage ist nicht ohne weiteres zu entscheiden, sondern hängt von den Zielen der Untersuchung ab. Auf der einen Seite ist unumstritten, daß ein erfahrener Selbstbeobachter mehr und genauer sieht als ein Laie: "Obwohl man annimmt, daß ihm das beobachtete Material unmittelbar zugänglich ist, sind die Beobachtungen eines Anfängers in der Introspektion so sinnlos wie in der Histologie. Er beobachtet, womit er vertraut ist, oder glaubt, es zu sein. Das meiste davon ist trivial. Die wirklich wichtigen Dinge übersieht er, bis seine Aufmerksamkeit darauf gerichtet ist, d.h. bis er angemessene Wahrnehmungssysteme entwickelt hat." Raymond Dodge, The Theory and Limitations of Introspection, = American Journal of Psychology, 23, 1912, S.223. Ähnlich urteilt auch G. E. Müller, der zu der Auffasung kommt: "daß die rückschauende Selbstbeobachtung des in richtiger Weise ausgebildeten und geübten Psychologen bei den gleichen Versuchen im allgemeinen erfolgreicher ist als diejenige des ungeübten Laien. " G.E. Müller, Zur Analyse der Gedächtnistätigkeit und des Vorstellungsverlaufs, a.a.O., S. 104 ff. Auf der anderen Seite ergeben sich Beobachtungsprobleme auf grund der Beobachtungsabsicht, Autosuggestion, theoretischer Erwartung, Leitfragen, Zugehörigkeit zu bestimmten Schulen etc gerade bei Fachleuten. Siehe auch Dodge, a.a.O., S. 223; Wundt, Über Ausfrageexperimente.. a.a.O., S. 339 f.

Für viele Fragestellungen hinsichtlich eines "normalen" Bewußtseins ist psychologische Vorerfahrung offenbar eher hinderlich, da sich Beobachtungsabsicht, Theoriehintergrund, Erwartung und einschlägige Vorerfahrung übermäßig stark geltend machen und von einem "Normalbewußtsein" nicht mehr gesprochen werden könnte.

20 Von der Notwendigkeit einer Ausbildung oder Schulung zur Selbstbeobachtung wird schon relativ früh gesprochen. Wilhelm Wundt äußert 1882 energische Zweifel an einer natürlichen Begabung zur Selbstbeobachtung. = Die Aufgaben der experimentellen Psychologie, 1882, a.a.O., S. 196 f. Von ihm ist auch bekannt, daß er seine Versuchspersonen einem eingehenden Training unterzog. Oswald Külpe hält eine Ausbildung ebenso für unabdingbar. = Vorlesungen über Psychologie, 2 Leipzig 1922. S. 47 Implizit äußert sich Dodge in eben diesem Sinne. Über die Art einer solchen Ausbildung erfährt man allerdings bemerkenswert wenig.

21 Max Dessoir, Vom Jenseits der Seele. Die Geheimwissenschaften in kritischer Betrachtung, Stuttgart, 1917.

22 Zu nennen ist das 18. Kapitel der "Grundlinien einer Erkenntnistheorie der Goetheschen Weltanschauung" (GA-2, 1979), wobei die Darstellung einen wissenschaftssystematischen Charakter hat. Systematischen Charakter haben auch die Ausführungen im dritten und vierten Kapitel der "Philosophie der Freiheit" (GA-4, 1978), betreffend die mittelbare und unmittelbare Beobachtung des Denkens. Die Relevanz dieser Steinerschen Positionen ist angesichts der gegenwärtigen Entwicklung in der Denkpsychologie um nichts geschmälert.

Methodische Ausführungen in enger Anlehnung an philosophische Fragestellungen finden sich in "Skizzenhaft dargestellter Ausblick auf eine Anthroposophie." am Ende des zweiten Bandes der "Rätsel der Philosophie", TB Dornach 1974, S. 226 ff. bzw. GA-18, Dornach 1968, S. 594 ff.

Relativ ergiebig ist die Schrift "Von Seelenrätseln", GA 21, 1976.

Erwähnenswert sind noch der Aufsatz, Moderne Seelenforschung, aus dem Jahre 1901 = GA 30, 1989, S. 462-469. Ferner einzelne Ausführungen im Aufsatz: Die Erkenntnis vom Zustand zwischen dem Tode und einer neuen Geburt= GA 35, 1984, S. 269 ff.

Unter den Vorträgen wäre zu erwähnen, Anthroposophie und Seelenwissenschaft, 5.11.1917 = GA 73.

Recht umfangreiche Quellenangaben zum Verhältnis von Anthroposophie und Psychoanalyse finden sich im Aufsatz von Rudy Vandercruysse, Psychoanalyse aus der Sicht der Geisteswissenschaft,=Psychologie und Geisteswissenschaft, Konturen, Bd. 4, herausgegeben vom Friedrich von Hardenberg Institut für Kulturwissenschaften, Heidelberg 1993, S. 10-55.

23 Grundlinien einer Erkenntnistheorie der Goetheschen Weltanschauung, a.a.O., S. 121 f.

24 Grundlinien einer Erkenntnistheorie der Goetheschen Weltanschauung, a.a.O., S. 122.

25 Grundlinien einer Erkenntnistheorie der Goetheschen Weltanschauung, a.a.O., S. 122.

26 "Die metaphysische Psychologie", schreibt Wundt, "stellt eine bestimmte Voraussetzung, welche die Mannigfaltigkeit der geistigen Erscheinungen verbinden soll, an die Spitze ihrer Untersuchungen. Die sogenannte Psychologie ohne Seele will keineswegs auf die Hilfe einer allgemeinen Hypothese verzichten, welche zur Verknüpfung des Ganzen und zur Erleuchtung des Einzelnen dienen mag. Aber sie ist der Meinung, daß diese Hypothese auf dem Gebiet der psychologischen Forschung selbst zu entnehmen sei, und daß sie daher nicht der Untersuchung vorausgehen, sondern ihr nachfolgen müsse." Wilhelm Wundt, Die Aufgaben der experimentellen Psychologie, 1882, in Wundt, Essays, 21908, S. 187 f.

27 Neben Wundt natürlich auch die Vertreter der zeitgeössischen Psychophysik.

28 Moderne Seelenforschung, aus dem Jahre 1901 = GA 30, 1989, S. 462-469.

29 Moderne Seelenforschung, S. 465.

30 Moderne Seelenforschung, S. 465

31 Die Erkenntnis vom Zustand zwischen dem Tode und einer neuen Geburt.=GA 35, 1984, S. 273 f

32 Ebd.

33 Karl. Bühler, Antwort auf die von W. Wundt erhobenen Einwände gegen die Methode der Selbstbeobachtung an experimentell erzeugten Erlebnissen, in : Archiv für Psychologie XII:, 1908, S. 101.

34 Michael Muschalle, Anthroposophie und wissenschaftliche Selbstbeobachtung, = Jahrbuch für anthroposophische Kritik 1994, S. 41-54

35 Oswald Külpe, Vorlesungen über Psychologie, 2 1922, S.59 ff.

36 Oswald Külpe, Vorlesungen über Psychologie, a.a.O., S. 57 f.

37 Külpe, Vorlesungen über Psychologie, a.a.O., S. 59.

38 Müller, G.E., Zur Analyse der Gedächtnistätigkeit und des Vorstellungsverlaufs, in: Zeitschrift für Psychologie, Ergänzungsband 5. Leipzig 1911, S. 72 ff

39 Müller, a.a.O.,S. 79 f .

40 Külpe, a.a.O., S. 59 f.

41 Külpe, a.a.O., S. 52.

42 So etwa in GA 65, Vortr. v. 3.12.1915, S. 60, S. 64, S. 74.

42a In der Theosophie, Taschenbuchausgabe Dornach 1978, S. 158 ff erläutert Steiner folgendes zu Seite 122 ff. "Das Kapitel dieses Buches: «Von den Gedankenformen und der menschlichen Aura», ist wohl das, welches am leichtesten zu Mißverständnissen Anlaß gibt. Gegnerische Empfindungen finden gerade in diesen Ausführungen die besten Gelegenheiten zu ihren Einwänden. Es liegt zum Beispiel wirklich recht nahe, zu verlangen, daß die Aussagen des Sehers auf diesem Gebiete durch Versuche bewiesen werden sollen, welche der naturwissenschaftlichen Vorstellungsart entsprechen. Man kann fordern, es sollen sich eine Anzahl von Menschen, die vorgeben, das Geistige der Aura zu schauen, anderen Menschen gegenüberstellen und deren Aura auf sich wirken lassen. Dann mögen die Seher sagen, welche Gedanken, Empfindungen und so weiter sie als Aura bei den beobachteten Menschen schauen. Wenn dann ihre Angaben untereinander übereinstimmen und wenn sich herausstellt, daß die beobachteten Menschen wirklich die von den Sehern angegebenen Empfindungen, Gedanken und so weiter gehabt haben, dann wolle man an das Vorhandensein der Aura glauben. Das ist gewiß ganz naturwissenschaftlich gedacht. Allein, es kommt das Folgende in Betracht: Die Arbeit des Geistesforschers an der eigenen Seele, die ihm die Fähigkeit des geistigen Schauens gibt, geht dahin, eben diese Fähigkeit zu erwerben. Ob er dann in einem einzelnen Falle etwas in der geistigen Welt wahrnimmt und was er wahrnimmt, das hängt nicht von ihm ab. Das fließt ihm zu als eine Gabe aus der geistigen Welt. Er kann sie nicht erzwingen, er muß warten, bis sie ihm wird. Seine Absicht, die Wahrnehmung herbeizuführen, kann nie zu den Ursachen des Eintreffens dieser Wahrnehmung gehören. Gerade diese Absicht aber fordert die naturwissenschaftliche Vorstellungsart für das Experiment. Die geistige Welt aber läßt sich nicht befehlen. Sollte der Versuch zustande kommen, so müßte er von der geistigen Welt aus angestellt werden. In dieser müßte ein Wesen die Absicht haben, die Gedanken eines oder mehrerer Menschen einem oder mehreren Sehern zu offenbaren. Diese Seher müßten dann durch «geistigen Antrieb» zur Beobachtung zusammengeführt werden. Dann würden ihre Angaben ganz gewiß miteinander stimmen. So paradox dies alles für das rein naturwissenschaftliche Denken erscheinen mag: es ist doch so. Geistige «Experimente» können nicht wie physische zustande kommen. Wenn der Seher zum Beispiel den Besuch einer ihm fremden Person erhält, so kann er nicht ohne weiteres sich «vornehmen», die Aura dieser Person zu beobachten. Aber er schaut die Aura, wenn innerhalb der geistigen Welt Veranlassung ist, daß sie sich ihm enthüllt. - Mit diesen wenigen Worten soll nur auf das Mißverständliche des oben angedeuteten Einwurfes hingewiesen werden. Was die Geisteswissenschaft zu erfüllen hat, ist, anzugeben, auf welchem Wege der Mensch zum Schauen der Aura kommt; auf welchem Wege er sich also selbst die Erfahrung von ihrem Vorhandensein verschaffen kann. Es kann also die Wissenschaft dem, der erkennen will, nur erwidern: wende die Bedingungen des Schauens auf deine eigene Seele an, und du wirst schauen. Die obige Forderung der naturwissenschaftlichen Vorstellungsart erfüllt zu sehen, wäre allerdings bequemer; allein, wer sie stellt, zeigt, daß er sich nicht von den allerersten Ergebnissen der Geisteswissenschaft wirklich unterrichtet hat. "

42b Die grundsätzliche Fruchtbarkeit eines solchen Ansatzes: Verstärkung der Kraft des Denkens zu methodischen Zwecken zeigt eine Wissenschaftsnotiz von Spiegel-Online vom 09. Juni 2005 unter dem Titel: Trainierter Geist. Meditierende Mönche erleuchten Forscher. Dort war zu lesen, daß sich Wahrnehmungsforscher meditationserfahrener tibetanischer Mönche bedient hatten, um einige strittige Fragen der Wahrnehmungstheorie zu klären, und dabei zu unerwarteten Resultaten kamen. Aufschlußreich an dieser Untersuchung war, daß die Mönche in der Lage waren, spezielle Wahrnehmungsphänomene in einer Weise willkürlich zu beeinflussen, die dem Untrainierten nicht gelingt. Möglich wurde die Zusammenarbeit mit den Mönchen durch Vermittlung des Dalei Lama. Das eigentlich Bedeutsame an dem Umstand, daß amerikanische Forscher weit reisen, um in Klöstern mit Mönchen Wahrnehmungstheorien zu überprüfen, ist weniger das Resultat im einzelnen, sondern vielmehr die Tatsache, daß Wissenschaftler in größerem Stil den trainierten und nicht nur den gewöhnlichen Geist untersuchen, um näheres über Bewußtsein und Hirnfunktionen herauszufinden.

Siehe hierzu auch den Originalbericht einer Forschungsgruppe: Meditation alters perceptual rivalry in Tibetan Buddhist monks, By O.L. Carter, D.E. Presti, C. Callistemon, Y. Ungerer, G.B. Liu, and J.D. Pettigrew unter  www.current-biology.com/7 June 2005

43 Von Seelenrätseln, GA 21, 1976, Kap. 8., Ein oft erhobener Einwand gegen die Anthroposophie, S. 171.

Ende Anmerkungen


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