Studien zur Anthroposophie
Michael Muschalle
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Michael Muschalle
Rudolf Steiners Begriff der
Denk-Beobachtung
(Stand 05.12.06)
Über diesen Aufsatz
Der Aufsatz erschien unter dem Titel
Ausnahmezustand und Spaltung der Persönlichkeit erstmalig im
Jahrbuch für Anthroposophische Kritik 1999, herausgegeben von
Lorenzo Ravagli. Er wurde für die Publikation auf dieser Homepage an
verschiedenen Stellen überarbeitet. Hinzugefügt wurde (Kapitel
6.4) eine kritische Besprechung der Ausführungen Georg Kühlewinds
zu dieser Thematik in seinem Buch Bewußtseinsstufen, 1993, sowie
Kapitel 9.1. Das Kapitel 9.1 erschien als Einzelpublikation in tschechischer
Übersetzung in der Zeitschrift Anthroposofické Rozhledy
(Anthroposophische Rundschau) Bd. 1, 2002.
Inhaltlicher Schwerpunkt der Arbeit ist Steiners Behauptung von der
>Unbeobachtbarkeit des gegenwärtigen Denkens< im dritten Kapitel
seiner Philosophie der Freiheit von 1894. Es wird versucht, den
methodologischen Gehalt dieses Ausdrucks sowie seine
psychologisch-philosophischen Implikationen zu erhellen. Das geschieht auf
vier Ebenen:
- Erstens durch eine inhaltliche Analyse der entsprechenden Steinerschen
Textstellen.
- Zweitens durch eine kritische Sichtung der anthroposophischen
Sekundärliteratur.
- Drittens durch den Rekurs auf die Denk-Psychologie der Jahrhundertwende
19./20. Jh. .
- Viertens durch Einbeziehung wissenschaftphilosophischer Überlegungen
zum Thema "Basissätze".
Fazit:
- Steiners Ausdruck von der Unbeobachtbarkeit des gegenwärtigen Denkens
liegt eine Unterscheidung zwischen Erfahrung bzw. Erleben
und Beobachtung des Denkens zugrunde. Danach ist das gegenwärtige
Denken zwar erfahrbar respektive erlebbar, aber prinzipiell nicht beobachtbar.
- Die anthroposophische Sekundärliteratur wird überwiegend von
verworrenen oder abwegigen Ansichten über diese Unbeobachtbarkeit
beherrscht. Der Grund dafür: Bisher gibt es von dieser Seite keine einzige
solide textanalytisch ausgerichtete Untersuchung zu diesem Thema. Vorherrschend
sind unabgesicherte subjektive Übezeugungen der Interpreten.
- Zwischen der Denkpsychologie und Steiner gibt es keine grundsätzlichen
Differenzen hinsichtlich der Unbeobachtbarkeit des gegenwärtigen Denkens.
- Die unmittelbare Erfahrung des Denkens ist eine reine Erfahrung
im Sinne der Steinerschen Schrift Grundlinien einer Erkenntnistheorie
der Goetheschen Weltanschauung von 1886. Das heißt: sie ist
begriffslos oder theoriefrei.
*
Zum Glück gibt es inzwischen auch Erfreuliches zu diesem Gegenstand
zu berichten. Zu den ganz wenigen anthroposophischen Publikationen, die sich
des Themas Beobachtung des Denkens weitgehend adaequat und sachlich zutreffend
annehmen gehört die jüngste Schrift von Renatus Ziegler, Intuition
und Ich-Erfahrung, Stuttgart 2006. Was Ziegler dort über diese
Beobachtung ausführt deckt sich sachlich über weite Strecken mit
dem hier Vorgebrachten. Über manches Interpretationsdetail hinsichtlich
dieser Beobachtung in Steiners Philosophie der Freiheit wird noch
weiter zu diskutieren sein. Was letztlich aber auch die außerordentliche
Herausforderung unterstreicht, die Steiners Schrift für den Leser und
Interpreten darstellt. Insgesamt läßt sich sagen, daß Ziegler
die entscheidenden Aspekte der Steinerschen Begrifflichkeit von Denk-Beobachtung
insoweit sachlich akzeptabel behandelt, daß sich auf jeden Fall damit
brauchbar arbeiten läßt und keine katastrophalen Entgleisungen
zu befürchten sind, wenn man sich an dem orientiert, was er ausführt.
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