Studien zur Anthroposophie

Michael Muschalle


Ende Inhalt Gesamtinhalt Home

Michael Muschalle

Zum Wirklichkeitsbegriff Rudolf Steiners

(Stand 26. 01. 04)

Anmerkungen

1 Siehe: Werner Firgau, Thomas S. Kuhn und die Erzeugung der Wirklichkeit. Anmerkungen zu Michael Muschalles Aufsatz im Jahrbuch 1996, in Jb. f. anthroposophische Kritik 1997, S. 186-189.

2 Werner Firgau, a.a.O., S. 188.

3 Wilfried Gabriel, Personale Pädagogik in der Informationsgesellschaft, Peter Lang, Europäischer Verlag der Wissenschaften, Bd. 240, S. 169.

3a Hierzu ist allerdings zu bemerken, daß Steiner sich zumeist - vor allem im Kapitel Goethes Erkenntnistheorie S. 143 ff - gegen sehr spezielle Varianten einer Abbildungstheorie des Erkennens wendet. Und zwar einerseits gegen solche, die im Erkennen ein Abbilden von außerhalb des Bewußtseins gelegenen Seinsverhältnissen sieht. Dann gegen solche, die im engeren Sinne im Begriff ein zusammenfassendes Abbild der sinnlichen Seinswirklichkeit sehen, also eine spezifische Theorie des Begriffs voraussetzen.

Nachfolgend einige prägnante Beispiele die Steiners Auseinandersetzung mit einer Abbildtheorie des Erkennens deutlich machen:

  • a) "Wir wollen den selbsteigenen Charakter der Gedankenwelt untersuchen, um zu erfahren, wie ein Gedanke von dem andern abhängt; wie die Gedanken zueinander stehen. Daraus erst werden sich uns die Mittel ergeben, Aufschluß über die Frage zu gewinnen: Was ist überhaupt Erkennen? Oder mit anderen Worten: Was heißt es, sich Gedanken über die Wirklichkeit zu machen; was heißt es, sich durch Denken mit der Welt auseinandersetzen zu wollen? Wir müssen uns da von jeder vorgefaßten Meinung frei erhalten. Eine solche aber wäre es, wenn wir voraussetzen wollten, der Begriff (Gedanke) sei das Bild innerhalb unseres Bewußtseins, durch das wir Aufschluß über einen außerhalb desselben liegenden Gegenstand gewinnen. Von dieser und ähnlichen Voraussetzungen ist an diesem Orte nicht die Rede. Wir nehmen die Gedanken, wie wir sie vorfinden. Ob sie zu irgend etwas anderem eine Beziehung haben und was für eine, das wollen wir eben untersuchen. Wir dürfen es daher nicht hier als Ausgangspunkt hinstellen. Gerade die angedeutete Ansicht über das Verhältnis von Begriff und Gegenstand ist sehr häufig. Man definiert ja oft den Begriff als das geistige Gegenbild eines außerhalb des Geistes liegenden Gegenstandes. Die Begriffe sollen die Dinge abbilden, uns eine getreue Photographie derselben vermitteln. Man denkt oft, wenn man vom Denken spricht, überhaupt nur an dieses vorausgesetzte Verhältnis. Fast nie trachtet man danach, das Reich der Gedanken innerhalb seines eigenen Gebietes einmal zu durchwandern, um zu sehen, was sich hier ergibt. Wir wollen dieses Reich hier in der Weise untersuchen, als ob es außerhalb der Grenzen desselben überhaupt nichts mehr gäbe, als ob das Denken alle Wirklichkeit wäre. Wir sehen für einige Zeit von der ganzen übrigen Welt ab." (GA-2, 1979, S. 54 f)

  • b) "Volkelt tut in der Tat etwas sehr Unstatthaftes, wenn er erst behauptet: wir müssen festhalten, was uns in unmittelbarer Erfahrung gegeben ist, und dann die Voraussetzung, die nicht gegeben sein kann, macht, daß die Erfahrungswelt Vorstellungswelt ist. Wenn wir eine solche Voraussetzung machen wie es die Volkeltsche ist, dann sind wir sofort zur oben gekennzeichneten falschen Fragestellung in der Erkenntnistheorie gezwungen. Sind unsere Wahrnehmungen Vorstellungen, dann ist unser gesamtes Wissen Vorstellungswissen und es entsteht die Frage: Wie ist eine Übereinstimmung der Vorstellung mit dem Gegenstande möglich, den wir vorstellen?" (Goethes Erkenntnistheorie = GA-1, 1973, S. 146 f)

  • c) "Wie aber, wenn sich der Begriff der Erkenntnis, den Kant und seine Anhänger haben, und von dem sie fragen, ob er möglich ist oder nicht, selbst als durchaus unhaltbar erwiese, wenn er vor einer eindringenden Kritik nicht standhalten könnte? Wenn unser Erkenntnisprozeß etwas ganz anderes wäre als das von Kant Definierte? Dann wäre die ganze Arbeit nichtig. Kant hat den landläufigen Begriff des Erkennens angenommen und nach seiner Möglichkeit gefragt. Nach diesem Begriffe soll das Erkennen in einem Abbilden von außer dem Bewußtsein stehenden, an sich bestehenden Seinsverhältnissen bestehen. Man wird aber so lange über die Möglichkeit der Erkenntnis nichts ausmachen können, als man nicht die Frage nach dem Was des Erkennens selbst beantwortet hat. Damit wird die Frage: Was ist das Erkennen? zur ersten der Erkenntnistheorie gemacht." (Goethes Erkenntnistheorie. = GA-1, 1973, S. 143)

  • d) "Es kommt alles darauf an, wie man sich das Verhältnis von Idee und sinnenfälliger Wirklichkeit denkt. Unter der letzteren will ich hier die Gesamtheit der durch die Sinne dem Menschen vermittelten Anschauungen verstehen. Da ist die am weitesten verbreitete Ansicht die, daß der Begriff bloß ein dem Bewußtsein angehöriges Mittel sei, durch das es sich der Daten der Wirklichkeit bemächtigt. Das Wesen der Wirklichkeit liegt im Ansich der Dinge selbst, so daß, wenn wir wirklich imstande wären, auf den Urgrund der Dinge zu kommen, wir uns doch nur des begrifflichen Abbildes desselben und keineswegs seiner selbst bemächtigen könnten. Da sind also zwei ganz getrennte Welten vorausgesetzt. Die objektive Außenwelt, die ihr Wesen, die Gründe ihres Daseins in sich trägt und die subjektiv-ideale Innenwelt, die ein begriffliches Abbild der Außenwelt sein soll. Die letztere ist für das Objektive ganz gleichgültig, sie wird von ihm nicht gefordert, sie ist nur für den erkennenden Menschen da. Die Kongruenz dieser beiden Welten würde das erkenntnistheoretische Ideal dieser Grundansicht sein. Ich rechne zur letzteren nicht nur die naturwissenschaftliche Richtung unserer Zeit, sondern auch die Philosophie Kants, Schopenhauers und der Neukantianer und nicht weniger die letzte Phase der Philosophie Schellings. Alle diese Richtungen stimmen darin überein, daß sie die Essenz der Welt in einem Transsubjektiven suchen und von ihrem Standpunkte aus zugeben müssen, daß die subjektiv-ideale Welt, die ihnen deshalb auch bloße Vorstellungswelt ist, nichts für die Wirklichkeit selbst, sondern einzig und allein etwas für das menschliche Bewußtsein bedeutet. Ich habe bereits angedeutet, daß diese Ansicht zu der Konsequenz einer vollkommenen Kongruenz von Begriff (Idee) und Anschauung führt. Was sich in der letzteren vorfindet, müßte in ihrem begrifflichen Gegenbilde wieder enthalten sein, nur in ideeller Form. Hinsichtlich des Inhaltes müßten sich die beiden Welten vollständig decken. Die Verhältnisse der räumlich-zeitlichen Wirklichkeit müßten sich genau in der Idee wiederholen; nur daß statt der wahrgenommenen Ausdehnung, Gestalt, Farbe usw. die entsprechende Vorstellung vorhanden sein müßte. Wenn ich z. B. ein Dreieck sehe, so müßte ich seine Umrisse, die Größe, Richtung seiner Seiten usw. im Gedanken verfolgen und mir eine begriffliche Photographie verfertigen. Bei einem zweiten Dreiecke müßte ich genau dasselbe machen und so bei jedem Gegenstande der äußeren und inneren Sinnenwelt. Es würde sich so jedes Ding seinem Orte, seinen Eigenschaften nach genau in meinem idealen Weltbilde wiederfinden. Wir müssen uns nun fragen: Entspricht diese Konsequenz den Tatsachen? Ganz und gar nicht. Mein Begriff des Dreieckes ist ein einziger, der alle einzelnen, angeschauten Dreiecke umfaßt; und ich mag ihn noch so oft vorstellen, er bleibt immer derselbe. Meine verschiedenen Vorstellungen des Dreieckes sind alle miteinander identisch. Ich habe überhaupt nur einen Begriff des Dreieckes." (Goethes Erkenntnistheorie. = GA-1, 1973, S. 150ff)

  • e) "Damit haben wir der transzendenten Weltansicht Lockes, Kants, des späteren Schelling, Schopenhauers, Volkelts, der Neukantianer und der modernen Naturforscher eine wahrhaft immanente gegenübergestellt. Jene suchen den Weltgrund in einem dem Bewußtsein Fremden, Jenseitigen, die immanente Philosophie in dem, was für die Vernunft zur Erscheinung kommt. Die transzendente Weltansicht betrachtet die begriffliche Erkenntnis als Bild der Welt, die immanente als die höchste Erscheinungsform derselben. Jene kann daher nur eine formale Erkenntnistheorie liefern, die sich auf die Frage gründet: Welches ist das Verhältnis von Denken und Sein? Diese stellt an die Spitze ihrer Erkenntnistheorie die Frage: Was ist Erkennen? Jene geht von dem Vorurteil einer essentiellen Differenz von Denken und Sein aus, diese geht vorurteilslos auf das allein Gewisse, das Denken, los und weiß, daß sie außer dem Denken kein Sein finden kann." (Goethes Erkenntnistheorie. = GA-1, 1973, S. 157)

  • f) "Erkennen ist nicht ein Abbilden eines Wesenhaften, sondern ein Sich-hinein-Leben der Seele in dieses Wesenhafte. Innerhalb des Bewußtseins vollzieht sich das Fortschreiten von der noch unwesenhaften Sinnenwelt zu dem Wesenhaften derselben. So ist die Sinnenwelt nur so lange Erscheinung (Phänomen), als das Bewußtsein mit ihr noch nicht fertig geworden ist." (Mein Lebensgang, GA-28, 1962, S. 245)

  • g) "Auf diese Einsicht blickend, wiederholte ich bei jeder Gelegenheit, bei der es angebracht war: der Mensch ist nicht das Wesen, das für sich den Inhalt der Erkenntnis schafft, sondern er gibt mit seiner Seele den Schauplatz her, auf dem die Welt ihr Dasein und Werden zum Teil erst erlebt. Gäbe es nicht Erkenntnis, die Welt bliebe unvollendet. In solchem erkennenden Einleben in die Wirklichkeit der Welt fand ich immer mehr die Möglichkeit, dem Wesen der menschlichen Erkenntnis einen Schutz zu schaffen gegen die Ansicht, als ob der Mensch in dieser Erkenntnis ein Abbild oder dergleichen der Welt schaffe. Zum Mitschöpfer an der Welt selbst wurde er für meine Idee des Erkennens, nicht zum Nachschaffer von etwas, das auch aus der Welt wegbleiben könnte, ohne daß diese unvollendet wäre." (Mein Lebensgang, GA-28, 1962, S. 320f)

  • h) "Das naive Bewußtsein behandelt daher das Denken wie etwas, das mit den Dingen nichts zu tun hat, sondern ganz abseits von denselben steht und seine Betrachtungen über die Welt anstellt. Das Bild, das der Denker von den Er-scheinungen der Welt entwirft, gilt nicht als etwas, was zu den Dingen gehört, sondern als ein nur im Kopfe des Men-schen existierendes; die Welt ist auch fertig ohne dieses Bild. Die Welt ist fix und fertig in allen ihren Substanzen und Kräften; und von dieser fertigen Welt entwirft der Mensch ein Bild. Die so denken, muß man nur fragen: mit welchem Rechte erklärt ihr die Welt für fertig, ohne das Denken? Bringt nicht mit der gleichen Notwendigkeit die Welt das Denken im Kopfe des Menschen hervor, wie die Blüte an der Pflanze? " (GA-4, 1978, S. 86)

4 Auf dieses Problem einer Abbildtheorie des Erkennens macht Kant in seiner Logik aufmerksam: "Eine Hauptvollkommenheit des Erkenntnisses, ja die wesentliche und unzertrennliche Bedingung aller Vollkommenheit desselben, ist die Wahrheit", heißt es dort. "Wahrheit, sagt man, besteht in der Übereinstimmung der Erkenntnis mit dem Gegenstande. Dieser bloßen Worterklärung zufolge soll also mein Erkenntnis, um als wahr zu gelten, mit dem Objekt übereinstimmen. Nun kann ich aber das Objekt nur mit meinem Erkenntnisse vergleichen, dadurch, daß ich es erkenne. Meine Erkenntnis soll sich also selbst bestätigen, welches aber zur Wahrheit noch lange nicht hinreichend ist. Denn da das Objekt außer mir und die Erkenntnis in mir ist: so kann ich immer doch nur beurteilen: ob meine Erkenntnis vom Objekt mit meiner Erkenntnis vom Objekt übereinstimme. Einen solchen Zirkel im Erklären nannten die Alten Diallele. Und wirklich wurde dieser Fehler auch immer den Logikern von den Skeptikern vorgeworfen, welche bemerkten: es verhalte sich mit jener Erklärung der Wahrheit eben so, wie wenn jemand vor Gericht eine Aussage tue und sich dabei auf einen Zeugen berufe, den niemand kenne, der sich aber dadurch glaubwürdig machen wolle, daß er behaupte, der, welcher ihn zum Zeugen aufgerufen, sei ein ehrlicher Mann." Immanuel Kant, Schriften zur Metaphysik und Logik 2, Herausgegeben von Wilhelm Weischedel, Taschenbuchausgabe Suhrkamp Verlag, Hamburg 1977, A 70.

Man kann die Auffassung Kants allerdings nicht generalisieren und seine Übertragung auf Steiners Wirklichkeitsauffassung scheint mir ausgeschlossen, denn Kant postuliert ja eine grundsätzliche Schranke zwischen dem An Sich der Dinge und dem menschlichen Erkenntnisvermögen. In diesem Falle ist eine Abbildung von Grund auf nicht möglich. Nach Steiner ist die Wirklichkeit aber generell zugänglich und von daher im Prinzip auch abbildbar. Für Steiner würde die Frage lauten: Wie können wir die offenbarte Wirklichkeit mit ihrer unoffenbarten Form vergleichen. In unoffenbarter Form liegt Wirklichkeit nach Steiner als Wahrnehmung und Begriff vor. Wir bräuchten danach einerseits ein Vergleichskriterium für die wahrnehmliche Seite der Wirklichkeit und eines für ihre begriffliche Seite - etwas verkürzt: ein Korrespondenzkriterium und ein Kohärenzkriterium. Einen vielleicht gangbaren Weg in dieser wahrheitstheoretischen Frage skizziert Herbert Witzenmann, Das Universalienproblem und der Erkenntnisprozeß, in: Herbert Witzenmann, Die Kategorienlehre Rudolf Steiners, Krefeld 1994, S. 99 ff.

5 Siehe etwa Die Philosophie der Freiheit, GA-4,1978, Kap. V, Das Erkennen der Welt. Insbesondere auch in derselben Schrift den ersten Zusatz zur Neuauflage von 1918, wo sich Steiner auf S. 262 f mit dem Hartmannschen Vorwurf des absoluten Illusionismus auseinandersetzt.

In den "Rätseln der Philosophie",GA-18, 1968, siehe insbes. Das Kapitel "Die Welt als Illusion", Bd. 2, S. 422 ff.

Siehe zu dieser Sicht des Erkennens auch Eduard von Hartmann, Das Grundproblem der Erkenntnistheorie. Eine phänomenologische Durchwanderung der möglichen erkenntnistheoretischen Standpunkte. Leipzig, 1889, Kap. II., Der Transcendentale Idealismus.

6 Siehe Thomas S. Kuhn, Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen, 2Frankfurt 1976, S. 137 ff.

7 Verleiche: Eduard von Hartmann, Das Grundproblem der Erkenntnistheorie. Eine phänomenologische Durchwanderung der möglichen erkenntnistheoretischen Standpunkte. Leipzig, 1889, insbes. S 45 ff.

8 Vergleiche hierzu: Paul Hoyningen-Huene, Die Wissenschaftsphilosophie Thomas S. Kuhns, Braunschweig 1989, Insbesondere dort das Kapitel 2, Der Weltbegriff, S. 41 ff.

9 Grundlinien ..., GA-2, 1979, Kap. 17, S. 115.

10 Grundlinien ..., a.a.O., S. 77.

11 Goethes Naturwissenschaftliche Schriften, GA-1, 1973, S. 156.

12 Die Philosophie der Freiheit, GA-4, 1978, S. 88.

13 Siehe etwa Die Philosophie der Freiheit, GA-4, 1978, Kap. V, Das Erkennen der Welt. Insbesondere auch in derselben Schrift den ersten Zusatz zur Neuauflage von 1918, wo sich Steiner auf S. 262 f mit dem Hartmannschen Vorwurf des absoluten Illusionismus auseinandersetzt.

In den "Rätseln der Philosophie", GA-18, 1968, siehe insbes. Das Kapitel "Die Welt als Illusion", Bd. 2, S. 422 ff.

Siehe auch Steiners Aufsatz, Die Geisteswissenschaft als Anthroposophie und die zeitgenössische Erkenntnistheorie, in GA-35, 1984, S. 307 ff.

14 Goethes naturwissenschaftliche Schriften, GA-1, 1973, Kap. IX, Goethes Erkenntnistheorie, S. 150.

15 Siehe etwa Eduard von Hartmann, Das Grundproblem der Erkenntnistheorie. Eine phänomenologische Durchwanderung der möglichen erkenntnistheoretischen Standpunkte. Leipzig, 1889.

16 Vergl. Rudolf Steiner, Wahrheit und Wissenschaft, GA-3, 1980, S. 40 ff, insbes. S. 45.

17 Wahrheit und Wissenschaft, GA-3, 1980 S. 50.

18 Die Philosophie der Freiheit, GA-4, 1978 S. 52.

19 Grundlinien ..., GA-2, 1979, S. 84 f.

20 Siehe Goethes Naturwissenschaftliche Schriften, GA-1, 1973, Kap.IX, Goethes Erkenntnistheorie, S. 144 ff.

21 Ich wähle den Ausdruck "Grundstruktur" ganz bewußt auch in Anlehnung an die Begrifflichkeit Herbert Witzenmanns. Siehe hierzu Herbert Witzenmann, Strukturphänomenologie. Dornach 1983, insbes. S. 13 ff.

22 Steiners erkenntnistheoretische Grundfrage lautet: "Was ist Erkenntnis?" und als Resultat zeigt sich, was wir tun, wenn wir erkennen - gewissermaßen eine methodische Grundstruktur. Siehe Steiners Anmerkung zu S. 27 der "Grundlinien ...": "Man sieht aus der ganzen Haltung dieser Erkenntnistheorie, daß es bei ihren Auseinandersetzungen darauf ankommt, eine Antwort auf die Frage zu gewinnen: Was ist Erkenntnis?" = GA-2, 1979, S. 137.

23 Siehe hierzu die Anmerkung Steiners zu Seite 27 der "Grundlinien ..." GA-2, 1979, S. 137 f.

24 Siehe "Grundlinien ...", GA-2, 1979, S. 138, Anmerkung zu S. 27.

25 Siehe "Grundlinien ..." GA-2, 1979, S. 55. ; S. 57. Ff.

26 Siehe etwa GA-1, 1973, Kap. Goethes Erkenntnis-Art, S. 125 f. "Wer dem Denken seine über die Sinnesauffassung hinausgehende Wahrnehmungsfähigkeit zuerkennt, der muß ihm notgedrungen auch Objekte zuerkennen, die über die bloße sinnenfällige Wirklichkeit hinaus liegen. Die Objekte des Denkens sind aber die Ideen. Indem sich das Denken der Idee bemächtigt, verschmilzt es mit dem Urgrunde des Weltendaseins; das, was außen wirkt, tritt in den Geist des Menschen ein: er wird mit der objektiven Wirklichkeit auf ihrer höchsten Potenz eins. Das Gewahrwerden der Idee in der Wirklichkeit ist die wahre Kommunion des Menschen.

Das Denken hat den Ideen gegenüber dieselbe Bedeutung wie das Auge dem Lichte, das Ohr dem Ton gegenüber. Es ist Organ der Auffassung.

Diese Ansicht ist in der Lage, zwei Dinge zu vereinigen, die man heute für völlig unvereinbar hält: empirische Methode und Idealismus als wissenschaftliche Weltansicht. Man glaubt, die Anerkennung der ersteren habe die Abweisung des letzteren im Gefolge. Das ist durchaus nicht richtig. Wenn man freilich die Sinne für die einzigen Auffassungsorgane einer objektiven Wirklichkeit hält, so muß man zu dieser Ansicht kommen. Denn die Sinne liefern bloß solche Zusammenhänge der Dinge, die sich auf mechanische Gesetze zurückführen lassen. Und damit wäre die mechanische Weltansicht als die einzig wahre Gestalt einer solchen gegeben. Dabei begeht man den Fehler, daß man die andern ebenso objektiven Bestandteile der Wirklichkeit, die sich auf mechanische Gesetze nicht zurückführen lassen, einfach übersieht. Das objektiv Gegebene deckt sich durchaus nicht mit dem sinnlich Gegebenen, wie die mechanische Weltauffassung glaubt. Das letztere ist nur die Hälfte des Gegebenen. Die andere Hälfte desselben sind die Ideen, die ebenso Gegenstand der Erfahrung sind, freilich einer höheren, deren Organ das Denken ist. Auch die Ideen sind für eine induktive Methode erreichbar."

27 Siehe Herbert Witzenmann, Die Voraussetzungslosigkeit der Anthroposophie, Stuttgart 1986, S. 143. Ebenso Herbert Witzenmann, Gesetz und Metamorphose. Moses und Goethe, in ders.: Die Kategorienlehre Rudolf Steiners, Krefeld 1994, S. 137 ff.

28 Die Philosophie der Freiheit, GA-4, 1978, S. 95 f.

29 Grundlinien ..., GA-2, 1979, S. 136 f.

30 GA-1, 1973, Kap. X,5, Ethische und historische Wissenschaften, S. 196.

31 Siehe etwa die "Philosophie der Freiheit", GA-4, 1978, S. 85 f.: "Den Grund, warum das Denken bei der Betrachtung der Dinge zumeist übersehen wird, haben wir bereits angegeben (vergleiche Seite 42 f.). Er liegt in dem Umstande, daß wir nur auf den Gegenstand, über den wir denken, nicht aber zugleich auf das Denken unsere Aufmerksamkeit richten. Das naive Bewußtsein behandelt daher das Denken wie etwas, das mit den Dingen nichts zu tun hat, sondern ganz abseits von denselben steht und seine Betrachtungen über die Welt anstellt. Das Bild, das der Denker von den Erscheinungen der Welt entwirft, gilt nicht als etwas, was zu den Dingen gehört, sondern als ein nur im Kopfe des Menschen existierendes; die Welt ist auch fertig ohne dieses Bild. Die Welt ist fix und fertig in allen ihren Substanzen und Kräften; und von dieser fertigen Welt entwirft der Mensch ein Bild. Die so denken, muß man nur fragen: mit welchem Rechte erklärt ihr die Welt für fertig, ohne das Denken? Bringt nicht mit der gleichen Notwendigkeit die Welt das Denken im Kopfe des Menschen hervor, wie die Blüte an der Pflanze? Pflanzet ein Samenkorn in den Boden. Es treibt Wurzel und Stengel. Es entfaltet sich zu Blättern und Blüten. Stellet die Pflanze euch selbst gegenüber. Sie verbindet sich in eurer Seele mit einem bestimmten Begriffe. Warum gehört dieser Begriff weniger zur ganzen Pflanze als Blatt und Blüte? Ihr saget: die Blätter und Blüten sind ohne ein wahrnehmendes Subjekt da; der Begriff erscheint erst, wenn sich der Mensch der Pflanze gegenüberstellt. Ganz wohl. Aber auch Blüten und Blätter entstehen an der Pflanze nur, wenn Erde da ist, in die der Keim gelegt werden kann, wenn Licht und Luft da sind, in denen sich Blätter und Blüten entfalten können. Gerade so entsteht der Begriff der Pflanze, wenn ein denkendes Bewußtsein an die Pflanze herantritt.

Es ist ganz willkürlich, die Summe dessen, was wir von einem Dinge durch die bloße Wahrnehmung erfahren, für eine Totalität, für ein Ganzes zu halten, und dasjenige, was sich durch die denkende Betrachtung ergibt, als ein solches Hinzugekommenes, das mit der Sache selbst nichts zu tun habe."

32 Die Philosophie der Freiheit, GA-4, 1978, S. 33 f.

33 Grundlinien ... a.a.O., S. 115.

34 GA-28, 1962, S. 320f.

35 Wahrheit und Wissenschaft , GA-3, 1980, S. 11.

36 Grundlinien ... a.a.O., S. 136.

37 Herbert Witzenmann, Gesetz und Metamorphose. Moses und Goethe, in: Herbert Witzenmann, Die Kategorienlehre Rudolf Steiners, Krefeld 1994, S. 136 f

38 Grundlinien ... a.a.O., S. 137.

39 Wahrheit und Wissenschaft, GA-3, 1980, S. 70.

40 GA-1, 1973, S. 149.

41 GA-2, 1979, S. 95.

42 Grundlinien , GA-2, 1979, S. 136.

43 Herbert Witzenmann deutet den Ausdruck "diese Wirklichkeit" in einem ganz allgemeinen Sinne und gibt das Steinerzitat auch anders, vom Sinngehalt her etwas geglättet wieder so daß die zweite Lesart gewissermaßen darin gelöscht ist: "«Alles dies setzt doch voraus, daß die Wirklichkeit irgendwo außer dem Erkennen vorhanden sei, und in dem Erkennen eine menschliche, abbildliche Darstellung dieser Wirklichkeit sich ergeben soll, oder auch sich nicht ergeben kann. Daß die Wirklichkeit durch das Erkennen nicht gefunden werden kann, weil sie als Wirklichkeit im Erkennen erst geschaffen wird, das wird kaum irgendwo empfunden»." Herbert Witzenmann, Die Voraussetzungslosigkeit der Anthroposophie, 2, Stuttgart 1986, S. 61.

44 Herbert Witzenmann, Die Voraussetzungslosigkeit der Anthroposophie, 2, Stuttgart 1986, S. 61.

Die erwähnte frühere Auflage erschien unter dem Titel: Herbert Witzenmann, Die Voraussetzungslosigkeit der Anthroposophie, Beiträge zur Anthroposophischen Arbeit. Herausgegeben von der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland, Arbeitszentrum München, München 1958. Das fragliche Zitat findet sich dort auf S. 42.

45 Wahrheit und Wissenschaft , GA-3, 1980, S. 9.

45a Typisches Beispiel einer Gedankenfigur, die als Verbindung von rein philosophischen mit naturwissenschaftlichen Gedankengängen zur Konstruktion einer derartigen erkenntnisjenseitigen Wirklichkeit führte, ist die Verquickung von Kants Auffassung über das unerkennbare Ding an sich mit der Lehre von den spezifischen Sinnesenergien, die auf Johannes Müller zurückgeht. Sie wirkt teilweise bis in die Gegenwart fort - etwa im radikalen Konstruktivismus. Steiner nimmt immer wieder darauf Bezug. So in Wahrheit und Wissenschaft (GA-3, 1980, S. 41), in der Philosophie der Freiheit (GA-4, 1978, S. 71), und in Die Rätsel der Philosophie (GA-18, 1968, S. 422 ff).

46 Eduard von Hartmann, Das Grundproblem der Erkenntnistheorie. Eine phänomenologische Durchwanderung der möglichen erkenntnistheoretischen Standpunkte. Leipzig, 1889, insbes. SS 45 ff.

47 Eduard von Hartmann, Das Grundproblem der Erkenntnistheorie a.a.O., S. 45 f. Wo im obigen "Erkenntnis" steht, schreibt von Hartmann "Bewußtsein".

48 Eduard von Hartmann, Das Grundproblem der Erkenntnistheorie a.a.O., S. 51.

49 Goethes Naturwissenschaftliche Schriften, Kap IX, Goethes Erkenntnistheorie, GA-1, 1973, S. 149.

50 Die Philosophie der Freiheit , GA-4, 1978, S. 48 f.

51 Die Rätsel der Philosophie, GA-18, 1968, S. 596 f.

52 Die Rätsel der Philosophie ,GA-18, 1968, S. 602.

53 Marcelo da Veiga Greuel ,Wirklichkeit und Freiheit. Die Bedeutung Johann Gottlieb Fichtes für das philosophische Denken Rudolf Steiners. Gideon Spicker Verlag, Dornach 1990, S. 62.

54 Marcelo da Veiga Greuel, a.a.O., S. 62

55 Herbert Witzenmann, Intuition und Beobachtung, Teil 2, Stuttgart 1978, S. 19f.

56 Herbert Witzenmann, Das Universalienproblem und der Erkenntnisprozeß. In: Herbert Witzenmann, Die Kategorienlehre Rudolf Steiners, Krefeld 1994, S. 90.

57 Herbert Witzenmann, Die Voraussetzungslosigkeit der Anthroposophie, 2, Stuttgart 1986, S. 61.

58 Wilfried Gabriel, Wilfried Gabriel, Personale Pädagogik in der Informationsgesellschaft. Berufliche Bildung, Selbstbildung und Selbstorganisation in der Pädagogik Rudolf Steiners. Peter Lang, Europäischer Verlag der Wissenschaften, Bd 240, S. 190.

59 Siehe auch Marcelo da Veiga Greuel, a.a.O., S. 20. Wenn dieser über Fichtes und Steiners Wirklichkeitsauffassung schreibt: "Sie bekämpfen, wie noch im näheren zu zeigen sein wird, die Vorstellung einer Wirklichkeit an sich, die auf das Bewußtsein einwirkt und in diesem die Vorstellungen von den Dingen erzeugt, vor allem durch die Entwicklung eines vorbewußten Konstitutionsgeschehens, woraus sich zugleich die Ansicht ergibt, daß die Wirklichkeit ein Produkt des Erkennens ist." dann ist eine solipsistische Deutung überaus naheliegend.

59a  Steiner über das Wirklichkeitsschaffen im Erkennen in GA-78, Dornach 1968, S. 32 ff,  Vortrag vom 30.August 1921:

"Und so ergab sich gerade beim Studium Goethes die große Frage nach dem Wesen und den Wegen des menschlichen Erkennens überhaupt, und hier liegt geschichtlich - wenigstens für mich - eine der Wurzeln der Anthroposophie.

So mußte man aus den Wirkungen des Agnostizismus vom Ende des 19. Jahrhunderts heraus die Grundfrage stellen: Was geschieht denn da eigentlich im Menschen, wenn er erkennt? - Es ist offenbar diese Erkenntnis eine Tätigkeit, die er innerlich ausübt; aber es ist nicht bloß eine gleichgültige Tätigkeit. Es ist eine Tätigkeit, die ihn zusammenbringen soll mit dem Wesen der Welterscheinungen, eine Tätigkeit, durch die er sich orientieren soll, wie er mit seinem eigenen Wesen in den Welttatsachen drinnensteht. Ist Erkennen etwas, mit dem man, ich möchte sagen, nur wie das fünfte Rad am Wagen neben der äußeren Welt steht, und hat man in seinen Vorstellungen, die den Erkenntnisprozeß bilden, lediglich etwas zu finden, was Abbild der äußeren Wirklichkeit ist? Oder ist der Erkenntnisprozeß nicht so etwas bloß Formelles, mit dem man sich in die Ecke stellt, während der Weltprozeß draußen abläuft, durch das man in sich diesen Weltenprozeß spiegeln läßt, so daß es für diesen höchst gleichgültig wäre, ob der Mensch da in der Ecke steht und sich außer allem übrigen, was geschieht, auch noch das zuträgt, daß er durch sein Denken allerlei Begriffe und Ideen bildet über diesen Weltenprozeß? Mit andern Worten: Ist das Erkennen etwas bloß Formelles, etwas, was der Mensch für sich macht, oder ist das Erkennen etwas Reales? Steht der Mensch mit dem Erkennen als mit etwas Realem, mit einem realen Prozeß in dem Weltenganzen drinnen? Erlebt man, indem man erkennt, irgend etwas, was in der Welt und durch die Welt geschieht, und das sich nur wegen der besonderen Organisation der Welt nicht außerhalb, sondern im Menschen abspielt so, daß der Mensch in sich selber der Schauplatz wird für wichtige Weltenereignisse, die sich auf diesem Schauplatz abspielen? Wenn das letztere der Fall ist, dann steht der Mensch mit seiner Erkenntnis als mit einem realen Prozesse im Weltenzusammenhang drinnen. Dann ist er nicht ein Eckensteher des Daseins, dann ist gewissermaßen im Weltenprozesse auf ihn gerechnet; dann ist seine Organisation so, daß die Welt nicht vollständig wäre, wenn dasjenige, was in ihm, gewissermaßen innerhalb seiner Haut sich abspielt, nicht auch geschähe und gerade den Gipfel des Geschehens in der Welt abgäbe.

Das etwa ist die Frage, die sich herausrang in der Seele aus dem Erleben des Agnostizismus. Und da ergab sich dann, indem herangezogen wurde alles dasjenige, was im menschlichen Erkenntnisprozesse tätig ist, was diese Tätigkeit, die entweder bloß eine formale oder eine reale ist, eigentlich in sich schließt. Wenn man nun versucht, einen charakteristischen Gegensatz herauszufinden innerhalb dieser Tätigkeit, dann findet man dasjenige, was einen dann weiterbringt, was einen hineinstellt in die Möglichkeit, die Frage zu beantworten, was bei Goethe Erkennen war und was deshalb noch nicht vollkommenes Erkennen war, weil er abbrechen mußte zwischen der Pflanzenwelt und der Tierwelt. Diese Frage läßt sich nur beantworten, wenn man sich reinlich den Gegensatz zwischen dem Denken auf der einen Seite und dem Wahrnehmen auf der andern Seite vor Augen stellt. Im menschlichen inneren Erleben gibt es eigentlich keinen größeren Gegensatz als den zwischen dem Denken und dem Wahrnehmen.

In dem Denken leben wir ja so, daß wir ganz einer inneren Tätigkeit hingegeben sind. Im wirklichen Denken ist alles Aktivität in uns. Kein Gedanke kann Platz greifen in unserem Bewußtsein, ohne daß wir mit unserer ureigensten Tätigkeit an dem Entstehen und an der weiteren Entwickelung dieses Gedankens teilnehmen. Denn wenn in unserem Vorstellen ein Traum oder ein Erinnerungsbild auftauchen, dann ist das kein Denken; wir fühlen, wir sind beim Traum und Erinnerungsbild oder bei andern Bewußtseinsinhalten nicht bis zu dem vorgedrungen, was wirkliches Denken ist. Wirkliches Denken ist nur dann da, wenn wir mit unserer Aktivität ganz bei diesem Denken sind. Wir können das Denken am reinsten, am klarsten ausbilden, wenn wir ganz absehen von aller Außenwelt und uns dem sich selbst vollziehenden Denkprozeß überlassen. Da nehmen wir wahr, wie Gedanke sich aus Gedanke entwickeln kann, und wir nehmen auch wahr, wie dieses eigentümliche Hervorgehen des Gedankens aus dem Gedanken für das Innere seelisches Erleben ist.

Dem steht gegenüber dann dasjenige, was wir als Seelenerlebnis haben im Wahrnehmen, wenn wir durch unsere Augen, durch unsere Ohren, durch unsere andern Sinne der von außen gegebenen Welt gegenüberstehen. Wahrnehmung trägt in ihrer hauptsächlichsten Charakteristik den vollen Gegensatz zum Denken. Eine Wahrnehmung, bei der wir schon mit unserer Aktivität anwesend wären, wäre keine reine Wahrnehmung; in sie hätte sich schon das Denken gemischt. Eine reine Wahrnehmung ist allein diese, die wir ganz passiv erleben.

Diese zwei Gegensätze des menschlichen Seelenerlebens konnten sich einem gerade aus dem Agnostizismus heraus vor die Seele stellen. Dann aber mußte man sich die Frage vorlegen: Wie benimmt sich die menschliche Seele, indem sie in die Wahrnehmung fortwährend das Denken hineindrängt, fortwährend im Erkenntnisprozesse dasjenige, was an passiver Wahrnehmung auftaucht, mit der Aktivität des Denkens durchdringt und dann lebendig drinnensteht in dem fortwährenden Durchdringen der passiven Wahrnehmung mit dem aktiven Denken?

Gerade die Zeit des Agnostizismus - ich möchte sagen die Kulminationszeit des Agnostizismus - hat einen darauf hingewiesen, die Wahrnehmung selber, dasjenige also, was in völliger Passivität erlebt wird, in aller Reinheit sich vor die Seele zu stellen. Ich erinnere mich, wie eine Schrift auf mich einen energischen Eindruck gemacht hat, die 1884 erschienen ist von jener Persönlichkeit, die später das umfangreiche Buch geschrieben hat «Das Ganze der Philosophie und ihr Ende»; es war die Schrift «Gehirn und Bewußtsein» von Richard Wahle. Ich sah dazumal den besonderen Vorzug dieser Schrift darin, daß Richard Wahle scharf charakterisiert hat, was eigentlich der Mensch wahrnimmt, was noch dableibt, wenn man von dem Seeleninhalt alles heraussondert, was durch die Aktivität des Denkens hineingetragen ist. Gerade durch diese Schrift konnte man mit einem Wichtigen sich auseinandersetzen, mit dem, daß in dem gewöhnlichen menschlichen Seelenerleben durchaus nicht streng gesondert wird dasjenige, was wahrgenommen wird, von dem, was schon mit dem Denken durchmischt ist.

Für das gewöhnliche Bewußtsein ist es ja durchaus so, daß der Mensch von morgens, wo er aufwacht, bis zum Abend, wo er einschläft, eigentlich immer in seelischen Inhalten lebt, die das Wahrnehmen schon mit dem Denken durchmischt haben. Erst eine wirklich gründliche Analyse muß dasjenige, was passive Wahrnehmung ist, absondern von dem, was durch das Denken hineingetragen ist. Dann kommt man darauf, wie eigentlich unser Wahrnehmungsbild aussieht. Dieses Wahrnehmungsbild, man verfolge es nur, indem man, ich will sagen, nur durch fünf Minuten sich des zusammenfassenden Denkens enthält und nur registriert, was man der Reihe nach wahrnimmt. Solche Denker, wie Richard Wahle und Johannes Volkelt, haben dies getan, haben registriert, wie, sagen wir, ein Briefträger hereinkommt, einen Brief überreicht, was dann mit diesem Briefe geschieht, wie sich da Wahrnehmungsbild an Wahrnehmungsbild gegenüber dem ordnenden Denken chaotisch reiht. Dadurch aber bekommt man einen richtigen Einblick in die fortwährend vor sich gehende, nur zum geringsten Teil bewußte Tätigkeit in der Menschenseele, die darinnen besteht, fortwährend die Wahrnehmung mit dem Denken, also das passiv Angeschaute mit dem innerlich aktiv Erzeugten zu vermischen.

Nun aber stand einem dazumal aus den Früchten, die aus dem Agnostizismus aufgingen über den Erkenntnisprozeß, nichts anderes vor der Seele als dasjenige, was sich in Ausgestaltung des Kantianismus ergeben hat und was sich ferner in Ausgestaltung desjenigen gezeigt hat, was die Maxime des physiologischen Vorstellens im 19. Jahrhundert seit Johannes Müller gewesen war. Nicht anders dachte man da, als: das eigentlich Wirkliche sei da zu erforschen, wo das Draußen ist, und das Denken habe nur die Aufgabe, dieses Äußere abzubilden; man würde zu dem richtigen Denken dadurch kommen, wenn man nicht aus dem menschlichen Inneren heraus etwas in die Wahrnehmung hineintrüge, sondern wenn man das Denken nur ganz passiv dazu benützen würde, Bilder der Wirklichkeit zu schaffen. Diese Wirklichkeit aber, dachte man, sei schon, ganz abgesehen von dem Denkprozeß, von dem innerlichen Seelenprozeß, irgendwo fertig da. Solches Denken verführt ja dann dazu, zu imaginären Begriffen zu kommen, wie zum Beispiel der ist von dem bekannten oder unbekannten «Ding an sich». Zu sprechen von diesem «Ding an sich» hat nur einen Sinn, wenn man meint, irgendwo müsse an sich, abgesehen von der menschlichen Erkenntnis, die Wirklichkeit sein, und man brauche nur durch irgendwelche Prozeduren sich eben eine Erkenntnis zu verschaffen von dieser Wirklichkeit. Dann wäre der Erkenntnisprozeß eben nichts real Erlebtes, dann wäre er nur etwas formell neben dem wirklichen Geschehen und den wirklichen Dingen in der Ecke Stehendes. Demgegenüber ergab sich mir, daß das Erkennen nun tatsächlich etwas Reales ist; denn durch die Prüfung des eigentlichen Wahrnehmungsinhaltes, desjenigen also, dem wir hingegeben sind, wenn wir passiv die Außenwelt auf uns durch unsere Sinne wirken lassen, zeigte sich, daß diese Außenwelt eben nicht die Wirklichkeit enthält, sondern daß der Mensch so in die Welt hereingeboren ist, daß, wenn er nur durch seine Sinne in diese Außenwelt hineinschaut, er eben nur die Hälfte dieser Wirklichkeit, nur eine Seite der Wirklichkeit, durch seine Sinne erlebt.

Sie können in meinen Schriften bis zu dem Buche «Die Rätsel der Philosophie» überall die Versuche finden, nachzuweisen, daß dasjenige, was sinnlich für die Wahrnehmung vorliegt, eben nicht die Wirklichkeit ist; daß also dem Menschen, indem er in die Welt hereingeboren wird, mit seiner Wahrnehmung nicht die Wirklichkeit übergeben wird, und daß diese Wirklichkeit dem Menschen erst dadurch vor die Seele tritt, daß er aus seinem Inneren heraus die Aktivität des Denkens erzeugt und der unvollständigen Wirklichkeit, der einen Seite der Wirklichkeit, das andere gegenüberstellt, was zu dieser Wirklichkeit gehört, dasjenige, was ihm im Geiste zunächst als das Denken gegeben ist. Es stellt sich die Sache so, daß Wirklichkeit erst Seelenerlebnis wird, wenn der Mensch sich mit der Wahrnehmung durch sein Denken, das in seinem Geiste aufgeht, verbindet. Wirklichkeit ist etwas, was durch das Erkennen wird. Wirklichkeit ist nicht etwas, was wir suchen müssen. Wirklichkeit ist etwas, was wir erzeugen, an dem wir erzeugenden Anteil nehmen; und das Geheimnis des Menschen besteht darinnen, daß ihn, indem er geboren wird, eine Welt umgibt, die nicht volle Wirklichkeit ist, und daß er dazu geboren wird, zu dem, was sich ihm da darstellt in der äußeren sinnlichen Erscheinung, etwas hinzuzubringen, das nur in seinem Inneren aufgeht. Erst in diesem Zusammenhang, in diesem Zusammenleben desjenigen, was ihm in seinem Inneren aufgeht, mit dem, was er äußerlich wahrnimmt, lebt er sich in die Wirklichkeit hinein.

Solange wir bloß hinausschauen mit unseren Sinnen auf dasjenige, was wir außerhalb wahrnehmen können, haben wir keine Wirklichkeit vor uns. Wenn wir ringen, alles Wahrnehmbare mit demjenigen zu verbinden, was wir von einer ganz andern Seite aus den Weltenwurzeln in dieses Dasein hineintragen, wenn wir ringen mit dem, was zunächst in unserem Denken aufgeht, und wenn wir in unserer eigenen aktiven Erkenntnistätigkeit diese zwei Seiten der Wirklichkeit miteinander verbinden, so bringen wir zu der äußeren Wahrnehmung dasjenige hinzu, was noch fehlt von der Wirklichkeit; wir gestalten sie erst zu der Wirklichkeit. Der Erkenntnisprozeß ist dasjenige, zu dem sich der Mensch erheben muß, damit Wirklichkeit in seiner Welt enthalten sei. In seiner Welt wäre nicht Wirklichkeit, wenn er nur wahrnehmen würde, wenn er nicht ringen könnte, mit dem Wahrgenommenen zu verbinden dasjenige, was nicht die Wahrnehmung geben kann, was er aus ganz anderer Weltenecke zu der Wahrnehmung hinzubringt und was sich zunächst in seinem Denken offenbart.

Weil sich der Mensch mit seinem Erkenntnisprozeß in die Wirklichkeit so hineinstellt, daß dieser Erkenntnisprozeß selber eine Realität ist, daß also in dem Prozeß, der zum Wissen führt, die Wirklichkeit erst erzeugt wird, erst aufsteigt, deshalb konnte ich dasjenige Schriftchen, worinnen ich gerade diese Art des menschlichen Erkennens darstellen wollte, «Wahrheit und Wissenschaft» nennen. Ich gab gewissermaßen dazumal in diesem Schriftchen nach meiner Ansicht eine Art Versuch einer Verständigung des menschlichen Bewußtseins mit sich selbst. Das menschliche Bewußtsein stellt sich gewissermaßen die Frage: Wie stehst du zu der Wirklichkeit? Bist du das fünfte Rad am Wagen oder der Eckensteher, der mit seiner Erkenntnis etwas vollführt, das nichts zu tun hat mit der Wirklichkeit? Ist da draußen schon die Wirklichkeit vielleicht nur verhohlen und hast du sie durch deine Erkenntnis bloß zu suchen? Oder ist der Erkenntnisprozeß etwas, das an dem Zustandekommen der vollen Wirklichkeit beteiligt ist? - Diese Frage ließ sich nicht anders als in dem letzteren Sinne beantworten. Allerdings ist es aber notwendig, wenn man diese Antwort, die dem Agnostiker zunächst wie ein Paradoxon erscheint, in ihrer Richtigkeit durchschauen will, daß man dann die ganz besondere Natur des Denkens als ein Reales von der einen Seite wirklich erfasse und auf der andern Seite wirklich erfasse, wie die Wahrnehmung überall sich so erweist, daß sie an uns herantritt wie dasjenige, was eigentlich in sich dunkel und finster ist. Man muß sich die Empfindung von diesem Gegensatz von Denken und Wahrnehmung so vergegenwärtigen, daß man klar anschaut, wie wir in dem Denken etwas haben, worinnen wir voll wachen.

Der Wachprozeß hat ja seine Stufen, seine Grade. Wollen wir ihn erfassen in seiner ureigensten Gestalt für unser gewöhnliches Bewußtsein, so können wir das nur, indem wir uns erleben mit der vollen Aktivität der Seele im Denken. Und dann werden wir erleben, wie wir im Wahrnehmen eigentlich da sind. Haben wir es dazu gebracht, etwa in dem Sinne von Richard Wahle oder Johannes Volkelt, die Wahrnehmung in ihrer wahren Gestalt uns vor die Seele hinzustellen, und prüfen wir dann, wie die Seele lebt, indem sie nur in der Wahrnehmung lebt, dann finden wir keinen Unterschied mehr zwischen diesem Erleben der Seele und der noch ganz vom Denken undurchdrungenen Wahrnehmung in dem eigentlichen Schlafzustand. Und gerade so, wie unser tägliches Leben wechselt zwischen Wachen und Schlafen, so wechselt das webende, wellende Seelenleben fortwährend, indem es in Verkehr mit der Außenwelt tritt, zwischen dem, wohinein es sich eigentlich nur schlafen kann, der Wahrnehmung, und zwischen dem, worinnen es vollständig wacht, dem aktiven Denken.

Was sich sonst in der Zeit vollzieht, wo wir die Finsternis des Schlafens durchleuchten mit der Helligkeit des Wachens, das vollzieht sich eigentlich auf einem andern Felde in jedem Augenblick, indem wir die Dunkelheit des Wahrnehmens durchdringen mit dem Lichte, das in uns lebt, indem wir im aktiven Denken da sind. Wir erhellen fortwährend die dunkle Wahrnehmung. Das ist das Lebendige, das sich abspielt zwischen dem, was in dem Eindrucke, den die Wahrnehmung auf uns macht, schläft, und demjenigen, was sich hineinwacht in dieses schlafende Leben, indem wir es mit der Aktivität des Denkens durchdringen. Es kommt einem wirklich etwas vor die Seele wie eine Art Abwechslung von Wachen und Schlafen während des gewöhnlichen Wachzustandes, wenn wir ganz lebendig uns hineinversetzen in diese Beziehung zwischen Denken - das heißt, der im Geiste erlebten Aktivität - und dem Wahrnehmen, das heißt demjenigen, das fortwährend den Geist außer sich bringt, das fortwährend den Geist so macht, daß er es nur ergreifen kann in seiner Unbewußtheit, wie er die Vorgänge während des Schlafens nur in seiner Unbewußtheit ergreifen kann. Bei dem Verfolgen eines solchen Erkenntnisweges bekommt man einen richtigen Einblick in das, was eigentlich dieser Erkenntnisprozeß ist, wie er wirklich ein realer Prozeß ist, wie er arbeitet drinnen in der Wirklichkeit, nicht in der Ecke als ein bloß formaler.

Dennoch ist es außerordentlich schwierig, auf diesem Wege rein philosophisch hinzukommen zu der Erfassung der Aktivität des Denkens, und ich kann es vollständig verstehen, daß Geister wie Richard Wahle, der sich einmal klar vor die Seele gestellt hat, wie das Wahrnehmen eigentlich nur Chaotisches vor unsere Seele hinsetzt, und wie solche Denker, die wirklich nur dasjenige vor sich haben, was Johannes Volkelt mit Recht genannt hat die einzelnen nebeneinandergesetzten Fetzen des äußeren Wahrnehmens, die das Denken erst ordnen muß - ich kann es verstehen, wie solche Denker dann, weil sie sich ganz einleben in das Wahrnehmen, nicht dazu kommen, sich auch einleben zu können in die aktive Wesenheit des Denkens, sich nicht aufschwingen können dazu, anzuerkennen, daß wir, indem wir die Aktivität des Denkens erleben, in einer Tätigkeit ganz drinnenstehen, und weil wir ganz drinnenstehen, sie mit unserem Bewußtsein völlig verbinden können. Ich kann mir gut vorstellen, wie unbegreiflich es solchen Denkern ist, wenn man ihnen aus dem vollen Erleben dieser Aktivität des Denkens die Worte entgegnet: Im Denken haben wir das Weltgeschehen selber an einem Zipfel erfaßt! -, wie ich es in meiner «Philosophie der Freiheit» ausgesprochen habe.

Daß das so der Fall ist, daß wir wirklich das Weltengeschehen im Denken an einem Zipfel erfassen, das konnte nur zunächst dargestellt werden an jenem Denken, das dem menschlichen Handeln zugrunde liegt, jenem Denken, das sich entwickelt dann, wenn wir die sittliche Welt in unseren Handlungen aus unserem reinen Denken heraus gestalten. Denn dann sind wir gezwungen, zunächst das reine Denken in der Seele zu entwickeln, also das Denken gewissermaßen in seiner Reinkultur zu haben und die Anschauung dann selber dazu zu gestalten. Da zwingen uns die Tatsachen selber, Anschauen, Wahrnehmen und Denken voneinander zu sondern, um sie im Handeln, in der sittlichen Tat miteinander zu verbinden. Wie gerade bei der Verfolgung des ethischen, des sozialen Lebens einem die wahre Wesenheit der denkerischen Aktivität aufgeht, was ich entwickelt habe in meiner «Philosophie der Freiheit», davon will ich dann morgen sprechen.

Aus dem heute Dargestellten möchte ich, daß Ihnen hervorgehen könnte, wie gerade aus dem Erleben des Agnostizismus des 18. Jahrhunderts vor die Seele ein Problem tritt, das etwa so lautet: Ist die äußere Welt, die wir wahrnehmen durch die Sinne, eine abgeschlossene, eine endgültige Wirklichkeit, deren Sinn wir nur passiv zu suchen haben - oder ist diese äußere Wirklichkeit nur eine Seite der wahren Wirklichkeit? Haben wir diese Wirklichkeit selbst als lebendige Menschen auch im Erkenntnisprozesse erst mitzuschaffen?

Alles dasjenige, was ich heute, allerdings nur andeutend, gesagt habe, wird Ihnen begreiflich machen, daß ich hinschreiben mußte schon in meiner «Erkenntnistheorie der Goetheschen Weltanschauung»: daß die wichtigste Frage unseres Zeitalters die ist, ob die Art unserer äußeren Erfahrung uns schon eine Wirklichkeit entgegenhält. Denn hält uns die äußere Erfahrung schon eine volle Wirklichkeit entgegen, dann dürfte unsere Erkenntnis nur eine Wiederholung dieser äußeren Wirklichkeit sein. Hält uns aber die äußere Wirklichkeit nur die halbe, nur einen Teil der gesamten, der wahren Wirklichkeit entgegen, dann muß das Folgende gesagt werden, das Sie in meiner 1886 erschienenen Schrift «Grundlinien einer Erkenntnistheorie der Goetheschen Weltanschauung» finden: «Ganz anders verhielte es sich, wenn wir es in dieser Form der Wirklichkeit» - die durch die äußeren Sinne vermittelt wird - «nicht mit dem Wesen der Wirklichkeit, sondern nur mit ihrer ganz unwesentlichen Außenseite zu tun hätten, wenn wir nur eine Hülle von dem wahren Wesen der Welt vor uns hätten, die uns das Wesen der Welt verbirgt und uns auffordert, weiter nach demselben zu forschen. Wir müßten dann danach trachten, diese Hülle zu durchdringen. Wir müßten von der ersten Form der Welt ausgehen, um uns ihrer wahren (wesentlichen) Eigenschaften zu bemächtigen. Wir müßten die Erscheinung für die Sinne überwinden, um daraus eine höhere Erscheinungsform zu entwickeln.»

Diese Frage wurde von mir dazumal gestellt, und sie konnte aus den Voraussetzungen, die ich einigermaßen, aber nur andeutungsweise heute charakterisiert habe, nicht anders als so beantwortet werden, daß in der Wissenschaft selber etwas Real-Tatsächliches, etwas, was teil an dem Weltenprozesse hat, vorliegt; und daß auch in der Kunst, die ja ebenfalls eine gewisse Beeinflussung, wie ich gestern gezeigt habe, aus der agnostischen Denkungsweise erfahren hat, dasjenige leben muß, was vom Menschen über die äußere Wirklichkeit hinaus in lebendiger Geistigkeit erlebt wird. Und wenn ich heute eine Devise suchte, ein Motto für dasjenige, was ich Ihnen aus der Geisteswissenschaft, aus der Anthroposophie heraus als deren wahren Sinn zu charakterisieren habe, dann müßte ich für die ganze Anthroposophie und insbesondere für diese Vorträge folgendes Motto hinstellen:

«Überwindung der Sinnlichkeit durch den Geist ist das Ziel von Kunst und Wissenschaft. Die Wissenschaft überwindet die Sinnlichkeit, indem sie sie ganz in Geist auflöst, jene - die Kunst nämlich -, indem sie ihr - nämlich der Sinnlichkeit - den Geist einpflanzt.»"

60 Die Philosophie der Freiheit, GA-4, 1978, S. 106.

61 Die Philosophie der Freiheit , GA-4, 1978, S. 107.

62 Die Philosophie der Freiheit, GA-4, 1978, S. 108.

63 Die Philosophie der Freiheit, GA-4, 1978, S. 107.

64 Die Philosophie der Freiheit, GA-4, 1978, S. 108.

65 Die Philosophie der Freiheit, GA-4, 1978, S. 107.

66 Die Philosophie der Freiheit , GA-4, 1978, S. 49.

67 Wilfried Gabriel, Personale Pädagogik in der Informationsgesellschaft, Peter Lang, Europäischer Verlag der Wissenschaften, Bd. 240, S. 169.

68 Wilfried Gabriel, Personale Pädagogik in der Informationsgesellschaft, Peter Lang, Europäischer Verlag der Wissenschaften, Bd. 240, S. 195.

Anhang zurück zum Kommentar

Anfrage an das Rudolf Steiner Archiv in Dornach vom 16. 10. 01

Thema: Re: Philologisches Problem in den "Grundlinien ..."

Datum: 16.10.01 16:45:33 (MEZ) - Mitteleurop. Sommerzeit

From: archiv@rudolf-steiner.com (Archiv)

To: Bultkamp@aol.com

am 16.10.2001 14:37 Uhr schrieb Bultkamp@aol.com unter Bultkamp@aol.com:

> Dr. Michael Muschalle

> Bultkamp 165

> 33611 Bielefeld

> e-mail: bultkamp@aol.com

> Homepage: http://www.studienzuranthroposophie.de

>

> Sehr geehrte Damen und Herren,

>

> erlauben Sie mir, daß ich mich mit der Bitte an Sie wende, mir bei der

> Klärung eines philologischen Problems behilflich zu sein. Und zwar geht es um

> Rudolf Steiners Schrift, "Grundlinien einer Erkenntnistheorie der Goetheschen

> Weltanschauung". Im engeren Sinne dort um den Wortlaut der Anmerkung zu S. 16.

> In der Taschenbuchausgabe, Dornach 1980, S. 137 und ebenso in GA-02, Dornach

> 1979, S. 137 heißt es gegen Ende der Anmerkung: "Alles dies setzt doch

> voraus, daß die Wirklichkeit irgendwo außer dem Erkennen vorhanden sei, und

> in dem Erkennen eine menschliche, abbildliche Darstellung dieser Wirklichkeit

> sich ergeben soll, oder auch, sich nicht ergeben kann. Daß diese Wirklichkeit

> durch das Erkennen nicht gefunden werden kann, weil sie als Wirklichkeit im

> Erkennen erst geschaffen wird, das wird kaum irgendwo empfunden."

>

> Entscheidend ist der Satz: "Daß diese Wirklichkeit durch das Erkennen nicht

> gefunden werden kann, weil sie als Wirklichkeit im Erkennen erst geschaffen

> wird, das wird kaum irgendwo empfunden." (Unterstreichung von mir, MM)

>

> Mein Problem: Dieser letzte Satz wird von Herbert Witzenmann in seinem Buch

> "Die Voraussetzungslosigkeit der Anthroposophie, 2, Stuttgart 1986, S. 61

> anders zitiert und zwar: "Daß die Wirklichkeit durch das Erkennen nicht

> gefunden werden kann, weil sie als Wirklichkeit im Erkennen erst geschaffen

> wird, das wird kaum irgendwo empfunden." (Unterstreichung von mir, MM)

> Witzenmann bezieht sich dabei laut Anmerkungsapparat auf die Ausgabe der

> "Grundlinien ..." von 1924.

>

> Durch die Zitatvariante bei Witzenmann scheint sich nun allerding ein ganz

> anderer Sinn des Textzusammenhanges zu ergeben. Während der Ausdruck "diese

> Wirklichkeit" in der Taschenbuchausgabe und in GA-02 sich laut Kontext

> offensichtlich auf jene Wirklichkeit bezieht, die irgenwo "außer dem

> Erkennen" vorhanden sein soll, legt Witzenmanns Zitatvariante nahe, daß die

> Formulierung Wirklichkeit schlechthin meint. Diese letztere kann dann durch

> das Erkennen nicht gefunden werden, weil sie im Erkennen erst geschaffen

> wird.

> Mir scheint diese Lesart allerdings nicht plausibel, zumal Steiner in der

> "Philosophie der Freiheit" mit dem Finden der Wirklichkeit im Erkennen

> keinerlei Schwierigkeiten hat. So schreibt er (GA-04, Dornach 1978) S. 124 f

> : "Der Monismus kommt gar nicht in die Lage, außer Wahrnehmung und Begriff

> nach anderen Erklärungsprinzipien der Wirklichkeit zu fragen. Er weiß, daß

> sich im ganzen Bereiche der Wirklichkeit kein Anlaß dazu findet. Er sieht in

> der Wahrnehmungswelt, wie sie unmittelbar dem Wahrnehmen vorliegt, ein

> halbes Wirkliches; in der Vereinigung derselben mit der Begriffswelt findet

> er die volle Wirklichkeit." Steiner ist also dort durchaus der Ansicht, daß

> im Erkennen die Wirklichkeit gefunden wird. (Es gibt noch einige andere

> Aussagen in der "Philosophie der Freiheit" die in dieselbe Richtung gehen)

>

> Meine Bitte an Sie lautet: Können Sie mir sagen, ob in irgend einer Auflage

> der "Grundlinien ... " die Zitatvariante von Herbert Witzenmann enthalten

> ist. Mir selbst sind ältere Auflagen leider nicht zugänglich.

>

> Für Ihre Bemühungen danke ich Ihnen sehr und verbleibe mit freundlichen

> Grüßen,

> Ihr Michael Muschalle

>

--

Rudolf Steiner Archiv | Postfach 135 | CH-4143 Dornach 1

Tel. +41-61-706 82 10 | Fax +41-61-701 16 77

Sehr geehrter Herr Bultkamp,

Nach Prüfung aller früheren Ausgaben können wir Ihnen mitteilen, daß in

allen «diese» Wirklichkeit steht. Wie sie ganz richtig sagen, ergibt es sich

auch ganz sinngemäß so.

Mit freundlichen Grüßen

Dörte Mehrling

Ende Anmerkungen


Top Inhalt Gesamtinhalt Home