www.Studien zur Anthroposophie.de Michael Muschalle Ende zurück vorwärts Inhalt Anmerkung Gesamtinhalt Home Michael Muschalle Rudolf Steiners Begriff der Denk-Beobachtung (Kap. 9.1) Über das Zusammenfallen von Wahrnehmung und Begriff und intuitives Denken Das Kapitel wird derzeit überarbeitet. Stand 21. 11. 24; Kap. 40; S. 222 – S. 229 Stand 20. 11. 24; Kap. 40; S. 223 – S. 227 Stand 19. 11. 24; Kap. 40; S. 222 – S. 231
Inhaltsverzeichnis
1. Motive beim Denken und seiner Beobachtung……………………………… …………………………………..………………...…..………… ...….. S. 2
2. Die willentlich gehandhabte Methode der Beobachtung des Denkens und Fragen an das Denken……………………….…………… …..… ….…S. 5
3. Engere und weitergehende Fragen an das Denken: Vom einfachen Erleben des Denkens bis zum durchschauten Weltgeschehen..……. .…..….S. 7
4. Über die Betriebsblindheit von philosophischen Spezialisten und philosophischen Steinerinterpreten insbesondere...…… ………….….…..…..S. 12
5. Beschreibung des Denkens durch deskriptive Begriffe…………………………………………………………………………… ……………….......S. 21
6. Motiv versus Methode des Erkennens und der «Ausnahmezustand» der «gegenüberstellenden Betrachtung» des Denkens...…………… ....….S. 23
7. «Intuitives Denken» und «intellektuelle Anschauung» bei Steiner………………………………………………………………...…………… ....….S. 26
8. Der erlebte Prozeß, durch den Begriffe und Ideen erst gewonnen werden...……………………………………………………………………....….S. 29
9. Der erlebte Denkprozeß im Umfeld des Kausalitätsproblems..……………………………………………………………………………….… ….....S. 30
10. Der erlebte Denkprozeß im Kontext des Kausalitätsproblems und seine stiefmütterliche Behandlung in der Steinerforschung……...…… .....S. 34
11. Warum Witzenmann an die Sache nie heran kam……………………………………………………………………………………………….…....S. 37
12. Witzenmanns seltsame Entdeckung der Erinnerungslehre als erkenntniswissenschaftliche Fundamentalwissenschaft..…………………. .......S. 44
13. Witzenmanns Strukturphänomenologie und die Unkenntnis ihrer widersprüchlichen Verbindung zu Steiners Grundlagen …… … …….......S. 50
14. Witzenmanns Problem mit dem durchschauten Weltgeschehen…..………………………………………………………………………… …....... S. 68
15. Über einen fragwürdigen Sammelband aus der Alanushochschule zu den angeblichen Quellen der Anthroposophie……….……… … … ….S. 133
16. Scholastik in Steiners Grundlegungsschriften? Über das beredte Schweigen im Sammelband zu den «Quellen der Anthroposophie»….. … ..S. 135
17. Über Steiners psychologische Quelle Johannes Volkelt und dessen Unsichtbarkeit bei den Quellenforschern der Alanushochschule….. …. ...S. 154
18. Volkelt versus Fichte in Steiners Begründungsschriften………….………………………………………..…………………… …… …… …. …...S. 156
19. Fichtes «Tathandlung» und Volkelts «immanent-psychologische Erkenntnistheorie» in Steiners Grundlagen. Die Allgegenwart von«Humes Problem» in Steiners Grundlagenforschung und im damaligen philosophisch empiristischen Zeitgeist: Kausalitätsforschung via Psychologie …………………………………………………………………………………………………….….… .…...…...S. 161
20. Edith Stein über «Humes Problem» und psychologische Kausalitätsforschung….………………………………………………..…… ……..…..S. 162
21. Der «Kant-Überwinder» Steiner im Forschungsverband um das empirische Begründungsproblem der Naturwissenschaft….……… …...….S. 164
22. Bedeutung der Kausalität für die naturwissenschaftliche Welterklärung: Beispiel Hume………….…………………………………….. ….….S. 166
23. Kants philosophische Verbindung zu David Hume laut Kants eigenen Worten………………….…………………………………….…… ..…...S. 170
24. Steiners Kant-Überwindung durch die Lösung von Humes Problem……………..……………………………………………….…….……. .…...S. 171
25. Von der Psychologie des tätigen Geistes zum Universalienrealismus……….…………………………………………….………………….. ….…S. 172
26. «Psychologie» der Grundlinien, «seelische Beobachtung» der Philosophie der Freiheit und ihre methodische Grundlage der «betrachtenden Gegenüberstellung»……..…………………………………………………………………………………….……………………....…..S. 176
27. Steiners frühe Grundlagenforschung im damaligen empiristisch philosophischen Mainstream…………………………………………..… …...S. 179
28. Die Nähe der seelischen Erscheinungen und die Kluft zwischen innerer und äußerer Beobachtung………………………………………. …….S. 180
29. Von der Assoziationspsychologie Humes zur modernen Psychologie des Denkens……………………………… …….……………….……. .…..S. 186
30. Sozialphilosophische Folgen einer unzureichenden Kausalitätsforschung……………………………………………… ….………….……...… ...S. 188
31. Ungenügende Quellenforschung an der Alanushochschule zu Steiners Empirismus der Grundlagen………………….…………….…...… …..S. 190
32. Synthese von Wahrnehmung und Begriff und seelische versus introspektive Beobachtung……………………….……..….……...……...…… ..S. 191
33. Erlebte Denktätigkeit in «Wahrheit und Wissenschaft»……………………………………………………………….……………………...……....S. 197
34. «Intellektuelle Anschauung» aus Wahrheit und Wissenschaft und «intuitiv erlebtes Denken» in der Philosophie der Freiheit……….….....….S. 198
35. «Intellektuelle Anschauung» / «intuitiv erlebtes Denken» und der erlebte «Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem»……….….…..S. 198
36. Steiners anthroposophischer Schulungsweg und seine Verwechselung mit Steiners Grundlagenforschung………..…………………. ..…...….S. 199
37. Wie man die anthroposophische Grundlagenforschung blind durch die «Leitexegese» Witzenmanns ersetzte……...…………...……..… ..…..S. 202
38. Warum ein «induktiver» / empiristischer Weg zu den Ideen für die moderne Freiheitsphilosophie?………………..…………………… ……...S. 214
39. Analogie zwischen Schuldschein-Idealismus und Schuldschein-Materialismus….……………………………………..……… ……….…. ……..S. 216
40. „Man kann nicht zu etwas kommen, was das Denken bewirkt, wenn man den Bereich des Denkens verläßt.“……………...……….… .……...S. 221
41. Warum Witzenmann den Bereich des Denkens verläßt………………………………………………………………...…….…………...… ….…...S. 250
42. Von Nietzsche bis Cancle Culture……………………………………………………………………………………………….…..……….…. ……..S. 253
43. Freiheitsforschung als innere Naturforschung. Volkelts empiristische Nähe zu Steiner - und deren erkenntnistheoretische Voraussetzungslosigkeit……………………..…………………………………………………… ……….………….....……....S. 258
44. Angebliche intime Bekanntheit des Denkens «ohne», versus Erkenntnis des Denkens «durch» Beobachtung… ……… .…… …….…..……..S. 268
45. Philosophische und naturwissenschaftliche Befangenheiten und Denkverbote in der empirischen Grundlagenforschung des Denkens… ….S. 273
46. Erlebte Aktivität des Denkens und Steiners «erste Nebenübung»…………………………………………………………………………… ...…..S. 277
47. Steiners Brückenbau vom «naturwissenschaftlich Sicheren» zum Geistigen……………………………………………………………… ………S. 284
48. Hermeneutik ohne die Kunst des Verstehens als pseudowissenschaftliches Framing…………………………………………………… ...… …..S. 293
49. Die «reine Erfahrung» der Frühschriften als methodisch gehandhabter Übungsweg zur imaginativen Erkenntnis des späteren Schulungsweges…………………………………………………………………………………………………………………… ...…….…S. 299
50. Die Philosophie der Freiheit als «Partitur»………………….……………………………….… ……………………………………… …….……...S. 305
51. Ulrich Kaiser………………………………………………………………………………………………………………………...……….…………..S. 315
52. Wouter Hanegraaff………………………….……………………………………………………………………………………………….………….S. 316
53. Jost Schieren etc……………………………….………………………………………………………………………………………………….……..S. 316
54. Terje Sparby, Christian Clement und Steiners erkenntniswissenschaftliches Verhältnis zu Hegel………………….……………….…… .…….S. 317
55. Zunehmender illusionärer Materialismus der Gegenwart und die ethischen und politischen Folgen……..……………………….………… ….S. 342
55.1 Theodor Ziehen, das Problem der «Verantwortlichkeit» bei mechanistisch / deterministischen Bewußtseins- und Handlungsverläufen, und die Folgen………………………………………………………………………………………………………………….……….…………….……...S. 350
56. Rezeptionsprobleme bei Christian Clement und Terje Sparby……………………………………………………………..…………… ……..…...S. 361
57. Christian Clements Kommentare in der SKA1……………………....…………………………………………………………..………………...….S. 370
58. Schierens Vorwort zur SKA1……………………………..…………… ……………………………………………………..… …… … .……… ….S. 379
59. SKA 1: Nur Goethe-Deutung in den «Grundlinien einer Erkenntnistheorie der Goetheschen Weltanschauung»?……. … …………….… …..S. 380
60. Ulrich Kaiser………………………………………………………………………… ………………… ……… ………… … … … ….… ..… ……..S. 385
61. Nochmals Günther Röschert und die «intime Bekanntheit des Denkens ohne Beobachtung»……………… … ..… … … … ……… … … …...S. 401
Fortsetzung folgt
1. Motive beim Denken und seiner Beobachtung Das Denken wird bei der Beobachtung durch beschreibende Begriffe "angeschaut" - das heißt es schaut sich selbst an. "Der beobachtete Gegenstand ist qualitativ derselbe wie die Tätigkeit, die sich auf ihn richtet." sagt Steiner in Kap. III auf S. 48, (alternativ hier S. 30) der Philosophie der Freiheit. Es ist demnach eine denkende / erkennende Tätigkeit, die sich auf die Erfahrungen des Denkens richtet. Angeschaut wird vergangenes / exemplarisches Denken in der Absicht es unter deskriptive Begriffe zu bringen. Steiners elementarste Gliederung für Erkenntnisprozesse ist wiederum die nach Wahrnehmung und Begriff. In der Zweitauflage der Philosophie der Freiheit wird das am Ende von Kapitel VII in den Zusätzen von 1918 (hier auf S. 94; in der GA-4 von 1995 auf S. 133) eigens noch einmal hervorgehoben mit der Bemerkung: „Man wird aus dem schon Vorangehenden, aber noch mehr aus dem später Ausgeführten ersehen, daß hier alles sinnlich und geistig an den Menschen Herantretende als Wahrnehmung aufgefaßt wird, bevor es von dem tätig erarbeiteten Begriff erfaßt ist.“ Was natürlich auch für das unbegriffene Denken gilt, das in seiner Erscheinungsform von wirkender Denktätigkeit und bewirktem Denkinhalt zunächst einmal nur «Wahrnehmung ist, bevor es von dem tätig erarbeiteten Begriff erfaßt ist.» Ebenso selbstverständlich sollte es deswegen sein, daß die «qualitativ gleichwertige» denkende / erkennende Tätigkeit, die sich auf die Erfahrungen des Denkens beobachtend richtet, ebenfalls zugleich wahrgenommen wird. Denn andernfalls wüsste der Denker gar nicht, dass er in einem denkenden / erkennenden Tun begriffen ist. Letzteres müsste ihm automatenhaft unbewußt bleiben, wenn dem so wäre und er diese seine Aktivität nicht erlebte. Er muß infolgedessen von dieser aktuellen erkennenden / denkenden Aktivität eine unmittelbare Erfahrung / Wahrnehmung haben. Laut Steiner jedenfalls ist es über sämtliche Frühschriften hinweg in der Tat so, dass die denkende / erkennende Aktivität wahrgenommen wird. Desgleichen muß der Erkennende des Denkens auch von seinen Erkenntnismotiven ein Bewusstsein haben, die hinter seinem inneren Handeln stehen und seine Aktivität mobilisieren. Denn er erkennt das Denken nicht ohne Anlass aus dem Nichts heraus und ins Blaue hinein. Sondern es gibt stets einen konkreten Beweggrund dafür in Gestalt eines «Erkenntnis-Motivs» und einer «Triebfeder» seines erkennenden Handelns. Er muß sich auf der Grundlage eines gezielten und beobachtbaren Willensentschlusses dem eigenen Denken betrachtend / erkennend gegenüberstellen. Eines konkreten Erkenntnis-Entschlusses, der auch jederzeit feststellbar ist. Den man von seiner Entstehung zurückverfolgen kann bis in das ganz konkrete Beobachtungshandeln zwecks Erkenntnis des Denkens. Um mit der Philosophie der Freiheit zu sprechen: „Beobachtung und Denken sind die beiden Ausgangspunkte für alles geistige Streben des Menschen, insoferne er sich eines solchen bewußt ist.“ (GA-4, Kap. III, S. 38) Und an späterer Stelle, (ebd. Kap. IX, S. 149): „Für den einzelnen Willensakt kommt in Betracht: das Motiv und die Triebfeder. Das Motiv ist ein begrifflicher oder vorstellungsgemäßer Faktor; die Triebfeder ist der in der menschlichen Organisation unmittelbar bedingte Faktor des Wollens. Der begriffliche Faktor oder das Motiv ist der augenblickliche Bestimmungsgrund des Wollens; die Triebfeder der bleibende Bestimmungsgrund des Individuums. Motiv des Wollens kann ein reiner Begriff oder ein Begriff mit einem bestimmten Bezug auf das Wahrnehmen sein, das ist eine Vorstellung.“ So Steiner in der GA-4, Kap. IX (auch hier S. 103 f) zu den Motiven. Das gilt wie gesagt auch für jene inneren Willenshandlungen, die bei der Selbstbeobachtung, und ganz speziell bei der erkennenden Betrachtung des eigenen Denkens infrage kommen. Die dahinter stehende Frage- und Aufklärungsintention läßt sich als Motiv und Triebfeder nachweisen. Nicht nur beim selbsterkennenden Denker findet sich ein entsprechendes Forschungsmotiv, sondern auch bei organisierten Forschungsprojekten ist das so. Zumal es bei letzteren dazu gehört, die Ziele des forschenden Tuns sachlich begründet zu benennen, wie es ja auch in der Philosophie der Freiheit und in Steiners restlichen Begründungsschriften regelmäßig der Fall ist. - Und zwar sind sie wegen solcher Begründungen als Erkenntnis-Motive auch dann sichtbar, obwohl mancher Literat und Steinerinterpret bei Steiner erklärtermaßen erst gar keine Motive sucht, weil er das für gänzlich aussichtslos hält. Hier existiert noch zugänglich im Archiv die Version von 2014 (vom Stand 25. 08. 23) Wie Sie bei Christian Clement, von dem diese Auskunft um die ganz und gar unauffindbaren Motive Steiners stammt, sehen und wie Sie explizit von ihm hören werden, sind nicht nur Steiners Motive absolut unauffindbar, sondern auch seine eigenen nicht ganz ernst zu nehmen, weil sie von ihm selbst nicht wirklich sicher zu ermitteln seien. Sie könnten auch vollkommen illusionär, weil verschleiert sein. Und letzteres wäre ja im allgemeinen durchaus möglich. Wenn er nun schon Steiners Motive nicht finden kann, dann könnte Herr Clement aber doch bei den eigenen etwas glücklicher und zumindest in der Lage sein, bei diesen etwas mehr Stabilität zu erlangen, indem er beginnt, sein Denken zu beobachten. Denn das geht ohne einen forschungs-motivischen Hintergrund eben gar nicht. So wenig, wie man ernsthafte mathematische Probleme ohne Motiv und absichtslos, aber dennoch zielgerichtet und erfolgreich lösen kann. Was ein Widerspruch in sich selbst wäre. Beim Erkennen des Denkens sind die Voraussetzungen nicht anders. So daß auch hier eine motivlose, aber gleichwohl zielgerichtete Erkenntnishandlung nicht vorstellbar ist. Und Herr Clement zumindest dabei doch punktuell eine gewisse Klarheit und Übersicht zu seiner ganz persönlichen Motivationslage erlangt. Das kann ja auch schon hilfreich sein. Indem er sich einfach nur fragt: Warum er in den Ausnahmezustand zur Beobachtung des Denkens eintritt, nachdem er die Philosophie der Freiheit nebst anderen Begründungsschriften Steiners gründlich studiert hat. Zur Grundsatzorientierung kann das mitunter recht erhellend sein. Siehe dazu meinen längeren Exkurs hier, Kap. 14.1 auf derzeit S. 760 ff. Aber lassen wir es hier erst einmal bei diesem eingesprengten Aperçu um die Blütenträume einer manchmal ziellos herumschlingernden und schleiernden Steinerforschung, und versuchen Sie es stattdessen selbst. Was Sie jedenfalls als Beobachter Ihres Denkens bemerken werden, ist, dass Sie sich innerlich aufraffen müssen zwecks Beobachtung Ihres Denkens. Sie müssen dazu wissen was Sie tun wollen und warum. Daß und warum Sie gewissermaßen gegen den eigenen, permanenten Denkstrom anschwimmen, indem Sie ihn beobachten. Denn die Erkenntnis des Denkens gelingt nur, wenn man es auch ernstlich will im sogenannten «Ausnahmezustand», wie Steiner die Bewußtseinshaltung der Beobachtung des Denkens im dritten Kapitel der Philosophie der Freiheit nennt, den einzunehmen ohne ein entsprechendes Erkenntnismotiv niemandem in den Sinn käme. Und der daher als ganz bewußte Erkenntnishandlung nur motivisch geleitet und willentlich eingenommen werden kann, auch wenn er im übrigen nicht allzu schwierig einzunehmen ist, wie Steiner selbst sagt. Wer diesen Willen dazu allerdings nicht hat, sich in den beobachtenden Ausnahmezustand zu versetzen, der kommt nicht weit mit der Erkenntnis des Denkens. Oder um mit Steiner zu konstatieren: „Wer den guten Willen nicht hat, sich in diesen Standpunkt zu versetzen, mit dem könnte man über das Denken so wenig wie mit dem Blinden über die Farbe sprechen...“. (GA-04, hier S. 28 f) Anhand dieses als «Ausnahmezustand» bezeichneten Beobachtungsstandpunktes läßt sich dann allerdings die «allerwichtigste Beobachtung machen, die dem Menschen möglich ist.»: „Denn er beobachtet etwas, dessen Hervorbringer er selbst ist; er sieht sich nicht einem zunächst fremden Gegenstande, sondern seiner eigenen Tätigkeit gegenüber. Er weiß, wie das zustande kommt, was er beobachtet. Er durchschaut die Verhältnisse und Beziehungen. Es ist ein fester Punkt gewonnen, von dem aus man mit begründeter Hoffnung nach der Erklärung der übrigen Welterscheinungen suchen kann.“ So Steiner hier S. 29 dazu. Mit anderen Worten: Der Mensch «durchschaut dabei das Weltgeschehen», wie er es dann 1897 in Goethes Weltanschauung (S. 70) noch prägnanter ausführte: „Bei der Beobachtung des Denkens durchschaut der Mensch das Weltgeschehen. Er hat hier nicht nach einer Idee dieses Geschehens zu forschen, denn dieses Geschehen ist die Idee selbst.“ (Unverändert in der GA-06 von 1990, dort auf S. 86.) - Vergleichbares kann man aber bereits 1886 in den Grundlinien … dazu hören, wenn im Kapitel 13, hier S. 78 vom «Denken als Wesen der Welt» die Rede ist: „Unsere Erkenntnistheorie führt zu dem positiven Ergebnis, daß das Denken das Wesen der Welt ist und daß das individuelle menschliche Denken die einzelne Erscheinungsform dieses Wesens ist.“ Ein wirkungsloses Wesen der Welt wiederum ist für Steiner, der nach den geistig wirkenden Kräften der Welt sucht, schlechterdings nicht vorstellbar. Mit dem bekannten Resultat, daß er den beim Denken erlebten Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem schon 1886 ausdrücklich im Kapitel 8 und 15 hervorhebt (siehe weiter unten). So daß die Wendung «durchschautes Weltgeschehen» von 1897 neben der «allerwichtigsten Beobachtung» von 1894 dann wirklich keine Überraschung mehr war. Das Beobachten allerdings muß man wirklich auch ernstlich wollen und benötigt dazu selbstverständlich ein entsprechendes Erkenntnis-Motiv hinsichtlich dessen, was man da eigentlich will. Dieses Motiv, das dann zur Triebfeder des in diesem Fall inneren Handelns wird, kann wiederum auch nur aus den rein gedanklichen Überlegungen des (intuitiven) Denkens gewonnen werden. Denn anders als über das (intuitive) Denken kommt man zu keinen Forschungsmotiven, die auch noch klar formuliert und sachlich begründet sind, um mit Steiner zu sprechen. Denn wenn es laut Philosophie der Freiheit das intuitive Denken ist, «durch das eine jegliche Wahrnehmung in die Wirklichkeit erkennend hinein gestellt wird», wie er hier S. 180 sagt, dann erst recht jene inneren Wahrnehmungen, die methodisch anhand von Forschungsprojekten zum Denken in die Wirklichkeit erkennend hinein gestellt werden. 2. Die willentlich gehandhabte Methode der Beobachtung des Denkens und Fragen an das Denken Man muß sozusagen erst vom eigenen Denken zurücktreten wollen, um es sich in Erkenntnisabsicht im Ausnahmezustand «gegenüberzustellen», wie wir unten noch näher sehen werden. Dazu braucht man einen klar artikulierten Willensentschluß, um sein eigenes Denken dann im Ausnahmezustand zu erleben und zu beobachten. Und sei es, daß man überhaupt nur wissen will, «was wir erleben wenn wir denken», so wie es Karl Bühler 1907 seiner prominenten Untersuchung des Denkens als dezidierte Leitfrage hier auf S. 303 vorangestellt hat. Als ganz elementares Anliegen seiner methodischen Beobachtung des Denkens. - Die Menschheit, zumal die anthroposophischen Anhänger Steiners wären schon viel weiter, wenn sie sich in genügend großer Zahl und ebenso systematisch wie Karl Bühler so eine Frage in den zurückliegenden 120 Jahren ernsthaft in Erkenntnisabsicht vorgelegt hätten, wie es damals Bühler tat. Und wie es Steiner nicht nur ebenso ausdrücklich empfiehlt, sondern noch weit eindringlicher über viele Jahrzehnte hinweg. Abgesehen von Merijn Fagard, den sie auf meiner Website und in seinem Forschungsprojekt finden, haben sich da empirisch psychologisch noch wenige Anthroposophen hingewagt, wenn es gottseidank auch in den letzten Jahren zunehmend mehr geworden sind, die sich dem auch von akademischer Seite nähern. Bühlers Leitfrage, «Was erleben wir wenn wir denken?» mag vielleicht auch eine Hilfestellung geben, den Beobachtungsbegriff etwas näher zu charakterisieren, wenn man ihn mit dem von Steiner genannten Erkenntnismotiv in Verbindung bringt. Dem Wissen um das eigene geistige Streben, das sich im dritten Kapitel der Philosophie der Freiheit zu Beginn anläßlich der grundlegenden Einführung von Beobachtung und Denken findet. Dort mit den Worten vorgebracht: „Beobachtung und Denken sind die beiden Ausgangspunkte für alles geistige Streben des Menschen, insoferne er sich eines solchen bewußt ist ....“ (Hier S. 23.) Der Mensch ist sich seines geistigen Strebens bewußt. Das ist sozusagen der Grundcharakter, meinetwegen auch Grundvoraussetzung von Beobachtung und Denken an dieser Stelle dort. Was soviel heißt wie: Ich muß meine Forschungsmotive bei der Beobachtung des Denkens natürlich auch kennen, denn sonst wäre ich mir meines geistigen Strebens darin nämlich nicht bewußt. Was trivial ist und für jedes bewußte Forschungsprozedere gilt, das ja ganz gezielt auf Erkenntnisgewinn hinorientiert ist. Die von Bühler genannte Leitfrage «Was erleben wir wenn wir denken?» ist so ziemlich die elementarste, die man auf dem empirischen Beobachtungsweg über das Denken beantworten kann. Im simpelsten Fall mit «Ja!» oder «Nein!»: «Es gibt dort Erlebnisse oder auch keine.» In der Mehrheit der Fälle aber solche mit ziemlich differenzierten Einzelheiten des Denkgeschehens, die den Versuchspersonen Bühlers noch erinnerlich waren. Sofern sie als Psychologen der selben Leitfrage folgten wie Bühler, und das war ja in der Regel der Fall, haben sie mit ihrer Antwort auch ein implizites Urteil mit Blick auf Bühlers Frage abgegeben. Insofern, als sie seine Leitfrage positiv und oft auch vielschichtiger beantworten konnten. Und damit konnten sie sich ein qualifiziertes Urteil zu jenen Annahmen von zahlreichen Fachphilosophen erlauben, die seinerzeit glaubten, daß es beim Denken gar nichts zu erleben gäbe, wie Bühler eingangs ausführt. Das Urteil wiederum, «Ja, da ist doch eine Menge zu erleben!» ist natürlich das Resultat einer einfachen Begriffsbildung auf der Grundlage von Erfahrung des Denkens. Meinetwegen ein Wahrnehmungsurteil, um an Steiners Kapitel 11, hier S. 64 der Grundlinien… anzuknüpfen: „Durch das Wahrnehmungsurteil wird erkannt, daß ein bestimmter sinnenfälliger Gegenstand seiner Wesenheit nach mit einem bestimmten Begriffe zusammenfällt.“ Ein Wahrnehmungsurteil, diesmal bezogen auf Wahrnehmungen des «inneren Sinnes», von denen in den Grundlinien … im Kapitel 7 auch die Rede ist. Im einfachsten Fall ist es ein Existenzialurteil dahingehend, daß da überhaupt etwas beim Denken als innere Wahrnehmung existiert, was wie gesagt von vielen Zeitgenossen laut Bühler bestritten wurde. Wie leicht zu erkennen ist, bewegt sich die Leitfrage Bühlers, «was erleben wir, wenn wir denken?» ganz in der Nähe oder im unmittelbaren Umkreis dessen, was Steiner in der Philosophie der Freiheit dahingehend ausführt, wenn er sagt, „daß hier alles sinnlich und geistig an den Menschen Herantretende als Wahrnehmung aufgefaßt wird, bevor es von dem tätig erarbeiteten Begriff erfaßt ist.“ (hier, Kap. VII, S. 94). Bezogen auf Steiner untersuchte Bühler anhand seiner Leitfrage, ob es beim Denken überhaupt «Wahrnehmungen» gibt oder nicht. Erst wenn man so eine Frage beantwortet hat, läßt sich weitergehend darüber reden, ob und wie man sie mit einem tätig erarbeiteten Begriff erfasst. Was dabei als «Wahrnehmung überhaupt» auftritt, das entspricht zunächst dem, was Steiner in den Grundlinien … und in Anlehnung an Johannes Volkelt die «reine Erfahrung» nennt. Solche reinen Erfahrungen sind aus Steiners Sicht zunächst einmal als Wahrnehmungen zu betrachten. Wahrnehmungen, die so lange als «Wahrnehmungen» zu betrachten sind, bis sie vom tätig erarbeiteten Begriff erfasst worden sind. Das wissenschaftlich psychologische Beobachtungsprojekt zwecks Erkenntnis des Denkens beginnt faktisch allerdings bereits in dem Moment, wo man die eigene begründete Erkenntnisabsicht in die Tat umsetzt, und sich dann wie Bühler fragt, ob und was dabei überhaupt zu erleben ist. Man sucht dann eben anhand eines speziell organisierten experimentellen Vorgehens ganz ausdrücklich nach inneren Wahrnehmungen; oder «reinen Erfahrungen», um mit Johannes Volkelt zu sprechen. Das grundlegendste Urteil, das man dann aussprechen kann, betrifft lediglich die Existenz oder Nicht-Existenz von Wahrnehmungen beim Denken. Ob die elementarsten Wahrnehmungen der Würzburger bereits solche Existentialurteile enthielten oder nicht, darüber läßt sich eigentlich nicht streiten. Denn ausgesprochen wird das Urteil ja erst in dem Augenblick, wenn die Existenz ausdrücklich bejaht oder verneint wird. Oder wenn man beginnt, die Wahrnehmungen näher zu charakterisieren, was regelmäßig hinterher in Berichtsform der Fall war. An der Reihenfolge jedenfalls, - erst die Erfahrung und dann das Urteil darüber, - ist ja nicht zu rütteln. So lange nur etwas erlebt wird ist das nicht der Fall und wird darüber nicht geurteilt. Das geschieht erst, wenn ich meine unmittelbaren Erfahrungen respektive die «reinen Erfahrungen» des Denkens zum Gegenstand weiteren Denkens und Urteilens mache. Und zwar umso sicherer, je mehr man sich auf die Beantwortung jener Denkaufgabe konzentriert hat, die dazu als Denkexperiment vorgelegt wird. Obwohl man sich formell natürlich in dem Moment schon im Beobachtungsprojekt befindet, das ja willentlich und wohlorganisiert unternommen wurde. Die Frage, was solche erlebten Wahrnehmungen eigentlich sind, auf die man dabei gestoßen ist, ist vom elementaren Wahrnehmungsurteil noch ganz unberührt. Und ebenso unberührt sind sie von der Frage, was sie im Denkzusammenhang eigentlich zu bedeuten haben, und welche Rolle sie für einen empirischen Begriff des Denkens spielen. Was ja einen großen und auch den theoretisch anspruchsvolleren Teil von Bühlers Habilitationsarbeit ausmachte. (Deren Teile 2 und 3 Sie auch hier finden.) Da gilt dann auch Steiners Feststellung aus der Philosophie der Freiheit, wonach „alles sinnlich und geistig an den Menschen Herantretende als Wahrnehmung aufgefaßt wird, bevor es von dem tätig erarbeiteten Begriff erfaßt ist.“ Die Frage ist dann weiter: Was heißt das im vorliegenden Bühlerschen Fall der Frage nach der Existenz von Wahrnehmungen überhaupt? Und sind diese schon vom tätig erarbeiteten Begriff erfaßt, wenn überhaupt nur ihr Vorhandensein festgestellt wird, ohne auf deren «Was» näher eingehen zu können. Oder gar auf ihre Rolle im gesamten Denkprozess. Immerhin war bei den Würzburgern das Bemerken von Wahrnehmungen sogar ein maßgeblicher Teil von Bühlers Fragestellung, wenn man dessen Abhandlung folgt und sich seine programmatischen und methodischen Eingangserläuterungen ansieht: „Es gibt wohl kaum eine andere einzelwissenschaftliche Frage, auf die man so viele verschiedene Antworten erhalten kann als auf die: was ist Denken? Denken ist Verknüpfung, Denken ist Zerlegung. Denken ist Urteilen. Denken heißt Apperzipieren. Das Wesen des Denkens liegt in der Abstraktion. Denken ist Beziehen. Denken ist Aktivität, ist ein Willensvorgang. Fragt man aber spezieller nach den Inhalten der Denkerlebnisse, dann lautet die Antwort sehr einmütig, spezifische Denkinhalte gebe es nicht. Es gibt nur ganz wenige Forscher, die diesen Satz nicht anerkennen würden. Und gerade das, was die meisten eint, ist nun die folgende Untersuchung bestimmt, zu bestreiten, ...“ So Bühler dort. Was «die meisten Forscher einte», war die Annahme, dass es spezifische Denkerlebnisse gar nicht gäbe. Und das wollte er leitmotivisch mit seiner Untersuchung klären, ob dem überhaupt so ist. Klar ist zunächst auch hier, dass so ein Urteil über die Existenz oder Nichtexistenz von Denkwahrnehmungen zeitlich der Wahrnehmung nur nachfolgen kann, denn die muß als Wahrnehmung ja erst einmal da sein, bevor ich über deren Existenz urteilen kann. Die Erlebnisse des Denkens sind also schon da, bevor ich in einem zweiten Schritt darüber urteile und gar weitergehende Begriffe bilde. Anders geht es ja nicht. Daß es wiederum bei einfachsten Wahrnehmungsurteilen nicht bleibt und die Verhältnisse zunehmend komplexer werden, können Sie ebenfalls bereits den ausführlichen Untersuchungen Bühlers entnehmen. 3. Engere und weitergehende Fragen an das Denken: Vom einfachen Erleben des Denkens bis zum durchschauten Weltgeschehen Und hier gibt es einen weiteren großen Unterschied zwischen dem Denkpsychologen Bühler und dem «philosophischen Beobachter» Steiner (siehe auch nachfolgend). Dem letzteren nämlich ging es von Anbeginn nicht nur um rein denkpsychologische und engere Fragestellungen, sondern auch um idealistisch-naturwissenschaftliche, insofern, daß er als Goetheforscher und auch unabhängig von Goethe explizit nach den wirkenden Kräften der Natur im Inneren suchte. Wie Sie nicht nur den Grundlinien … von 1886 ablesen können, und nicht nur seinem Kommentar zu Goethes Essay Die Natur in der Kürschnerausgabe von 1887 auf S. 6, wo es heißt: „Sinnenfällig wahrnehmbar sind nur die Geschöpfe der Natur, nicht ihre schaffende Kraft. Die letztere (die Mutter) wird uns erst in der Wissenschaft vermittelt, wenn wir uns von der Natur als einer Mannichfaltigkeit von Produkten zu ihr als der Produzentin erheben. Wir müssen von den gegebenen Dingen zu den Kräften der Natur vorschreiten, von der Wirkung zu dem Wirkenden.“ Sondern Vergleichbares auch dem zweiten Kapitel der Philosophie der Freiheit hier S. 20 f: „So wahr es ist, daß wir uns der Natur entfremdet haben, so wahr ist es, daß wir fühlen: wir sind in ihr und gehören zu ihr. Es kann nur ihr eigenes Wirken sein, das auch in uns lebt. [] Wir müssen den Weg zu ihr zurück wieder finden. Eine einfache Überlegung kann uns diesen Weg weisen. Wir haben uns zwar losgerissen von der Natur; aber wir müssen doch etwas mit herübergenommen haben in unser eigenes Wesen. Dieses Naturwesen in uns müssen wir aufsuchen, dann werden wir den Zusammenhang auch wieder finden.“ Und noch klarer im Buch Goethes Weltanschauung von 1897 im Kapitel Die Metamorphose der Weltanschauung ab S. 61, wo dann das Weltgeschehen ganz explizit bei der Beobachtung des Denkens durchschaut wird. Der Forschungshorizont Steiners war sehr viel weiter als derjenige Bühlers. Um das Weltgeschehen ging es Bühler (noch) nicht. Aber Steiner insofern, als er mit seinen denkpsychologischen Beobachtungen nach einer erkenntnistheoretischen Grundlage für die Welterklärung suchte. Das betrifft natürlich auch die wirkenden Kräfte der Natur, die nach seiner Auffassung nur geistig sein konnten – so viel geht bereits aus den Grundlinien … hervor. Und so viel geht auch aus seinem Kommentar zu Goethes Naturhymnus hervor. Desgleichen wie bereits gesagt aus der Philosophie der Freiheit Kap. II, und auch aus Goethes Weltanschauung (Ausgabe von 1897 und später) wonach (1897, S. 69 f) «der Beobachter des Denkens das Weltgeschehen durchschaut». Weil er dabei die (wirkende) Idee selbst durchschaut. Desgleichen ebenso klar wenige Seiten zuvor (S. 67 f) in seinen Goethe kommentierenden Worten: „Goethe macht einmal die Bemerkung: «Wer sie [meine Schriften] und mein Wesen überhaupt verstehen gelernt, wird doch bekennen müssen, daß er eine gewisse innere Freiheit gewonnen.» (Unterhaltungen mit dem Kanzler von Müller, 5. Jan. 1831.) Damit hat er auf die wirkende Kraft hingedeutet, die sich in allem menschlichen Erkenntnisstreben geltend macht. Solange der Mensch dabei stehen bleibt, die Gegenstände um sich her wahrzunehmen und ihre Gesetze als ihnen eingepflanzte Prinzipien zu betrachten, von denen sie beherrscht werden, hat er das Gefühl, daß sie ihm als unbekannte Mächte gegenüberstehen, die auf ihn wirken und ihm die Gedanken ihrer Gesetze aufdrängen. Er fühlt sich den Dingen gegenüber unfrei; er empfindet die Gesetzmäßigkeit der Natur als starre Notwendigkeit, der er sich zu fügen hat. Erst wenn der Mensch gewahr wird, daß die Naturkräfte nichts anderes sind als Formen desselben Geistes, der auch in ihm selbst wirkt, geht ihm die Einsicht auf, daß er der Freiheit teilhaftig ist. Die Naturgesetzlichkeit wird nur so lange als Zwang empfunden, so lange man sie als fremde Gewalt ansieht. Lebt man sich in ihre Wesenheit ein, so empfindet man sie als Kraft, die man auch selbst in seinem Innern betätigt; man empfindet sich als produktiv mitwirkendes Element beim Werden und Wesen der Dinge. Man ist Du und Du mit aller Werdekraft. Man hat in sein eigenes Tun das aufgenommen, was man sonst nur als äußeren Antrieb empfindet. Dies ist der Befreiungs-Prozeß, den im Sinne der Goetheschen Weltanschauung der Erkenntnisakt bewirkt.“ - Das ist mit Blick auf Steiners vorangehende Schriften alles nichts Neues in dieser Schrift von 1897. Die Suche nach, und die Erforschung von (geistigen) Naturwirksamkeiten im eigenen Inneren zieht sich, wie der Leser sieht, leitmotivisch durch sämtliche Frühschriften Steiners. Auch in Wahrheit und Wissenschaft ist das so, wenn dort auch der Akzent etwas anders gesetzt ist auf den voraussetzungslosen Ausgangspunkt der Erkenntnistheorie, finden Sie darin eine analoge Hervorhebung der eigenen inneren Wirksamkeit. Besonders prägnant im Kapitel IV, mit Blick auf die eigene Aktivität beim begrifflichen Denken. (Etwa hier S. 37.) Oder wie Steiner bereits 1886 an die Dichterin M. E. delle Grazie schrieb: „Oh, wir sollten doch endlich zugeben, daß ein Wesen, das sich selbst erkennt, nicht unfrei sein kann! Indem wir die ewige Gesetzlichkeit der Natur erforschen, lösen wir jene Substanz aus ihr los, die ihren Äußerungen zugrunde liegt. Wir sehen das Gewebe der Gesetze über den Dingen walten, und das bewirkt die Notwendigkeit. Wir besitzen in unserem Erkennen die Macht, die Gesetzlichkeit der Naturdinge aus ihnen loszulösen und sollten dennoch die willenlosen Sklaven dieser Gesetze sein? Die Naturdinge sind unfrei, weil sie die Gesetze nicht erkennen, weil sie, ohne von ihnen zu wissen, durch sie beherrscht werden. Wer sollte sie uns aufdrängen, da wir sie geistig durchdringen? Ein erkennendes Wesen kann nicht unfrei sein.“ (GA-30, Dornach 1989, S. 238 f) Erkenntnistheorie (und Freiheitsforschung) auch als Naturforschung von Innen. In allen seinen Frühschriften. Das war ausdrückliches Programm nicht nur der Philosophie der Freiheit laut zweitem Kapitel, sondern bereits der Grundlinien … . Worauf wir gleich noch kommen werden. Vielleicht hilft es, um den Unterschied zwischen Bühler, dessen Versuchspersonen und Steiner etwas zu charakterisieren, auch Steiners Unterscheidung von Verstand und Vernunft aus dem Kapitel 12 der Grundlinien … (hier S. 67 ff) etwas zu bemühen: „Unser Denken hat eine zweifache Aufgabe zu vollbringen: erstens, Begriffe mit scharf umrissenen Konturen zu schaffen; zweitens, die so geschaffenen Einzelbegriffe zu einem einheitlichen Ganzen zusammenzufassen. Im ersten Falle handelt es sich um die unterscheidende Tätigkeit, im zweiten um die verbindende.“ Die Einzelerkenntnisse des Verstandes zu höheren Einheiten zusammen zu fassen, sei, so sagt er dort, Sache der Vernunft. Und zwar wird der Horizont der Beobachtung immer weiter, je mehr versucht wird, die größeren Zusammenhänge in den Blick zu bekommen. Das geistige Weltgeschehen und seine ethischen Implikationen gehören zusammen mit den Auseinandersetzungen zwischen Materialismus, Monismus, Spiritualismus und Freiheit des Menschen sicherlich mit zu den höchsten Fragestellungen, die man sich als psychologisch / philosophischer Beobachter stellen kann. Was beim Anthroposophen Steiner dann ja noch ganz andere Formen der Untersuchung annimmt. Aber es ist klar, daß derjenige, der nach dem durchschauten Weltgeschehen fahndet, vor allem Wert legt auf sicher erlebte Wirksamkeiten und ihre Zusammenhänge in der Welt, und, – im Falle Steiners, – als empirischer Erkenntniswissenschaftler ebenso natürlich in seinem Inneren. Wir werden das unten in Verbindung mit Kants Kausalitätsproblem noch etwas näher ausführen. Was bei Bühler ersichtlich alles keine vorrangige Rolle spielte, denn der war mit seiner Habilitationsarbeit wesentlich als Denkpsychologe unterwegs. Zu Beginn einer Wissenschaft auch noch, die sich soeben (Institutsgründung 1896; weitere Einzelheiten hier) nach der Jahrhundertwende erst in Deutschland als sogenannte «Würzburger Schule» etabliert hatte. Die es als wissenschaftliche Spezialdisziplin in Steiners Frühzeit also noch gar nicht gab. Weswegen sich Steiner in seinen Grundlegungsschriften in dieser Beziehung auch mehr Freiheiten gestatten konnte als Karl Bühler. Letzterer mußte seine Zeitgenossen überhaupt erst einmal davon überzeugen, dass seine Fragestellungen relevant sind, und sich mit einer damals neuen Methode auch angemessen würden klären lassen. Was übrigens schwer genug wurde. Von daher war es naheliegend für ihn, nicht gleich als Weltbeobachter mit den höchsten Fragen in Erscheinung zu treten, sondern erst einmal ganz pragmatisch den Nachweis zu führen, dass es im Bereich des Denkens sehr viel unmittelbar zu erleben und mittels dieser neuen Disziplin «empirische Psychologie des Denkens» zu beobachten gab, was vorher nicht systematisch beobachtet werden konnte. So daß die Zeitgenossen eben weitgehend abhängig waren von etablierten Fehlurteilen hinsichtlich der Erlebnisse des Denkens, und diese Irrtümer einfach nur weiter transportierten, ohne sie auf ihre Gültigkeit hin zu überprüfen. - Da ist dann eher der Fach-Psychologe gefragt, und nicht so sehr der Weltbeobachter, der mit psychologischen Mitteln nach wirkenden Kräften im Inneren zwecks Welterklärung und zwecks Überwindung des Kantschen Illusionismus suchte. Beim Würzburger Institutsleiter Oswald Külpe war das schon merklich etwas anders als bei Bühler, wie Sie an seinem Artikel über die Psychologie des Denkens hier ab S. 297 ff nachlesen können. Der dort ganz explizit von inneren Wirksamkeiten spricht, die bei den psychologischen Versuchen gefunden wurden. So daß er in diesem Artikel S. 312 ff von der «monarchischen Struktur des Seelenlebens» spricht. Und die enorme philosophische Bedeutung solcher empirisch psychologischen Befunde ausdrücklich hervorhebt. Während andere Zeitgenossen wie F. A. Lange seinen Worten zufolge den Geisteswissenschaften «nur Steine statt Brot» auftischten, wie er S. 311 f hervorhebt. Vergleichbares können Sie bereits dem Psychologiekapitel 18 aus Steiners Grundlinien... entnehmen. Bei Külpe lesen Sie ähnlich und seine kritische Passage abschließend: daß Zeitgenossen wie F. A. Lange an den Außenwerken der Psychologie stehen bleiben und sich „mit dem Hallerschen Spruche trösten: ins Innre der Natur dringt kein erschaffner Geist.“ Naturforschung von Innen also nicht nur bei Steiner, sondern ganz ausdrücklich auch bei Külpe. Obwohl Steiner sich an seinem unausgegorenen erkenntnistheoretischen Subjektivismus heftig stößt, wie man in GA-60, S. 213 ff nachlesen kann. Analog freilich, wie auf anderer Ebene an Goethe, der zu keinem Begriff der Freiheit kam, dazu allerdings auch nicht den Weg der Beobachtung des Denkens beschritt wie Steiner und Külpe. - Man kann sich in mancher Hinsicht wirklich sehr nahe sein, und in anderer wiederum unendlich fern, wie man daran sieht. Was ja auch für Steiners relative Nähe zu Eduard von Hartmann galt. - Kommen wir zurück zur Frage der Beobachtung. Prinzipiell beginnt das Beobachtungsvorhaben dann, wenn das Erkenntnismotiv methodisch verwirklicht wird. Das Motiv muß ja vorhanden sein, wenn jemand auf der Grundlage spezifischer Forschungsüberlegungen etwas über das Denken wissen will. Was natürlich auch für Versuchspersonen, zumal für fachliche gilt, die sich so eine Fragestellung zu eigen gemacht haben wie die, «Was wir erleben wenn wir denken?» So daß die Erkenntnisintention als bewußtes Motiv bei allen Beteiligten, mehr oder weniger speziell ausgeprägt vorhanden ist, sonst würden sie sich zumal als fachpsychologische Versuchspersonen auf so etwas ja nicht einlassen. Die nächste Frage lautet dann: Wann beginnt eigentlich die Erkenntnis des Denkens, wo über die Erfahrungen des Denkens nachgedacht wird und man zur anspruchsvolleren Begriffsbildung darüber gelangt? Das Wahrnehmungsurteil: «Es gibt Denkerlebnisse! / oder auch nicht!» kann die Versuchsperson gegebenenfalls schon fällen, unmittelbar nachdem sie etwas erlebt hat. Das kann, entsprechendes Interesse vorausgesetzt, als einfache Urteilskonstatierung unter Umständen, und zumal in Phasen der Stockung oder des Innehaltens während des Experimentes ziemlich schnell gehen, ohne den experimentellen Denkfluß entscheidend zu unterbrechen. Sie sind dann vielleicht auch verblüfft oder überrascht über das bislang Erlebte, und so weiter. Bühlers «Aha-Erlebnis», ist ja als geflügeltes Wort in die Geistesgeschichte eingegangen. Innerlich ausgesprochen übrigens häufiger von seiner Versuchsperson K. (Külpe), wie Sie etwa auf S. 305 und öfter in Bühlers Studien nachlesen können wie etwa an folgender Stelle in seinen Protokollen: „Da kam mir pötzlich mit einem Aha! der Gedanke: das ist die bekannte Anschauung, daß Grenzen nur von Überragendem aus festgestellt werden können.“ Das «Aha!» der Versuchsperson Külpe begleitete in diesem Fall dessen Denken und war lediglich Ausdruck einer für die Problemlösung der experimentellen Denkaufgabe wichtigen Entdeckung. Er fand etwas unerwartet einen Lösungsweg und begleitete das mit diesem inneren Kommentar. Wie weit das erlebte «Aha!» wiederum schon ein Wahrnehmungs-Urteil war und nicht bloß ein prägnant durchlaufener Überraschungsreflex, der sich dann lediglich in einer vorbegrifflichen Interjektion als Ausdruck des Erstaunens in einem entscheidenden Denkstadium niederschlägt, wie «Ach!», «Oh!» und «Hui!», oder das dem Archimedes nachgesagte «Eureka!» als Ausdruck der Freude über eine gefundene bedeutende Einsicht, ist eine weitere Frage. Nachgedacht wurde über die Funktion des «Aha!» jedenfalls den Protokollen zufolge erst später. Zur denkpsychologischen Bewertung dieses «Aha!» siehe auch Bühler im Teil 2 seiner Untersuchung etwa auf S.17. Es mag sein, daß in einzelnen Fällen den denkpsychologisch erfahrenen Versuchspersonen auch während des Versuchs klar wurde, daß das Erlebnis zur Klärung ihres expliziten Forschungsvorhabens selbst gehörte. Was bei grundlegend einfachen Fragestellungen dieser Art ja näher liegt, wo überhaupt nur nach der Anwesenheit oder Absenz von inneren Wahrnehmungen gefragt wird. Dann hätten sie sozusagen zwischendurch einen Abstecher vom Experiment zum Forschungsprogramm und seiner Lösung in Urteilsform gemacht. Die Hauptarbeit der Beobachtung allerdings, wie man insbesondere schon bei solchen Bewertungsfragen wie um das berühmte «Aha» sieht, nämlich die psychologisch / philosophische Beurteilung der mitgeteilten Denk-Erlebnisse, worin die eigentliche Erkenntnisarbeit liegt, nimmt den weitaus größten Teil der Bühlerschen Habilitationsstudie ein. Der sich dabei mit einem nennenswerten Teil der zeitgenössischen Fachliteratur und ihren Problemstellungen kritisch auseinandersetzt. Was selbstredend auch zur Beobachtung des Denkens gehört. Nämlich zu einer angemessenen Begriffsbildung über das Denken zu gelangen, denn erst diese macht aus einer bloßen Wahrnehmung des Denkens eine Erkenntnis des Denkens. Dazu wiederum muß man das Für und Wider gewisser Standpunkte und Sichtweisen des Denkens gründlich bedenken und sich damit kritisch auseinandersetzen, weil man sonst zu keiner fundierten begrifflichen Klärung bezüglich des Denkens kommt. Eine Versuchsperson kann das natürlich nicht während des Versuchs. Selbst wenn sie nur feststellen will, was sie während des Denkens erlebt, sind ausgreifende Überlegungen zu Lage und Streitfragen der Forschung und zur Einordnung des Erlebten oder nicht Erlebten in diese Forschung während des Denk-Experiments natürlich nicht möglich. Denken Sie nur einmal an Bühlers Eingangsbemerkungen zu seiner psychologischen Studie von 1907: „Es gibt wohl kaum eine andere einzelwissenschaftliche Frage, auf die man so viele verschiedene Antworten erhalten kann als auf die: was ist Denken? Denken ist Verknüpfung, Denken ist Zerlegung. Denken ist Urteilen. Denken heißt Apperzipieren. Das Wesen des Denkens liegt in der Abstraktion. Denken ist Beziehen. Denken ist Aktivität, ist ein Willensvorgang. Fragt man aber spezieller nach den Inhalten der Denkerlebnisse, dann lautet die Antwort sehr einmütig, spezifische Denkinhalte gebe es nicht. Es gibt nur ganz wenige Forscher, die diesen Satz nicht anerkennen würden.“ Da ist noch nicht einmal von Kausalitätsfragen und gar der «Weltwesenheit Denken» die Rede. Sondern zunächst geht es schwerpunktmäßig lediglich darum, ob es beim Denken überhaupt etwas zu erleben gibt oder nicht. Letztlich eine Frage nach der empirischen Grundlage eines damals allgemein verwendeten Denkbegriffs, der, wie von Bühler dargelegt, nicht nur in so unterschiedlichen Variationen vorlag. Sondern von dem die allermeisten Fachleute zudem noch glaubten, daß er gar keine unmittelbare empirische Grundlage habe, weil es dabei nämlich angeblich nichts zu erleben gab. Wenn die Versuchsperson als «philosophischer Beobachter» (Steiner) ihre Denkerlebnisse schließlich auch noch mit Kants Kausalitätsproblem sachgemäß in Verbindung bringen wollte, dann müsste sie den basalen Versuch überhaupt abbrechen, der lediglich etwas über das Vorhandensein von speziellen Erlebnissen während des Denkens aussagt. Und sich für mindestens einige Wochen oder Monate, vielleicht auch Jahre oder ein ganzes Leben lang, je nach Bildungs-, Wissens,- und Interessenstand zurückziehen, um die Frage zu beantworten, was das Erlebte alles mit diesem Problem Kants zu tun hat. Erst damit, wenn sie das ganze Pro und Kontra um die Erkenntnis von Kausalzusammenhängen erfolgreich auf ihr Versuchsprozedere und dessen Erlebnistatsachen übertragen hätte, wäre ihr Beobachtungsprojekt abgeschlossen. Und die Wahrnehmung mit dem «tätig erarbeiteten Begriff erfaßt», um mit Steiner zu sprechen. Dahingehend etwa, daß sie «bei der Beobachtung des Denkens das Weltgeschehen durchschaut», wie es Steiner 1897 hier S. 70 bemerkte. Und «ein erkennendes Wesen nicht unfrei sein kann», wie Steiner bereits 1886 gegenüber der Dichterin M. E. delle Grazie versicherte (GA-30, S. 238 ff). Es ist übrigens bezeichnend für Steiner und die damalige wissenschaftliche Zeitlage, dass Steiner 1917 in der Schrift Von Seelenrätseln (GA-21, S. 170 f) den dringenden Wunsch äußerte, in einem psychologischen Laboratorium zu arbeiten, um dort «beste Grundlagen» zu legen. Also jene Fragen noch einmal in so einem Institut auf empirische Grundlagen zu stellen, die er bereits in seinen Frühschriften psychologisch behandelt hatte, als es solche etablierten Einrichtungen mit vorzeigbaren Resultaten noch nicht gab. 4. Über die Betriebsblindheit von philosophischen Spezialisten und philosophischen Steinerinterpreten insbesondere Wenn man sich Steiner Sendschreiben an die Dichterin delle Grazie, oder seine Bemerkungen über das durchschaute Weltgeschehen anhand der Beobachtung des Denkens in Goethes Weltanschauung (Erstauflage 1897, S. 69 ff) vor Augen hält, dann sieht man daran, welche außerordentliche Weite und Bedeutung die empirische Beobachtung des Denkens für die Behandlung und Einschätzung der Naturkausalität einnehmen kann. Und damit auch für die Freiheitsfrage. Denn dabei geht es selbstredend um den Geltungsbereich der Naturkausalität. Und heißt, ein erkennendes Wesen kann nicht vollständig den Zwängen der Naturnotwendigkeit unterworfen sein. Was folglich sehr ernste einschränkende Folgen für das Verständnis einer generalisierten Naturkausalität hat. In diesem Fall schwerste Folgen für das Verständnis, die hier ihren Ausgang nehmen von der Forschung einer «empirischen Naturwissenschaft von Innen». Hier gilt auch, was Steiner mit dem programmatischen Satz aus dem zweiten Kapitel der Philosophie der Freiheit bereits vorwegnimmt: „Wir können die Natur außer uns nur finden, wenn wir sie in uns erst kennen.“ (Hier S. 20.) Was im Fall der Denk-Beobachtung über einen der allerwichtigsten Naturaspekte aufklären kann. Nämlich, daß das allgemein der materiellen Welt unterstellte Kausalitätsprinzip nicht uneingeschränkt gilt, und bereits bei menschlichem Erkennen außer Kraft gesetzt ist. Denn das Denken und Erkennen ist nicht blind von den Gesetzen einer Naturkausalität getrieben, sondern macht sich davon unabhängig, indem es sich aktiv und keineswegs passiv von Fragstellungen und Begriffen nach logischen Gesichtspunkten leiten läßt. Und vor diesem Hintergrund seine Erkenntnisurteile fällt. Im Denkexperiment mit nachfolgender Bezugnahme auf das Kausalitätsproblem gegebenenfalls mit dem Resultat, daß das menschliche Erkenntnisvermögen in gar keiner Weise einem analogen Naturmechanismus zwanghaft folgt, wie er vergleichsweise für Steine und chemische Vorgänge gelten mag, - und selbst für letztere hat das massive Folgen, wenn sich die Brüchigkeit des Kausalitätsprinzips an nur einer Stelle herausstellt, die jedermann leicht zugänglich ist. Wer indessen nur Steine und chemische Vorgänge untersucht, und den Menschen analogisierend bloß als Naturmechanismus betrachtet, wird das freilich nie begreifen, und die Natur infolgedessen nie in diesem entscheidenden Aspekt der Naturkausalität, wo ihre Reichweite durch die empirische Beobachtung des Denkens dramatisch eingeschränkt wird, kennen lernen. Wer wiederum überhaupt nie nach dem tieferen Grund der Weltphänomene fragt, sondern nur nach Nutzanwendungen, wie sie Alexander Unzicker hier dem anglo-amerikanischen Utilitarismus zuschreibt, der wird ebenfalls nicht weit kommen mit der Erkenntnis des Denkens und jener Kräfte, die die Welt von innen treiben. Wer zudem über die erkenntnistheoretische Gebrechlichkeit eines von Kant und Hume problematisierten Kausalitätsprinzips gar nichts weiß, so daß er es mit der Beobachtung des Denkens auch nicht in Verbindung bringen kann, der kommt ebenfalls nicht weit damit und dem «Durchschauen des Weltgeschehens» im Sinne Steiners. Bei allen Beobachtungen, die er mit seinem Denken sonst noch vornehmen mag. Wie der Leser daran sieht, kann das Beobachtungsunterfangen zur philosophischen / begrifflichen Klärung einer Wahrnehmung des Denkens unter Umständen viele lange Jahre in Anspruch nehmen. Beispielsweise wenn man erlebt, daß die Gedanken und Erkenntnisse aktiv hervorgebracht werden, und darauf aufbauend solche weit gesteckten, aber für das Weltverständnis folgenreichen Problemstellungen in den Blick nimmt. Johannes Volkelt benötigte mehr als 30 Jahre dazu, wenn man seine Ausgangsfrage nach der erlebten Kausalität von 1886 (S. 82 f) mit der Antwort seiner 1918 (hier S. 140 ff letzten Fassung seiner Erkenntniswissenschaft vergleicht. Mit Denkprozessen hatte sich Volkelt bereits 1886 sehr eingehend beschäftig. Und die Antwort von 1918 sieht sehr anders aus als 1886. Das lag einerseits an Methodenfragen der inneren Beobachtung, an denen Volkelt selbst regen Anteil hatte. Und liegt auch an der dabei allmählich erst gewonnenen philosophischen Überzeugung in psychologischer, naturwissenschaftlicher und ethischer Hinsicht. Das alles dauert schon wegen der Tatsache, daß man sich so ungeheuer breit und eingehend über jene oft fachfremden Problemstellungen aufklären muß, die damit verbunden sind. Was im Zeitalter des blinden Spezialistentums, das zwar im eigenen winzigen Metier in ungeahnte Tiefen dringt, aber im übrigen über seinen mikroskopisch kleinen Tellerrand nie hinauskommt, und schon die Fragen von gleich nebenan weder kennt, noch beantworten kann, umso schwieriger wird. Es ist ja das, was Steiner im Kapitel 12 der Grundlinien … der bloßen «Verstandeserkenntnis» zuschreibt, die eine große Scheu davor habe, solche Verbindungen zu anderen und umfassenderen philosophisch-naturwissenschaftlichen Problemkreisen in den Blick zu nehmen und die Verständnisfäden dorthin zu ziehen. Das ist eine Eigenart der wissenschaftlichen Perspektivenverengung, die nicht nur für den gewöhnlichen Wissenschaftsbetrieb gilt, sondern vielfach auch für den anthroposophischen, wie man exemplarisch am Beispiel der Denk-Beobachtung und ihrer Übertragung auf Kants Kausalitätsproblem studieren kann. Die eigentlich, obwohl eine Schlüsselstelle von Steiners Grundlegungsschriften, von solchen Rezipienten nie dort vorgenommen wird, obwohl Steiner selbst in diesen Frühschriften mehr als genug erklärten und unübersehbaren Anlaß dazu gegeben hat, die empirische Beobachtung des Denkens mit dem Kausalitätsproblem zu verknüpfen. Was ja schon über Steiners Eingangsfrage im ersten Kapitel der Philosophie der Freiheit klipp und klar gemacht wird. Daneben über den Ausdruck des «Zusammenhangs von Wirkendem und Bewirktem», der sich bereits aus akutem philosophischem Anlass in den Grundlinien …. von 1886 gleich nach dem Kant-Kapitel im Folgekapitel 15 findet. In Goethes Weltanschauung (S. 69 ff) sieht es nicht anders aus. Gleichwohl wurde das so gut wie nie zur Interpretation von Steiners Grundschriften beigezogen. Was vorrangig auch für idealistisch orientierte Philosophen wie Hartmut Traub, Eckhart Förster, Jaap Sijmons und andere gilt, die sich mit oder gerade wegen ihrem eingegrenzt-spezialisierten philosophischen Sachverstand auf einem engen akademischen Fachgebiet, - sogar des Idealismus meinetwegen, - hartnäckig weigern, die empirische Psychologie des Denkens zur Klärung grundlegender Fragen bei Steiner, in der Naturphilosophie und der Geisteswissenschaft, sowie der Kausalitätsproblematik der Naturwissenschaften allgemein einzubeziehen, weil sie davon als Spezialisten ihres beschränkten (philosophischen) Metiers schon nichts mehr verstehen. Oder gerade so viel wie ein Robbenfänger der Inuit vom Ananas-Anbau. Was als wissenschaftlicher Perspektivenreduktionismus ein leidiges Dauer-Thema nicht nur bei den Anthroposophen ist. Man muß darüber nicht erstaunt sein, dass solche Philosophen Steiners Empirismus nie begreifen werden. Schon wegen ihrer abwertend philosophischen Haltung gegen jeden Empirismus des Denkens, von dem sie dann auch sachlich nichts verstehen, aber gleichwohl ihre eigene kognitive Mängellage blind auf Steiner übertragen, ihm dasselbe unterstellen und damit lauter abstruse Interpretationsresultate zu Steiners Frühwerk generieren. - Mancher wird darüber auch zum wortmächtigen anthroposophischen Ikarus à la Swasssjan, nur weil er offenbar bei seinen intellektuellen Stratosphärenflügen den Höhenmesser vergaß und die Bodenstation nicht kontaktierte. So daß man dann auf ca 370 Seiten kaum ein klärendes Wort zum Gedankengang von Steiners Grundlagen hört. Dafür aber in der Auseinandersetzung mit Thomas Meyer auf S. 364 ff so verstiegene Scholastizismen, ob ich von Rudolf Steiner gedacht werde, und ob Rudolf Steiner der einzige Mensch ist, der die Weltschöpfung vollendet. (Die Diskussion ist im Online-Archiv des Europäers Jahrgang 2006 noch zu lesen.) Da taucht dann zwar (S. 350 ff) die an sich sehr vernünftige Frage auf nach der seelischen Beobachtung in Steiners Philosophie der Freiheit, freilich ohne einen Blick in die Grundlinien … zu werfen, wo sie 1886 schon längst beantwortet wurde, und sogar im Nachgang von 1924 (S. 142) noch einmal erweiternd und präzisierend auf die Anthroposophie bezogen. So daß man schon den Eindruck hat, Swassjan redet da über einen entscheidenden psychologischen Aspekt von Steiners Grundlagen, den er nicht nur nicht besonders gut kennt, sondern der ihn auch nicht wirklich erwärmen kann, obwohl es ein Kernaspekt von Steiners Begründungsschrifttum ist. Was gleichermaßen für Steiners induktive Vorgehensweise gilt, die Swassjan auf diesen Seiten (351 ff) ebenso abzulehnen scheint, obwohl Steiner ausdrücklich (GA-1, S. 126) betont, daß die Ideen einer induktiven Methode zugänglich seien. (In der Kürschnerausgabe von 1887 auf S. IV f): „Das objektiv Gegebene deckt sich durchaus nicht mit dem sinnlich Gegebenen, wie die mechanische Weltauffassung glaubt. Das letztere ist nur die Hälfte des Gegebenen. Die andere Hälfte desselben sind die Ideen, die ebenso Gegenstand der Erfahrung sind, freilich einer höheren, deren Organ das Denken ist. Auch die Ideen sind für eine induktive Methode erreichbar.“ So Steiner dort. - Was denn nun? Induktiv oder nicht? Mit dem von Steiner vorgelegten Lösungsansatz zum Kant-Humeschen Kausalitätsproblem scheint Swassjan auch nichts am sprichwörtlichen Hut zu haben, obwohl es bei Steiner bei sämtliche Begründungsschriften in Gestalt eines erlebten Zusammenhangs von Wirkendem und Bewirktem grell herausleuchtet. Mehr als im Kapitel 14 der Grundlinien… kann man es kaum noch betonen. Man hat damit natürlich auch Steiners induktiven Weg zu den Ideen vor sich, der in dieser Schrift ebenso eindrucksvoll beschritten wird. Da scheinen einige empirische / psychologische Zusammenhänge über Steiners Vorgehensweise bei Swassjan noch einer Klärung gar sehr bedürftig. Was auf der anderen Seite wiederum zu den scholastischen Entgleisungen passt, die Swassjan da gelegentlich zum Besten gibt. Wäre es anders, dann hätte Swassjan sich nämlich weit mehr über die Psychologie in Steiners Grundschriften ausgebreitet, und täte nicht so erstaunt über eine seelische Beobachtung, die gar nicht zu übersehen ist und nicht nur in sämtlichen Grundschriften Steiners regelrecht in die Augen springt, sondern wo auch von Steiner lang und breit dargelegt wird, warum das so ist. Darüber allerdings, warum das überhaupt dort auftaucht, wundert sich Swassjan nun etwas. Darüber, warum in der Philosophie der Freiheit von «seelischer Beobachtung» die Rede ist. Woran man eben sieht, die seelische Beobachtung gehört nicht wirklich zu Swassjans Spezialgebieten und Lieblingsprojekten, sonst würde er solche isolierten Fragen nicht stellen, sondern als Thema so ausführlich entfalten, wie es angemessen wäre. Und damit wäre sein Buch auf über 370 Seiten längst voll gewesen, und seine verschrobenen und für das Verständnis nutzlosen scholastischen Exkurse über die Person Steiners hätte er sich schenken können. Irgendwie erinnert das auch ein wenig an den Eskimo und den Ananas-Anbau. - Nun, mancher weiß noch nicht so recht, daß Steiner gar nicht wie ein Gott verehrt und geliebt, sondern verstanden werden wollte. Wo es wiederum bei den Anthroposophen gewaltig hapert, das ist nicht mangelnde Steiner-Verehrung, sondern Verständnis für seine wissenschaftlichen Grundlagen. Da helfen erfahrungsgemäß sämtliche Husarenritte durch die Jahrtausende der Philosophiegeschichte und altehrwürdige okkulte Strömungen nicht weiter, wenn man noch nicht einmal weiß, was der Mann in seinen Frühschriften mit der empirischen Aktpsychologie seiner Zeit eigentlich vorlegt, wo er sein Begründungs-Vorhaben doch so gut wie nirgends an diese Jahrtausende der Philosophiegeschichte anbindet. Abgesehen vom Idealismus Goethes, den er mit dieser empirischen Aktpsychologie seiner Zeit engstens erkenntniswissenschaftlich verknüpft. Beim Verständnis dieser Verknüpfung allerdings, das werden wir dann bei Witzenmann neuerlich in unserer anthroposophischen Debakelsammlung erleben, klemmt es bei den Anthroposophen bis hin zum eigenen vernichtenden Untergang. So viel auch zum Thema Steinerverehrung. Mit dieser Verehrung, ob von Steiner oder etwa sogar Witzenmanns, zumal wenn sie auch noch hoch suggestiv daherkommt, ist kein Blumentopf zu gewinnen. Damit kann man vielleicht opportunistische anthroposophische Beziehungen knüpfen, aber keine Verbindungen zur Wahrheit. Aus lauter Verehrung für diese Vorbilder, anstatt selbst zu denken, hat man schließlich in seiner Verständnislosigkeit alles kraftvoll vor die Wand gefahren. Wo dann die blinde Steiner-Verehrung inzwischen teils durch die noch weit tumbere Witzenmann-Verehrung ersetzt wurde, und die Leute mit ihren Witzenmann-Kappen auf dem Kopf (siehe weiter unten) schließlich allen Ernstes öffentlich behaupten, Witzenmann habe Steiner weiter entwickelt, obwohl sie Steiner erklärtermaßen gar nicht kennen. - So etwas gehört dann eher doch ins philosophische Gruselkabinett und die Sammlung «Konditionierung» und «Gehirnwäsche» aber nicht zur Kategorie der Aufklärung. Mit Swassjans Unterstützung werden die Schwärmer dann Steiner noch mehr verehren, und verstehen werden sie ihn immer noch ebenso wenig wie vorher schon. Mit seiner psychologischen Abstinenz folgt Swassjan leider nur einem weithin üblichen eingefahrenen Rezeptionsmuster von zahllosen anderen Anthroposophen, die das Psychologische ebenso wenig sehen können und sich dafür ebenso wenig interessieren wie offensichtlich Swassjan. Denn: Bereits in den Grundlinien ... nimmt die seelische Beobachtung eine erklärte Spitzenposition ein in der Erfassung des Geistes: „Die erste Wissenschaft, in der es der Geist mit sich selbst zu tun hat, ist die Psychologie. Der Geist steht sich betrachtend selbst gegenüber.“ So Steiner nämlich dort gleich eröffnend im Psychologiekapitel 18 in der Erstausgabe von 1886 auf S. 79. Ich bitte meinen Leser, dies besonders zu beachten: Nicht die Philosophie, sondern die Psychologie ist hier für Steiner die erste Wissenschaft, in der es "der Geist mit sich selbst zu tun hat". Nun, möchte man sagen, die Philosophie hat es vorrangig nur noch mit theoretischen Geist-Konstrukten und toten Begriffen darüber zu tun. So weit zumindest bin ich mir wahrscheinlich mit Swassjan einig. Während die Erfahrungswissenschaft «Psychologie» nach wie vor in der Lage ist, sich zum real wirksamen Geist ins Verhältnis zu setzen, was die Philosophie schon seit langer Zeit verlernt hat. Daß «die Seele als Tatsache nicht da war», wie Swassjan (S. 362) von der Philosophie der Freiheit schreibt, läßt sich für 1886 und aus dem Gesamtzusammenhang der Grundschriften also schlecht behaupten. Wo war sie also in der Zwischenzeit? Wo doch alle Frühschriften laut Steiners Erklärung aus der Schrift Von Seelenrätseln (S. 58 f) in einem ausdrücklichen Gesamtzusammenhang stehen, also eine Einheit in der Grundlagenforschung bilden, und die Sache seiner Auffassung nach so liegt: „daß alle in meiner «Philosophie der Freiheit» vorgebrachten Grundanschauungen bereits in meinen früheren Schriften ausgesprochen und in dem genannten Buche nur in einer zusammenfassenden und sich mit den philosophisch-erkenntnistheoretischen Ansichten vom Ende des neunzehnten Jahrhunderts auseinandersetzenden Art vorgetragen sind. Ich wollte in dieser «Philosophie der Freiheit» in systematisch-organischer Gliederung zur Darstellung bringen, was ich in den früheren, fast ein ganzes Jahrzehnt umfassenden Veröffentlichungen an erkenntnistheoretischer Grundlegung und an ethisch-philosophischen Folgerungen für eine auf die Erfassung der geistigen Welt zielende Anschauung niedergelegt hatte.“ Danach wäre freilich die «allerwichtigste Beobachtung» aus der Philosophie der Freiheit auch problemlos im Psychologiekapitel der Grundlinien … unterzubringen gewesen, wonach man „eine wahrhafte Psychologie nur gewinnen kann, wenn man auf die Beschaffenheit des Geistes als eines Tätigen eingeht.“ Man hätte das Kapitel nur entsprechend erweitern müssen, und schon wäre man im Kapitel Drei der Philosophie der Freiheit gewesen. Schon so gesehen war der Untertitel Seelische Beobachtungsresultate von 1918 ausgesprochen passend. Er wäre auch ebenso passend gewesen in den restlichen Grundschriften. Daß Steiner sich 1894 wohlweislich nicht an der Fachpsychologie orientierte, erklärte er 1894 in der Philosophie der Freiheit bereits im Kapitel Drei auf S. 29 f. Das «alltägliche Bewußtsein», auf das er sich dort, und 1918 immer noch im Kapitel Zwei (hier S. 21) beruft, kennt die scharfen Unterscheidungen der Fachwissenschaft nicht. Und kennt natürlich auch nicht die hinfälligen Hypothesenbildungen, so möchte man ergänzen, die regelmäßig in solchen fachwissenschaftlichen Unterscheidungen stecken. Die morgen schon nichts mehr gelten, wieder vergessen und durch andere ersetzt sind. Was Steiner eben nicht hindert, möglichst unbelastet von solchen vergänglichen Fachtheorien und -hypothesen mit kurzer Halbwertszeit, an den grundlegenden psychologischen Tatsachen anzusetzen. Samt und sonders in allen Frühschriften. Die ersichtlich empirisch-psychologisch operierende Erkenntnistheorie Steiners wirkt nicht zufällig und seit Anbeginn der Psychologie so nahestehend. Wie es in jener Zeit übrigens ausserordentlich häufig der Fall war, wie der Leser in meiner längeren Studie nachlesen kann. Verbunden ist das auch mit prominenteren Namen wie Johannes Volkelt, Wilhelm Dilthey, Franz Brentano und vielen anderen. Daß Steiner wegen der Voraussetzungslosigkeit in der Philosophie der Freiheit keine Seele kennt, wird man schlecht belegen können, denn die Voraussetzungslosigkeit wird in Philosophie der Freiheit nicht mehr explizit in Anspruch genommen. Während man aber die seelische Beobachtung der Sache nach doch wegen ihrer psychologischen Vorgehensweise so kennzeichnen könnte: Voraussetzungslos, wie es Steiners methodisches Vorbild Volkelt in dieser Angelegenheit getan hat, der noch 1918, S. 38 f von «immanent psychologischer Erkenntnistheorie» spricht, «die ebenso gut ein Psychologe durchführen könnte». Die er aber gleichwohl als «voraussetzungslos» verstand. Als Erkenntnistheoretiker der reinen Erfahrung freilich ohne dabei die etablierten Auffassungen einer fachwissenschaftlichen Psychologie vorauszusetzen. Denn das darf er natürlich nicht bei einer voraussetzungslosen Erkenntnistheorie. Weswegen ihn aber auch niemand hindern kann, seelische Tasachen voraussetzungslos zu untersuchen. Dasselbe wie bei Volkelt geschieht bei Steiner seit mindestens 1886. Dessen Untersuchungen kann ohne weiteres auch ein Fachpsychologe in Angriff nehmen. Während der Erkenntniswissenschaftler mit Anspruch auf Voraussetzungslosigkeit niemals an die Fachwissenschaft und ihre dort verkündeten Wahrheiten appellieren bzw. diese voraussetzen darf. Was aber einen nachträglichen Vergleich zwecks Prüfung der jeweiligen Forschungsresultate ohne weiteres möglich macht – wie es bei Volkelt auch regelmäßig über die Jahrzehnte hin und mit teils gravierenden Folgen der Fall war. So ausgestattet untersucht auch der «immanent psychologisch» operierende Steiner den Zustand «vor dem Erkennen», und baut insbesondere auf der Beobachtung eines rein erfahrenen Denkens auf. In sämtlichen Grundschriften. - In Wahrheit und Wissenschaft wiederum wird Voraussetzungslosigkeit nur in dem Maße in Anspruch genommen, «so weit das bei der Natur des menschlichen Erkenntnisvermögens möglich ist» - wie es eingangs (Vorbemerkungen) hier S. 13 heißt. Im Rahmen dieser voraussetzungslosen Untersuchung kann er selbstredend auch kein geltendes Kausalitätsprinzip voraussetzen. Das übrigens damals «und heute» ohnehin einen mehr als fragwürdigen bis starkwindigen erkenntnistheoretischen Status hatte. Das ist wichtig zu wissen, bei Steiners Suche nach den «wirkenden Kräften im eigenen Inneren». Ebenso bei seiner Betonung der Tatsache, daß das Hervorbringen von Gedanken «unmittelbar gegeben» sein muß, und diesbezüglich «keinerlei Schlußfolgerungen erlaubt» sind, wie es im Kapitel Vier von Wahrheit und Wissenschaft auf hier S. 37 heißt. Steiners immanent psychologisierendes Vorbild Johannes Volkelt wiederum, bei dem er sich in Wahrheit und Wissenschaft (hier in der Einleitung S. 7) sogar mit Nachdruck für seine wertvolle Vorarbeit bedankt hat, spricht bei aller betonten Voraussetzungslosigkeit aus gutem Grund und analog wie Steiner, (ebenfalls noch im Jahre 1918) auf S. 38 f von einer «immanent psychologischen Erkenntnistheorie». Die Volkelt in dieser Form bereits seit den 1870er Jahren pflegte. Und darin von Steiner bereits in den Einleitungen in Goethes Naturwissenschaftliche Schriften (Kap. Goethes Erkenntnistheorie) ebenso aufmerksam wahrgenommen wurde wie in den Grundlinien … von 1886. Während Steiner (1918) in der Zweitauflage der Philosophie der Freiheit ihre seelische Beobachtung nachdrücklich noch einmal hervorhebt, die selbstredend 1894 ebenso wie in den Grundlinien … von 1886 als immanent psychologische Methode längst vorhanden war. Wo also Volkelts immanent-psychologisch operierende, und voraussetzungslose Erkenntnistheorie dieser Jahre, schon herausleuchtet. Diese immanent psychologische Orientierung in der Erkenntnistheorie findet man aus sachlichen Notwendigkeiten in sämtlichen Grundlegungswerken Steiners genau so wie beispielsweise bei Johannes Volkelt. Auch als «voraussetzungslose» kann also so eine Erkenntnistheorie empirisch psychologisch operieren, indem sie etwa wie in Wahrheit und Wissenschaft erklärtermaßen, nach dem Bewußtseinszustand «vor dem Erkennen des Denkens», also nach seiner «reinen Erfahrung» respektive dem «unmittelbar Gegebenen des Denkens» fragt. Und in den Grundlinien … nach dessen «reiner Erfahrung», was sachlich dasselbe bedeutet. Was wiederum beim Denken auch am allerleichtesten möglich ist, weil ich es vor jeder Beobachtung des Denkens mit so einem Zustand «vor jedem Erkennen des Denkens», also mit seiner reinen Erfahrung zu tun habe, wie der Leser leicht nachprüfen kann. Es mag zudem auch gut sein, daß Steiner 1918 die Seele mit besonderer Betonung in den Untertitel der Philosophie der Freiheit aufgenommen hat, weil seine dreißigjährige Forschung, die auch «anthropologischer» Natur war, ihm das noch einmal besonders nahe gelegt hat. Insbesondere die Tatsache, dass er dem «rein Seelischen» in der 1917 erschienenen Schrift Von Seelenrätseln einige wissenschaftliche Aufmerksamkeit gewidmet hat. Dieses «rein Seelische» zeigt sich wiederum und insbesondere (nicht nur, aber auch) im «denkenden Suchen nach der Wahrheit». Bei einem Wollen, das sich an den Gesetzen der Logik orientiert und nicht an denen des Leibeslebens. GA-21, S. 132: „Man sieht: im gewöhnlichen Bewußtsein verschläft man das Wollen, wenn man durch den Leib ein Wollen nach außen entwickelt; man verträumt das Wollen, wenn man im Denken nach Überzeugungen sucht. Doch erkennt man, daß in letzterem Falle dasjenige, wovon man träumt, kein Leibliches sein kann, denn sonst müßten die logischen Gesetze mit den physiologischen zusammenfallen. Faßt man den Begriff des im denkenden Suchen nach der Wahrheit lebenden Wollens, so ist dieser Begriff der eines seelisch Wesenhaften.“ - So beschreibt Steiner die Verhältnisse um das «rein Seelische» und das wollende Suchen nach Wahrheit in dieser Schrift. Das wäre 1. bereits ein sehr guter Grund, die seelische Beobachtung in den Untertitel der Philosophie der Freiheit aufzunehmen, die in zweiter Auflage ein Jahr später, 1918 erschien. Denn darum, um das denkende und wollende Suchen nach der Wahrheit, geht es dort ja von Anfang bis Ende. Das 2. anläßlich der Suche nach dem Ursprung des Denkens und den wirkenden Kräften der Natur im eigenen Inneren. Auch das rechtfertigt die ausdrückliche Betonung einer seelischen Beobachtung. Mit dem 3. übergeordneten freiheitsphilosophischen Ziel, die Frage zu klären: „Ist der Mensch in seinem Denken und Handeln ein geistig freies Wesen oder steht er unter dem Zwange einer rein naturgesetzlichen ehernen Notwendigkeit?“ Diese gewollte Suche im Inneren wiederum basiert 4., und das scheint mir fast das Interessanteste zu sein, bezeichnenderweise auf einer erkenntniswissenschaftlichen Methode, die bei Steiner seit spätestens 1886 zu Anwendung kam, von Johannes Volkelt entlehnt war, und von letzterem 1918, S. 38 f dann als «immanent psychologische» Methode der Erkenntnistheorie bezeichnet wurde. Dieser Methode bediente sich auch Steiner in den Begründungsschriften. Also sehr viele Gründe für Steiner, - mindestens vier hier aufgezählt, - in der Zweitauflage der Philosophie der Freiheit von seelischer Beobachtung zu sprechen, nachdem ihm nach dreißigjähriger Forschung auch die seelischen Verhältnisse weit klarer waren als 1894, wo der Untertitel in dieser Beziehung viel zurückhaltender war. Davon wird unten in einem Extrakapitel (17.) auf S. 153 ff im Zusammenhang mit Johannes Volkelt und der Schrift Wahrheit und Wissenschaft noch etwas zu reden sein. Doch wie gesagt: Schon 1886 war die Seele längst da. Methodisch findet sich das Psychologische als Forschungsmittel und Gegenstand in sämtlichen Frühschriften. Steiners Wunsch von 1917 (GA-21, S. 171) nach einem «profanen» psychologischen Laboratorium als «Wunsch eines jeden, der auf dem anthroposophischen Gesichtspunkt steht», zu erwähnen und zu bedenken, wäre also in jedem Fall sehr hilfreich gewesen, um etwas mehr Stabilität unter das Flugwerk Swassjans zu bekommen. Was folglich will Steiner da, um «beste Grundlagen» zu legen, wie er S. 170 f sagt? Und warum? Und wie? Und warum jemand, der wie Steiner 1917 in diesem Buche (GA-21, S. 150) schreibt: „Ich darf wohl sagen, daß ich damit die Ergebnisse einer dreißig Jahre währenden geisteswissenschaftlichen Forschung verzeichne.“ Warum also nimmt er 1917, - um «beste Grundlagen» im Labor zu legen, - so eindrucksvoll den Faden zur Psychologie wieder auf, den er 1886 schon ohne Labor in der Hand hielt? Trotz dreißigjähriger Geistesforschung. Ich könnte es ja nie begreifen, wenn ich nur Swassjans Flugakrobatik folge. Treten wir dazu der Sache nur einmal etwas näher, indem wir Steiners Aussage aus den Einleitungen in Goethes Naturwissenschaftliche Schriften folgen (GA-1, S. 126 f), wonach einerseits «die Ideen einer induktiven Methode zugänglich» seien. Und ferner der Mensch «bei der Beobachtung des Denkens das Weltgeschehen durchschaut», wie es in Goethes Weltanschauung von 1897 S. 70 heißt. Das «Geschehen», das er dabei durchschaut, ist wiederum «die Idee selbst, weswegen er keine anderen suchen muß». Da scheint doch der induktive Weg zu den Ideen bereits zur Anwendung gelangt sein, so daß er jetzt nicht nur das Ideengeschehen, sondern sogar das Weltgeschehen durchschaut. Warum aber möchte jetzt der Anthroposoph und induktive Idealist / Anthroposoph Steiner dazu 1917 am liebsten in ein psychologisches Labor gehen? Was hat dieser Laborwunsch mit dem induktiven Zugang zu den Ideen und zum durchschauten Weltgeschehen zu tun? Wobei ja unübersehbar ins Auge fällt, wie sehr Steiner in der Schrift Goethes Weltanschauung S. 61 ff bei aller Gemeinsamkeit mit Goethes Anliegen auch seine methodisch / erkenntniswissenschaftlichen Differenzen zu Goethe herausstellt, nachdem er bereits in Wahrheit und Wissenschaft seine gedankliche Unabhängigkeit von Goethe erklärt hatte, die sich selbstverständlich bereits in den Grundlinien … bemerkbar macht, so weit Steiner dort auf der Beobachtung des Denkens aufbaut und dazu auf zeitgenössische Philosophen wie Volkelt und andere rekurriert. Ich frage mich vor solchen Hintergründen auch, warum bei Swassjan nicht von Steiners allerwichtigster Beobachtung aus der Philosophie der Freiheit die Rede ist. Desgleichen auch nicht von der Unbeobachtbarkeit des gegenwärtigen Denkens, die vor allem Witzenmann und seinem Anhang, aber nicht nur diesen, sondern ganzen Generationen anthroposophischer Steinerinterpreten so ungeheure Verständnisprobleme bereitet. Oder habe ich das bei Swassjan übersehen? Dann bitte ich um entsprechende Hinweise. - Ich traue Karen Swassjan übrigens durchaus zu, daß er ein Anliegen wie Steiners Laborwunsch beantworten kann, wenn er sich denn dafür erwärmen könnte. Ob er sich allerdings auch faktisch so ein Labor wünscht, und was er damit will, wird nicht geklärt. Ist folglich doch eine Frage wert, wenn Steiner so eindringlich dorthin will, um beste Grundlagen zu legen. Und andererseits Swassjan Steiner so ungeheuer und über alle Maßen schätzt, so daß man unbeding den Eindruck bekommen muß, ihn dränge es mindestens ebenso mächtig dorthin wie den verehrten Steiner selbst. Der Mann ist mir ja nicht unsympathisch, trotz allem abwegigen und für das Verständnis nutzlosen Zinnober, den er da bisweilen um die Person Steiners veranstaltet. Wie gesagt, viel Flugtalent hat er, aber der Kontakt zur Bodenstation ist doch sichtlich abhanden gekommen. Die Schrift Von Seelenrätseln wird zwar freudig begrüßt und wortreich umarmt, nur das Laboratorium nicht, von dem dort auf S. 170 f als Forschungsstätte für beste Grundlagen zu lesen ist. Swassjan ist literarisch und philosophisch einerseits anspruchsvoll, scheut aber ersichtlich den Abstieg von der intellektuellen Hochatmosphäre ins irdisch Konkrete, weil er scheinbar gar nicht weiß, wie er von dort oben wieder herunter kommen soll. Und verliert in dieser essayistischen Stratosphären-Raserei sogar den Menschen aus dem Beisitz, von dem er S. 369 sagt, nur Rudolf Steiner sei einer, und wir erst auf dem Wege dahin. So was gibt`s bei den Anthroposophen! Und viel literarisches Gedüse von hier nach dort und wieder ganz woanders hin. Wie ein Derwisch. Nie Ruhe. Als wäre ihm der Widerwille gegen das «Verweile doch, du bist so schön» in Mark und Bein gefahren: „Heute hier, morgen dort. Bin kaum da, muß ich fort. Hab mich niemals … “; - ohne zu bedenken, daß das lange Verweilen auf dem Gedanken ein Kernmerkmal der Meditation und ebenso des Verstehens von Steiners Gedankengängen der Grundlagen ist. Da gilt doch eher: «Das Was bedenke. Mehr bedenke wie.» Das «Warum» sei noch hinzugefügt. Dazu braucht es betrachtende Ruhe, aber keine philosophischen Derwischtänze in der Luft. Dazu müsste man beispielsweise das Handwerk dieser psychologischen Laboratoriumsforschung einschließlich Steiners Zielen damit kennen, und nicht nur literarische Schnappschüsse aus der Psychologiegeschichte machen, die darüber nichts hergeben. Doch statt ruhiger Betrachtung stroboskopartiges Geflitze durch die Philosophie- und Wissenschaftsgeschichte, und nichts wirklich im handgreiflichen Zusammenhang, so daß jemand Steiners Grundwerke auch verstehen könnte. Beeindruckend schon irgendwie. Aber niemand wird anhand dieser philosophischen Geistes-Show die ganz konkreten Gedanken Rudolf Steiners in ihrem Begründungszusammenhang begreifen. So daß man dann am Ende auch nicht mehr recht weiß, ob Swassjans Resümee von S. 372, Rudolf Steiners Erkennen sei ein Mysterium, Ausdruck von Steiner-Überhebung in überbordendem Personenkult, oder von schierer Verzweiflung am fragwürdigen Erfolg einer literarischen Selbstinszenierung Swassjans, inklusive Strömungsabriss ist. Und nur noch die Resteverwertung von in der Sonne geschmolzenem Fluggerät ohne Fallschirm, Landeklappen und Navigation? - Schade eigentlich, denn es hätte wirklich mehr daraus werden können, als nur eine beeindruckende und nicht ganz unberechtigte gesellschaftkritische Donner-Schau mit allerlei scholastischen Sturzflugeinlagen, Stroboskopeffekten, logischen Loopings und qualmenden Flügeln. (Karen Swassjan, Rudolf Steiner ein Kommender, Neuausgabe 2017) - Kehren wir wieder auf den Boden der ganz profanen Tatsachen zurück. Ohne spezielle philosophische Problemkenntnis der Naturerklärung und ohne empirisch psychologische Fach- und Problemkenntnis ist so eine Beobachtung wie die oben genannte: - «Was hat das Denk-Erlebnis des Hervorbringens von Gedanken und Erkenntnissen mit Kants und Humes Kausalitätsproblem zu tun?» - nicht möglich. Das einfache Wahrnehmungsurteil «Es gibt Erlebnisse beim Denken!» reicht dazu jedenfalls nicht aus, wie der Leser leicht verstehen wird. Und selbst die einfache Beobachtung «Es gibt auch erlebte Wirksamkeitszusammenhänge im Denken!», was philosophisch bereits sehr anspruchsvoll ist, kann mit ihrer abschliessenden Bewertung unter Umständen jahrelang weiter gehen. Bei Johannes Volkelt, der 1886 in der Schrift Erfahrung und Denken etwa S. 81 auch nach Kausalzusammenhängen in den Innenerlebnissen suchte, dauerte es wie gesagt mehr als dreißig Jahre, bis er mit der Beobachtung in eine gewisse Nähe dessen gelangte, wie Sie seiner Schrift Gewißheit und Wahrheit von 1918 ab S. 141 ff entnehmen können. Als erlebtes inneres Tun wird das Denken und seine Erkenntnis von Steiner auch in sämtlichen Frühschriften dargetan. Einschließlich Goethes Weltanschauung von 1897 in ihrem dortigen Kapitel Die Metamorphose der Welterscheinungen (hier S. 69 ff ). Wenn er in der Philosophie der Freiheit im Kapitel Die Konsequenzen des Monismus, im zweiten Zusatz von 1918 vom intuitiv erlebten Denken hier auf S. 181 schreibt, es ist «eine Wahrnehmung, in der der Wahrnehmende selbst tätig ist, und es ist eine Selbstbetätigung, die zugleich wahrgenommen wird», so kann man dasselbe als Sachauskunft bereits 32 Jahre zuvor in Steiners Originalausgabe der Grundlinien… von 1886 im Rückblick von Kap. 15 (hier S. 56) respektive im Kap 8 (hier S. 24 ff) nachlesen. Desgleichen in Wahrheit und Wissenschaft, Kap. 4., hier S. 37. Die späteren Zusätze von 1918 zur Philosophie der Freiheit werden zwar gern von ihren Interpreten infolge ungenügender Werkkenntnis, und deswegen unberechtigt der späteren Anthroposophie zugeschlagen; die allerdings in diesem Begründungsbuche laut Steiners Vorrede zu GA-4 hier S. 5 und seiner dezidierten Auskunft in der späteren Geheimwissenschaft (GA-13) hier S. 343 f gar nicht zu finden ist. Von wenigen Ausblicken darauf abgesehen, die er in der Zweitauflage der Philosophie der Freiheit in der Tat ja gibt. Davon abgesehen aber findet sich die Passage mit der wahrgenommenen Selbstbetätigung wie gesagt sachlich bereits 32 Jahre früher in Steiners Grundlinien … von 1886, dahingehend, daß Wirkendes und Bewirktes beim Denkprozeß unmittelbar zu erleben sei. Auch eine sehr frühe kausalitätsphilosophische Feststellung Steiners, über den Zusammenhang von erlebter Denktätigkeit und dabei erwirktem Resultat. So daß wirklich niemand auf die spätere Anthroposophie «hinschielen» (Steiner) muß, um die Philosophie der Freiheit und ihre Darstellungen zur erlebten Denkbetätigung zu verstehen und annehmbar zu finden. In der Regel aber werden Steiners Vorgängerschriften oder Goethes Weltanschauung leider kaum oder gar nicht zur wissenschaftlichen Analyse solcher Fragen um die Beobachtung des Denkens herangezogen. Obwohl Steiner den für jeden nachvollziehbaren Gesamt-Zusammenhang aller Grundschriften in der Schrift Von Seelenrätseln (GA-21, S. 58 f) selbst ausdrücklich dargelegt hat. 5. Beschreibung des Denkens durch deskriptive Begriffe Die zum Begreifen des Denkens notwendigen beschreibenden Begriffe wiederum werden zumeist überhaupt erst gesucht, ganz analog wie man in der Biologie lange Zeit nach charakteristischen morphologischen Kriterien gesucht hat, um Bauprinzipien und Verwandtschaftsbeziehungen von Lebewesen zu eruieren. Um Ihnen nur ein Beispiel von vielen möglichen zu geben: Ein solcher deskriptiver Begriff ist etwa der von Bühler verwendete des «Beziehungsbewußtseins (hier S. 343), Regelbewußtsein (hier S. 334 ff)» und ähnliche. Was eben heißt, ich habe während des problemlösenden Denkens ein unmittelbares Wissen von begrifflichen und anderen Zusammenhängen verschiedenster Art. Wobei diese Bewußtheiten sich überwiegend ganz unanschaulich präsentierten. Gewonnen wurde das auf der Grundlage von zahlreichen Erlebnisbeschreibungen seiner Versuchspersonen dazu, die der Leser in Bühlers Publikation gleich mit in Augenschein nehmen kann. Wenn Steiner wiederum bereits in den Grundlinien von 1886 im Kapitel 15 rückblickend (hier S. 86) vom «erlebten Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem» beim Denken spricht, dann haben Sie ebenfalls eine rein deskriptive Behandlung von unmittelbaren Erfahrungen des Denkens vorliegen. Wie er nachfolgend in Wahrheit und Wissenschaft im Kapitel V (hier S. 40 f) ebenfalls in dem Sinne betont, daß «die Wissenschaft des Denkens in einer Beschreibung des Denkens bestehe». Eine Sicht, die damals weit verbreitet war und besagte, dass eine Erkenntnis des Denkens nur anhand seiner unmittelbaren Erfahrung zu gewinnen sei, und keine Außenerklärungen herangezogen werden dürfen. Was natürlich auch für Kausalerklärungen des Denkens gilt, die inzwischen regelmäßig unter dem Stichwort «denkendes Gehirn» von außen über das Denken gestülpt werden. Sie haben dort freilich nichts zu suchen, da sie erstens nicht aus der unmittelbaren Erfahrung des Denkens stammen, und sich zum anderen aus logischen und erkenntniswissenschaftlichen Gründen selbst desavouieren – zu letzterem aber später ausführlicher im Kapitel 40 und den vorangehenden 38 ff. Das dritte Kapitel der Philosophie der Freiheit wiederum geht wesentlich solchen Fragen nach, und wendet sich demonstrativ am Ende auch noch (hier S. 36 f) gegen Außenerklärungen Eduard von Hartmanns, mit dem Hinweis, „Die unbefangene Beobachtung ergibt, daß nichts zum Wesen des Denkens gerechnet werden kann, was nicht im Denken selbst gefunden wird. Man kann nicht zu etwas kommen, was das Denken bewirkt, wenn man den Bereich des Denkens verläßt.“ (Wir werden das wie gesagt im längeren Kapitel 40 auf S. 219 ff und den vorangehenden noch etwas eingehender betrachten.) Eine unmißverständliche Ablehnung jeder Außenerklärung des Denkens und damit zugleich das Kernargument für seine rein deskriptive Behandlung auf dem Wege von unmittelbaren Erfahrungen des Denkens. Was der Leser wiederum in Diltheys Vortrag von 1894 S. 1309 ff weitläufiger erkenntniswissenschaftlich dargelegt findet unter dem Stichwort «erklärende und beschreibende Psychologie». Die Nähe Diltheys zu Steiner ist in dieser Frage unübersehbar. Dieses "Anschauen" des Denkens unter beschreibenden Kategorien ist nicht etwa bloß metaphorisch zu nehmen. Es handelt sich hier zwar um eine metaphorische Übertragung aus der Sphäre der gegenständlichen Beobachtung in die der Denk-Beobachtung, aber wenn wir uns klar machen, unter welchen erkenntnistheoretischen Bedingungen wir einen herkömmlichen Gegenstand überhaupt erkennend "anschauen" können, dann müssen wir doch zugestehen, daß zu dieser erkennenden Sinnes-Anschauung deskriptive Begriffe / individualisierte Vorstellungen erforderlich sind, die sich in diesem Fall eben auf normales Sinnliches beziehen. (Zur Beachtung: Es geht um Anschauung und nicht lediglich um reine visuelle Erfahrungen, die völlig frei von Begriffen ist. Siehe dazu etwa: Der sehende Blinde, in, Der Spiegel, Nr. 47, 18.11.2002 S. 190 ff). Wenn uns die Tatsachen der sinnlichen Wahrnehmung etwas sagen sollen, dann benötigen wir dafür nicht nur ihre reine Wahrnehmung, sondern auch die dazu geltenden Begriffe. Beim unmittelbar erfahrenen / wahrgenommenen Denken verhält es sich nicht anders. Zum Begreifen des Denkens benötigt man ebenfalls Begriffe, die anhand konkreter Erfahrungen des Denkens gewonnen sind. Mit einem wesentlichen Unterschied. Bei der gewöhnlichen Sinneswahrnehmung und ihrer Erkenntnis ist der naive Realismus auch von Steiner nicht zugelassen. Bei der Erkenntnis des Denkens ist er es gleichwohl (GA-4, Kap. V, hier, S. 71). - Dazu weiter unten S. 57 f noch. Wenn wir das Denken "anschauen" oder "betrachten" wollen, dann benötigen wir verständlicherweise auch dazu beschreibende Begriffe, die sich entsprechend auf das Denken beziehen. Will man sich anhand konkreter Beispiele dieses "Anschauen" des Denkens verdeutlichen, dann kann man ohne weiteres auf Steiners epistemologisch-psychologische Beschreibungen des Denkens zurückgreifen. Beispiele dieser Art wurden in dieser Arbeit schon exemplarisch angeführt, und das ließe sich natürlich fortführen und über Steiners Darstellungen hinaus erweitern. Wenn er beispielsweise in den «seelischen Beobachtungsresultaten» der Philosophie der Freiheit ausführt, daß sich das Denken nach Begriffen richtet und nicht nach den Zuständen der Hirnphysiologie, dann ist das eine exemplarische Beschreibung von Denkprozessen, die nur als seelisches Beobachtungsresultat an faktischen Denkprozessen gewonnen werden kann. Ein physikalistischer Hirnphysiologe wird so etwas nicht sagen, aber der beobachtet auch nicht sein Denken, selbst wenn er so etwas womöglich glauben sollte. Sondern der redet dann lediglich wie ein Blinder über die Farbe, wie Steiner bemerkt. Steiner verwendet für die Beschreibungen des erlebten Denkens auch den Ausdruck ideelles Gegenbild. Etwa hier, S. 99 der Philosophie der Freiheit, Kapitel VIII, Zusatz von 1918. Alternativ in GA-04, Dornach 1995, S. 142 f. Wobei der Ausdruck «Gegenbild» verschiedene semantische Variationen in der Schrift annimmt. So spricht Steiner im Kapitel IX, hier S. 102 etwa auch von einem «leiblichen Gegenbild». Und in besonders bemerkenswerter Form in Kap. VII, von den ideellen Gegenbildern für die Wahrnehmungen, hier auf S. 85. An jener Stelle insofern nicht nur bemerkenswert, da «die Individuen kommen und gehen, während das scheinbar nichtssagende und unwirkliche ideelle Gegenbild der Tulpengattung sich als bleibend behauptet.» Bemerkenswert ist diese Passage Steiners vor allem auch, da er im Kapitel V (hier auf S. 71) im Gegensatz zu allen anderen Wahrnehmungsgegebenheiten ausdrücklich den naiven Realismus gegenüber dem Denken gelten läßt. Was er übrigens schon in Wahrheit und Wissenschaft bemerkte (Kap. V, hier S. 40) alternativ die Dissertation Kap. V, hier S. 29 f, wonach «die Wissenschaft des Denkens in einer Beschreibung des Denkens bestehe» – also einen rein deskriptiven Charakter habe. Was ja bereits einen naiven Realismus des Denkens signalisiert. Schon 1892 / 93 ist folglich der naive Realismus des Denkens die Basis und deskriptive Standardorientierung zwecks Erkenntnis des Denkens. Das aber ist auch 1892 f alles nicht neu, sondern läßt sich bereits 1886 für die Grundlinien … aufzeigen. Die Metaphorik des "Sehens" findet sich überdies so eng verbunden mit Steiners Begriff der Denk-Beobachtung, daß man sicherlich von einer weitreichenden Überschneidung der Ausdrücke "Beobachtung", Betrachtung" und "Anschauung" des Denkens ausgehen kann. - Am Rande gesagt wird diese Metaphorik des Sehens von Steiner auch in spezifisch übersinnlichen Zusammenhängen, zwar nicht durchgängig, aber sicherlich auch nicht zufällig beibehalten in Ausdrücken wie "Hellsehen" oder "Geist-Anschauung" usw. . Und das reine Denken selbst wird von ihm, wie er etwa in GA-35, 1984, S. 321 ausführt, ausdrücklich dem übersinnlichen, schauenden Bewußtsein zugerechnet: "Meine früheren Schriften behandeln das reine Denken so, daß ersichtlich ist, ich zähle dieses durchaus zu den Verrichtungen des «schauenden Bewußtseins». Ich sehe in diesem reinen Denken die erste, noch schattenhafte Offenbarung der geistigen Erkenntnisstufen." Steiner spricht im Zusammenhang mit dem Spaltungsargument des dritten Kapitels der Philosophie der Freiheit von einem "Zusehen" beim gegenwärtigen Denken, das nicht gleichzeitig möglich sein soll. Ferner verwendet er die Ausdrücke "Beobachtung des Denkens" und «denkende Betrachtung des Denkens» - wie wir in Anmerkung 54 gezeigt haben - weitgehend synonym. Daher spricht einiges dafür, daß dieses "Zusehen", das "Anschauen", die "Betrachtung" und die "Beobachtung" des Denkens voneinander nicht allzu verschieden sind, sondern sachlich in etwa dasselbe meinen. - Auch in der englischen Übersetzung der Philosophie der Freiheit von Michael Wilson werden die Unterschiede der Ausdrück "Zusehen" und "Beobachten" weitgehend aufgehoben. 107a - Anders gesagt: der Begriff der "Beobachtung" des Denkens rückt auch in eine deutliche Nähe zum "Anschauen" des Denkens und ist zu erheblichen Teilen deckungsgleich zu ihm. Ein Unterschied mag darin liegen, daß der Beobachtungsbegriff einen klaren wissenschaftlich-methodischen Akzent hat und der Anschauungsbegriff nicht. 6. Motiv versus Methode des Erkennens, und der «Ausnahmezustand» der «gegenüberstellenden Betrachtung» des Denkens Erinnern wir uns noch einmal: „Beobachtung und Denken sind die beiden Ausgangspunkte für alles geistige Streben des Menschen, insoferne er sich eines solchen bewußt ist.“ So erläutert Steiner (hier in der älteren Ausgabe der Philosophie der Freiheit von 1958 auf S. 23) die Grundbegriffe von Beobachtung und Denken. Hinter dem Beobachten steht erklärtermaßen ein spezifisches Erkenntnisinteresse. Bei Steiner ein "bewußtes geistiges Streben". Wohlgemerkt: ein geistiges Streben, „insoferne er sich eines solchen bewußt ist.“ Also steht dahinter eine bestimmte Erkenntnisabsicht bzw. eine Fragehaltung als Motiv des geistigen Strebens, um das der Beobachter auch genau weiß. Was natürlich ebenso für jeden Beobachter des Denkens gilt, der das Denken erkennen will. Es wird dabei vorausgesetzt, daß der Beobachter des Denkens seine eigenen Erkenntnismotive auch kennt. Er muß demnach wissen, was er tut und warum er es tut. Was, wie wir eingangs schon im Zusammenhang mit Christian Clement bemerkten, eben im Umkehrschluss heißt, daß man ohne bewusstes Erkenntnismotiv bei der Beobachtung des Denkens nicht weit kommt, da man ohne so ein klares Motiv gar nicht darauf verfiele, eine Erkenntnis des eigenen Denkens via Beobachtung überhaupt zu erstreben. Eine vollkommen motivlose, aber zielgerichtete wissenschaftliche Beobachtung, zumal des Denkens, ist schlechterdings nicht möglich, sondern so realistisch wie eine Taschenuhr ohne Zeiger, Uhrwerk und Gehäuse. Wie gesagt: Prüfen Sie das selbst, lieber Leser, ob dem so ist. Oder ob es möglich ist, ohne jedes Motiv das eigene Denken erkennen zu wollen. Ohne Motiv kommt man also nicht weit mit der Beobachtung des Denkens. Eine andere Frage ist, ob man ohne eine adäquate Methode weit kommt. Das Erkenntnismotiv ist eine Sache und die Methode eine andere. Wenn man den Autoren der Würzburger Schule folgt, die ja am Beginn des 20. Jahrhunderts als erste in Deutschland die systematische experimentelle Beobachtung Denkens akademisch etablierten, dann war die Lage um die beobachtende Erkenntnis des Denkens die, daß man es schon gern Wollen wollte. Nur Können konnte man nicht. Weil es bis dahin keine adaequate empirische Methode dafür gab. Nachzulesen ist das bei Karl Bühler in seiner umfangreichen Habilitationsarbeit von 1907 / 08 gleich zu Beginn, S. 297 ff. Desgleichen bei Oswald Külpe, dem damaligen Leiter des Würzburger Instituts, in einem historischen Überblick über die Genese der modernen Denkpsychologie im Anhang seiner Vorlesungen über Psychologie, ab S. 297 ff. Um nur exemplarisch diese zwei zu nennen. Was beide, Bühler und Külpe zusammen mit den anderen Beteiligten des Würzburger Instituts methodisch vorschlugen und in dieser Zeit etablierten, entsprach dem, was Rudolf Steiner schon 1886, also mehr als 20 Jahre vor ihnen die «gegenüberstellende Betrachtung» oder Beobachtung von Erfahrungen des Denkens nannte. Mit dem wesentlichen Unterschied, daß die Würzburger als erfahrene akademische Psychologen zur experimentellen Untersuchung im Labor vor allem mit professionellen Versuchspersonen arbeiteten. Mit ausgebildeten Psychologen, die in der Selbstbeobachtung sehr erfahren waren. Ein Vorschlag, den man dann ähnlich auch 1917 von Steiner in der Schrift Von Seelenrätseln (GA-21) vorgelegt bekam, auf S. 170 f. Zwar nicht als ausschließlich möglichen methodischen Ansatz, aber gleichwohl mit sehr großer Dringlichkeit vorgebracht, und in Anlehnung an die parallelen, aber erfolglosen Bemühungen Franz Brentanos um ein psychologisches Labor. So daß Steiner dort vom Wunsch nach einem echten psychologischen Laboratorium spricht, «bei jedem, der auf dem anthroposophischen Gesichtspunkt steht.» Was wohl hinreichend für sich selbst spricht. - Steiners Sprachgebrauch erscheint ja mitunter den Nachgeborenen etwas vage, insbesondere mit Blick auf den Anschauungsbegriff, wie wir in früheren Abschnitten schon bemerkt haben. Richtig spannend und sehr viel klarer wird es aber auf jeden Fall dann, wenn es um die eben genannte «gegenüberstellende Betrachtung» = Beobachtung des Denkens geht. Hochinteressant und erhellend, weil sich das entsprechende methodische Verfahren seit 1886 unverändert und ganz explizit in Steiners Grundschriften findet. Wonach es natürlich das Denken selbst ist, das sich denkend zwecks Erkenntnis betrachtet und sich dazu seinen eigenen Denk-Erfahrungen «gegenüberstellt». Genauer, der Denker stellt sich zwecks Erkenntnis denkend den eigenen Denk-Erfahrungen gegenüber. Das kann auch gar nicht anders sein. Dazu kommen wir nachfolgend. Vorab aber noch ein illustrierender Ausblick mittels späteren Ausführungen des «Anthroposophen» Steiner dazu, was ein wenig die ausgesprochene Kontinuität seines frühen Beobachtungsprozederes beleuchtet. Am 15. Februar 1917 führte Steiner in Berlin mit ausdrücklichem Blick auf das «gegenüberstellenende Betrachten und Erkennen des Denkens» und im Zusammenhang mit der Behandlung des Psychologie-Pioniers Fechner in GA-66, Dornach 1988, S. 16 f folgendes aus: „Wer nicht nur in flüchtigem Rückblick auf den Erkenntnisakt auf das Denken hinschaut, sondern sich in die Lage versetzt, gewissermaßen von dem Denkakt zurückzutreten, aber so, daß das Denken, das er im Erkennen pflegt, wie eine Art Erinnerungsvorstellung so, daß sie genau beobachtet werden kann, vor der Seele steht; wer also nicht verharrt im Denken, wo man es nicht erkennen kann, sondern wer gewissermaßen vom Denken zurücktritt, der erkennt, daß er, indem er denkt, so in diesem Denken lebt, wie - um diesen Vergleich, den ich hier schon öfter brauchte, noch einmal zu brauchen - man in sich lebt, wenn man vor einer Spiegelfläche steht.“ - Mit seiner Spiegelmetapher werden wir uns hier nicht befassen, sondern nur mit dem Erkenntnisprozedere, welches auf die Erkenntnis des Denkens gerichtet ist. Dieses Erkenntnisprozedere, und so viel geht aus der Passage von 1917 hervor, benötigt zwei Denkschritte in Form einer gegenüberstellenden Betrachtung. - Wobei nicht zu vergessen ist, daß es das Denken selbst ist, mit dem sich der Denker einem vergangenen Denken gegenüberstellt, um es zu erkennen. Er hat es hier folglich nicht nur mit einem vergangenen Denken zu tun, das er betrachtet. Sondern natürlich auch mit dem erlebten gegenwärtigen, mit dem er diese erkennende Betrachtung vornimmt. Wenn man nur im Denken verharrt, so Steiner, dann kann man es nicht erkennen. Sondern man muß vom Denken zurücktreten, so daß man es wie eine Art Erinnerungsvorstellung vor sich hat. Dann erst ist diese Erkenntnis möglich. - «Betrachtende oder denkende Gegenüberstellung» lautet das entsprechende methodische Erkenntnisprinzip, das sachlich seit 1886 in den Frühschriften Steiners zur Erkenntnis des Denkens ausgeführt wird. Was sich 1917 immer noch bei Steiner findet. (Sehr viel ausführlicher siehe dazu hier auf derzeit S. 1237-1243.) Beginnend aber bereits mit den Grundlinien … von 1886, im vierten Kapitel hier auf S. 11 f. Es ist das Denken, das sich den eigenen Denkerfahrungen betrachtend gegenüberstellen muß, um sich selbst zu erkennen. Oder unverfänglicher gesprochen, und weil das Erkennen ja seine ganz persönliche Erkenntnis-Angelegenheit ist: Der Denker stellt sich denkend den Erfahrungen des eigenen Denkens gegenüber, um es zu erkennen. Man darf ergänzen, daß es sich hier um eine begründende erkenntniswissenschaftliche Methode handelt, die laut Steiners häufigen Erläuterungen den empirischen Nachweis des schauenden Bewußtseins und der Leibfreiheit des begrifflichen Denkens, - was beides zusammengehört, - erbringen sollte. So wird auch sein Laborwunsch von 1917 in der Schrift Von Seelenrätseln vorgebracht, wo es um die «Veranlagung zum Schauen» geht. Und die Veranlagung zum schauenden Bewußtsein liegt nun einmal im begrifflichen Denken einschließlich jener inneren Produktivität, ohne die es kein begriffliches menschliches Denken bei Steiner gibt. In der spezifisch anthroposophischen Methode, die auf der frühen Forschung aufbaut, wie Sie hier in GA 255b ab S. 295 ff anschaulich lesen können, werden die Verhältnisse noch wesentlich komplexer. «Ausnahmezustand» nennt Steiner das Forschungsverhalten der Beobachtung des Denkens wiederholt in der Philosophie der Freiheit, was sachlich dasselbe bedeutet: Nämlich sich in Erkenntnisabsicht den (eigenen) Denkerfahrungen betrachtend gegenüber zu stellen, um es zu begreifen. Und dabei kommt es zu einer einzigartigen erkenntniswissenschaftlichen Sachlage, die es nirgendwo sonst gibt. Wahrnehmung und Begriff fallen bei der Erkenntnis des Denkens zusammen, wie Steiner in der Philosophie der Freiheit am Beginn des 9. Kapitels, hier Seite 101 f ausführt. Und nicht nur das, sondern der Mensch erlebt dabei laut Steiner auch einen Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem, der ebenfalls in dieser Form und Sicherheit einzigartig ist im menschlichen Erkenntnisleben. Weswegen Steiner darauf im dritten Kapitel das Fundament der Welterklärung gründet. 7. Intuitives Denken und intellektuelle Anschauung bei Steiner Zwei Dinge sind nun zu beachten, wenn es um das «Zusammenfallen von Wahrnehmung und Begriff» geht: Zunächst einmal ist da die Tatsache zu beachten, dass auch Begriffe und Ideen für Steiner geistige Wahrnehmungsgegebenheiten sind. Das Denken als tätiges Auffassungsorgan nimmt bekanntlich Ideen wahr «wie das Auge das Licht», wie der Leser in GA-1 nachlesen kann. Das alles darf inzwischen als bekannt vorausgesetzt werden. Näheres und ausführlicher dazu auch hier. Die Wahrnehmung ist inhaltlich in diesem Fall etwas rein Begriffliches, Ideelles. Meinetwegen der reine Begriff der «Kausalität», der ja des öfteren in Steiners Grundschriften einer Betrachtung unterzogen wird, wie in den Grundlinien (Kap 14), oder in Wahrheit und Wissenschaft. Und insofern ist es selbstverständlich zu sagen, daß Wahrnehmung und Begriff zusammenfallen. Insofern der reine Begriff eben als ideelle Wahrnehmung / Inhalt des wahrnehmenden Denkens («intellektuelle Anschauung» laut GA-3, Kap. IV, S. 37) auftritt, und wahrgenommen wird. Wo aber in diesem Frühwerk (Wahrheit und Wissenschaft) die simultane Wahrnehmung der eigenen Denktätigkeit ebenfalls als selbstverständliche und unerlässliche Tatsache mit genannt wird. Mit jedem reinen Begriff tritt gleichzeitig die eigene erwirkende Denktätigkeit auf, und der dadurch «wahrgenommene» reine Begriff nicht ohne diese. Was wiederum ein definitorisches Kennzeichen für die intellektuelle Anschauung dort ist. Wobei wir es hier im vorliegenden literarischen Zusammenhang von Wahrheit und Wissenschaft auch mit einem Spezialfall zu tun haben, insofern natürlich der reine Begriff der «Verursachung» oder «Kausalität» ebenfalls durch eine erlebte innere Aktivität wahrgenommen wird. Auf die er dann auch sogleich angewendet werden und eingehend diskutiert könnte, dahingehend, um welche Form von Kausalität respektive Verursachung es sich hierbei eigentlich handelt, wenn reine Begriffe «tätig» wahrgenommen werden. (Eine exemplarische Übersicht der großen Vielfalt von Verursachungsformen finden Sie von Robert Reininger in dessen Schrift Locke, Berkeley, Hume von 1922 auf S. 168 - 170 wiederholt am Beispiel von David Hume erläutert. Siehe dazu auch meine längere Studie etwa auf S. 1259 ff.) An der Sachlage der tätigen Wahrnehmung reiner Begriffe ändert sich erkenntnistheoretisch nichts. Wird in den späteren Zusätzen der Philosophie der Freiheit von 1918 noch einmal eigens betont. Nur ist die «intellektuelle Anschauung» aus Wahrheit und Wissenschaft im Jahre 1918 sprachlich zwischenzeitlich zum «intuitiv erlebten Denken» geworden. Wobei hinzuzufügen ist, daß beide Wendungen (intellektuelle Anschauung und Intuition) in jener Zeit eine spirituell / idealistische / esoterische Konnotation hatten. Sie standen sich von der Bedeutung her ausgesprochen nahe. Während wiederum die mehr am damaligen akademischen Sprachgebrauch orientierte Schrift Wahrheit und Wissenschaft, die etwas überarbeitete veröffentlichte Dissertation Steiners war, die sich im vorliegenden Fall speziell auf Kant und seinen Anhang bezog. Wo, das ist zu erwähnen, der Sprachgebrauch schon bei Kant allein alles andere als einheitlich war, so daß sich in dessen Kritik der Urteilskraft die verschiedensten Termini dafür, für die «übersinnliche Wahrnehmung», fanden. So neben dem Ausdruck «höherer» (§77), «intuitiver» (§ 77) oder «urbildlicher» (§ 77) Verstand auch das Vorbild des von Goethe verwendeten Ausdrucks der «anschauenden Urteilskraft», der sich wiederum an Kants intellectus archetypus oder urbildlichen anlehnte. Siehe dazu hier auf derzeit S. 13 ff in den Einzelheiten ausführlicher. Ebenso bei Karl Vorländers Ausgabe dieser Schrift Kants, der diese Zusammenhänge auf S. xxviii erläutert. Steiner, dem die verschiedensten Ausdrücke für übersinnliche Wahrnehmungen auf Grund seiner Goetheforschung natürlich nicht fremd waren, hat es ab 1894 vorgezogen, für sein eigenes Werk dauerhaft den bedeutungsnahen Intuitionsausdruck zu verwenden. So daß aus der «intellektuellen Anschauung» von GA-3 terminologisch 1918 dann das «intuitiv erlebte Denken» geworden ist. Was es der Sache nach in der Philosophie der Freiheit aber bereits 1894 war, wo ja der Intuitionsbegriff im damaligen Kapitel VI, S. 94 bereits als erkenntniswissenschaftlicher Terminus eingeführt und verwendet wurde, nach dem er sich in den Grundlinien… von 1886 im Kapitel 16 über die organische Natur schon fand. Und desgleichen in den Einleitungen in Goethes Naturwissenschaftliche Schriften. Siehe Steiner dort über Goethes Organik in Anlehnung an Spinoza und nachfolgend Kants «intuitiven Verstand» bzw. «intellectus archetypus» aus der Kritik der Urteilskraft in GA-1, S. 76 ff, im Kapitel IV, Über das Wesen und die Bedeutung von Goethes Schriften über organische Bildung, das bereits 1884 erschienen war. Was bei Goethe mit spirituellem Hintergrund als «anschauende Urteilskraft» respektive «intuitiver Verstand» teils auf Kant und Spinoza historisch zurückgehend, und von Steiner zunächst noch für die Organik reserviert war, das wird als «Intuition» von Steiner mindestens ab 1894 für jede Form von ideeller Wahrnehmung des begrifflich-erkennenden Denkens reserviert. Und zwar als erkenntniswissenschaftlicher Ausdruck der frühen Jahre noch fern von jeder später publizierten Esoterik des Anthroposophen Steiner. Sondern in den Frühschriften des Idealisten und Goetheanisten von Steiner verwendet als Term für aktive ideelle Wahrnehmungen. Von Steiner als einem goetheanistischen Weltbeobachter, der laut dortiger Programmatik des zweiten Kapitels hier S. 20 f der Zweitauflage / bzw. des dritten Kapitels der Erstauflage S. 28, und in Anlehnung an Goethes Aufsatz Die Natur, die (geistig) wirkenden Kräfte der Natur im Inneren erforscht. Was später dann zur Anthroposophie geworden ist, die wiederum auf der Vorläuferstufe des Hellsehens, nämlich dem reinen oder intuitiven Denken aufbaut, wie es Steiner nicht selten, und besonders eindrücklich 1921 in GA-255b ab S. 295 ff darlegte. Erkenntniswissenschaftlich verwendet wird der Intuitionsbegriff in den Begründungswerken Steiners nicht nur in den späteren Zusätzen von 1918 dahingehend, daß «durch das intuitive Denken eine jegliche Wahrnehmung in die Wirklichkeit erkennend hineingestellt wird», wie es im 2. Zusatz von 1918 (hier S. 180) hieß. Sondern bereits im vierten Kapitel, wo es bei seiner Einführung heißt, „Intuition und Beobachtung sind die Quellen unserer Erkenntnis. Wir stehen einem beobachteten Dinge der Welt so lange fremd gegenüber, so lange wir in unserem Innern nicht die entsprechende Intuition haben, die uns das in der Wahrnehmung fehlende Stück der Wirklichkeit ergänzt. Wer nicht die Fähigkeit hat, die den Dingen entsprechenden Intuitionen zu finden, dem bleibt die volle Wirklichkeit verschlossen. Wie der Farbenblinde nur Helligkeitsunterschiede ohne Farbenqualitäten sieht, so kann der Intuitionslose nur unzusammenhängende Wahrnehmungsfragmente beobachten.“ (In der Erstausgabe von 1894, Kap. VI, S. 94 f; in der Zweitausgabe von 1918, Kap. V, S. 66). So daß er in der späteren Theosophie (GA-9, hier S. 29 f) ebenfalls ausdrücklich betont, «daß der einfachste Gedanke bereits Intuition enthält.» So heißt es dann schließlich 1918 in der Zweitauflage der Philosophie der Freiheit, das intuitiv erlebte Denken sei «eine geistige Wahrnehmung, in der der Wahrnehmende selbst tätig ist, und eine Selbstbetätigung, die zugleich wahrgenommen wird.» (hier S. 181) Die reinen Begriffe treten dort wie schon in den frühen Vorgängerschriften nie unabhängig von der erlebten Aktivität des Denkens auf. So daß wir da schon, und zwar ausdrücklich dort von Steiner auch eingefordert, zweierlei gleichzeitige Wahrnehmungen beim reinen Denken vorliegen haben. Einerseits den begrifflichen Inhalt, und andererseits das eigene denkende Hervorbringen dieses begrifflichen Inhalts. «Wirkendes und Bewirktes», die dort simultan auftreten, wie es Steiner bereits 1886 schreibt. Steiner ist da auch ganz und gar unmissverständlich im nachfolgenden Frühwerk von 1892 / 93, seinem laut GA-21, S. 58 „grundlegenden“ Werk Wahrheit und Wissenschaft. Und - das ist eben hervorzuheben: Das war er bereits 1886 schon, rund sechs Jahre zuvor. Ist es 1894 in der Philosophie der Freiheit immer noch. Wird es auch 1897 in Goethes Weltanschauung bleiben. Wird es in den späteren Zusätzen zur Philosophie der Freiheit ebenso bleiben. Und für den späteren Anthroposophen gilt nichts anderes, wenn der auch die Verhältnisse dann im Rahmen der anthroposophischen Geistesforschung sehr viel komplexer darlegt als in seinem Frühwerk. Und der Intuition dort noch eine andere Dimension in Gestalt der höchsten geistigen Wahrnehmung beilegt, die erst auf dem anthroposophischen Übungswege erreicht wird, wie Steiner nicht müde wird in seinen späteren Schulungsschriften zu betonen. Während die Intuition der erkenntniswissenschaftlichen Frühschriften bei jedem vorliegt, «der eine beliebige Wahrnehmung in die Wirklichkeit erkennend hineinstellt», wie es in den Zusätzen von 1918 zur Philosophie der Freiheit hieß. Deswegen ist jeder begrifflich denkende Mensch von Natur aus und ohne daß er das extra einüben müsste, im Prinzip schon ein Hellseher, wie Steiner nicht nur im eben erwähnten Vortrag GA-255b ab S. 295 ff darlegte: „Wer dasjenige, was ich als Forschungsmethode meiner anthroposophischen Geisteswissenschaft zugrunde lege, Hellsehen nennt, der muß auch schon das gewöhnliche reine Denken, das durchaus aus dem Alltagsleben heraufströmt in das menschliche Bewußtsein, das hineinströmt in das menschliche Handeln, Hellsehen nennen. Ich selber sehe qualitativ keinen Unterschied zwischen dem reinen Denken und demjenigen, was ich als Hellsehen bezeichne. Ich sehe die Sache so, daß der Mensch sich zuerst an dem Vorgang des reinen Denkens eine Praxis heranbilden kann, wie man in seinen inneren Vorgängen unabhängig wird von seiner Leibesorganisation, wie man in dem reinen Denken etwas vollführt, woran der Leib keinen Anteil hat." (Siehe dort S. 298 ff). Man muß also schon in die Niederungen, - wenn man so will, - des alltäglichen begrifflichen Denkens eintauchen um das zu verstehen, was Steiner «übersinnliche Wahrnehmung» nennt, und dann systematisch vom reinen Denken ausgehend als Anthroposophie fortentwickelt hat. Wo dann die Begriffe infolge des Übungsweges nicht nur als vom Denker unabhängige Entitäten, sondern auch als unabhängig wirkende und kraftende Wesenheiten erlebt werden. Während sie im gewöhnlichen reinen Denken in toter und abgelähmter Form, aber gleichwohl unabhängig vom denkenden Subjekt auftreten. Immer aber verbunden mit der erlebten Aktivität des Denkens. Der «erlebte Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem» beim Denken und Erkennen, das will ich deswegen noch einmal betonen, durchzieht kontinuierlich und mit fundamentaler Bedeutung Steiners sämtliche Frühwerke. Sie werden schlichtweg keins finden, wo das nicht mit allem Nachdruck von Steiner hervorgehoben wird. Natürlich auch in den späteren Überarbeitungen dieses Frühwerkes, wo Steiner das wie in der Philosophie der Freiheit in aller Klarheit und Entschiedenheit noch einmal akzentuiert und nachhaltig verstärkt. Etwa dahingehend: „Mag es das Wesen des Denkens immerhin notwendig machen, daß dieses gewollt wird: es kommt darauf an, daß nichts gewollt wird, was, indem es sich vollzieht, vor dem «Ich» nicht restlos als seine eigene, von ihm überschaubare Tätigkeit erscheint. Man muß sogar sagen, wegen der hier geltend gemachten Wesenheit des Denkens erscheint dieses dem Beobachter als durch und durch gewollt.“ So heißt es dazu präzisierend in der Überarbeitung am Ende des dritten Kapitels der Philosophie der Freiheit. Es ist wohl überhaupt das Kernproblem insbesondere von akademisch orientierten Anthroposophen, vor allem wenn diese aus dem einflussreichen philosophischen Umfeld Herbert Witzenmanns stammen, dass dieser «erlebte Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem» und dessen natur- und geisteswissenschaftliche Schlüsselbedeutung für Rudolf Steiner vor allem unter dem maßgeblichen Einfluß Herbert Witzenmanns vollständig verloren gegangen ist. Wir werden das einige Seiten später anhand der Besprechung einer Übersetzung der Strukturphänomenologie durch Johannes Wagemann wieder ganz eindrücklich vor Augen haben. - Die spätere Erkenntnismethode der Anthroposophie reift ja erst heran auf der Grundlage der Frühschriften, wie Steiner immer wieder beteuert. Für die Idee des Erkennens wiederum hat er in den Anmerkungen von 1924 der Grundlinien … eigens (hier auf S. 136 ff) hervorgehoben, daß diese Idee des Erkennens prinzipiell auch für die anthroposophische Form des Erkennens gilt: „Ein Unterschied tritt nur insofern auf, als die Sinneswahrnehmung durch den Gedanken gewissermaßen nach oben zum Anfang des Geistigen hin in Wirklichkeit vollendet, die geistige Anschauung von diesem Anfang an nach unten hin in ihrer wahren Wesenheit erlebt wird. Daß das Erleben der Sinneswahrnehmung durch die von der Natur gebildeten Sinne, das der Anschauung des Geistigen durch die erst auf seelische Art ausgebildeten geistigen Wahrnehmungsorgane geschieht, macht nicht einen prinzipiellen Unterschied. [] In Wahrheit ist in meinen späteren Veröffentlichungen kein Verlassen der Idee des Erkennens vorhanden, die ich in dieser Schrift ausgebildet habe, sondern nur die Anwendung dieser Idee auf die geistige Erfahrung.“ Vom letzten Hinweis Steiners jetzt abgesehen: Es ist auf jeden Fall der Umstand zu beachten, daß das individuelle Denken als Erkenntnishandlung und inneres Tun selbst eine Wahrnehmungsgegebenheit für sich ist. Wahrnehmungsgegebenheiten sind sowohl das begriffliche Element, als auch die eigene Aktivität, die dabei zum Einsatz kommt. Auch dazu ausführlicher hier. Insofern bedeutet die Wahrnehmung des Denkens erkenntnistheoretisch und mit Blick auf Steiners Grundlagen eben nicht lediglich dasselbe wie die Wahrnehmung von tätig hervorgebrachten Begriffen und Ideen. Sondern die innere Tätigkeit als solche tritt als weitere aktuelle und unmittelbare Wahrnehmung jenes Tätigkeitsprozesses hinzu, durch welchen Begriffe und Ideen erst gewonnen werden. Worauf Steiner ausdrücklich auch hinweist mit der Bemerkung hinsichtlich seiner Differenz zu Hegel, eingangs von Kapitel IV der Philosophie der Freiheit, (hier S. 57 f; alternativ hier, S. 38). 8. Der erlebte Prozeß, durch den Begriffe und Ideen erst gewonnen werden So schreibt er dort bezüglich seiner Differenz zu Hegel: „Ich muß einen besonderen Wert darauf legen, daß hier an dieser Stelle beachtet werde, daß ich als meinen Ausgangspunkt das Denken bezeichnet habe und nicht Begriffe und Ideen, die erst durch das Denken gewonnen werden. Diese setzen das Denken bereits voraus. Es kann daher, was ich in bezug auf die in sich selbst ruhende, durch nichts bestimmte Natur des Denkens gesagt habe, nicht einfach auf die Begriffe übertragen werden. (Ich bemerke das hier ausdrücklich, weil hier meine Differenz mit Hegel liegt. Dieser setzt den Begriff als Erstes und Ursprüngliches.)“. - So Steiner dazu. Nur das Denken ist in sich selbst ruhend und durch nichts bestimmt. Begriffe und Ideen, die erst durch das Denken gewonnen werden müssen, sind es nicht. Damit verschiebt sich bei Steiner im Vergleich zu Hegel der empirische Fokus des Erkenntnisinteresses auf jenen «Prozess», durch den Begriffe und Ideen erst gewonnen werden. Das aber ist bereits 1886 in den Grundlinien … der Fall. Nachzulesen dort in Kapitel 8, im Kapitel 16 und im Psychologiekapitel 18. Der erlebte Prozess wiederum, durch den Begriffe und Ideen erst gewonnen werden, ist aber «auch derselbe erlebte Prozess, durch welchen das Denken selbst beobachtet, erkannt und begriffen wird», wenn es in Erkenntnisabsicht auf sich selbst gerichtet wird. - Nachdrücklich hervorgehoben im dritten Kapitel der Philosophie der Freiheit. Es ist dies ein ganz maßgebliches Unterscheidungsmerkmal Steiners gegenüber Hegel. Der Untersuchungsstandort Steiners ist damit ausgesprochen empirisch, induktiv und sehr viel basaler als derjenige Hegels. Wer nämlich den Produktionsprozess von Begriffen und Ideen untersucht, der untersucht natürlich nicht vornehmlich Begriffe und Ideen meinetwegen auf ihren logischen Zusammenhang oder ihre Reichweite und Geltung hin, sondern vor allem induktiv auf empirischem Wege die Art, wie sie im menschlichen Bewusstsein erscheinen / zur Erscheinung gebracht werden. Und wie in diesem Fall «Wirkendes», - das ist der Prozess, - und «Bewirktes», - das ist das Resultat dieses wirkenden (Erkenntnis) - Prozesses miteinander zusammenhängen. Das aber ist für Steiner vorrangig auch eine Angelegenheit einer komplementären Naturforschung, die sich durch sämtliche seiner Begründungsschriften hinzieht. Wozu natürlich auch gehört, daß Begriffe und Ideen bei aller Wahrnehmungsabhängigkeit vom tätigen Denker geichwohl unabhängig von ihm und seiner wahrnehmenden Tätigkeit sind. Ohne meine Denktätigkeit erscheinen sie mir zwar nicht. Aber dennoch sind sie inhaltlich nicht von dieser Tätigkeit abhängig, sondern lediglich ihrer Erscheinungsweise nach. So daß sie demzufolge nicht lediglich subjektive, sondern objektive Entitäten darstellen. Ein Dreieck behält seine mathematische Gesetzmäßigkeit ganz unabhängig davon, ob ich sie produktiv denkend wahrnehme und zur Erscheinung bringe. Sie sind in ihrer Gesetzmäßigkeit also nicht meine subjektiven Erzeugnisse. Das ist ja ein Punkt, der von den Interpreten Steiners in der Regel auch richtig verstanden wird. 9. Der erlebte Denkprozeß im Umfeld des Kausalitätsproblems Wiederum der «Prozess», durch den Begriffe und Ideen erst gewonnen werden, bzw. - der erlebte Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem, - gehört zu einer genuin naturwissenschaftlichen Fragestellung, die Steiner als solche bereits in den Grundlinien … im Zusammenhang mit Kant im Kapitel 14 behandelt. (Siehe gleich nachfolgend.) Wobei wiederum das Prozedere des individuellen Denkens als innere Aktivität oder «Wirkendes» ein psychologisches ist, wie wir in den Grundlinien ... auch schon gehört haben. Dort im Kapitel 18 über das psychologische Erkennen. Wonach es vor allem darauf ankäme den Menschen als einen Tätigen zu begreifen. Oder wie Steiner dort auch (S. 120) sagt: „Die einheitliche Seele ist uns ebenso erfahrungsgemäß gegeben wie ihre einzelnen Handlungen. Jedermann ist sich dessen bewußt, daß sein Denken, Fühlen und Wollen von seinem «Ich» ausgeht. Jede Tätigkeit unserer Persönlichkeit ist mit diesem Zentrum unseres Wesens verbunden. Sieht man bei einer Handlung von dieser Verbindung mit der Persönlichkeit ab, dann hört sie überhaupt auf, eine Seelenerscheinung zu sein. Sie fällt entweder unter den Begriff der unorganischen oder der organischen Natur. Liegen zwei Kugeln auf dem Tische, und ich stoße die eine an die andere, so löst sich alles, wenn man von meiner Absicht und meinem Wollen absieht, in physikalisches oder physiologisches Geschehen auf. Bei allen Manifestationen des Geistes: Denken, Fühlen, Wollen, kommt es darauf an, sie in ihrer Wesenheit als Äußerungen der Persönlichkeit zu erkennen. Darauf beruht die Psychologie.“ Auf der anderen Seite ist dort (S. 118) wiederum die Psychologie «die erste Wissenschaft, in der es der Geist mit sich selbst zu tun hat». Wenn Steiner in den Anmerkungen von 1924 (hier S. 142) darauf hinweist, daß er sich seinerzeit unter der «Psychologie» sehr viel Weiteres vorgestellt habe, was später Thema seiner anthroposophischen Forschung wurde, dann mindert das natürlich nicht den Wert seiner frühen psychologisch orientierten Grundlagenforschung, sondern zeigt nur, wo sie hin führt. Zudem gibt es da ja auch die schon erwähnte Tatsache, daß sich Steiner 1917 in der Schrift Von Seelenrätseln (GA-21, S. 171 f) eindringlich ein psychologisches Laboratorium wünschte, um dort die «Veranlagung zum Schauen» gründlich weiter zu erarbeiten. Was natürlich ganz unmissverständlich nicht nur die Kontinuität seines psychologisch / geistigen Anliegens von 1886 demonstriert, sondern insbesondere das Faktum, welche Rolle er dabei einer ganz normalen empirischen Psychologie der inneren Beobachtung beilegte, die es 1886 freilich in der von ihm 1917 gedachten institutionalisierten Form «nach dem Vorbild der Wünsche Brentanos» noch gar nicht gab. Die «in sich selbst ruhende Tatsache des Denkens» hat etwas mit dem Produktionsprozess von Begriffen und Ideen zu tun. Was wie gesagt bereits ein Thema der Grundlinien … von 1886 im Kapitel 8 ff ist. Das, um es noch einmal zu betonen, hat wie gesagt eine psychologische Dimension, die von Steiner genauso, und zwar im Psychologiekapitel 18. der Grundlinien ..., (hier S. 118 ff) erläutert wird. Dahingehend, daß «die Psychologie die erste Wissenschaft sei, in der es der Geist mit sich selbst zu tun habe». Und man nur eine «wahrhafte Psychologie gewinnen könne, wenn man auf die Beschaffenheit des Geistes als eines Tätigen eingeht» (S. 120). Wenn die Philosophie der Freiheit später als «seelische Beobachtungsresultate» gekennzeichnet wird, dann ist das nicht nur aus sachlichen Gründen zu verstehen, sondern auch aus der werk-genetischen Perspektive. Und ebenso ist es zu verstehen, wenn Steiner im zweiten Kapitel der Philosophie der Freiheit die Naturwirksamkeit im menschlichen Inneren sucht. (Siehe hier S. 20 f.) Auch das ist ein grundlegendes Anliegen seiner komplementär-naturwissenschaftlichen Erkenntniswissenschaft. Das Denken und Erkennen nur als Vorgang und Prozess betrachtet, hat eine psychologische Dimension, eine geistige, eine naturwissenschaftliche, und natürlich eine ethische und freiheitsphilosophische. Fragen des Erkennens und der damit verbundenen «Naturwirksamkeit» hängen insofern als grundlegende Erkenntnisfragen im eminentesten Sinne mit einander zusammen. Dahingehend: Wer oder was erwirkt eigentlich mein Erkennen? Ist das bereits ein kausal naturdeterminierter Prozess? Einer, der sich mit zwanghafter Naturnotwendigkeit vollziehen muß? Wie es gleich im ersten Kapitel der Philosophie der Freiheit dazu fragend heißt. - Eine Frage nach den Naturwirksamkeiten, die ich gar nicht beantworten könnte, wenn ich nicht in der Lage wäre, meine eigene Erkenntnis- und Denkaktivität unmittelbar zu erleben. Denn von außen kann ich sie als Naturwirksamkeit nicht erleben. Sondern ich muß dazu im Prozeß des Denkens und Erkennens «mitten drin stehen», wie Steiner das regelmäßig seit mindestens 1886 betont. Während ich im Prozeß der von außen gegebenen Naturtatsachen und unterstellten Wirksamkeiten «nie drin stehe», wie er ebenso regelmäßig seit mindestens 1886 hervorhebt. Ein entscheidender naturwissenschaftlicher Hintergrund, der zu berücksichtigen ist, angesichts der Existenz eines primitiven Physikalismus, der zwar im Brustton der Gewißheit alles Denken und Erkennen auf rein physikalische Naturwirksamkeiten bzw. auf die Hirnphysiologie zurückführen möchte, aber um plausible empirische Begründungen dafür im höchsten Maße verlegen ist. Weil er nie in den wirkenden Naturtatsachen und ihren Kräften drin steht. Und insofern auf das Denken und Erkennen ein physikalistisches Kausalitätskonzept zur Anwendung bringt, das er als solches an den Tatsachen nie sicher belegen, sondern ohne jede Einsicht in die Verhältnisse lediglich dogmatisch behaupten kann, wie Steiner bereits im Kapitel 14 der Grundlinien ... im Zusammenhang mit Kant erläutert. Während einzig im Denken der Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem unmittelbar und sicher erkenntniswissenschaftlich greifbar ist: „Wir erinnern uns, warum eigentlich das Denken in unmittelbarer Erfahrung bereits sein Wesen enthält. Weil wir innerhalb, nicht außerhalb jenes Prozesses stehen, der aus den einzelnen Gedankenelementen Gedankenverbindungen schafft. Dadurch ist uns nicht allein der vollendete Prozeß, das Bewirkte gegeben, sondern das Wirkende.“ So heißt es gleich im Folgekapitel 15 der Grundlinien …, im Anschluß an die Auseinandersetzung mit Kant. Wer das Denken beobachtet, der beobachtet also nicht nur Begriffe und Ideen für sich genommen, sondern vor allem auch den Prozeß des Denkens selbst. Und damit in diesem Fall den Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem. Der von Steiner schon im Kapitel III der Philosophie der Freiheit zur allerwichtigsten Beobachtung erklärt wird, die der Mensch machen kann. Es ist die Beobachtung der produktiven Art und Weise, wie Begriffe und Ideen gewonnen werden, um bei Steiners Hegel-Bemerkung von oben zu bleiben. Und das wiederum ist jener seelisch / geistige Prozess, der schon 1886 in den Grundlinien … besonders nachdrücklich im Kapitel 15 von Steiner in Erinnerung gerufen wird. Weil nämlich in diesem Prozess Wirkendes und Bewirktes in ihrem erlebten Zusammenhang vorliegen: „Wir erinnern uns, warum eigentlich das Denken in unmittelbarer Erfahrung bereits sein Wesen enthält. Weil wir innerhalb, nicht außerhalb jenes Prozesses stehen, der aus den einzelnen Gedankenelementen Gedankenverbindungen schafft. Dadurch ist uns nicht allein der vollendete Prozeß, das Bewirkte gegeben, sondern das Wirkende.“ So Steiner im Kapitel 15 hier auf S. 86. Wohlgemerkt, auch das Wirkende ist bereits 1886 «gegeben». Der dem Skeptizismus Kants und Humes innewohnende Befund, daß ich unmittelbar an das Wirkende und seine Verbindung mit dem Bewirktem ja nie herankomme, gilt damit nicht mehr. Andererseits kann sich die äußere Naturwissenschaft erfahrungswissenschaftlich unter solchen Voraussetzungen wie von Kant und Hume unterstellt, natürlich nie selbst tragen, sondern ist stets auf eine empirische Grundlage im Menscheninneren angewiesen, die den Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem sicher und exemplarisch zeigen kann. Was ja auch der Anlaß für Steiners Bemerkung im zweiten Kapitel der Philosophie der Freiheit ist, daß wir „die Natur außer uns nur finden, wenn wir sie in uns erst kennen, ...“. Was jenen kausalitätsphilosophischen Hintergrund hat, der in den Grundlinien … bereits formuliert und dort prinzipiell auch gelöst wurde. - Man muß zuerst «die treibenden Gewalten sehen, die ihn vom Mittelpunkte des Weltganzen heraus an die Peripherie bringen», wie es dazu im Kapitel 15 der Grundlinien … (S. 86) heißt. In ihrer Unmittelbarkeit sind diese und ihr Zusammenhang mit dem Bewirkten nur im Inneren des Menschen zu finden. Die begründende innere Naturwissenschaft und die äußere stehen somit komplementär zueinander. Während die äußere ihre basalen Gewissheiten nur aus der inneren ziehen kann, wie Steiner nicht müde wird in den Frühschriften zu betonen. Und besonders anschaulich in seiner theosophischen Zeit noch einmal hervorhob im Aufsatz Theosophie und gegenwärtige Geistesströmungen von 1908. Wo er mit Blick auf die Philosophie der Freiheit in der Zeitschrift Lucifer Gnosis, GA-34, auf S. 296 f ausdrücklich das Unvermögen seiner philosophischen Zeitgenossen aufspiesst, sich dieser Tatsache zu stellen: „Unsere Philosophie ist unfruchtbar in bezug auf ein freies Denken, das den Tatsachen der sinnlichen Erfahrung mit souveräner Urteilskraft entgegentreten könnte. Sie ist von einer den Philosophen unbewußten Ängstlichkeit belastet, den sicheren Boden unter den Füßen zu verlieren. Sie sieht sich überall nach Stützen und Unterlagen für ihre Aussagen um, nur nicht da, wo sie zu finden sind, in gewissen inneren Tatsachen des sich selbst produzierenden und sich selbst seine Gewißheit gebenden Denkens.“ Was dort keinesfalls abstrakt philosophisch und rationalistisch, sondern empirisch zu nehmen ist, wie in seinen Frühschriften bereits. Siehe dazu sehr viel ausführlicher hier auf derzeit S. 232 ff. Dass so etwas, - die empirische Fundierung der Naturwissenschaft anhand der inneren Erfahrung von zusammenhängenden Wirksamkeiten, - aus naheliegenden Gründen nicht nur Steiners, sondern überhaupt auch ein mächtiges Thema der «Psychologie von Bewußtseinsakten» im ausgehenden 19. Jahrhunderts und darüber hinaus war, will ich hier nur mehr andeuten. Wir werden weiter unten noch einmal am Beispiel Edith Steins die Lage noch näher betrachten. Weit ausführlicher finden Sie das in meiner längeren Studie dargelegt. Im Zusammenhang mit Oswald Külpe, der solche inneren Wirksamkeiten suchte und beobachtete, haben wir es ja weiter oben auch schon kurz zum Ausdruck gebracht. Auch Wilhelm Dilthey kann man als einen namhaften Zeitgenossen Steiners dazu gesellen, der 1894 in erstaunlicher Nähe zu Steiner einen langen Vortrag zur Psychologie und zu erkenntnistheoretischen Grundfragen gehalten hat. Wilhelm Dilthey, - Ideen über eine beschreibende und zergliedernde Psychologie. Hier im Original ab S. 1309 und hier auf der Webseite von Wilhelm Humerez in verschiedenen besser lesbaren Formaten abzurufen. Für den von Steiner geschätzten Johannes Volkelt, dessen Schriften Sie ebenfalls bei Humerez aufrufen können, gilt dasselbe. Und damit haben wir nur am prominenteren und in Steiners Nähe liegenden Rande dieser Strömung etwas gezupft. In dieser philosophisch-psychologischen Tradition, die nach erlebten inneren, zusammenhängenden Wirksamkeiten sucht, ist Steiner als Vertreter des naturwissenschaftlichen Idealismus natürlich ebenfalls anzusiedeln. Und zwar nicht nur via Fichte, wie der Leser ebenfalls in einer längeren Untersuchung hier auf meiner Webseite ausführlich studieren kann. Als expliziter Vertreter einer Psychologie / Philosophie der Bewußtseinsakte spielt Fichte eine weitgehend untergeordnete Rolle, wie Sie selbst dort nachlesen können. Einzig in der Dissertation bzw. in Wahrheit und Wissenschaft hat Steiner ihm auf respektablen ca 11 Seiten das Kapitel VI gewidmet (hier ab S. 46). Und ihn dabei auch noch in entscheidenden Fragen kritisch korrigiert. Danach und vor dieser Schrift taucht Fichte freilich in den Begründungsschriften selten auf, und das fast nur in Gestalt eines Kritisierten. Steiner war in der Epoche der neu aufgekommenen empirischen Psychologie, die es in der Ära Goethes, Fichtes und Kants ja noch nicht gab, mit seinem empirisch psychologischen Begründungsvorhaben respektive als «induktiver Idealist» weit mehr als bei Fichte auch eingebettet in eine philosophische / seelenwissenschaftliche Strömung des Empirismus, die es sich zum Ziel gesetzt hatte, das seit Kant und Hume als empirisch uneinlösbar geltende Kausalitätsprinzip / besser wohl: das Kausalitätsproblem von Kant und Hume auf dem Wege der inneren Beobachtung zu bewältigen. Mit anderen Worten das Grundlegungsproblem der Naturwissenschaft. Wo Kant an Stelle einer empirischen Antwort auf dieses Grundlegungs-Problem aller Naturwissenschaften eine lediglich metaphysische gab, wie er hier in seinen Prolegomena in der Vorrede ab S. 6 eigens im Zusammenhang mit David Hume erläutert. Das wiederum war für viele Empiristen, und eben auch für den idealistischen Empiristen Steiner ein völlig unmöglicher Lösungsweg für die empirische Erkenntnis der Welt. Nämlich ihr fundamentales Prinzip der naturwissenschaftlichen Kausalerkenntnis lediglich metaphysisch und dogmatisch scheinbegründen, aber nicht empirisch und sachlich begründen zu können. Wovon das Kapitel 14 der Grundlinien … bereits besonders deutlich zeugt, mit seinem kritischen Hinweis auf den Dogmatismus der Offenbarung und der Erfahrung, «die an die Sache nie herankommen». Deswegen bei Steiner die regelmäßige Betonung des erlebten Zusammenhangs von Wirkendem und Bewirktem respektive der erlebten inneren Aktivität des Denkens seit 1886, was ja dann im dritten Kapitel der Philosophie der Freiheit zur «allerwichtigsten Beobachtung wird, die der Mensch machen kann.» „Denn er beobachtet etwas, dessen Hervorbringer er selbst ist; er sieht sich nicht einem zunächst fremden Gegenstande, sondern seiner eigenen Tätigkeit gegenüber. Er weiß, wie das zustande kommt, was er beobachtet. Er durchschaut die Verhältnisse und Beziehungen. Es ist ein fester Punkt gewonnen, von dem aus man mit begründeter Hoffnung nach der Erklärung der übrigen Welterscheinungen suchen kann.“ (Hier S. 31 f) - 10. Der erlebte Denkprozeß im Zusammenhang mit dem Kausalitätsproblem und seine stiefmütterliche Behandlung in der Steinerforschung Man möchte angesichts der Rezeptionslage um Steiners Begründungswerk ergänzend hinzufügen: Zur allerwichtigsten Beobachtung des Menschen wird, sofern er sich auch dieses Problems von Kant und Hume bewußt ist! Was eben bei den anthroposophischen Interpreten in den allerseltensten Fällen zutrifft. Wie besonders eindrucksvoll auch bei Jaap Sijmons deutlich wird, der als relativ sehr junger und mit viel Aufwand arbeitender Interpret von Steiners diesbezüglichen naturwissenschaftlichen Intentionen und seinem psychologisch / erkenntniswissenschaftlich eingelösten kausalitätsphilosophischen Anliegen nicht den allergeringsten Schimmer hatte. So daß sich in der reichhaltigen Inhaltsangabe seiner Dissertation von 2008 kein einziges Stichwort auf das von Steiner andauernd implizit und explizit thematisierte Kausalitätsproblem und den erlebten Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem findet. Und, - das ist noch viel erstaunlicher: Noch weniger zur Frage, wie weit die Freiheits- und Erkenntnisfrage überhaupt etwas mit diesem Kausalitätsproblem zu tun haben könnten, obwohl Steiner mit dieser Frage gleich im ersten Kapitel der Philosophie der Freiheit startet: „Ist der Mensch in seinem Denken und Handeln ein geistig freies Wesen oder steht er unter dem Zwange einer rein naturgesetzlichen ehernen Notwendigkeit?“ Schon diese einleitenden Bemerkungen Steiners, hätten jeden akademisch orientierten Steinerinterpreten dazu motivieren müssen, sich mit Vorrang das von Steiner behandelte Kausalitätsproblem vorzunehmen, anstatt es gar noch durchgängig zu ignorieren. - So ist es kein Wunder, daß so ein junger und hoch engagierter Interpret wie Sijmons unter solchen Voraussetzungen dann Schiffbruch erleidet, indem er (S. 328) behauptet, «das Denken sei für jeden das Best-Bekannte überhaupt», („weil wir es selbst hervorbringen ist es uns immer schon bekannt“). Während Steiner mit Mühe und Not und mit psychologischen Mitteln seinen Anhängern überhaupt erst einmal beizubringen sucht, wie man nur die allerersten Schritte zu seiner Erkenntnis zurücklegt, obwohl wir es selbst hervorbringen. Obwohl wir es selbst hervorbringen kennen wir es nicht, sondern müssen es durch Beobachtung erst kennenlernen. Und selbst das letztere, das Hervorbringen, liegt für viele, wie man an Witzenmann und seinem Anhang sieht, noch tief im Eiskeller eines vermeintlichen «Erzeugungsproblems» verborgen, das nichts anderes ist, als das Kausalitätsproblem Kants und Humes, wie wir unten noch sehen werden. Wie ich an anderer Stelle S. 291 ff in der Anmerkung 209 schon dargelegt habe, verwechselt Sijmons in fataler Weise das Können des Denkens mit dem Kennen des Denkens. - Ein folgenschwerer Irrtum. Bei all dem steht jeder Gedanke Steiners an eine «Naturwissenschaft von innen» wie sie etwa im zweiten Kapitel der Philosophie der Freiheit ausgesprochen wird, auf einsam verlorenem Posten. Es sind, wie man an so etwas sieht, eben auch bei den Anthroposophen viele ausgewiesene Experten bildlich gesprochen als polare Robbenfänger unterwegs, während Steiner ihnen etwas über den tropischen Ananas-Anbau vorträgt. Weswegen die «allerwichtigste Beobachtung» der Philosophie der Freiheit inzwischen ein regelrechtes Mauerblümchendasein fristet, und oft auch schon gar nicht mehr von den Interpreten der Anthroposophen erwähnt wird, wie etwa von Heusser oder Wagemann, Förster (letzterer auch hier) und anderen, die von Steiners Grundlagen, und speziell von solchen Zusammenhängen der «allerwichtigsten Beobachtung» mit Humes und Kants Kausalitätsproblem herzlich wenig verstehen. Auch Christian Clement kann in den Kommentaren der historisch kritischen Ausgabe (Bd. 2; S. 294) nichts naturwissenschaftlich Sinnhaltiges mit Steiners innerem Naturforschungsprojekt des zweiten Kapitels beginnen. Naturwissenschaftliche Intentionen Steiners liegen auch dem historisch kritischen Herausgeber und Kommentator Steiners in seinen dortigen Anmerkungen völlig fern, obwohl Steiner in diesem zweiten Kapitel direkt an Goethes Essay Die Natur anknüpft. Was, und warum das dort geschieht, Clement gänzlich fremd zu sein scheint. Und zu Steiners «allerwichtigster Beobachtung, die der Mensch machen kann», aus dem dritten Kapitel der Philosophie der Freiheit, wo ausdrücklich der erlebte Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem im Mittelpunkt des Ganzen steht, ist ihm schlicht kein einziger sinnhaltiger Gedanke eingefallen. Da gähnt nur noch eine kolossale, grosse Leere. The great void of scientific anthroposophical interpretation. Tabula rasa allerorten, wie man sieht, wenn es um den erlebten Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem und Steiners inneres Naturforschungsprojekt geht. Darin scheinen sich die meisten Interpreten einig zu sein: Sie können damit schlicht nichts anfangen, weil sie die entsprechenden Zusammenhänge mit Steiners Frühwerk gar nicht kennen. Und demgemäß auch weitestgehend entleert sind von Steiners eigenen zum Verständnis unerlässlichen Grundlagen, trotz aller mitunter hochtönenden Ankündigungen diesbezüglich. - Es stellt sich die Frage: ob und wie weit Steiners Frühschriften überhaupt der Philosophie zuzurechnen sind? Da halte ich es durchaus mit dem oben kritisch betrachteten Swassjan, der diese Frage nach der Philosophie Steiners in seiner Schrift Rudolf Steiner ein Kommender, Neuausgabe 2017, auf S. 65 ff mit einem gewissen Recht abschlägig behandelt. Daß Steiner als komplementärer Naturforscher und «philosophischer Beobachter», aber nicht als akademischer Fachphilosoph der traditionellen Art bereits in den begründenden Frühschriften in Erscheinung tritt, sagt Swassjan so weit ich sehe noch nicht. Da ließe sich aber sicherlich eine Brücke bauen, die über Goethes «Geist-Natur» führt, die man laut Steiner bekanntlich «im Äußeren nur dann finden kann, wenn man sie in sich bereits kennt». Und die Philosophie über den Menschen kann, so berichtet es Steiner in der Schrift Von Seelenrätseln, (S. 29 – 33) nicht am Anfang, sondern erst am Ende respektive als Resultat solcher komplementären Naturforschungen stehen. Für eine Erkenntnistheorie wiederum, die für alles Erkennen gilt, wie diejenige Steiners, ist es allerdings leicht nachvollziehbar, daß Steiner sich bereits im Kapitel 14 der Grundlinien … von 1886 (hier S. 81 ff) mit Blick auf Kant das Kausalitätsproblem vorgenommen hat. Da geht es nämlich nicht minder um den erlebten Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem. Folglich hatte Steiner sehr gute Gründe dafür, einen kritischen Blick in dieser Frage auf Kant zu werfen. Siehe dazu auch meine längere Studie. Dort etwas kürzer gefasst speziell auch im Exkurs ab derzeit S. 1219 ff. - Eine zusätzliche Bemerkung noch zu diesem zurückliegenden Abschnitt: Für den gewöhnlichen Beobachter des Denkens dürfte es nicht allzu schwierig sein, Steiners grundlegende Gedankengänge zur methodischen Beobachtung des Denkens in Form der «gegenüberstellenden Betrachtung» nachzuvollziehen, wenn er dessen Frühwerk hinreichend sorgfältig studiert. - Steiners «Ausnahmezustand», der an sich gar nichts Besonderes ist, wie Steiner selbst sagt, sondern nur darin besteht, das Denken auf die Erfahrungen des Denkens zu richten, um es zu erkennen. Im Prinzip ist das nämlich simpel, auch in Steiners eigener Ausdrucksweise. - Etwas anders ist, wie wir sehen, die Sachlage, wenn es um Steiners philosophisch – naturwissenschaftliche Hintergründe und Konklusionen seiner Beobachtungen geht. Hier ist die Haupt-Sache eben die, daß man schon «philosophischer Beobachter» sein muß, wie Steiner das in GA-30, S. 69 ff; insbes. auch S. 83 f speziell mit Blick auf Goethe nannte. Man muß die Beobachtung auch mit entsprechenden philosophischen Kernfragen in Verbindung bringen können und wollen. Und das gilt natürlich auch für Steiner selbst, der seine «philosophischen» Begründungsschriften niemals ohne den naturwissenschaftlichen Blick auf die Begründungs-Schwachstellen des Empirismus verfasste, wie man an seiner Behandlung Kants nicht nur im Kapitel 14 der Grundlinien ... sieht. Was man am Projekt der «Kant-Überwindung» in der Schrift Wahrheit und Wissenschaft ebenso sieht. Desgleichen an den «seelischen Beobachtungsresultaten nach naturwissenschaftlicher Methode» in der Philosophie der Freiheit, wo das im Untertitel von 1918 eigens noch einmal hervorgehoben wurde. Wo ja zudem die «allerwichtigste Beobachtung» des dritten Kapitels den erlebten Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem eigens thematisiert, und auf dieser Basis Steiners archimedischer Hebel der Welterklärung veranlagt wird in Form der Selbsterklärungsfähigkeit des menschlichen Denkens. In welchem der erlebte Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem wiederum die Schlüsselrolle spielt, die wir hier behandeln. - Also bei näherer Betrachtung als «allerwichtigste Beobachtung» die erkenntnistheoretische Lösung von Kants und Humes Problem mit der Kausalität darstellt. Das insofern auch das «naturwissenschaftliche Sichere als Brücke zum Geistigen» bildet, von dem Steiner am 25. Mai 1921 in Stuttgart (GA-255b, Dornach 2003, S. 295 ff, dort speziell auf S. 298 f) ausdrücklich noch einmal sprach, - als Voraussetzung seiner geisteswissenschaftlichen Veröffentlichungen. «Nur vom naturwissenschaftlich Sicheren aus, so sagt er dort, sei es ihm möglich gewesen, die Brücke zum Geistigen zu finden». Wo er zugleich damit den Einstieg in eine komplementäre Naturwissenschaft eröffnet, die der Geist-Natur und ihren wirkenden geistigen Kräften im Inneren nachgeht, wie es in der Philosophie der Freiheit im Kapitel II wortwörtlich auch erklärt und programmatisch projektiert wird. - Übrigens alles Vorhaben, die inzwischen in großer Einmütigkeit von anthroposophischen Forschern zur Philosophie der Freiheit und anderen Steinerschen Frühschriften so gut wie nie thematisiert werden. Was ja schon hinreichend signalisiert, welche Lichter dort inzwischen leuchten. Eins der besten Beispiele dafür ist der gemeinsam von Lorenzo Ravagli und Günter Röschert herausgegebene Band Kontinuität und Wandel, Stuttgart 2003, wo kein Wort zu diesen Dingen zu lesen ist. Und gar die Behauptung aufgestellt wird, die Kapitel 1 und 2 der Philosophie der Freiheit seien eigenständig und verbindungslos. (Röschert dort auf S. 171. Siehe dazu ausführlicher hier derzeit S. 1054 ff; ebenso S. 1200, Anm 396) Da fehlt jedes Verständnis für die naturwissenschaftliche Problemlage, die von Steiner in dieser Schrift behandelt wird. Die ganze komplementärwissenschaftliche Konzeption und Programmatik dieser Schrift liegt den beiden Autoren weitestgehend fern; die zudem beide aus der philosophischen Region Herbert Witzenmanns stammen. Was kein Zufall ist. Desgleichen bei den zahlreichen anderen nicht, die um dasselbe goldene Kalb Witzenmanns tanzen. (Siehe dazu ebenfalls hier auf derzeit S. 593 ff.) Der «gewöhnliche» Beobachter des Denkens kommt ohne wissenschaftsgeschichtliche Kenntnis der Kernprobleme des Empirismus natürlich nicht so ohne weiteres auf jene fundamentalen naturwissenschaftlichen Konfliktfelder, die sich um die Kausalerklärung ranken, wenn er keine entsprechenden wissenschaftsgeschichtlichen Erfahrungen mitbringt. Er sieht dann die Verbindungen zwischen der erlebten Denk,- und Erkenntnistätigkeit, Steiners «allerwichtigster Beobachtung», und der Lösung des Kausalproblems nicht, obwohl es in beiden Fällen um den Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem geht. Beim Denken und Erkennen ebenso wie in der Naturwissenschaft. So daß der wissenschaftshistorisch Unerfahrene folglich nicht erkennt, daß das naturwissenschaftliche Kausalproblem Kants auch ein unmittelbar zu beantwortendes jener empirisch psychologisch orientierten Erkenntnistheorie Steiners ist, die auf der inneren Tätigkeit des Denkens und Erkennens aufbaut. Wo sich ganz naturgemäß die Frage nach dem erlebten Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem stellt: Dahingehend: Wer oder was erwirkt eigentlich mein Denken und Erkennen? Eine Frage, die besonders dringlich auch im dritten Kapitel der Philosophie der Freiheit aufgeworfen wird. Und erst recht nicht kommt der Unerfahrene darauf, daß die genannte Problemzone des Empirismus in der Steinerzeit regelmäßig, und nicht nur von Steiner aufgegriffen wurden. Und dann ebenfalls konstruktiv mit empirisch psychologischen Mitteln. Das alles liegt auch den heutigen Anhängern Steiners in der Regel völlig fern, selbst wenn sie vielleicht akademisch wie etwa Eckart Förster noch so sehr als Spezialisten aus dem deutschen Idealismus stammen. Ein anthroposophischer Interpret arbeitet sich dann auch wie Reto Savoldelli 2019 oder Jaap Sijmons hoffnungslos an solchen Grundwerken Steiners ab, ohne die leiseste Impression davon zu haben, worum es da überhaupt in empiristisch / naturwissenschaftlicher Hinsicht geht. Inzwischen hat Savoldelli seinen Artikel zwar mit Stand vom 19. April 2020 wohl neuerlich aktualisiert. Verstanden davon hat er aber immer noch nichts, sonst würde er seine abstrusen Hymnen auf die paradoxe Verbindung zu Witzenmanns Strukturphänomenologie nicht singen. (Siehe dazu ausführlicher auf unserer Webseite auch hier ab S. 771.) Und so krebst Savoldelli dann in seinem Artikel mit marginalen Interpretations- und Plausibilisierungsversuchen von mikroskopischen Dimensionen herum, die zum Wesentlichen gar nicht vorstoßen: der Tatsache nämlich, daß das gegenwärtige Denken in der Philosophie der Freiheit zwar nicht zu beobachten ist. Weil das grundsätzlich nicht geht, wie Steiner sagt. Aber gleichwohl unmittelbar zu erleben ist, wie es durchgängig dazu auch in sämtlichen weiteren Frühschriften Steiners heißt. Es liegt als «reine Erfahrung» unmittelbar vor. Und das ist doch die entscheidende Tatsache für den Empiristen; den des Denkens zumal. Entscheidend ist doch, daß die eigene Wirksamkeit der Denkaktivität unmittelbar in der Erfahrung vorliegt. Und deswegen Wirkendes und Bewirktes beim Denken in ihrem Zusammenhang unmittelbar erlebt werden. Solche Ausdrücke wie «erlebter Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem» sind Savoldelli, - wie Witzenmann seit 1948 auch schon, - in Jahrzehnten nie über den Weg gekommen. Bei Sijmons verhält sich das nicht anders. Obwohl das überall bei Steiner steht, und in sämtlichen Frühschriften Steiners einschließlich Goethes Weltanschauung von 1897 der Sache nach hoch plakativ zu finden ist. Und so wirkt Savoldelli ebenso schockgefroren wie ein sibirisches Mammut wie sein Meister Witzenmann schon, der in dieser Angelegenheit über das Stadium eines Proseminaristen bis in die 1980er Jahre einschließlich seiner Strukturphänomenologie nie hinaus gekommen ist, und wie Savoldelli und Kant «an die Sache nie heran», wie es im Kapitel 14 der Grundlinien … heißt. Da ist für die Sache Steiners nichts zu gewinnen. 11. Warum Witzenmann an die Sache nie heran kam So ein Interpret kommt dann eben auch als Anthroposoph nicht darauf, daß und warum Steiner die Beobachtung des eigenen Denkens die «allerwichtigste» nennt, «die der Mensch machen kann». Er versteht auch nicht, warum Steiner bei der Beobachtung des Denkens nicht nur «das Weltgeschehen beobachtet», sondern es sogar «durchschaut», wie es in Goethes Weltanschauung (1897, S. 69 f) heißt. Dem Interpreten ist einfach nicht klar, daß derjenige das Weltgeschehen grundsätzlich nie durchschauen kann, wer «an die Sache gar nicht herankommt», sprich: an den erlebten Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem, wie es Steiner im Kapitel 14 der Grundlinien… gegenüber Kant geltend machte. Was auch für Witzenmann galt, der seinerseits und erklärtermaßen «an die Sache nie heran kam». Denn wer den erlebten Zusammenhang zwischen Wirkendem und Bewirktem beim Denken grundsätzlich nicht auf der unmittelbaren Erfahrungsebene erreicht, sondern ihn sogar wissenschaftsphilosophisch in Abrede stellt, und obendrein auch noch die verschrobene Frage, «Wie kann Unbeobachtbares zur Erinnerung werden?» zur «erkenntnistheoretischen Grundfrage» erklärt (Witzenmann, Goethes universalästhetischer Impuls, Dornach 1987, hier, S. 356, S. 386, S. 397), der hat im Kern und speziell an dieser erkenntniswissenschaftlichen und naturwissenschaftlichen Schlüsselstelle jede Verbindung mit Steiner verloren. Da fehlt jeder Durchblick und jeder Einblick in Steiners Anliegen. Als Interpret Steiners hat er nicht einmal Steiners Grundfrage der Erkenntnistheorie gefaßt, die da lautet: «Was ist Erkennen?» (Siehe GA-1, S. 143; GA-1, S. 157 f; S. 195 f ; GA-2, S. 137 f) Wie wir sehen, hat im Falle Witzenmanns die aus einem Interpretationsirrtum der Denkbeobachtung erwachsene Entgleisung seiner «erkenntnistheoretischen Grundfrage» weder mit Steiner sachlich irgend etwas zu tun, noch weiß Witzenmann überhaupt worum es diesem in den Frühschriften mit der Beobachtung des Denkens ging. Nicht zuletzt, weil schon das ganze Prozedere dieser Beobachtung im «Ausnahmezustand» ihm ein Buch mit sieben Siegeln geblieben ist, wie insbesondere aus dem engeren Kontext von Witzenmanns Goethebuch ersichtlich wird, aus dem heraus er seine verstiegene «Grundfrage» entwickelt hat. Das, da erstmals 1987 erschienen, mehr eine verspätete, aber ausgesprochen wichtige Dokumentation seiner Verschrobenheit und der Abwege seiner erkenntniswissenschaftlichen Interpretationen in Richtung Strukturphänomenologie darstellt. Wo sich im Kapitel 12 zum Thema Unerinnerbarkeit allgemeiner Begriffe, S. 366 ff; auf S. 368 auch seine psychologisch unbelegte, abenteuerliche Behauptung von der Unerinnerbarkeit der Allgemeinbegriffe findet, die in nichts mit dem zusammenstimmt, was Steiner etwa in GA-35, S. 279 zu diesem Thema gesagt hat. Mit etwas Wohlwollen könnte man hier vermuten, daß Witzenmann Steiners spätere Anthroposophie, die ja in GA – 35 ab S. 276 von den unerinnerbaren lebendigen Begriffen; genauer: der geistigen Wirklichkeit; «Willenswirklichkeit» (S. 277) respektive auf S. 288 ff vom «lebendigen Denken» spricht, von Witzenmann in höchst unangemessener Weise und grässlicher Anthroposophentradition mit Steiners früher Erkenntnistheorie zusammengestaucht und verschnitten wurde. Für die als empirisch erkenntnistheoretische Grundlage natürlich ganz andere Voraussetzungen und Tatsachen gelten, da sie ja erst die Grundlagen für die höhere Geistesforschung erarbeiten soll, aber doch nicht deren Ergebnisse. Die Resultate der höheren Forschung lassen sich nun einmal nicht unbesehen mit ihren Grundlagen vermengen, ohne für kolossale Verwirrung zu sorgen, was zudem logisch natürlich ein Unsinn ist. Denn ich kann die Resultate einer späteren (Geistes)forschung, für die Steiner nach eigenen Angaben in der Schrift Von Seelenrätseln, (S. 150), teils mehr als dreißig Forschungsjahre benötigte, aus jenen Grundlagen ja nicht logisch ableiten oder in sie hineinschieben, respektive das Spätere zur Verständnisvoraussetzung jener Grundlagen machen, die doch die methodischen Verfahren erst eröffnen sollen, aber nicht die nachfolgenden Inhalte und Forschungsergebnisse bereits vorweg nehmen können, die auf dieser begründeten Forschungsmethode erst basieren. Das verständnislos verworrene Verschneiden und Zusammenstauchen von Anthroposophie und ihren Grundlagen hat bei den Anthroposophen allerdings große Tradition, und ragt nachweislich sogar bis in Eckart Försters Vorwort von Clements historisch kritischer Ausgabe der Philosophie der Freiheit hinein, wie der Leser hier auf S. 1232 ff eingehender studieren kann. Das ist dort eng verbunden mit den Namen Frank Teichmann und Karl Martin Dietz. Ein derart verworrenes Verständnis wie Teichmann scheint indes auch Witzenmann umgetrieben zu haben, wie wir noch weiter unten sehen werden. Jedenfalls ist Witzenmanns Behauptung von der Unerinnerbarkeit von Allgemeinbegriffen nicht nur mit Steiner vollkommen inkompatibel, sondern auch nicht mit dem zusammenzubringen, was der Denkpsychologe Karl Bühler, und zwar ganz im Einvernehmen mit Rudolf Steiners Auffassung zur Erinnerbarkeit von Begriffen des gewöhnlichen Bewußtseins gesagt hat. Dies in seiner o. g. Untersuchung im Teil III (alternativ der Teil III hier bei Humerez). Was Witzenmanns Schüler freilich nicht davon abgehalten hat, Witzenmanns Mär von der Unerinnerbarkeit von Allgemeinbegriffen während vieler Jahre in schöner Regelmäßigkeit durchzureichen. Wenn man sich wiederum an Steiners Grundlinien … hält, wo Steiner bereits am Ende von Kapitel 8 (hier S. 47) „die Tätigkeit unseres Bewußtseins“ als «tätigen Gedankengehalt der Welt» bezeichnet, dann ist die gegenwärtig erlebte Denktätigkeit gewissermassen die verdünnteste Form, in welcher der «Gedankengehalt der Welt» oder die «allumfassende Idee» in seiner / ihrer Wirksamkeit unmittelbar erfahrbar ist. Oder wie es dort später (Kap. 13, S. 77) heißt: „Unsere Erkenntnistheorie führt zu dem positiven Ergebnis, daß das Denken das Wesen der Welt ist und daß das individuelle menschliche Denken die einzelne Erscheinungsform dieses Wesens ist.“ Ergänzend dazu als Resümee aus Steiners kurzer Kontroverse mit Eduard von Hartmann: „Die Kraft kann uns nur da entgegentreten, wo die Idee zuerst an einem Wahrnehmungsobjekte erscheint und erst unter dieser Form auf ein anderes Objekt wirkt. Der Gegensatz hierzu ist, wenn diese Vermittlung wegfällt, wenn die Idee unmittelbar an die Sinnenwelt herantritt. Da erscheint die Idee selbst verursachend. Und hier ist es, wo wir vom Willen sprechen. Wille ist also die Idee selbst als Kraft aufgefaßt. Von einem selbständigen Willen zu sprechen ist völlig unstatthaft.“ (GA-1, Dornach 1987, hier S. 197; im Original der Kürschnerausgabe, Bd. 34 von 1887, und dort bereits kursiv gesetzt auf S. XLV) – Da wo menschlicher Wille wirkt, wirkt die Idee, «diese als Kraft aufgefaßt». So die frühe idealistische Sicht der Dinge. Die Frage ist dann nur noch und ganz pragmatisch gesehen, wie man diese extrem verdünnte individualisierte Form des Weltwesens in Gestalt der willentlich ausgeübten und erlebten Denktätigkeit in eine verdichtete methodisch dergestalt überführen kann, so daß sie wesentlich besser zu beobachten ist. Was ja dann durch den anthroposophischen Schulungsweg geschieht auf den Steiner im genannten Aufsatz von GA-35 rekurriert, nachdem er ab S. 269 die Bedarfslage einer solchen qualitativen Verdichtung und Beobachtungsverbesserung am Beispiel der zeitgenössischen Psychologie erörtert hat. Was sich vergleichbar auch im Skizzenhaften Ausblick von GA-18 (S. 594 ff) findet. Wonach es eben «nicht ausreicht, nur nach dem Inneren zu schauen». Siehe dort S. 602 ff. Wenn ich freilich selbst die «verdünnte» Form der Ideen-Wirksamkeit gar nicht vorliegen habe, sei es, weil ich meine aktuelle Denktätigkeit nicht zu erfahren glaube, oder weil ich wie der Ideen- und Willensdualist Eduard von Hartmann nur kraftlose Ideen kenne, und andererseits wie Husserl und Brentano gar nicht zum Begriff des ursächlich wirkenden und erlebten Willens als «Ideenkraft» durchgedrungen bin, dann bleibt es aussichtslos, der «wirkenden und kraftenden Idee» an dieser Stelle weiter empirisch nachzugehen, da ich sie schon aus konzeptionellen Gründen nicht in meinem Denken als kraftende Wirksamkeit finden werde. Siehe Steiner diesbezüglich in GA-21, S. 78 ff, sowie die entsprechenden Ergänzungskapitel über Brentanos Unvermögen, in seiner Psychologie so etwas wie den menschlichen Willen anzuerkennen. Vergleichbares galt für Husserl bis in die 1920er Jahre, wie Sie hier bei Christopher Gutland, Denkerfahrung, München 2018, S. 403 nachlesen können. Analog dazu verhält es sich auch bei Witzenmann. Während es bei Steiner von Anfang an um den «erlebten Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem» geht, auf dem er seine Weltanschauung nebst «allerwichtigster Beobachtung» erkenntniswissenschaftlich gründet. Das ganze Desaster der «Witzenmanngemeinde» mit Witzenmanns Interpretationen wurde jüngst wieder in der englischen Übersetzung von Witzenmanns Strukturphänomenologie durch Johannes Wagemann offenbar, wo Witzenmanns «Erzeugungsproblem» letztlich als Kausalitätsproblem zutage tritt, ohne daß dem Übersetzer und Kommentator Wagemann auch nur von ferne klar geworden wäre, daß Steiner in sämtlichen Frühschriften die Lösung dieses Problems um den Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem anhand der Beobachtung des Denkens präsentiert. Siehe dazu nachfolgend einige Seiten später. - Wichtig für den Erkenntniswissenschaftler ist doch vor allem, daß die Denktätigkeit überhaupt in ihrer «verdünnten» Form und Wirksamkeit jederzeit unmittelbar zu erleben ist. Worauf Steiner in seinen sämtlichen Frühschriften ausnahmslos hinweist, weil darauf sein empiristischer Ansatz des «induktiven Idealismus» fußt: Auf dem unmittelbar erlebten Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem beim Denken. Ich kann jedem Leser nur dringend raten, wenn er Steiners Erkenntniswissenschaft ernstlich studieren will, sich an Steiners Originalschriften und -aufsätze zu halten, anstatt sich von dem heillos verworrenen Verschnitt Witzenmanns und seiner Schüler pausenlos in die Irre führen zu lassen. Wir werden später unten im Zusammenhang mit dem Intuitionsbegriff noch mehr solcher verschnittenen Verworrenheiten Witzenmanns betrachten, durch die jedes Verständnis von Steiners Grundlagen konterkariert wird. Das erwähnte Goethebuch Witzenmanns, Goethes universalästhetischer Impuls von 1987 ist ein skurriler Report des gedanklichen Werdegangs von Witzenmann, in dem ja der unverstandene Steinersche Begriff der «Denkbeobachtung» den philosophischen Nährboden dieser «Grundfrage», - «Wie kann Unbeobachtbares zur Erinnerung werden?», - bildet. Anstatt daß der Mann bei Steiner dem Begriff und der Tatsache der «reinen Erfahrung des Denkens» nachgegangen wäre, die er nie behandelt hat. Was sich in seinen gedanklichen Konsequenzen in Witzenmanns Goetheschrift ab S. 354 über annähernd 60 Seiten hinzieht, und auf S. 402 auch noch zur Grundlage seiner eigenen sozialwissenschaftlichen Konzeption gemacht wird, die auf einer weitgehend unverstandenen Erkenntniswissenschaft Steiners aufbaut, und als «Goetheanismus» dem Leser angepriesen wird. Witzenmann ist schlechterdings nicht klar geworden, daß die unmittelbare Erfahrung der eigenen Denktätigkeit ja die Wahrnehmung eines vom Denkenden selbst initiierten aktuellen Geschehens ist bzw impliziert, einschließlich seiner Initiierung durch einen Denk-Entschluß, wie wir eingangs schon bemerkten, wo das unmittelbare Prozessgeschehen doch nicht erinnert wird, sondern als unmittelbare Gegebenheit der eigenen Tätigkeit vorliegt, wie es Steiner seit 1886 beschreibt. «Ich stehe mitten drin im Prozess», wie Steiner regelmäßig in den Frühschriften betont. Was in der Schrift Wahrheit und Wissenschaft ausdrücklich auch eingefordert wird, dahingehend, dass «das eigene Hervorbringen unmittelbar gegeben sein müsse». (GA-3, Kap. IV, S. 37) Da wird nicht an Erinnerungen an ein vergangenes Geschehen appelliert, sondern an den erlebten gegenwärtigen, selbstinitiierten Prozess des Denkens und Erkennens, der sich als solcher auch nur in der Gegenwart vollzieht, - wo sonst? Wer etwas anderes behauptet, der verläßt das Gebiet des unmittelbar erfahrenen Denkens und betritt auf der Suche nach anderen Erklärungsgründen das der empirisch uneinlösbaren Hypothesenspekulationen, wie es bei Eduard von Hartmann der Fall war. Wie es Steiner ihm am Ende von Kapitel III der Philosophie der Freiheit auch attestierte. Was natürlich auch für alle Physikalisten gilt, die beim Denken einzig kausale Hirnprozesse geltend machen. Eine «erkenntnistheoretische Grundfrage», «Wie kann Unbeobachtbares zur Erinnerung werden?», mit der sich Witzenmann in seiner Goetheschrift de facto ersatzweise selbst als «führender Anthroposophenphilosoph» an Steiners Stelle setzte. Und zwar ohne daß beim Verfasser Witzenmann über mehr als 30 Jahre das Bemühen erkennbar wäre, auch nur einen Funken Problemlösungs-Recherche in Steiners restliche Frühschriften zu investieren, um das von Steiner Gemeinte zu begreifen. Über den Schlüsselbegriff der «reinen Erfahrung des Denkens» werden Sie bei Witzenmann kein Sterbenswort zu lesen bekommen. Dazu gesellt sich der «erlebte Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem», - eine weitere unverzichtbare Schlüsselbegrifflichkeit in Steiners sämtlichen Frühschriften, - über die Sie bei Witzenmann und seinen Schülern ebenfalls nichts erfahren werden – siehe weiter unten Wagemann. Auch bei seinen Schülern werden sie bei all dem ins Leere greifen. Witzenmann hatte ebenso wie seine Schüler schlicht keine Vorstellung davon und auch keinerlei Interesse daran. Seit annähernd siebzig Jahren – nämlich mindestens seit Februar 1948 - philosophische Allotria, die mit Steiners Grundlagen dort anhaltend getrieben werden. Weil Witzenmann das alles nie verstanden hat, sich auch nachweislich nie dafür und für ein gründliches Literaturstudium in Steiners Grundlagenschrifttum interessierte, aber über ein hinreichend ausgeprägtes Potential zur Selbstblendung über die eigene intellektuelle Grösse verfügte, hielt er sich für berufen, anlässlich seines persönlichen Denk-Beobachtungsproblems und vollkommen fern von jeder gründlichen quellenbasierten Problemrecherche, die auch Steiners restliche Grundwerke sorgsam einbezieht, eine eigene «erkenntnistheoretische Grundfrage, Wie kann Unbeobachtbares zur Erinnerung werden?» vor seinen anthroposophischen Anhängern aufzubauen, die im Verhältnis zu Steiner, zu dessen Vorhaben und zu dessen Begründungen entlegener, einfältiger und destruktiver kaum sein könnte. Siehe dazu Herbert Witzenmann, Methodische Konsequenzen der Goetheschen Metamorphosenidee, in: Goethes universalästhetischer Impuls, Dornach 1987, S. 397: "Die Möglichkeit des Erinnerns aus Unbeobachtbarem, worin die erkenntniswissenschaftliche Grundfrage zu erblicken ist, wurde durch die vorausgehenden Ausführungen anhand seelischer Beobachtungen zum Verständnis gebracht. Sie erklärt sich daraus, daß der nicht beobachtbare Grundvorgang der Strukturbildung seine Spuren in den erinnerungbildenden Konditionen und Dispositionen hinterläßt." Entsprechend lautet der Untertitel seiner diesbezüglichen Arbeit auch konsequenterweise: Die erkenntniswissenschaftliche Fundamentalbedeutung der Erinnerungskunde. - Ein haarsträubender Blödsinn im Vergleich zu Steiners eigenen Gedankengängen der Frühschriften. Der Mann platzierte sich damit, - und noch weit früher mit analogem unverstandenen Nonsense bereits im Heft 1 von Die Drei, 1948, - philosophisch selbst an Steiners Stelle, hatte aber schlicht kein Verständnis für Steiners Kerngedanken zur empirisch-idealistischen Begründung einer komplementären Naturwissenschaft. Und auch nicht den Willen, das alles gründlich bei Steiner zu untersuchen. Obwohl es überall in Steiners Frühschriften zu lesen ist, wie wir sehen. Konstruierte statt dessen seit 1948 seinen eigenen philosophischen Hokuspokus, den er bis zu seiner Strukturphänomenologie der 1980er Jahre konsequent weiter verfolgt hat, und zwar weiterhin ohne jeden hermeneutischen Klärungsversuch an Steiners Frühwerk. Dem «neuen Platzhalter» hat man bei solchen katastrophalen gedanklichen Irrläufen dann ausgerechnet auch noch das Geistesstreben der (anthroposophischen) Jugend anvertraut: Ein einzigartiges Debakel der anthroposophischen Bewegung, der Steiner-Interpretation und der Steiner-Rezeption! Die letztlich dann auch noch im politischen Mißbrauch der Anthroposophie endete. Ausgelöst von einem einflussreichen intellektuellen Grossgimpel in dieser Bewegung, der es in seiner Selbstblendung schlichtweg nicht für nötig hielt, Steiners Frühschriften einmal sorgsam zu studieren, um hermeneutische Klarheit zu seinen persönlichen Verständnisproblemen zu erlangen. Wie wir es heute auch weithin vergleichbar sehen, wenn sich akademische Welterklärer über Steiners Werk hermachen. Äusserst fatal, daß man so einem gründlich entgleisten und in seiner Selbstüberhebung abgestürzten Steiner-Interpreten wie Witzenmann zu allem Überfluß dann auch noch das Geistesstreben der Jugend und die Sozialwissenschaften anvertraute: «„Drei Jahre lang leitete er die Zeitschrift Die Drei (1948-51). 1963 wurde er durch Albert Steffen in den Vorstand der AAG berufen, wo er die Leitung der „Sektion für das Geistesstreben der Jugend“ und der „Sektion für Sozialwissenschaften“ übernahm. Da konnte er zahlreiche Interessierte für seine eigene „Erkenntniswissenschaft“ und „Sozialästhetik“ um sich sammeln, wobei die Mehrzahl seiner Gefolgsleute zur gehobenen intellektuellen Schicht zu rechnen war. So entstand eine Ansammlung von – zum Teil aus reichen Familien kommenden – Akademikern.» So heißt es dazu in einem Artikel des Lochmann-Verlages vom 10. 02. 22, der jetzt so weit erkennbar nur noch über die wayback-machine bei Archchive.org frei einsehbar ist. Auch im Anthrowoki ist zu lesen, daß Witzenmann von 1948-1951 die Zeitschrift Die Drei «geleitet» habe. „Von 1948 bis 1951 leitete er die Zeitschrift Die Drei,“ so heisst es noch am 24.07.22 im Anthrowiki. Von einer «Herausgeberschaft» oder «Leitung» der Zeitschrift Die Drei steht in der ausführlichen Biographie von Klaus Hartmann Bd. 1, in der Übersicht S. 393, (siehe nachfolgend) zunächst nichts, sondern nur von einer «Wirksamkeit» für diese Zeitschrift, die damals unter der Herausgeberschaft von Dr. Erich Schwebsch stand. Und 1951 immer noch. Das kann man auch den Heften dieser Jahre entnehmen, die heute noch bezogen werden können. In Witzenmanns Autobiographie Lichtmaschen ist auf S. 121 zu lesen, «er habe mit Schwebsch eine Zeit lang gemeinsam die Drei herausgegeben», ohne das näher zu spezifizieren. Eine ausführliche Behandlung von Witzenmanns Wirksamkeit als «Redaktionsmitglied» für Die Drei unter der Leitung von Schwebsch findet sich dann in Hartmanns Witzenmannbiographie Bd. 1, S. 255 ff; und S. 270 ff in einem eigenen Kapitel. Hartmann schreibt auf S. 270 dazu: „Erster Redaktor der vom Verlag Freies Geistesleben herausgegebenen Zeitschrift wurde nach dem Krieg Erich Schwebsch. Er hatte zwar mit Witzenmann eine gemeinsame Schriftleitung vereinbart, diese konnte aber im Impressum erst aufscheinen, nachdem alle Schwierigkeiten und Formalitäten mit der über Veröffentlichungen wachenden amerikanischen Militärbehörde geklärt waren.“ Im weiteren S. 290 ff Erhellendes über die Krise der Zeitschrift. In der Anmerkung 4 auf S. 334 schreibt Hartmann dann präzisierend: „In den Heften von 1949 und 1950 hatten Erich Schwebsch und Herbert Witzenmann (gemäß Impressum) gemeinsam die Schriftleitung der im Auftrag der anthroposophischen Gesellschaft herausgegebenen Zeitschrift.“ Das klärt die Verhältnisse einigermassen präzise und nachprüfbar. Danach verlief Witzenmanns Herausgeberschaft mit Schwebsch zusammen und offiziell über annähernd zwei Jahre. Bleibt noch Witzenmanns eigene, knappe Auskunft aus den Lichtmaschen, S. 121, über eine vorübergehende gemeinsame Herausgeberschaft mit Schwebsch. Übrigens steht der im Lochmann-Artikel genannte, und diesmal mit gutem Grund dort in der Anmerkung 4 infrage gestellte Hinweis, Witzenmann sei von Steiner persönlich das Studium der Philosophie anempfohlen worden, immer noch im Anthrowiki mit Stand vom 20. September 2024. („Steiner, den er in Stuttgart trifft, rät ihm, sich mit philosophischen Fragen zu beschäftigen“ - so das Anthrowiki immer noch am 20. 09. 24) Und zwar dort nach wie vor ohne jeden Beleg, also völlig frei aus der Luft gegriffen. - Was abwegiger nicht sein könnte, wenn man Witzenmanns eigene Darstellung aus den Lichtmaschen und Hartmanns Biographie dazu betrachtet. Während die vom Lochmann-Artikel genannte Witzenmann-Biographie von Klaus Hartmann im ersten Band, (Herbert Witzenmann, Bd. 1, 2010, S. 65 ff), und zwar gestützt auf Witzenmanns persönliche Darstellungen, uns dazu ab S. 67 eine ganz andere Geschichte über diese «Stuttgarter Begegnung» erzählt, nämlich das genaue Gegenteil vom Anthrowiki: „Witzenmann fragte Rudolf Steiner nach Lebensorientierung, Studium und Beruf. Bei der Rückfrage, womit er sich denn bisher beschäftigt habe, verblüffte ihn Witzenmanns Antwort: «Mit nichts.» Als er dann aber nach genauer Rückfrage sein Bemühen um schriftstellerische Formulierung nicht verschwieg, sagte ihm Rudolf Steiner: «Sie müssen immer mit der Literatur in Verbindung bleiben.» Bedeutete diese Antwort, dass er ein Dichter werden könne oder solle? Witzenmann hat Rudolf Steiners offen lassende Antwort geschätzt: «Er hatte auf meine innigste Seelenfrage weder bejahend noch verneinend geantwortet. In dem Einen hätte sich ein Mangel an Vertrauen, in dem Anderen eine erleichternde Ermunterung ohne tiefen Ernst ausgesprochen. Dagegen war Rudolf Steiners Antwort eine völlig freilassende. Sie wandte sich an meine Aktivität und gab mir eine Lebensregel, deren Gehalt ich nur selbst erschließen konnte. Sie wandte sich an die meditative Kraft meiner Seele. Sie empfahl mir die Grundmeditation meines Lebens: «Im Anfang war das Wort.» Musik- und Kunstgeschichte nannte Rudolf Steiner als Studienfächer, nicht aber Philosophie. Bibliothekar oder Direktor einer Musikhochschule oder Gemäldegalerie könne er werden. Von Dichtung, Philosophie und praktischer Tätigkeit sprach Rudolf Steiner zu Witzenmanns Enttäuschung nicht. «Sonst kann ich nicht viel hinter Ihnen finden», bemerkte Rudolf Steiner «mit deutlicher Ironie» zum Abschluss ihres Gespräches. «Mein Urteil war gesprochen. Ich war begabt für Literatur, Kunst und Musik und sonst für nichts. Damit hatte ich nun zu leben», kommentiert Witzenmann humorvoll das Fazit seines Gesprächs mit Rudolf Steiner.“ - So weit Klaus Hartmann auf S. 67 zu diesem Beratungsgespräch zwischen Steiner und dem jungen Herbert Witzenmann. Die entsprechende Episode findet sich genau so auch dargestellt in Witzenmanns kurzer, von Jutta Knobel-Weitz 2005 herausgegebener Autobiographie, Lichtmaschen, auf den Seiten 89 ff. Zur Literatur hat Steiner ihm geraten. Zu Musik- und Kunstgeschichte. Zur Philosophie leider nicht. Was von Witzenmann (laut Eigendarstellung) und laut Hartmann mit einiger Enttäuschung aufgenommen, wenn auch mit einer gewissen Selbstironie humorvoll wiedergegeben wurde. - Wem da mehr Glaubwürdigkeit zukommt, Klaus Hartmann oder dem unbelegten Anthrowiki, fällt jedenfalls schon infolge der Quellenlage eindeutig zugunsten Hartmanns aus. Während das Anthrowiki in diesem Fall der von Steiner angeblich persönlich angeratenen Philosophie nur mit einer frei herbeifantasierten Behauptung aufwartet. Obwohl das Anthrowiki jederzeit leicht bei Klaus Hartmann hätte nachprüfen können. Oder noch früher bei Jutta Knobel-Weitz. Denn Hartmanns ungewöhnlich ausführliche Witzenmannbiographie existiert ja schon seit 2010. Und die Autobiographie Witzenmanns, auf die sich Hartmann dabei bezieht, sogar seit 2005. - Frage: Warum ist das bei so einem krassen Gegensatz in diesem angeblichen Anthroposophie-Lexikon bis zum Sommer 2024 nie geschehen? Obwohl sie Witzenmanns Autobiographie Lichtmaschen im Literaturverzeichnis ihres Witzenmannartikels ebenfalls noch aktuell stehen haben. Sie hätten also nur hineinschauen müssen. Und so lang ist sie auch wieder nicht, sondern nur 156 Seiten. Die entsprechenden Passagen sind im Inhaltsverzeichnis auch auf Anhieb zu finden. (Einen ähnlich dubiosen Fall aus Info3, bei dem sogar Klaus Hartmann selbst beteiligt war, habe ich vor einigen Jahren in meiner längeren Studie ab derzeit S. 487 ff ausführlich auf mehreren Seiten analysiert.) Aber obwohl das heute noch unbelegt behauptet wird: Es gab für Witzenmann von Steiner direkt weder eine Studienempfehlung zur Philosophie, noch gar zu Husserl, laut Witzenmanns eigener Auskunft. Witzenmann hatte laut Autobiographie in dieser Frage ersichtlich gar kein Interesse daran, seine Beziehung zur Philosophie durch den Ratgeber Steiner ebenso so hoch zu stilisieren und mit Mythen über angebliche philosophieorientierte Ratschläge Steiners zu adeln wie mancher spätere Berichterstatter und Lexikonartikel-Schreiber. Wo doch das vollständige Fehlen solcher Empfehlungen zur Beschäftigung mit Philosophie und philosophische Ratschläge durch Steiner genau das war, was Witzenmann laut Selbstauskunft am meisten betroffen gemacht hat: Es kam in dieser augenfällig erhofften Richtung nichts von Steiner, sondern Witzenmann wurde vollkommen enttäuscht: «Mein Urteil war gesprochen. Ich war begabt für Literatur, Kunst und Musik und sonst für nichts. Damit hatte ich nun zu leben». (Lichtmaschen, S. 97) - Was Witzenmann als Menschen ja durchaus ehrt, wenn er diese für ihn enttäuschenden Verhältnisse so ungeschminkt offen später darlegt, ohne den Hauch einer Selbstbeweihräucherung durch Begegnungen mit und Ratschläge von Steiner, die Beschäftigung mit der Philosophie betreffend. Man muß Witzenmann offensichtlich auch vor seinen eigenen Schülern und Anhängern bewahren, weil sie den 1988 Verstorbenen ja mit erfundenen Legenden sogar noch im Nachhinein und über den Tod hinaus schädigen. 12. Witzenmanns seltsame Entdeckung der Erinnerungslehre als erkenntniswissenschaftliche Fundamentalwissenschaft Witzenmanns Autobiographie Lichtmaschen, und das scheint mir zum Verständnis nicht unerheblich zu sein, könnte zudem schon in ihren ersten Kapiteln einen deutlichen Hinweis darauf geben, warum er die Frage «Wie Unbeobachtbares zu Erinnerung werden kann?» später in der Schrift Goethes universalästhetischer Impuls zur «erkenntnistheoretischen Grundfrage» erklärte. Und die «Erinnerungskunde» zur «erkenntniswissenschaftlichen Fundamentalwissenschaft». Es scheint einen biographischen Hintergrund für Witzenmanns ausuferndes Interesse an Erinnerungsfragen zu geben, der in seiner Autobiographie auch klar dargelegt wird. Witzenmann wurde nämlich von Erinnerungsfragen und -problemen heftig umgetrieben. Denn er war laut autobiographischer Darstellung bereits in frühester Kindheit von intensiven Erlebnissen, und teils albtraumartigen Erinnerungen «an seine Geburt», wie er dort S. 11 ff schreibt, überwältigt oder förmlich auch heimgesucht. So daß ihn das Erinnerungsgebiet nachvollziehbar außerordentlich fesselte, und auch seine erkenntniswissenschaftlichen Intentionen nachhaltig prägte. Was ja in der Tat ein hochinteressantes psychologisches Gebiet sein kann, quälende oder tief beeindruckende frühkindliche Erinnerungen zu haben, von denen man nicht weiß, wo sie herkommen. Und dann nach aufklärerischen / therapeutischen Lösungswegen dafür zu suchen, dahingehend, was das alles zu bedeuten hat. Was also an sich keine schlechte Sache ist. Denn stellen Sie sich vor, Sie werden als Kind ständig von «Erinnerungen» bedrängt, für die Sie keine Erklärung finden. Es könnten ja auch (spontane) Erinnerungen an ein vergangenes Leben sein, wie Steiner sie in Vortragsform wiederholt unserer und der entfernteren nachfolgenden Zeit prognostiziert hat wie in GA-152, S. 117 ff. Zum Teil in den dortigen Christusvorträgen auch in relativ jüngeren vergangenen Zeiten angesiedelt. Wo in den Menschen dann «erinnerungsartige» Erlebnisse auftauchten, die sie sich durch den bisherigen Lebensverlauf nicht plausibilisieren konnten, sondern auf das Christusereignis in Palästina bezogen, an dem sie achtlos vorüber gangangen waren. Es könnten aber auch Zukunftsprojektionen für das derzeitige Leben sein, die aus dem Inneren eines Kleinst-Kindes aufsteigen. Siehe zu zwei Formen (Vergangenheitsrückschau nach dem Tode und Zukunftsvision vor der Geburt), Rudolf Steiner in 93a, Dornach 1987, Vortrag Berlin 18.10.1905, S. 158 f. Schauen wir nur kurz und zur Illustration auf folgende Schilderungen Steiners hin: „Der Mensch würde sich viel mehr an seine Erlebnisse gedächtnismäßig erinnern können, wenn nicht die Außenwelt fortwährend seine Erlebnisse auslöschte. Der Mensch hat seine Vorstellungen nur nicht immer vor sich, weil er seine Aufmerksamkeit nach außen richtet. Wo er aufhört, das zu tun, nimmt er wahr, was in seinem Ätherkörper aufgespeichert ist. Alles was der Mensch von der Außenwelt aufgenommen hat, das ist in seinem Ätherleib eingegraben. Er richtet zunächst seine Aufmerksamkeit nach außen und nimmt die Eindrücke in seinen Ätherleib auf. Das vergißt er aber zum Teil wieder. Wenn nun im Tode der physische Leib abgelegt wird, nimmt er in dem Augenblicke alles das wahr, was in seinem Ätherleib aufgespeichert ist. Das ist der Fall, nachdem sein Ich mit dem Astralleib und dem Ätherleib sich vom physischen Leib getrennt hat. Gleich nach dem Tode also ist Gelegenheit geboten zur vollkommenen Erinnerung an das vergangene Leben. [ ] Nun müssen wir noch einen ähnlichen Moment zu verstehen suchen, nämlich den Moment der Geburt, wo der Mensch in eine neue Inkarnation hineinkommt. Da tritt etwas anderes ein. Da bringt er alles dasjenige mit, was er auf dem Devachanplan sich erarbeitet hat. Wie Glocken schwirren die sich verkörpernwollenden Astralleiber an den Lebensäther heran und bilden nun einen neuen Ätherleib. Wenn nun der Mensch mit seinem zukünftigen Ätherleib sich verbindet, dann tritt ein Moment der Schau ein, geradeso wie er vorher beim Tode auf sein vergangenes Leben zurückschaute. Das drückt sich aber nun ganz anders aus, nämlich als ein Vorausschauen in die Zukunft, ein Vorauswissen. Bei etwas psychisch veranlagten Kindern kann man manchmal in der frühesten Zeit solche Erzählungen hören, solange noch nicht die materialistische Kultur auf die Kinder gewirkt hat. Ein Vorausschauen des Daseins ist das. [ ] Das sind zwei wichtige, wesentliche Momente, denn sie zeigen uns, was der Mensch, wenn er herunterkommt, um sich zu inkarnieren, mit sich bringt. Wenn er gestorben ist, ist das Wesentliche eine Erinnerung. Wenn er sich reinkarniert, ist das Wesentliche eine Zukunftsvision. Diese beiden verhalten sich zueinander wie Ursache und Wirkung. Alles was der Mensch im letzten Moment des Todes erlebt, ist die Zusammenfassung aller vorhergehenden Leben. Diese werden im Devachan aus einer Vergangenheitssache in eine Zukunftssache umgearbeitet. Diese beiden Momente können einen wichtigen Fingerzeig geben für ganz bestimmte Zusammenhänge in zwei oder mehreren aufeinanderfolgenden Inkarnationen.“ Steiner berichtet hier, „bei etwas psychisch veranlagten Kindern kann man manchmal in der frühesten Zeit solche Erzählungen hören, solange noch nicht die materialistische Kultur auf die Kinder gewirkt hat. Ein Vorausschauen des Daseins ist das.“ Von seiner eigenen «psychischen Veranlagung» spricht auch Witzenmann in seiner Autobiographie, und illustriert das in den Eingangskapiteln auch entsprechend. Wie soll so ein hilfloses Kind von wenigen Monaten oder Tagen das nun beurteilen, was in ihm an Erlebnissen in allerfrühester Zeit, bei der Geburt sogar, aufsteigt? Witzenmann schreibt dazu in den Lichtmaschen und auf das Deutungsproblem hinweisend (S. 15): „Meine Geburt habe ich auf zweifache Weise wachend geträumt. Einmal als ernste Feier, nicht ohne Drohung, doch voll der Erlösung, als Herrlichkeit. Davon vermag ich jetzt nicht zu sprechen. Das andere Mal als Gebrest, das sich so lange wiederholte, bis ich es wenigstens im Empfinden begriff, wonach es zerging. Mit dem deutenden Vorstellen verstand ich es freilich erst sehr viel später.“ Danach folgen unter anderem allerlei verklärende literarische Gedankensplitter über die «bleibenden Spuren der menschlichen Geburt». Was natürlich als hypothetische Konklusion zunächst einmal alles zu hinterfragen wäre, ob das so überhaupt zutrifft, und woran er sein psychologisches Verständnis dessen jeweils fest macht. Nicht nur das der unmittelbaren Geburtserlebnisse, sondern auch ihre späteren Deutungen, die ja nicht aus dem Nichts kommen, und aus der unmittelbaren Geburtserfahrung können die Deutungen auch nicht kommen, - wie er selbst sagt. Sondern seinen eigenen Worten zufolge begriff er das Erlebte erst viel später. Philosophisch und biographisch interessanter noch scheint mir an dieser Stelle zu sein, daß er sich in jenem Kapitel faktisch auf die schicksalhafte «reine Erfahrung seiner Geburt» beruft, ohne, daß ihm seinen eigenen Worten zufolge damals ein angemessener Deutungsrahmen zur Verfügung gestanden hätte. Was ja viel Anlass hätte geben können, sich mit der Frage der reinen Erfahrung vor allem des Denkens intensiver auseinanderzusetzen. Doch ist es so, daß wir mit Witzenmann einen sehr namhaften Anthroposophen vor uns haben, der als empirische Illustration für die «reine Erfahrung» regelmäßig in seinem Schrifttum auf die «Schrecksekunde» verweist, aber nie wie Steiner schwerpunktmäßig auf das unmittelbar erlebte, das «rein erfahrene» Denken, wo die Sachlage auch viel angemessener und unendlich viel leichter zu überprüfen wäre. (Siehe zur Schreckskunde und reiner Erfahrung bei Witzenmann u. a. Strukturphänomenologie, S. 42; Goethes universalästhetischer Impuls, S. 354; ausführlicher behandelt hier, S. 213 ff .) Was in dieser Gegensätzlichkeit schon erstaunlich ist, weil die reine Erfahrung des Denkens vor allen anderen eine so fundamentale Rolle in Steiners Begründungsschriften spielt. Es somit also mehr als kurios ist, wenn Witzenmann sich zwar auf die prägende reine Erfahrung seiner Geburt und auf Schrecksekunden beruft, aber nie wie Steiner in den Grundschriften auf das philosophische «Schlüsselerlebnis des rein erfahrenen Denkens», das bei Witzenmann schlechterdings nicht zu finden ist. Weder im Rahmen seiner Steinerinterpretationen, noch im Rahmen der eigenen Philosophie-Entwürfe. So daß Witzenmann an die Stelle dieser erkenntniswissenschaftlichen Schlüsselerfahrung Steiners schließlich dann in der Strukturphänomenologie sein «Erzeugungsproblem» setzt. Das hinlänglich bekannte Kausalitätsproblem Kants und Humes, dessen Lösung in Steiners Frühschriften längst gezeichnet war, wie wir nachfolgend noch weiter sehen werden. Aber nur so viel dazu an dieser Stelle, denn all das wäre im biographischen Kontext um Witzenmann schon ein längeres und spannendes Thema für sich. Die Frage wäre auf jeden Fall: Wenn, wie er selbst sagt, der «Deutungsrahmen fehlt» im Fall der unmittelbaren, reinen Erfahrung der Geburt, was als Erklärung noch übrig bleibt, wenn man nicht in der Lage ist, einen Hintergrund wie den anthroposophischen zur Verfügung zu haben, der sie verständlich machen könnte durch den Reinkarnationsaspekt oder anderes, was in die Lebens-Zukunft weist. Sind solche Projektionen in die Vergangenheit oder Zukunft dann wiederum realistisch, oder nur symbolisch zu nehmen? Es gäbe aus anthroposophischer Sicht dafür grundsätzlich mindestens zwei mögliche Denkansätze, wenn es sich um vermeintliche Erinnerungen handelt. Es könnte etwas Vergangenes sein, was dahinter steht, oder auch um die Vorschau auf etwas Künftiges. Was im Falle Witzenmanns ja auch vorstellbar ist, wenn man bedenkt, wie verzweifelt die Familie Witzenmann sich durch den erstickenden Tunnel der Nazizeit ringen musste. Wo Witzenmann wegen Rüstungssabotage denunziert, und ihm die Enteignung der Firma und ein möglicher mörderischer Einsatz an der Ostfront ins Aussicht gestellt wurde, wie Klaus Hartmann in der Witzenmannbiographie schreibt (siehe unten). Das sind ja absolut tödliche Bedrohungsszenarien und Vernichtungsperpektiven, wie sie ähnlich ein Kind durchleben mag, das sich dem Ersticken nahe durch den engen Geburtskanal seiner Mutter quält. Daß er mit seiner anthroposophischen Wirksamkeit nicht immer segensreich agierte, wäre bei Träumen und Zukunftsprojektionen dieser Art ja auch noch zu bedenken. Das alles möchte ich allerdings hier nur mehr als Arbeitshypothese und nebenbei erwähnen. Nur hat das Erinnerungsproblem, und darauf kommt es mir an, mit Steiners Erkenntnistheorie und einer erkenntnistheoretischen Grundfrage rein gar nichts zu tun. Sondern das Erinnerungsproblem ist bei Witzenmann erkenntnistheoretisch laut seiner Goetheschrift erwachsen aus einem unverstandenen Beobachtungsbegriff der Philosophie der Freiheit, der sich mit hermeneutischen Mitteln leicht und ohne weiteres klären läßt. Im Rückgriff auch auf Steiners restliche Frühschriften. Was aber bei Witzenmann nie stattgefunden hat. Das Problem daran im Falle Witzenmanns ist, daß er ohne solche Klärungsbemühungen mit diesem unübersehbaren und biographisch basierten Eigeninteresse an der Frage der Erinnerung, woher sie immer stammen und letztlich zu bedeuten haben mochten, einen fundamentalen, aber gänzlich unverstandenen Teil der Erkenntniswissenschaft Steiners vermengte. Und damit sein Leben lang Steiners Begründungswerk in paradoxer und extremer Weise überformte, verunstaltete, seinen eigenen Erinnerungs-Interessen opferte und dabei ihrer erkenntniswissenschaftlichen Substanz beraubte. Indem er sein persönliches Erinnerungsproblem faktisch zur «erkenntnistheoretischen Grundfrage» machte, - dahingehend, «Wie kann Unbeobachtbares zur Erinnerung werden?» Was angesichts von Steiners eigenen Grundfragen und seiner systematischen Vorgehensweise vollständig abstrus ist. Aber eben quälende Erinnerungen eines Menschen betreffen mag, der solche hatte wie Witzenmann, ohne ihren sachlichen Auslöser zu kennen. Und dann so etwas als Grundfrage an die Spitze der Steinerschen Erkenntnistheorie setzt, ohne den Erkenntnis-Intentionen Steiners jemals gründlich nachzugehen und ihnen nahe zu kommen, so daß er ihn in den Sachfragen verstanden hätte. Er führte Steiners Erkenntniswissenschaft infolge der sinnfreien Überlagerung von massiven Interpretationsirrtümern und -zerrbildern mit seinen erinnerungstheoretischen Eigenambitionen vollkommen ad absurdum, gelangte nie zum Begreifen von Steiners Intentionen und Begründungswegen. Sondern formte aus seinen Mißverständnissen heraus, und verbunden mit der hohen Anteilnahme an der Frage der Erinnerung eine eigene Philosophie. Die er zudem nicht nur höchst unangemessen mit der späteren Anthroposophie, sondern auch noch mit der Philosophie Husserls verschnitt, und dann entsprechend Strukturphänomenologie nannte. Die mit Steiners erkenntnistheoretischer Programmatik, ihren idealistischen Grundlagen und Grundfragen definitiv nichts zu tun hat. Während diese bei Steiner ja den wirkenden (geistigen) Kräften der Natur im eigenen Inneren nachgeht, wie er das bereits in der Philosophie der Freiheit programmatisch im Kapitel II zum Ausdruck bringt. Und an anderer Stelle in den Einleitungen zu Goethes naturwissenschaftlichen Schriften (GA-1, Dornach 1987, S. 126) «induktiven Idealismus» nannte: „Auch die Ideen sind für eine induktive Methode erreichbar." Um nur dies hier anzuführen. Wobei wiederum zu beachten ist, daß schon die eigene Denktätigkeit bei Steiner in den Grundlinien …, (Kap 8, hier S. 47) als «tätiger Gedankengehalt der Welt» aufgefaßt wird: „Das eine Mal erscheint er als Tätigkeit unseres Bewußtseins, das andere Mal als unmittelbare Erscheinung einer in sich vollendeten Gesetzmäßigkeit, ein in sich bestimmter ideeller Inhalt.“ Wo also der empirisch / induktive erkenntniswissenschaftliche Eingangsschlüssel zu diesem Kräfteverständnis die unmittelbar erlebte und beobachtete eigene Aktivität des Denkens ist. Erkenntniswissenschaftlich von Steiner dargelegt als erlebter Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem. Was ja dann in Goethes Weltanschauung von 1897 (S. 70) als «durchschautes Weltgeschehen» bezeichnet wird. Das, was er bereits in der Philosophie der Freiheit im Kapitel Drei die «allerwichtigste Beobachtung» nannte. Wie es eben bei Steiner besonders unmissverständlich klar und prägnant schon in den Grundlinien... von 1886, sowie im Kommentar zum Goetheschen Essay Die Natur S. 6 der Kürschnerausgabe von 1887, darüber hinaus im zweiten Kapitel der Philosophie der Freiheit, sowie in der Schrift Goethes Weltanschauung im Kapitel Die Metamorphose der Welterscheinungen zutage tritt. Vom großen Rest seines Frühwerkes gar nicht weiter zu reden. Wo es letztlich in der späteren anthroposophischen Forschung etwa darum geht, anhand der Beobachtung der eigenen Denkaktivität zur Beobachtung wirkender unabhängiger und lebendiger Geistkräfte zu gelangen, wie es Steiner in GA-35, S. 269 ff darlegt. Daß dies von der unmittelbar erlebten eigenen Denkaktivität bei Steiner seinen Ausgang nahm, dem «erlebten Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem», das alles ist Witzenmann nie klar geworden. Sondern das alles wirft er aus Steiners Erkenntniswissenschaft hinaus und setzt an dessen Stelle sein eigenes Erinnerungsanliegen inklusive «Erzeugungsproblem» und «Paradoxie der Selbstgebung», was mit Steiners Intentionen und Begründungen definitiv nichts zu tun hat, sondern weit jenseits dessen liegt und im vollendeten Gegensatz dazu. So daß mit Witzenmanns Strukturphänomenologie dann faktisch auf der Grundlage von Irrtümern, Fehlinterpretationen und massiver Fahrlässigkeit der Forschung der Ruin von Steiners Anliegen besiegelt wird. Von Witzenmanns Anhängern und Siegelbewahrern freilich wider jede Vernunft und ohne jeden prüfenden Vergleich mit Steiners eigenem Werk enthusiastisch behütet, besungen und kultiviert. Und als «neues Evangelium der Anthroposophie» inzwischen in englischer Sprache in alle Welt hinaus posaunt. Siehe nachfolgend. Witzenmanns Schüler folgen insofern jetzt erkenntnistheoretisch, - etwas sarkastisch überzeichnet, - nicht Steiners induktivem Idealismus eines Goetheanisten, dem «erlebten Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem» und seiner «allerwichtigsten Beobachtung, die der Mensch machen kann», sondern Witzenmanns Erinnerungsalbträumen aus frühester Kindheit, die er infolge seiner Missverständnisse zur abstrusen «erkenntnistheoretischen Grundfrage» nobilitiert hat «Wie Unbeobachtbares zur Erinnerung werden kann?» (Goethes universalästhetischer Impuls, S. 356, S. 386, S. 397). «Bereichert» um eine «zur erkenntniswissenschaftlichen Fundamentalwissenschaft» hochstilisierte «Erinnerungskunde» ebd. S. 334 ff; S. 397 ff, und dem nachfolgend daraus erwachsenen philosophischen Konzept der Strukturphänomenologie. Einem Verschnitt von gründlich missverstandener, zusammengerührter Steinerscher Erkenntnistheorie und Anthroposophie mit den Erinnerungsfragen und Albträumen, quellend aus Witzenmanns frühester Kindheit. Sowie Husserlschen Philosophemen, die mit Steiner nicht zur Deckung zu bringen sind, da sich Husserl, anders als Steiner, für wirkende Kräfte im Menscheninneren, für das Kausalitätsproblem und die Geist-Natur im Inneren des Menschen nie interessierte. Diesem verworrenen Verschnitt folgen jetzt Witzenmanns Schüler, anstatt den nüchtern dargelegten geistig-welterkennenden und anthroposophischen Intentionen Steiners, die er als systematisches Forschungsanliegen unverkennbar über sämtliche Frühschriften hinweg vorgelegt hat. Die sich dort auch leicht auffinden lassen, sobald man nur einigermassen gründlich liest. Während uns sein Interpret Herbert Witzenmann in seinem Buch über Goethes universalästhetischen Impuls ab S. 334 etwas unterbreitet von der «erkenntniswissenschaftlichen Fundamentalbedeutung der Erinnerungskunde.» Was zwar mit Witzenmanns kindlichen Albträumen viel zu tun haben mag, aber mit Steiners Erkenntniswissenschaft und Zielen definitiv nichts. Genauer: gerade so viel, daß vollkommen unverstandene Gedankengänge Steiners von Witzenmann benutzt wurden, um seine seit frühester Kindheit vorhandenen Erinnerungsfragen und -fesseln zum erkenntnistheoretischen Hauptanliegen der anthroposophischen Grundlagen Steiners zu machen, von denen er nichts begriff. Was man als Satiriker wohl auch als philosophische Kaperfahrt bezeichnen kann. Oder wenn man nicht ganz so grob sein möchte, als einen philosophischen Eklektizismus von unverstandenen Philosophemen im Dienste eines Eigeninteresses. Thomas Kuhn würde vielleicht dazu sagen, daß hier inkommensurable Theorieteile mit einander verwoben wurden, die sachlich und logisch zwangsläufig miteinander kollidieren müssen und auf lauter Widersprüche führen. So ist es bei Witzenmann auch. Man muß sich nur klar machen, was es bedeutet, wenn Rudolf Steiner 1921 im Rückblick auf seine Philosophie der Freiheit erläutert, «aus dem vollen Erleben der Aktivität des Denkens» seien die Worte geschrieben, „Im Denken haben wir das Weltgeschehen selber an einem Zipfel erfaßt!“ (GA-78,Dornach 1968, [1986] S. 41 f. Vortrag vom 30. August 1921). Eine Tatsache, die ja bereits im Rückblick der Erstauflage der Grundlinien … im Kapitel 15, S. 56 philosophisch ausgesprochen wurde in den Worten: „Wir erinnern uns, warum eigentlich das Denken in unmittelbarer Erfahrung bereits sein Wesen enthält. Weil wir innerhalb, nicht außerhalb jenes Prozesses stehen, der aus den einzelnen Gedankenelementen Gedankenverbindungen schafft. Dadurch ist uns nicht allein der vollendete Prozeß, das Bewirkte gegeben, sondern das Wirkende.“ - Wohlgemerkt: Das «Wirkende ist gegeben» und nicht etwa mittelbar erschlossen. Die von Steiner im Vortrag von 1921 vertretene Auffassung vom «vollen Erleben der Aktivität des Denkens» hat durchgängig Bestand im veröffentlichten Frühwerk seit mindestens 1886. Geht aber noch viel weiter zurück. Nämlich bis mindestens zu Steiners Fichterezeption am Beginn seiner Wiener Studienzeit 1882, als er damit begann «Fichte umzuschreiben». (Siehe weiter unten.) Man muß sich vor diesem Hintergrund wirklich eindringlich verdeutlichen, was es bedeutet, wenn dann Herbert Witzenmann an die Stelle Steiners seine eigene «erkenntnistheoretische Grundfage» setzt. Dahingehend, «Wie kann Unbeobachtbares zur Erinnerung werden?» (Goethes universalästhetischer Impuls, Dornach 1987, S. 356, S. 386, S.397 und öfter). - Der Gegensatz und die damit wie an einer Litfaßsäule plakatierte Verständnislosigkeit Witzenmanns könnte krasser kaum ausfallen. Witzenmann hat nachweislich niemals begriffen, was Steiner mit der Beobachtung / Erkenntnis des Denkens überhaupt meinte. Setzt demgemäß an die Stelle Steiners eine eigene abstruse «erkenntnistheoretische Grundfrage», «Wie Unbeobachtbares zur Erinnerung werden kann?». Wo schon im sprachlichen Ausdruck die verständnislose Genese seines Elaborats eingepreist ist. Was nachfolgend bis in die späte Strukturphänomenologie von 1983 bei Witzenmann Bestand hat, und als Sammelsurium von konzentriertem Unverstand dort unter dem Terminus «Grundstruktur», «Erzeugungsproblem» und «entscheidende Schwierigkeit» als «neues wissenschaftstheoretisches Konzept» vorgelegt wird, dem jetzt Witzenmanns blinde Anhänger zu Füßen liegen, und diesen zerstörerischen Widersinn auch noch mit großem Einsatz in der ganzen Welt verbreiten. Witzenmann hat also aus seinem eigenen Unverstand ein philosophisches Konzept gemacht, dem seine Anhänger bis heute kritiklos folgen. Was eigentlich bei diesen Anhängern nur Erfolg haben kann, wenn genügend einfältige und interesselos / opportunistische Helfer da sind, die so eine ahnungslose Persönlichkeit nebst ihren abstrusen Exegesen nach oben schieben, zum Leitinterpreten für Steiners Werk verklären, und das in ihrer abgeschotteten Echokammer jahrzehntelang auch entsprechend bis heute kultivieren. Bis hin zur Behauptung, Witzenmann sei die Beschäftigung mit der Philosophie «von Steiner persönlich angeraten» worden. Letzteres völlig frei erfunden, während in Wirklichkeit und zur Enttäuschung Witzenmanns das genaue Gegenteil der Fall war, wenn man Witzenmanns eigene Darstellung dazu liest. (Siehe Witzenmanns Autobiographie Lichtmaschen, S. 89 ff, sowie die Witzenmannbiographie von Klaus Hartmann, Bd 1, S. 65 ff.) 13. Witzenmanns «Strukturphänomenologie» und die Unkenntnis über ihre kontradiktorische gedankliche Verbindung zu Steiners Erkenntniswissenschaft Inzwischen gibt es, wie seit Jahren bereits angekündigt, Witzenmanns abenteuerliches Rezeptionsresultat «Strukturphänomenologie» unter dem Titel Structure Phenomenology in der Übersetzung von Johannes Wagemann auch auf Englisch. Als Erscheinungsdatum wird der 22. September 2022 genannt. Als PdF hier zu bekommen. Lesenswert ist vor allem die relativ lange Einleitung respektive Einführung Wagemanns (S. VIII ff) - die wenig preis gibt vom Verhältnis Witzenmanns zu Steiner. Die uns allerlei darüber berichtet, was Witzenmann mit Husserl zu tun hatte und mit Brentano. Nur was er mit Steiner selbst zu tun hatte, wo er ihn vollkommen verfehlte, und welches Hauptinteresse im Kontrast dazu der innere Naturwissenschaftler Steiner auf welchem Wege verfolgt hat, darüber hört man erwartungsgemäß fast nichts. Es existiert bei den Vertretern Witzenmanns bislang keinerlei ernst zu nehmende Vergleichsbasis, um Steiners erkenntniswissenschaftliche Positionen mit dem zu kontrastieren, was Witzenmann als angeblicher Leitexeget von Steiners Erkenntniswissenschaft daraus geformt hat. Sie wissen es schlichtweg nicht. Unabhängig davon, ob sie zum inneren Kern einer glühenden Anhängerschaft Witzenmanns gehören, oder sich lediglich als Seilschafter und Opportunisten aus Eigeninteresse an diese drangehängt haben, und für Witzenmann die Trommel rühren. Um die Wahrheit und um Steinerverständnis geht es in all diesen Fällen nicht. Wäre es nämlich so, dann hätten sie den Beweis dafür längst anhand einer seriösen Steinerforschung nebst kontrastierendem Vergleich mit Witzenmann geliefert, denn Zeit gab es dafür in den zurückliegenden fünf Jahrzehnten wahrlich genug. Dem jedoch ist nicht so: Diese Grundlagenforschung steht nicht auf ihrer Agenda, sondern davon sind sie inzwischen meilenweit entfernt. Sie wissen über das erkenntniswissenschaftliche Verhältnis Witzenmanns zu Steiner nichts Belastbares, obwohl das die unerlässliche Voraussetzung nicht nur für eine seriöse Steinervertretung durch Witzenmanns Steinerdeutungen wäre, sondern vor allem für eine legitime und sachlich berechtigte Übersetzungsförderung. Wo diese sachliche Berechtigung nur auf einem geklärten Verhältnis zwischen Witzenmann und Steiner basieren kann. Dazu nämlich müssten sie Steiners philosophisch-naturforschende und frühe idealistische Programmatik erst einmal selbst in Augenschein nehmen, um einen soliden Vergleich mit dem anzustellen, was davon bei Herbert Witzenmann überhaupt haften geblieben ist, und was dieser dann gegebenenfalls daraus geformt hat. Wo aber statt dessen Wagemann (auf S. L f seiner Übersetzung) lediglich mit dem Fazit und der Absichtserklärung aufwartet: „However, a comprehensive comparison of Witzenmann’s approach with Steiner would go beyond the scope of this introduction and hence remains one of the research desiderata of the future.“ - Auf deutsch: „Ein umfassender Vergleich des Ansatzes von Witzenmann und Steiner würde jedoch den Rahmen dieser Einführung sprengen und bleibt daher ein Forschungsdesiderat für die Zukunft.“ So ein Vergleich sprengt nicht nur im vorliegenden Fall den Rahmen seiner Einführung, sondern ist bei den Witzenmannanhängern auch sonst nirgendwo ernsthaft vorhanden und auch nicht ernsthaft in Sicht, sonst hätte man in den zurückliegenden Jahrzehnten etwas davon bemerkt. Und selbst Hartmut Traub schrieb bereits 2011 im Vorwort seines umfangreichen Buches von der weitestgehenden Leere innerhalb eines Forschungskolloquiums über Steiners Grundlagen an der Alanushochschule. Darüber auch, daß da zum Terminus «seelische Beobachtung» nichts zu hören war. Was letztlich Anlass für ihn war, sich eigenständig kritisch mit Steiners Anthroposophie, genauer: mit den erkenntnistheoretischen Frühschriften Steiners auseinanderzusetzen. (Siehe ausführlicher dazu hier, S. 371 bis 375). Der Anhang Witzenmanns, und offensichtlich nicht nur der war davon, mit Steiners Grundlagen und der «seelischen Beobachtung» schon vor annähernd 15 Jahren völlig überfordert und ist es heutzutage nach wie vor, wie wir von Wagemann hören. Es war vermutlich auch noch nie ernstlich beabsichtigt, sich damit zu befassen. Das seit inzwischen weit mehr als einem halben Jahrhundert, wenn man Witzenmanns Schaffen seit 1948 ins Auge fasst. Während die Strukturphänomenologie (Erscheinungsjahr 1983) erst seit reichlich 40 Jahren, und gewissermassen als wissenschaftstheoretisches Substrat all dieser Arbeiten existiert. Aufklärung über die sachliche Verbindung zu Steiner bleibt trotz ihrer langjährigen Existenz für den Witzenmannvertreter Wagemann gleichwohl nicht mehr als ein Forschungsdesiderat für die (laue) Zukunft. Zwischen Hartmut Traubs Zustandsbericht von 2011 und Wagemanns Absichtserklärung von 2022 hat sich wenig bewegt: Null Verständnis, Null Interesse, und nach über 40 Jahren leere Sonntagsversprechungen allenthalben bei den Witzenmannvertretern mit ihrem hoch dubiosen Konkurrenzunternehmen zu Steiners Anthroposophie! Nichts anderes nämlich scheint mir das zu sein: Nichts anderes als lediglich einen abstrusen weltanschaulichen knock-out-Rivalen zur Anthroposophie und ihrer wissenschaftlichen Begründung innerhalb der anthroposophischen Bewegung präsentieren Witzenmanns Anhänger bislang. Etwas anderes ist derzeit auch gar nicht abzusehen, sondern es wird in einer akademischen Floskel nur vage dahingehend angedeutet, daß es vielleicht auch noch etwas mehr werden könnte. - Flankierende Ankündigungen ohne jede Einlösungsgarantie, wie sie auch in der Politik gebräuchlich sind. Alles wieder einmal auf den St. Nimmerleinstag ausgelagert, als gäbe es dafür Zeit ohne Ende. Die Forschungsprioritäten sind hier ordentlich gegliedert. Wie in Wagemanns Witzenmann-Dissertation von 2010 schon, wo nicht einmal ein eigenständiges Kapitel über Steiner zu finden war – so unwichtig war ihm dieser. Oder klar gesagt: Es besteht auf dieser Seite keinerlei Interesse an ernstzunehmender Steinerforschung, die Witzenmanns Verhältnis zu Steiner, speziell auch im Zusammenhang mit der behandelten Schrift, Strukturphänomenologie gründlich klärt. Sondern der Status der Dunkelheit, der allein bei dieser Schrift inzwischen schon seit annähernd 40 Jahren besteht, bleibt bewußt erhalten. Wie aber will man so etwas allen Ernstes einem anthroposophischen Publikum glaubwürdig präsentieren? Und vor solchen Hintergründen die von den Anthroposophen «großzügig» geförderte Übersetzung einer Schrift rechtfertigen, von der selbst ihre energischen Verfechter aus den anthroposophischen Reihen nicht einmal wissen, was sie mit Steiner überhaupt zu tun hat? Wo die Übersetzer, wie Wagemann freimütig bekennt, in manchen Fällen nicht einmal wissen, was in dieser Schrift Witzenmanns überhaupt drin steht. Derartige Verhaltensparadoxien mag verstehen wer will: In ganz unsinniger und aufwändiger Weise als angeblicher «Anthroposoph» eine «Bibel» der Witzenmanngemeinde in fremde Sprachen übersetzen (lassen), von der niemand weiß was sie mit der Anthroposophie und Steiners eigenen Grundlagen eigentlich zu schaffen hat!? Und wo man noch nicht einmal genau weiß, was darin steht. Gelinde gesagt ist das nicht nur ein unübersehbarer Fall von kognitiver Dissonanz und hochgradigem Wirklichkeitsverlust, sondern auch von fortgeschritten destruktiver anthroposophischer Dekadenz, wie man sie allenthalben jetzt auch auf allen anderen Feldern des kulturellen und sozialen Lebens feststellen kann. - Cancel Culture / geistige Substanzzerstörung auch innerhalb der anthroposophischen Bewegung. Das seit Jahrzehnten schon. - Wenn man sich nun Wagemanns Erläuterungen zu Witzenmanns Strukturphänomenologie ab S. 9 (1.2 The Basic Structure in the Light of Rudolf Steiner’s Epistemology) ansieht, dann wird man sehr schnell bemerken daß von Steiners Begriff der «reinen Erfahrung des Denkens» ebenso wenig zu hören ist wie bei Witzenmann schon. Obwohl Steiner auf diesem Begriff und der dadurch zum Ausdruck gebrachten Tatsache aufbaut, wie jeder Leser wissen sollte, der Steiners Grundlinien … schon einmal gelesen hat. Also nicht nur auf der «reinen Sinneserfahrung», sondern vornehmlich und in entscheidendem Maße doch auf dem der reinen Erfahrung des Denkens. Dieser Unterschied wird bei Wagemann weder thematisiert, noch etwa in ihren Konsequenzen weiter verfolgt. Obwohl Wagemann hier Witzenmanns sogenannte Grundstruktur angeblich im «Lichte der Steinerschen Erkenntniswissenschaft» betrachtet. In einem Lichte allerdings, das bei Wagemann gar nicht leuchtet, da die für Steiner entscheidenden Vergleichs-Komponenten weggelasen sind. Nicht nur das «rein erfahrene Denken» Steiners, sondern ebenso der «erlebte Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem» im Denken und Erkennen, der sich bereits in Steiners Grundlinien … von 1886 findet, und darüber hinaus in den nachfolgenden Begründungsschriften. Das beides gehört unbedingt zu einem vergleichenden Kontrast mit Witzenmanns angeblichem «Erzeugungsproblem» und der «entscheidenden Schwierigkeit» aus der Strukturphänomenologie. Wenn das freilich ausnahmslos weggeblendet wird, so lässt sich da von «Licht» schlecht reden. Eher doch von «Finsternis», in die Wagemann dort seinen Leser hüllt. Denn alles das bleibt unerwähnt und wird gestrichen, was für Steiners Erkenntnistheorie zwecks Welterkenntnis absolut unerläßlich und fundamental ist. Was nicht nur die «reine Erfahrung» des Denkens betrifft, sondern ebenso den von Steiner in diesem Zusammenhang der Grundlinien … zum Ausdruck gebrachten «erlebten Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem» beim rein erfahrenen Denken. Was dann, - man höre und staune, - bei Witzenmann resultierend aus seinen folgenreichen Auslassungen in der Strukturphänomenologie als «entscheidende Schwierigkeit» daherkommt, (in der Übersetzung: The Crucial Difficulty. The Problem of Generation), ohne Steiners diesbezügliche Ausführungen jemals gewürdigt zu haben. Das wie gesagt seit 1948 schon bei Witzenmann. Mit anderen Worten: Exakt an der entscheidenden Stelle von Steiners «erlebtem Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem» im Denken und Erkennen platziert Witzenmann seine «entscheidende Schwierigkeit» und das «Erzeugungsproblem»! Es ist genau jenes Kausalitätsproblem, für das er von Steiner in sämtlichen Frühschriften die Lösung präsentiert bekommt, ohne sie jemals auch nur zu erwähnen, geschweige denn sie zu begreifen und entsprechend zu respektieren. Der Anhang Witzenmanns, in diesem Fall Wagemann, bemerkt das freilich nicht, was er da vorliegen hat. Aus einem leicht nachvollziehbaren Grund: Es interessiert ihn gar nicht und hat ihn auch noch nie ernsthaft interessiert, wie eigentlich diese Angelegenheit bei Steiner behandelt wird. - Steinerforschung nahe Null. Witzenmanns sogenannte «Grundstruktur» mit ihrem angeblichen «Erzeugungsproblem» und der «entscheidenden Schwierigkeit» existiert weder als Terminus noch als erkenntniswissenschaftliche Tatsache bei Steiner. Weit entfernt davon: Vielmehr ist sie der zentrale erkenntniswissenschaftliche Gegenpol zu Steiner. Und steht infolgedessen nur exemplarisch für Witzenmanns Zerstörung der erkenntniswissenschaftlichen Grundlagen Steiners. Aus lauter Unverstand und Gleichgültigkeit. Daran nun fesselt sich seit annähernd 40 Jahren der akademische Anhang Witzenmanns mit seinem Halo von verständnislosen akademischen Mitläufern und Seilschaftern, welche diesen Widersinn Witzenmanns mit einem riesigen Aufwand an Zeit- und Geldverschwendung jetzt auch noch ins Englische übertragen lassen. Darin vor allem liegt die ganze Tragik und der Widersinn dieses Irrweges: Wo Steiner das Kausalitätsproblem löst und die idealistischen Wege zur empirischen Geisterkenntnis über das erlebte aktive Denken etabliert, da wird von Witzenmann (und seinem Anhang) infolge ihrer Mißverständnisse und Aufklärungsunwilligkeit das Problem jetzt erst richtig installiert, festgezurrt, und mit ganz großem Tatam und als angeblicher Ersatz für Steiners Anthroposophie bzw deren Grundlagen in der ganzen Welt verbreitet. Der empirische Weg zum Geist wird damit so gründlich an seiner Schlüsselstelle blockiert und ins Gegenteil verkehrt, als sei das überhaupt das eigentliche Ziel des ganzen Manövers. Der Übersetzer Wagemann indessen weiß scheinbar nichts von alledem. Hat keinen Schimmer von dieser Lage. Woher auch? - Wie gesagt: Keinerlei Licht vorhanden bei seinem Beleuchtungsversuch. Eine siebzigjährige Totalblockade oder Vollbremsung in laufender Fahrt gewissermassen wegen Witzenmanns Studienblackout, seit genau genommen 1948. Denn so lange mindestens geht das bei Witzenmann schon in dessen Publikationen. Darüber wiederum zermartern sich seine Anhänger seit rund vier Jahrzehnten einschließlich Wagemann das Hirn, ebenfalls ohne jemals einen klärenden Blick in Steiners eigenes Werk zu werfen, wir wir es soeben wieder von Wagemann zu hören bekamen, der das irgendwann für die Zukunft vielleicht einmal in Aussicht stellt. Anthroposophische Realsatire wieder einmal. Man möchte sich biegen vor Lachen, wenn`s nicht so gruselig wäre. Womit man auch diese Kommentare der «Aufklärung» von Wagemann schon wieder schließen könnte. Was insofern eben bemerkenswert ist, als das Folgekapitel 2 auf S. 17 ff bei Wagemann betitelt ist: The Crucial Difficulty. The Problem of Generation. Und wenn wir das ins Deutsche übertragen, dann bedeutet das wie bei Witzenmanns deutscher Strukturphänomenologie schon: Die entscheidende Schwierigkeit. Das Problem der Erzeugung. Man kann gleichrangig sagen: «Das Problem der Kausalität.» «Das Problem der Verursachung». Oder wenn wir uns an Rudolf Steiner selbst halten: «Das Problem des Zusammenhangs von Wirkendem und Bewirktem.» Eine Spur, auf der Wagemann noch nie einen Millimeter mit dem Steinerverständnis voran gekommen ist. Es augenfällig auch noch nie gesichtet hat, und auch nur rein rhetorisch für die Zukunft in Aussicht stellt, sich überhaupt und vielleicht dereinst einmal damit beschäftigen zu wollen. - Ganz großes Gruseltheater wieder einmal auf der Witzenmann-Bühne aufgeführt. Witzenmann und seinem Schüler ist dieses Problem von Wirkendem und Bewirktem und seine Lösung bei Steiner offensichtlich noch nie begegnet, obwohl es sich ebenfalls schon in Steiners Grundlinien… behandelt und positiv gelöst findet. Und nicht nur dort. Und das nicht zu knapp. Hoch bedeutsam ist dabei auch, daß Steiner gleich nach dem Kant-Kapitel 14 in den Grundlinien … von 1886 im Rückblick auf die zurückliegenden Partien seiner Schrift auf S. 86 das Resümee zieht: „Wir erinnern uns, warum eigentlich das Denken in unmittelbarer Erfahrung bereits sein Wesen enthält. Weil wir innerhalb, nicht außerhalb jenes Prozesses stehen, der aus den einzelnen Gedankenelementen Gedankenverbindungen schafft. Dadurch ist uns nicht allein der vollendete Prozeß, das Bewirkte gegeben, sondern das Wirkende." Das erstreckt sich sachlich mit immer gleichem Resultat durch sämtliche Frühschriften Steiners bis hin zu Goethes Weltanschauung von 1897, wie wir schon dargetan haben. Von all dem, daß der Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem im rein erfahrenen Denken bereits vorliegt, und das bei Steiner seit 1886, ist aber weder bei Witzenmann jemals ein Wort erklungen, noch wird dieser Aspekt von Wagemann beleuchtet. Sondern dieser schreibt über Steiners diesbezügliche Auffassung nichts, sondern bemerkt lediglich auf S. 21: „The question of the relationship between process and result is ancient. It has been part of a diligent and veracious endeavor since this endeavor freed itself from lethargic and timid acquiescence and took up the questions of being and becoming. The problems of duration on the one hand, and coming to be and passing away on the other are of general scientific interest. It would greatly exceed the scope of this treatise to explore them in their many ramifications. ... Rather, within the confines of the inquiry undertaken here, the question of generation and emergence shall be pursued in the interconnection of the formation of structure, observation, and objectivity. It will become apparent that this particular observation will shed light on a much larger area.“ - Auf deutsch sinngemäß: «Die Frage nach dem Verhältnis von Prozess und Ergebnis [Wirkendem und Bewirktem, MM] ist uralt. Sie ist Teil eines emsigen und gewissenhaften Bemühens, seit sich dieses Bemühen aus der lethargischen und ängstlichen Duldung befreit und die Fragen des Seins und des Werdens aufgegriffen hat. Die Probleme der Dauer auf der einen Seite und des Werdens und Vergehens auf der anderen Seite sind von allgemeinem wissenschaftlichen Interesse. Es würde den Rahmen dieser Abhandlung bei weitem sprengen, sie in ihren zahlreichen Verästelungen zu erforschen. ... Vielmehr soll im Rahmen der hier unternommenen Untersuchung die Frage der Entstehung und des Entstehens in der Verbindung von Strukturbildung, Beobachtung und Objektivität verfolgt werden. Es wird sich zeigen, dass diese spezielle Beobachtung ein viel größeres Gebiet beleuchten wird.» - Wie gesagt: Akademische Phrasendrescherei und rhetorisch verpacktes Gruseltheater. Nur leeres Gerede und akademische Schaumschlägerei bei einem Vertreter Witzenmanns und angeblich auch Steiners. Wenn man nun verständlicherweise das Problem ad hoc und in einer Einleitung nicht in sämtlichen Verästelungen verfolgen kann, so wäre es doch gerade in diesem Kommentar-Zusammenhang außerordentlich hilfreich gewesen, sich wenigstens Rudolf Steiner dazu einmal anzuhören, wo es von Anbeginn an thematisiert und auch positiv beantwortet wurde. Nämlich bereits in den Grundlinien … von 1886. Wo es ja im Kapitel 14 sogar mit Blick auf Kant noch einmal ausdrücklich kausalitätsphilosophisch akzentuiert ist. Bei Witzenmann und seinem Schüler herrscht da gähnende Leere. Tabula rasa. Die ganz basalen, einfachsten und allerwichtigsten Sachverhalte in Steiners Schrifttum wurden von beiden vollständig ignoriert. Noch einmal: Es gibt also gar kein «Licht der Steinerschen Erkenntnistheorie», mit dem Wagemann im genannten Kapitel The Basic Structure in the Light of Rudolf Steiner’s Epistemology Witzenmanns Strukturphänomenologie beleuchtet. Sondern da herrscht bei Wagemann weitgehende Finsternis. Allertiefste Finsternis bezüglich Steiner und ganz speziell in der Frage des erlebten Zusammenhangs von Wirkendem und Bewirktem. Wenn man die Angelegenheit etwas analytischer betrachtet, dann läßt sich auch leicht erkennen, warum das so ist. Es ist Witzenmann in all diesen Jahren nie gelungen das Beobachtungsproblem des Denkens zu lösen und Steiners diesbezügliche Gedankengänge zu verstehen, so daß er wie Steiner zwischen der reinen Erfahrung und der erkennenden Beobachtung des Denkens unterscheiden könnte. Was ja durchgängig bei Steiners frühem Schrifttum der Fall ist. Die Folge dieses Unterscheidungsmangels ist ein «Erzeugungsproblem» bei Witzenmann, weil er zwangsläufig auf den «erlebten Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem» nicht mehr stößt, von dem fortwährend in Steiners grundlegenden Schriften die Rede ist. Und mit diesem seit 1948 anhaltenden Verständnisblackout Witzenmanns war dann auch Ende der Vorstellung in seiner Strukturphänomenologie der 1980er Jahre. Und ist es bei seinem Schüler Wagemann heute (2022), rund 40 Jahre nach der Strukturphänomenologie noch ganz genau so. Das darf man wohl mit Blick auf das Kernanliegen Steiners einen nachhaltigen Grad an verblindender Wirksamkeit Witzenmanns bei einem in anthroposophischen Kreisen inzwischen namhaften Akademiker der Alanushochschule nennen. So daß man bei Wagemanns Übersetzung auch gut von einer «Doppelblindstudie» sprechen könnte: Der Übersetzer und Kommentator (Wagemann) weiß nichts über Steiners komplementärwissenschaftliches Kernanliegen, dessen allerwichtigste Beobachtung und den erlebten Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem, denn der Übersetzte (Witzenmann) wußte ebenso wenig darüber. Man kann sich weiter dazu anhören, was Wagemann auf S. 18 mit Witzenmann sagt: Self-giving. Temporalization. Depresentification. (Sinngemäß auf deutsch) „Selbstgebung. Temporalisierung. Entgegenwärtigung. [Bei Witzenmann im Kap. «Die entscheidende Schwierigkeit», Selbstgebung, Zeitigung, Entgegenwärtigung, MM ] ... Wer den generativen Charakter der Grundstruktur kennt, ist sich eines Problems bewußt, das sich auch im Hinblick auf das Denken, also die Begriffsbildung, stellt. Das Hervorgebrachte (sei es die Grundstruktur oder das Denken selbst) kann erst dann als solches beobachtet werden, wenn es hervorgebracht wurde. Mit dieser scheinbar harmlosen Prämisse sind erhebliche Schwierigkeiten verbunden, die tiefgreifende und weitreichende Untersuchungen auslösen können.“ - Das ist nun O-Ton Witzenmann aus der Strukturphänomenologie. - Frage: Wo bleibt da Steiners reine Erfahrung des Denkens? Und noch einmal: Wo bleibt Steiners erlebter Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem in der reinen Erfahrung des Denkens? - Wagemann als Übersetzer und Kommentierer präsentiert hier lediglich, was für Witzenmann aus der Tatsache seines missverstandenen Steinerschen Beobachtungsbegriffes und dem der Unbeobachtbarkeit folgt. Und mehr als Witzenmann fällt seinem Übersetzer wegen insuffizienter Steiner-Forschung auch nicht dazu ein. Wie gesagt ist das Witzenmanns Sicht der Dinge, die dort dargelegt wird. Der dabei ganz übersehen hat, daß das Denken eben nicht nur beobachtet, sondern auch unmittelbar erfahren wird, und infolge seiner Nachlässigkeit lediglich auf dem Begriff der «Beobachtung» aufbaut. Dabei zwangsläufig übersieht, daß bei Steiner Wirkendes und Bewirktes bereits in ihrem Zusammenhang bei der unmittelbar erlebten Erfahrung des Denkens vorliegen. Und auch dann noch, wenn vergangenes Denken beobachtet wird. Weil er nämlich den mit dem Denken wesensgleichen, begreifenden Beobachtungsprozess ebenfalls unmittelbar als reine Erfahrung erlebt: „Wenn ich aber mein Denken betrachte, so ist kein solches unberücksichtigtes Element vorhanden. Denn was jetzt im Hintergrunde schwebt, ist selbst wieder nur das Denken. Der beobachtete Gegenstand ist qualitativ derselbe wie die Tätigkeit, die sich auf ihn richtet. Und das ist wieder eine charakteristische Eigentümlichkeit des Denkens. Wenn wir es zum Betrachtungsobjekt machen, sehen wir uns nicht gezwungen, dies mit Hilfe eines Qualitativ-Verschiedenen zu tun, sondern wir können in demselben Element verbleiben.“ (GA-4, Kap. III, hier S. 30.) Anders gesagt, wenn der Erkennende sein eigenes Denken erkennend betrachtet (beobachtet), dann hat er es selbstverständlich ebenfalls mit einem erlebten Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem zu tun: Mit der eigenen unmittelbar erlebten erkennenden Denkaktivität, + jenen Erfahrungen des Denkens, die er in Erkenntnisabsicht denkend betrachte, + die in der Folge dieser erkennenden Aktivität sich ergebenden Erkenntnisresultate als das Bewirkte seiner Erkenntnisbemühungen. Oder wie es in der Philosophie der Freiheit (eingangs Kap. IX) dazu heißt: weil Wahrnehmung und Begriff dort zusammen fallen. „Im Betrachten des Denkens selbst fallen in eines zusammen, was sonst immer getrennt auftreten muß: Begriff und Wahrnehmung.“ Seine eigene aktuelle, erkennende Denktätigkeit fällt laut Steiner bei der Beobachtung des Denkens nicht etwa durch den Rost ins Unbewusste, sondern bleibt, wenn auch nicht beobachtbar, so doch beständig wahrnehmbar! Während sie bei Witzenmann wegen der missverstandenen «Unbeobachtbarkeit des gegenwärtigen Denens» wirklich verloren geht und angeblich unbewusst bleibt. Woraus dann Witzenmanns «Erzeugungsproblem» inklusive seiner «erkenntnistheoretischen Grundfrage» wird, «wie Unbeobachtbares zur Erinnerung werden kann». Nebst dem ganzen Rest an «erinnerungstheoretischer Fundamentalwissenschaft der Erkenntnistheorie». Steiners Unterscheidung zwischen «Wahrnehmung des Denkens» und seiner «erkennenden Beobachtung» wurde bei Witzenmann irrtümlicherweise nie bemerkt und getroffen. Und auf diesem zweifelhaften Boden von Fehlinterpretation ist auch seine Strukturphänomenologie gewachsen. Ich will es hier nicht nur bei theoretischen Interpretationsfragen belassen, sondern wir können dazu auch ganz konkret werden. Zur faktischen Überprüfung dessen muss der Leser ja nur an seine vergangenen Denkerfahrungen Fragen richten und darüber nachdenken. Dann wird er ja sehen, ob er seine eigene Denkaktivität bei der Beantwortung dieser Fragen an das Denken erlebt oder nicht. Der Überprüfungsversuch ist also höchst einfach. - Während bei Witzenmann nur vergangenes Denken «beobachtet» wird, und die dabei erlebte (wahrgenommene) Gegenwart der eigenen erkennenden Denktätigkeit / Beobachtungstätigkeit wegen seinem Missverständnis und unzureichender Steinerforschung ausgeblendet bleibt. Das «Wirkende» folglich nie erreicht wird. Woraus Witzenmann dann sein «Erzeugungsproblem» mit allem Nachfolgendem konstruierte. Womit er in der üblichen irrealen Hypothesenphilosophie stecken blieb, die «an die Sache nie herankommt», wie Steiner im Kapitel 14 der Grundlinien … gegenüber Kant kritisch darlegte. Witzenmann (und seinen Schülern) geht es mit Witzenmanns «Erzeugungsproblem» ganz genau so wie Kant. Das, um es noch einmal herauszustreichen, unverändert seit mindestens 1948. Da Witzenmann zudem die akademisch orientierten Anthroposophen mit seiner Sichtweise in besonderer Weise und mit Vorrang ansprach, sind inzwischen ganze Generationen von akademisch gebildeten Anthroposophen in dieser Weise verblindet und daran gehindert worden, die maßgeblichen Gedankengänge Steiners überhaupt zu verstehen. Dies umso mehr, je weniger sie sich um das Studium von Steiners eigenen Begründungsschriften bemühten, da sie ja die bereits vorgefertigte «Alternative» Witzenmann zur Hand hatten, die ihnen alles Denken und eigene Untersuchen von Steiners Begründungen abnahm. So daß sie sich Jahrzehnte lang um Steiners eigenes Begründungswerk und dessen Verhältnis zu Witzenmann nie kümmerten, und das überhaupt erst für die Zukunft vage in Aussicht stellen, wie wir von Wagemann hörten. Wie gesagt: ein einzigartiges Desaster in der anthroposophischen Bewegung, das inzwischen seit annähernd siebzig Jahren anhält. - Damit wiederum könnte man die erkenntnistheoretische Akte «Witzenmann» und dessen Verhältnis zur Erkenntniswissenschaft Steiners eigentlich schließen. Denn sein Übersetzer und Kommentator Wagemann registriert Steiners entscheidende Differenz zu Witzenmann in diesem Punkt ebenfalls nicht. Bemerkt nicht Steiners Lösungsweg zum Kausalitätsproblem, das sich in sämtlichen Frühschriften Steiners leicht finden läßt. Das Problem von Wirkendem und Bewirktem, das Grundproblem Kants und Humes; eine Problemstellung, die sich wie gesagt, durch sämtliche Frühschriften Steiners erstreckt, und dort auf dem Wege der Akt-Psychologie ganz anders beantwortet wird als bei Witzenmann oder Kant. Dieses Problem wird in der Lösungs-Variante Steiners schlicht und ergreifend von Wagemann und Witzenmann nicht behandelt. Unter solchen Umständen ist leicht zu verstehen, daß Steiners «allerwichtigste Beobachtung, die der Mensch machen kann», schlußendlich bei Witzenmann aus schierer Ignoranz und Verständnislosigkeit zur «entscheidenden Schwierigkeit des Erzeugungsproblems» mutierte, weil er nichts von dem begriff, geschweige denn überhaupt wahrgenommen hat, was Steiner dazu schrieb. Was sein Schüler Wagemann, bei dem es bislang nicht besser aussieht, ebenso wenig bemerkte wie Witzenmann selbst. Wenn Wagemann in seinen einleitenden Bemerkungen behauptet, daß Witzenmann Steiner «weiter entwickelt» habe, so bleibt das also nur eine substanzlose Behauptung. Nichts als heiße Luft aus der Akademie. Eine leere Phrase, die zudem nicht überzeugender wird, indem man sie beliebig oft wiederholt. Denn eine Weiterentwicklung Steiners könnte man gegebenenfalls doch nur jemandem zuerkennen, der Steiners begründendes Anliegen überhaupt adaequat erfaßt hat. Denn nur darauf ist der Ausdruck «Weiterentwicklung Steiners» legitim anwendbar. Und dazu wiederum muß man erst einmal Steiner selbst hinreichend kennen, wenn man sich ein berechtigtes Urteil dazu bilden will. Mit Steiner aber will sich Wagemann vielleicht in ferner Zukunft einmal beschäftigen: „However, a comprehensive comparison of Witzenmann’s approach with Steiner would go beyond the scope of this introduction and hence remains one of the research desiderata of the future.“ (Wagemann S. L f) - Ein «Forschungsdesiderat für die Zukunft». Er weiß es also selbst nicht, was Witzenmann mit Steiner überhaupt zu schaffen hat, weil er Steiner kaum kennt. So viel zu Wagemanns «Substanz der Weiterentwicklung» von Steiner. Was man bereits Wagemanns Dissertation über Witzenmann, Gehirn und menschliches Bewusstsein, von 2010 ablesen konnte, die noch nicht einmal ein eigenständiges Kapitel über Steiner enthielt, da sie ja ausdrücklich Witzenmann gewidmet war und nicht Steiner. Gleichwohl wird in vorauseilender Gewißheit schon einmal ohne jede Urteilsgrundlage behauptet, daß Witzenmann Steiner «weiterentwickelt» habe. Akademische Sprechblasen und Rosstäuschereien, und weiter nichts. Das alles ist also nicht ernst zu nehmen, sondern die philosophische Realsatire bei angeblichen «Anthroposophen» aus dem Umfeld Witzenmanns nimmt kein Ende. Denn derart unbegründete philosophische Verheißungen von Steiners Weiterentwicklung durch Witzenmann predigen Witzenmanns Anhänger seit Jahrzehnten schon, ohne dem Verständnis Steiners bis heute jemals ernsthaft nachgegangen zu sein. Wie wir es von Wagemann neuerlich und ganz explizit bestätigt bekommen. Nach allem, was wir also sehen, ist von Steiners Intentionen kaum etwas bei Witzenmann und seinem Schüler Wagemann verstanden worden, sondern wenn, dann überwiegend nur Zerrbilder, die sich schlechterdings nicht als Weiterentwicklung qualifizieren lassen, sondern lediglich als fundamentale Destruktion. Das gilt ganz besonders für Steiners «allerwichtigste Beobachtung, die der Mensch machen kann», vom dritten Kapitel der Philosophie der Freiheit, aus der Witzenmann in seinem Unverstand in der Strukturphänomenologie ein «Erzeugungsproblem» und die «entscheidende Schwierigkeit» formte: Philosophischer Interpretations-Zinnober und verständnisloses gedankliches Gerümpel in Gestalt eines Kausalitäts- und Erzeugungsproblems dort, wo Steiner dessen Lösung anhand des erlebten Zusammenhangs von Wirkendem und Bewirktem in sämtlichen Frühschriften unmißverständlich darlegte. So sieht im wesentlichen die angebliche «Weiterentwicklung» Steiners durch Witzenmann aus. Sie fährt ihn in voller Fahrt vor die Wand. Indem sie vor Steiners Anthroposophen ein skeptizistisches Kausalitätsproblem nach Art Kants und Humes auftürmt, dessen Lösung Steiner bereits 1886 vorgelegt hatte. - Wo Witzenmanns Anhänger bei alledem aber regelmäßig über Generationen nach Art von Schülern wie Savoldelli, Schieren und Wagemann quasi ein Witzenmann-Jodeldiplom vorlegen, weil sie glauben, damit etwas Eigenes zu haben. Und nur nicht wissen, was das sachlich alles mit Steiner und seiner Erkenntniswissenschaft zu tun hat. - Nämlich substantiell und abgesehen von verfehlten Interpretationen fast so gut wie nichts. (Siehe Wagemann auch hier.) Das Wenige, was Wagemann aus Steiners Fundus mit Recht anzubieten hat, sind Teile aus dem Begriffsverständnis Steiners, dahingehend, daß Begriffe keinen Abbildcharakter haben, dergestalt, daß man sie als quasi photographische Spiegelungen der Sinneswirklichkeit betrachten könnte. Weiter ist ihm auch darin zuzustimmen, wenn er (S. xviii) ausführt, daß es keine theorie- oder begriffsfrei Beobachtung gäbe. Was sich insofern von selbst versteht, bei einer erkennenden Beobachtung, die ganz generell auf reine Erfahrungstatsachen Begriffe anwendet, die nicht wiederum aus den Wahrnehmungen, sondern nur aus der Intuition stammen können. Und natürlich auch auf das rein erfahrene Denken Begriffe anwenden muß, um es zu begreifen. Und sich dazu wiederum vergleichend und unterscheidend dem rein Erfahrenen mit Begriffen nähern muss, die es gilt weiter abzuklären und gegebenenfall zu korrigieren, wie es bei Karl Bühler geradezu mustergültig der Fall war. Der sich über weite Strecken mit der vorherrschenden Assoziationspsychologie seiner Zeit kritisch auseinandersetzte. Folglich gehört das begriffliche Element nicht nur bei jeglicher reinen Erfahrung, sondern speziell auch bei der reinen Erfahrung des Denkens beim erkennenden beobachtenden / Begreifen des Denkens dazu. Denn ohne Begriffe kein Begreifen, das gilt ganz generell. Das «rein erfahrene» Denken als solches hingegen ist theoretisch noch nicht befrachtet und kann es auch nicht sein. Oder um mit Steiner Philosophie der Freiheit Kap V zu sprechen: «Es können sich keine Vorstellungen – sprich individualisierte Begriffe – in meine unmittelbare Wahrnehmung dieses rein erfahrenen Denkens schieben». Was sich wohl bei der äusseren Wahrnehmung als Vorstellung bereits vor die Wahrnehmung legen und sie dadurch theoretisch befrachten kann, das ist bei der reinen Erfahrung des Denkens nicht möglich. Bei der Beobachtung des Denkens nimmt sich das theoretische Befrachtungsproblem insofern etwas speziell aus, nicht nur, weil ich 1) ja im selben Element des Denkens verbleibe, und gegebenenfalls reine Begriffe, die mir als geistige Wahrnehmungen vorliegen, wiederum mit deskriptiven (reinen) Begriffen beschreibe, die ihrerseits wiederum nur aus diesem geistigen Element genommen sind. Oder ganz allgemein das erlebte Denken mit Begriffen beschreibe, die nur aus diesem Denken genommen werden können. Worauf bei Steiner die Selbsterklärungsfähigkeit des Denkens ruht. - Aber nicht nur deswegen, sondern 2) auch, weil ich das rein erfahrene Denken in seiner reinen Erfahrungsform grundsätzlich nicht theoretisch befrachten kann, was bei äusseren Sinneswahrnehmungen wie gesagt möglich ist. Beim Denken hingegen nicht. Weswegen bei Steiner auch der naive Realismus bei der Erkenntnis des Denkens, - und nur dort, - auch zugelassen ist, wie er im Kapitel V der Philosophie der Freiheit schreibt. In der GA-04, Dornach 1995 auf S. 101 ff: „Dem Denken gegenüber kann der Mensch auf dem naiven Wirklichkeitsstandpunkt verbleiben. Tut er es nicht, so geschieht das nur deshalb, weil er bemerkt hat, daß er für anderes diesen Standpunkt verlassen muß, aber nicht gewahr wird, daß die so gewonnene Einsicht nicht anwendbar auf das Denken ist. Wird er dies gewahr, dann eröffnet er sich den Zugang zu der anderen Einsicht, daß im Denken und durch das Denken dasjenige erkannt werden muß, wofür sich der Mensch blind zu machen scheint, indem er zwischen der Welt und sich das Vorstellungsleben einschieben muß.“ (S. 103) Was Wagemann nun völlig übersehen hat, ist die «reine Erfahrung» eines Sachverhalts. Und das gilt im allerhöchsten Maße für das Denken selbst, das im Moment seiner unmittelbaren, bloßen Erfahrung grundsätzlich theoretisch nicht befrachtet werden kann. Worauf Steiner in der Philosophie der Freiheit (hier, Kap. V, S. 71 f) wie gesagt eigens noch einmal hinweist. Diese reine Erfahrung des Denkens wiederum ist in sich zusammenhängend und klar gegliedert – und zwar nicht nur in begrifflicher Hinsicht, sondern auch nach der Beziehung von Wirkendem und Bewirktem. Ganz ohne jede Denktheorie, die erst nach dieser reinen Erfahrung darauf angewendet werden kann. Alles schon im Kapitel 8 und nachfolgenden in Steiners Grundlinien … nachzulesen. Oder in unmissverständlicher Deutlichkeit in Wahrheit und Wissenschaft, Kapitel Vier (hier S. 37): „Wir müssen uns vollständig klar darüber sein, daß wir dieses Hervorbringen in aller Unmittelbarkeit wieder gegeben haben müssen. Es dürfen nicht etwa Schlußfolgerungen nötig sein, um dasselbe zu erkennen.“ Auch das ist ein Fund Steiners, der Witzenmann und seinen Schülern offensichtlich völlig fremd und fern geblieben ist. Der ganze prominente Witzenmann-Kader weiß schlechterdings nichts über solche Zusammenhänge und Ansichten bei Steiner. Und die reine Erfahrung des Denkens scheint Wagemann demgemäß so wenig zu interessieren wie Witzenmann schon. Erst recht nicht in dessen Strukturphänomenologie. Von Steiners innerem Naturforschungsanliegen respektive induktivem Idealismus ist Wagemann zusammen mit Witzenmann Lichtjahre entfernt. Das liegt dort noch vollständig hinter dem Wahrnehmungs-Horizont ihres inneren Universums. Obwohl das Kausalitätsproblem, wie man sieht, selbst bei ihnen bereits als «entscheidende Schwierigkeit» hinter diesem Horizont bedrohlich wetterleuchtet. Als geläufiges Nachleuchten eines Jahrhunderte alten Problems der empirischen Wissenschaft, mit dem Witzenmann dann in all seinem Unverstand auch noch Steiners Grundlagen unzugänglich machte und bei seinen Anhängern dauerhaft in Gestalt eines angeblichen Erzeugungsproblems verriegelte. Ohne zu bemerken, dass und wie Steiner dieses Problem Kants und Humes löst. Eine von Wagemann ebenfalls gar nicht erst bemerkte Tatsache, wenn man sich Wagemanns Auslassungen dazu von S. 21 seiner Witzenmannübersetzung zu Gemüte führt. Denn was bei Wagemann ebenso wie bei Witzenmann nicht einmal von ferne glimmt, ist Steiners ständig wiederholte und über sämtliche Frühschriften sich erstreckende empirische Lösung dieses Kausalitätsproblems von Hume und Kant. Was also soll man weiter dazu sagen, wenn Johannes Wagemann in seiner Einführung auf S. XIV davon spricht, daß Witzenmanns Wurzeln nicht auf Husserl, sondern auf auf Steiners Goetheforschung zurückgehen? Aber nichts darüber zu berichten vermag, daß Steiner an Goethe zwar anknüpft, aber, - ganz abgesehen davon, daß er sich in der Schrift Wahrheit und Wissenschaft am Schluß der Vorrede (hier S. 6) in den Begündungsfragen ausdrücklich gedanklich unabhängig gemacht hat von Goethe, - zu seiner Geistesforschung / seinem induktivem Idealismus einen Weg beschreitet den Goethe nie eingeschlagen hat, nämlich den der Beobachtung des erlebten Denkens. Und zwar in betonter Absicht einer geistigen Naturkräfteforschung von innen, die in dieser Form für Goethe schon zeitbedingt nicht möglich war. Die auch Witzenmann nicht möglich war, weil er dieses innere / komplementäre / spirituelle Naturforschungsanliegen Steiners und dessen Methode nie verstanden hat. Was soll man nun schlußendlich noch dazu sagen, wenn sich so ein Übersetzungsprojekt dann über 4 Jahre lang höchst aufwendig und zeitraubend hinzieht, großzügig unterstützt auch von der anthroposophischen Gemeinschaft, - “The financial resources for this work were generously provided by the research funding of the Anthroposophical Society in Germany (ASG) and by the GLS Treuhand Foundation ...“ (Wagemann, S. XI), - und in all diesen Jahren keinen Millimeter in der Steinerforschung voran kommt. Sondern wo man auch nach der enervierenden Übersetzungs-Knochenarbeit wie explizit Wagemann über Steiners Verhältnis zu Witzenmann nichts weiter sagen kann, sondern alles Notwendige der Aufklärung in eine unbekannte, ferne blaue Zukunft schiebt. So daß es doch eher als beschwichtigende, aber unverbindliche akademische Rhetorik aufzufassen ist. Denn diese Binsenforderung nach Aufklärung über Steiners Grundlagen existiert als akademische schon lange Jahrzehnte, und sogar aus dem direkten Umfeld Witzenmanns. Entsprechendes wußte und forderte man also weit früher und seit über 40 Jahren schon. Nicht nur ich selbst, begründet aus der eigenen Steinerforschung heraus, sondern auch vom relativ prominenten Witzenmannanhänger Macelo da Veiga, der immerhin selbst über Steiners Grundlagen promovierte, konnte man das hören, der seine Leser bereits vor elf Jahren im Dezember 2011 dazu aufrief, daß man sich endlich einmal um die Erforschung von Steiners Grundlagen kümmern sollte, weil man davon kaum eine Ahnung hat. Aufklärung fordern und sie konsequent zu realisieren klaffen bisweilen doch weit auseinander. Bewirkt jedenfalls hat das damals offensichtlich wenig, wie wir weiter unten im Kapitel 48 noch näher betrachten werden. - Nun, die Leute von der anthroposophischen Gemeinschaft haben offensichtlich Wichtigeres zu tun, als Steinerforschung zu den eigenen anthroposophischen Grundlagen zu betreiben. Steinerforschung auch zu betreiben, um Steiners philosophische Beziehung zu Witzenmann überhaupt erst einmal selbst zu begreifen und beurteilen zu können, bevor sie einen angeblichen «Weiterentwickler Steiners» namens Witzenmann mit unerhörtem Aufwand an Zeit, Geld und menschlichen Ressourcen ins Englische übertragen lassen, von dem die Financiers, Förderer und Übersetzer selbst nicht einmal wissen, was er eigentlich mit Steiner und seiner Anthroposophie zu schaffen hat. Das ist wissenschaftlich so vollkommen widersinnig und komisch, weil dort augenfällig jegliche innere Orientierung und jeder nachvollziehbare Maßstab für essentielle Notwendigkeiten der philosophischen Aufklärung fehlen. Woran man eben sieht: Mit und durch Herbert Witzenmann und seinem engeren und ferneren Anhang ist die Steinerforschung inzwischen so gründlich auf den sprichwörtlichen Hund gekommen, dass sie nachweislich schon nicht mehr zu wissen scheint, was sie tut. Wie man sieht, bemühen sich die «Anthroposophen» faktisch nach Kräften, Steiners Weltanschauung und ihren Grundlagen endlich den Garaus zu machen. Steiner ist in Wagemanns Übersetzung letztlich nur noch ein «Anreger», - Influenzer auf neudeutsch, - für Witzenmann, wie es im Begleittext der Internetpräsentation von Bloomsbury heißt: „Influenced by the writings of Rudolf Steiner and Johann Wolfgang von Goethe, Witzenmann's innovative approach casts new light on a number of philosophical, psychological, and scientific issues ...“. - Nun, darauf und auf den «Influenzer» Steiner können sich mit Recht inzwischen unübersehbar viele berufen. Hunderte, vielleicht auch Tausende wohl inzwischen, die irgend einen abgedrehten Unsinn zu und wegen Rudolf Steiner präsentierten. Nichtssagender geht es also kaum noch. Es wird im vorliegenden Fall überhaupt kein Anspruch mehr erhoben auf irgend eine tiefere Gemeinsamkeit der Forschungsziele Witzenmanns und Steiners. Ziele, die man bei Steiner natürlich auch nicht kennt, wie wir hier sehen und explizit von Wagemann und weit früher schon von da Veiga hörten. Die Leute scheinen nichts besseres zu tun zu haben, als jetzt aufwändig auch die ganze englischsprachige Welt mit einem mehr als fragwürdigen Elaborat von Herbert Witzenmann zu überzeugen, von dem sie keinerlei substantiierte Vorstellung haben, wie es überhaupt mit Steiner zusammenzubringen ist. Das scheint jetzt ganz oben auf der Agenda der diesbezüglichen Entscheider der «Anthropsophen» zu stehen. Wachere Geister würden hier mit sehr guten Gründen von geistiger Sabotage sprechen. Denn nichts anderes ist es ja, wenn man die Verhältnisse näher betrachtet. Die Frage muß deswegen wohl sein, welche Kräfte innerhalb der anthroposophischen Bewegung und von ausserhalb treiben diese aberwitzige Entwicklung so energisch derart voran, so daß Steiners anthroposophische Grundlagen nie gründlich aufgearbeitet, und in einer verstandenen Form an die Öffentlichkeit gebracht werden? Sondern stattdessen lauter Absurditäten, und mit viel finanzieller Unterstützung aus den eigenen Reihen Zerstörungswerke an Steiners Grundlagen? Und warum tun sie das selbst dann noch, wenn sie in aller Öffentlichkeit zugeben, daß sie über Steiners Grundlagen und deren Verhältnis zu Witzenmann nichts wissen, und entsprechende Aufklärung als Desiderat in die Zukunft schieben, aber gleichwohl und im selben Atemzug Witzenmann als «Weiter-Entwickler» Steiners verkaufen, obwohl sie das erklärtermaßen gar nicht beurteilen können? Das ist nicht nur absurd, sondern bereits die Steigerung davon und vollständig sinnfrei. Man fragt sich, welcher Ungeist diese Leute bloß geritten hat! Wie dem auch sei. Daß Steiners Anhänger nicht immer die hellsten Kerzen auf der Torte sind, hat nicht nur Steiner selbst oft genug verzweifelt festgestellt, sondern auch sein kritischer Biograph Gerhard von Beckerath, der das Elend um Steiner und seine Anhänger in seinem Buch Rudolf Steiners Leidensweg, Dornach 2011 nachzuzeichnen suchte. Da Witzenmann mit seinem Konzept niemals bei Steiners Anthroposophie, geschweige denn seiner Freiheitsphilosophie ankommen kann, kann es seinen Anhängern letztlich nur darum gehen, sie abzuschaffen, indem man ihn zum goldenen Kalb der Anthroposophie verklärt. - Ich frage mich ernstlich, was Herbert Witzenmann nach seinen üblen Erfahrungen mit der Nazizeit wohl heute dazu sagen würde, wenn er sieht, was seine Anhänger im politischen Umfeld der Rotgrünen jetzt alles damit treiben. - So sehr ich übrigens den oben bereits zitierten Artikel vom Lochmann-Verlag in seinen berechtigten aufklärerischen Intentionen hinsichtlich der zerstörerischen Umtriebe in der anthroposophischen Bewegung nachvollziehen kann und für unbedingt lesenswert erachte, so sehr wünsche ich den Autoren dort, daß sie Steiners eigenen philosophischen Grundlagen mit dem Verständnis etwas näher kämen. Durch so eine sachliche Klärung der Grundlagen würde nämlich ihre dringend notwendige Aufklärungsarbeit zu den Zersetzungen der Anthroposophie noch weit fruchtbarer werden. Wenn sie mit kritischem Blick auf die Anhänger Witzenmanns und speziell den Gideon Spicker Verein nun (S. 2 ) allerdings schreiben: „Wer könnte sich einbilden, «die ursprünglichen Intentionen» Rudolf Steiners zu kennen?“, so ist das natürlich nicht nur in dieser Pauschalität abwegig, sondern auch, weil sie sich damit selbst den argumentativen Boden unter den Füßen wegziehen. Denn schließlich hat Steiner höchstpersönlich seine eigenen wissenschaftlichen Intentionen unmissverständlich in den Frühschriften und späteren immer wieder dargelegt. Und irgendwelche geheimnisvollen Intentionen, die er nicht öffentlich dargelegt hat, muß auch niemand suchen, weil das andere zum Verständnis ja schon einmal völlig reicht. Von diesen ursprünglichen und leicht nachlesbaren wissenschaftlichen Intentionen Steiners aber hatte Witzenmann keine Ahnung, wie wir demonstrieren. Und dessen Anhänger ebenso wenig. An dieser Stelle scheint mir deswegen auch ein weiterer «Hase begraben» zu sein, wie sie das beim Lochmann-Verlag nennen: Hier wird nämlich beim Lochmann-Verlag das Kind mit dem Bade ausgeschüttet, und den wissenschaftlichen Erarbeitern von Steiners Werk, sowie ihnen selbst das stabile Fundament unter den Füßen zerschlagen. Ich kann mir aber mit Blick auf Steiners Werk schwerlich eine Sachkritik an seinen Gegnern erlauben, wenn ich noch nicht einmal Steiners Frühwerk und die dort dargelegten Intentionen Steiners erkenne und verstehe, auf dem die ganze Anthroposophie laut Steiner erst begründet aufbaut. Wenn ich nun aber ernstlich glaube, daß niemand Steiners ursprüngliche Intentionen kennen kann, dann stehe ich komplett im selben Nebel wie Herr Clement, von dem wir eingangs sprachen, und munitioniere auch noch argumentativ meine eigenen respektive Steiners Gegner. (Siehe dazu ausführlich hier auf derzeit S. 760 ff). Ich könnte also die Pforten der Aufklärung hinter mir gleich wieder schließen, wenn ich diesen Glauben ernsthaft vertreten wollte, und eine eigene Geheimgesellschaft von in sich abgeschlossenen anthroposophischen Rätsellösern bilden, die sich von nicht überprüfbaren Geheimeinsichten in Steiners Motive und Intentionen leiten lassen. Ein nicht nur unwissenschaftliches, sondern auch vollkommen aussichtsloses Unterfangen. Sie kämpfen damit nur Rücken an Rücken und Hand in Hand mit ihren eigenen Gegnern, obwohl sie genau das Gegenteil davon wollen. Der Grund dafür liegt in der Tatsache, daß es ihnen vorrangig auf «gestaltendes Denken» ankommt, und am Ende verlieren sie darüber auch noch Steiners Intentionen der Frühwerke: „Denn wer könnte sich einbilden, die «ursprünglichen Intentionen» Rudolf Steiners zu kennen?“ (S. 2) - und damit wäre das schöne Lied der Aufklärung gemeinsam im Chor mit Christian Clement auch schon zu Ende gesungen, weil jede gedankliche Klarheit über Steiners Frühwerke fehlt, die ja überhaupt erst Schulungsschriften nach Art von Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten? möglich machen sollten, wie Steiner im Stuttgarter Rechtfertigungsvortrag von 1921, S. 295 ff (GA-255 b) darlegt. Und wahrlich nicht nur dort. Sondern sogar in der Philosophie der Freiheit selbst, wenn er die Leser in der Vorrede von 1918 darauf aufmerksam macht, daß niemand auf seine spätere Anthroposophie «hinschielen» muß, um dieses Begründungswerk annehmbar zu finden. Wer also von vornherein glaubt, daß es eine bloße Einbildung sei, Steiners ursprüngliche Intentionen zu kennen, der hat den Kampf mit Steiners Gegnern schon verloren, bevor er ihn überhaupt aufgenommen hat, indem er sich damit zu ihnen gesellt und die Kenntnis von Steiners frühen Intentionen für Chimäre hält. - Dem ist aber doch nicht so, und es besteht dazu keinerlei legitime Veranlassung. Denn ich muß Steiners Intentionen nur da suchen, wo sie wohlbegründet aufzufinden und von ihm selbst in aller Öffentlichkeit dargelegt sind. Und das ist schon im wissenschaftlichen Frühwerk mit einiger Leichtigkeit zu schaffen. Da muß niemand künstliche Nebelwände aufrichten, und sich damit auch noch seinen eigenen Gegenspielern in die Arme werfen. Und so ist denn auch vom Inhalt der begründenden Frühwerke Steiners in diesem Text vom Lochmann-Verlag so gut wie keine Rede, sondern statt dessen viel mehr vom «gestaltenden Denken der Anthroposophie» (S. 3 ff). Von dem überhaupt viel in diesem Text die Rede ist, nur nicht von den Inhalten und Intentionen der Steinerschen Frühschriften. Die Folgen liegen auf der Hand und sind absehbar. Das Chaos wird dadurch nicht kleiner sondern nur noch größer. Bei allen guten aufklärerischen Absichten. Es ist ja klar: wenn schon über Steiners wissenschaftliche Grundlagen nur Konfusion bei den Anthroposophen herrscht, dann läßt sich umso leichter auch Steiners Gesamtwerk zerstören, weil den Leuten die wissenschaftliche Orientierung schlichtweg fehlt, die sie zum Verständnis der Anthroposophie benötigen. Was natürlich hochgradig für die intellektuell führenden und einflussreichen Akademiker in dieser Bewegung gilt, die mit Blick auf Steiners Grundlagen wenig Ahnung haben. Doch nicht nur Witzenmann drehte mit dem Verständnis der begründenden Frühschriften Steiners frei in der Luft bei seiner eigenen «Erkenntnistheorie auf obskuren Grundlagen», und nicht nur dessen direkte, mittelbare oder entferntere Schüler und Husserl+Witzenmann-Sympathisanten wie Sijmons drehten in der Nachfolge dieses dubiosen Lehrers so frei, sondern für Prokofieff etwa galt dasselbe. Prokofieff wehrte sich zwar vielfach dagegen, verstand aber selbst von Steiners erkenntniswissenschaftlichen Grundlagen, wie viele andere und mehr noch als die letzteren Witzenmannanhänger, schlichtweg nichts. So daß er sich in all seinem Unverstand ganz ungeniert und in der Sache äußerst abträglich darüber ausließ, wie wir an anderer Stelle hier und hier auf dieser Webseite zeigten. Und sogar unbedingt den nur philosophischen Zugang zur Philosophie der Freiheit «überwinden» wollte, wie es bei ihm hieß. Der freilich gar nicht vorhanden war, da alle mit Prokofieff und Witzenmann zusammen im selben Nebel stocherten. Und «überwinden» läßt sich der philosophische Begründungszugang der Steinerschen Frühschriften und speziell der Philosophie der Freiheit ohnehin nicht. So eine Forderung als solche ist, - erhoben auch noch von einem Anthroposophen aus dem Goetheanumsvorstand, - letztlich ein sinnfreier Quark. Man könnte die Philosophie der Freiheit höchstens präzisieren und differenzieren, wie Steiner selbst im Brief Nr. 402, GA-39 an Rosa Mayreder schrieb. Das Vorhandene verbessern, und aus jedem Kapitel der Philosophie der Freiheit «ein ganzes Buch machen», wie es in diesem Briefwechsel heißt. Wie es auch in Steiners Schrift Von Seelenrätseln (GA-21) in mancherlei Teilen versucht wurde, die ja 1917 ausdrücklich und mit besonders markanter Betonung am Ende (S. 170 f) jenen Faden zur Psychologie wieder aufnimmt, den er schon 1886 aus gutem Grund verfolgt hat. – So könnte man Steiners Grundlagen als «lehrhafte Natur» erweitern, wie es im Briefwechsel mit Rosa Mayreder hieß. Vorausgesetzt allerdings, man hat das Anliegen von Steiners erkenntniswissenschaftlichen Frühschriften überhaupt verstanden. Da sehe ich allerdings in der Hauptsache nur kämpfende anthroposophische Schattenfiguren im Tunnel, da sich kaum jemand von diesen für Steiners Grundlagen ernstlich interessiert(e). Das gilt auch für Prokofieff. Der sich persönlich in all seiner schillernden Ignoranz dann auch ganz konsequent zum anthroposophischen Versteher der Philosophie der Freiheit aufwarf, was wir hier eingehender behandelt haben. – Ein generelles Unvermögen auf allen Seiten, das aber vor allem für jene im Artikel des Lochmann-Verlages angesprochene akademische Welt gilt, die zu erheblichen Teilen vom erkenntnistheoretischen Widersinn Witzenmanns langjährig beeinflusst und geblendet war, und weiterhin ist. Doch wenn nun schon die Anthroposophen als verständnislose Anhänger Steiners wissenschaftlich frei in der Luft drehen, und ihnen der wissenschaftliche Boden unter den Füßen vollkommen fehlt, dann haben es ihre Gegner umso leichter, deren Konfusion für eigene Zwecke zu missbrauchen. Was man überall beobachten kann, wie auch der Artikel des Lochmann-Verlages anschaulich demonstriert. Daß bei unbedarften, aber einflussreichen Anthroposophie-Schreddern und Churchill-Verehrern wie Witzenmann als geistigem Übervater dann auch von Steiners Dreigliederung nicht mehr viel zu hören ist, sondern bei dessen Schülern dann schließlich Witzenmann, Soros und rotgrüner Faschismus an die Stelle von Steiners Anthroposophie und seiner Dreigliederung treten, und damit das Werk des Deutschenhassers Churchill vollendet wird, das ist angesichts der geschilderten Verhältnisse und so viel umlaufender maßloser Gleichgültigkeit und Ahnungslosigkeit leicht zu erklären. Von Steiners frühen komplementär naturwissenschaftlich-idealistischen Intentionen, Konklusionen und methodischen Handreichungen hatte der grosse Inspirator der Witzenmanngemeinde nachweislich keine Kenntnis. Und seine Schüler ebenso wenig. Bleibt die Frage, wo bei deren Kritikern diese Ahnung und das Verständnis für Steiners Werk und vor allem für dessen frühe Grundlegung ruht. Bei aller Berechtigung, mit der sie den fragwürdigen Beziehungen Witzenmanns und seiner Riege zum Deutschenhasser Churchill nachgehen. Was ein erhellendes Licht darauf werfen könnte, warum ausgerechnet Anthroposophen sich zu den rotgrünen Deutschenhassern und Russlandvernichtern so eindringlich hingezogen fühlen. Denn damit betreten sie zur Zeit gerade erneut jenes Portal in den braunen Faschismus, den sie durch diese angloamerikanische Pforte zu verlassen glaubten. Weil sie nicht ahnen, daß es die Anglo-Amerikaner waren, denen sie sich an den Hals werfen, die den Nazi Hitler erst im anglomerikanischen Eigeninteresse im Anschluß an Versailles installierten. Um jetzt gemeinsam mit dummen anthroposophischen Irrläufern und Rotgrünen die braune sozialdarwinistische Eugenetik als globale Faschisten neu zu installieren. Wie gesagt, ich lege Ihnen, lieber Leser, den Aufsatz aus dem Lochmann-Verlag sehr ans Herz. Schon wegen seiner erhellenden historischen Bezüge, die er zeichnet. - Ich will bei Anbetracht von Klaus Hartmanns Witzenmannbiographie (vor allem Band 1, dort etwa die Kapitel V und VI) auch gar nicht ausschließen, daß Herbert Witzenmann, der laut Hartmann alles andere als ein Nazi war, von den Nationalsozialisten so schwer gebeutelt war, daß er die Anglo-Amerikaner tatsächlich für die Befreier Deutschlands hielt. Das gilt insbesondere für den Inhaber einer Firma für Metallschläuche, (laut Firmenangaben 2019 Weltmarktführer für flexible metallische Bauteile), die eine beachtliche Anzahl, - auch laut Hartmann, - von Patenten darauf besaß. Metallschläuche wiederum sind nicht nur in Duschen und anderen zahlreichen zivilen Anwendungen wie Fahrzeugbau und Pumpen sehr gefragt, sondern stellen auch ein außerordentlich rüstungsrelevantes Gut dar, das die Firma Witzenmann prinzipiell herstellen konnte. Als Spezial-Zulieferer somit grundsätzlich auch zu den Schlüsselunternehmen der modernen Rüstungs- respektive der militärischen Waffenindustrie der Nationalsozialisten gehörte, weil ohne robuste Metallschläuche dort nichts geht, was schon die grobe Wikipedia-Übersicht deutlich macht. Und bei den Nationalsozialisten folglich große Begehrlichkeiten auf deren Produkte weckte. Insofern, als Metallschläuche natürlich dringend für den militärischen Luft- Raketen- und Fahrzeugbau, sowie für all jene Waffengattungen und andere Rüstungsproduktionsbetriebe benötigt wurden, bei denen es um robuste Schlauchverbindungen mit Metallummantelungen ging. Weil ohne solche stabilen, flexiblen Schlauchverbindungen bei Flüssigkeitskreisläufen dort Funktion und Betrieb eben nicht sicher gestellt werden konnte. Zumal im Kriegseinsatz, wo es auf hinreichenden Schutz und Panzerung von Schlauchverbindungen bei militärischem Gerät ankommt. Gesetzt also den realistischen Fall, Witzenmann zögerte bei der Produktionsorientierung auf die von den Nazis mit Vehemenz nachgefragten rüstungsrelevanten Güter seiner Firma, dann musste ihm das über kurz oder lang große Schwierigkeiten einbringen. - Was auch so war, und laut Hartmann (Bd. 1 S. 188 f) bis zur Denuntiation Witzenmanns durch ehemalige Mitarbeiter der Firma führte. Der Vorwurf eines Denuntianten laut Hartmann: «Sabotage der Rüstungsfertigung». Übrigens von Witzenmann selbst auch in der Sache bestätigt. Siehe dazu auch die ausführlichen Anmerkungen Hartmanns im Bd. 1 ab S. 258. Witzenmann versuchte laut den dortigen Anmerkungen (etwa die ausführliche Anm. 90, S. 264, die sich mit Witzenmanns aktivem Widerstand gegen die Nationalsozialisten befaßt) in der Tat die Zusammenarbeit mit der nationalsozialistischen Rüstungswirtschaft nach Kräften zu sabotieren und zu unterbinden, wie er dort ausführt. Die Familie Witzenmann befand sich demnach laut Hartmann in einer ausgesprochen existentiellen Zwangslage, und mußte sich in diesem Fall im Widerspruch zwischen der eigenen Überzeugung und den Begehrlichkeiten der Nazirüstung irgendwie hindurchlavieren. Das wird als sensibles Thema von Hartmann in diesen Kapiteln, insbes. S. 188 f zum Teil ganz explizit ausgesprochen und ebenso ausführlich in den genannten Anmerkungen. Es spricht also einiges dafür, daß die Dinge damals so lagen. Die Firmenchronik selbst sagt, abgesehen von der Firmenverbindung zum VW-Konzern, öffentlich nicht viel über die fragliche Zeit. Daß Witzenmann sich (früher oder später) zu den Angloamerikanern hingezogen fühlte, ist insofern verständlich. Nicht nur aus rein geschäftlichen Gründen. Verständlich auch, daß er dann 1951 in der Zeitschrift Die Drei, Heft 6, 1951, S. 278-293 unter dem Titel Churchills tragische Größe in unserer Zeit eine annähernd 15-seitige Hommage an den Führer der Briten aus «bedeutender Familie» schrieb, wo er ihn mit dem römischen Feldherrn Scipio Africanus verglich. Als engagierter Dreigliederer hätte er vielleicht im Falle Churchills eher von den völlig aus der Zeit gefallenen «Nibelungenwilden» (GA-190, Dornach, 1980, S. 162; S. 175 ff) gesprochen, die heute noch mit katastrophalen Folgen und antiquiertem Denken die Geschicke eines Landes leiten und weltweit überall Welt-Herrschafts-Kriege anzetteln, wie die Briten bis auf unseren Tag. Und damit mit aller Macht für den Untergang der menschlichen Zivilisation sorgen, wie es sich jetzt (2022) gerade vollzieht. Die britische Monarchie wiederum mit angepfropfter Demokratie zeugt ja nur davon, daß diese archetypische Ausgestaltung eines «gemischten Königs» der gesellschaftlichen Kräfte bis heute nicht weiß, wo sie hingehört. In die alte Nibelungenzeit als unentwirrbares und zerstörerisches Gemisch mit Monarchisten, Eugenetikern, Weltherrschaftskriegern, Sozialdarwinisten und Manchesterkapitalisten, oder in die neue. Zur Zeit sind die neofeudalen Nibelungen ja wieder massiv mit den Manchesterkapitalisten, Sozialdarwinisten und Eugenetikern auf dem Vormarsch. Aber Dreigliederer war der Redaktionsmitarbeiter Witzenmann damals augenfällig nicht, sonst hätte er diesen Widerspruch und diese Zeitsymptomatik sicherlich näher thematisiert. Obwohl er in diesem Artikel öfter von der «Aufgabe der Mitte» spricht, die Churchill nicht erfaßt habe. Nur von Dreigliederung eben nicht, die Rudolf Steiner für unsere Zeit und die kommende als absolut notwendig erachtet. Überhaupt war die Dreigliederung zusammen mit dem Goetheanismus auch schon ab Heft 4, 1948 als programmatische Titelgebung von der Zeitschrift Die Drei wieder verschwunden. Sie kehrte im Jahr 1959 dort vorübergehend wieder zurück, um im Jahre 1970 neuerlich zu verschwinden und bis 1988 die Anthroposophie gleich mit, die dann als Alleinstellungsmerkmal 1988 auftauchte – ohne die anderen. So geht das in weiteren wenigen Änderungsschritten voran. Von Steiners Dreigliederung ward dort seit 1970 nichts mehr gesehen. Und von Goetheanismus seit 1948 nichts mehr, der nach dem Heft zwei dort auf Dauer verschwand. So weit man den Titelbildern der dort aufgeführten Hefte folgt und die das überhaupt korrekt wiedergeben – was allerdings nur in Teilen zutrifft, wie ich feststellte. Von den Briten / Angloamerikanern war Witzenmann womöglich schon wegen ihrer vermuteten Befreiungsfunktion angezogen, und nicht ahnend, daß diese angeblichen Befreier mit ihrem Sozialdarwinismus, ihrer Eugenetik, ihrem Rassismus und ihrer menschenverachtenden Euthanasie-Ideologie, sowie ihrer mörderischen Geopolitik tatsächlich die Förderer und Lehrer eben jener Nazis waren, von denen Witzenmann und seine Familie gequält wurde, und von denen sich Witzenmann jetzt durch die Anglo-Amerikaner befreit glaubte. Befreit von den Nazis durch die Schöpfer und Väter der Nazis! - «Befreit» von jenen Nazis, welche die «Befreier» zuerst erst selbst in Stellung brachten, um Deutschland dann davon zu «befreien», und sich selbst dort an deren Stelle in einer Art Kolonie zu installieren. Um das ganze wenige Generationen später aufs neue in ihrem Kampf gegen Rußland aufzurollen, und in der Hitlertradition stehende ukrainische Nazis und Asow-Nazis zusammen mit den deutschen Rotgrünen als deutschem Rammbock gegen Rußland zu mobilisieren und in Stellung zu bringen, wie vormals schon den Hitler, unter dem Witzenmann litt. Das von Anglo-Amerika inszenierte Nazitum hat also Kontinuität in Deutschland und Europa über Generationen hinweg, und wird soeben und vorbereitend schon seit Jahren im Asow-Nazi-Krieg gegen Rußland neu belebt, womöglich ohne daß die beteiligten «rotgrünen» Anthroposophen das in ihrer Einfalt überhaupt gewahr würden. In diesem Fall wäre Witzenmann mit seinen nachfolgenden Schülern unaufgeklärt den Fallstricken der sozialdarwinistischen und eugenetischen anglo-amerikanischen Geopolitik von Weltherrschaftskriegern aufgesessen. Und es ist zu erwarten, daß die in wenigen Jahren hoffentlich noch überlebenden Anthroposophen die vertrauliche Verbindung von faschistophilen, angeblichen Anthroposophen zu den rotgrünen deutschen Neunazis unserer Zeit in analoger Weise werden aufarbeiten müssen, wie sie ähnliche Verbindungen von Anthroposophen zu den Nationalsozialisten des letzten Jahrhunderts schon in den vergangenen Jahren haben aufarbeiten müssen. Offensichtlich ohne zu jenem historischen Kern der Angelegenheit vorzudringen, wie er von Hermann Ploppa, Willy Wimmer, Wolfgang Effenberger, Markus Fiedler, Peter Haisenko und vielen anderen mit Vehemenz eingefordert, und bereits so gut das geht durch historische Forschung freigelegt wird. Es gehört wohl zur besonderen Tragik Witzenmanns, daß ausgerechnet er, der den Nationalsozialisten mit so viel Widerstand entgegenging und darunter gelitten hat, Schüler hervorbringt, die in ihrer unaufgeklärten Dummheit schon wieder den rotgrünen Neunazis von heute auf den Leim gehen, ohne zu ahnen was da vor einem dreiviertel Jahrhundert überhaupt geopolitisch durch den Anglo-Amerikanismus vorgegangen ist, und heute immer noch weiter vorgeht. Oder um es etwas allgemeiner mit dem stellvertretenden Finanzminister der früheren Reagan-Regierung, Paul Craig Roberts festzustellen: „Warum verhaftet sich die deutsche Regierung nicht selbst, weil sie gegen deutsches Recht verstößt und mit ihren Waffensystemen und ihrer diplomatischen Unterstützung für die ukrainischen Nazis den Nazismus aktiv unterstützt?“ - Eine Frage, die man auch an manchen rotgrünen Sympathisanten unter den Anthroposophen weiterreichen könnte. Was mit dem Irrläufertum Witzenmanns hinsichtlich Steiners Grundlagen zunächst nichts zu tun haben muß, wo er mit seinen Schülern erst ein großes Fest der Ignoranz bezüglich Steiners Grundlagen feiert, und im Gefolge davon dann auch noch Steiners Anthroposophie und Dreigliederung abschafft, die ja ohnehin nicht aus Witzenmanns obskurer Eigenphilosophie zu entwickeln wären. Da alle Kernelemente für Steiners Freiheitsphilosophie, Anthroposophie und komplementärer Naturwissenschaft dort bereits hinausgeworfen wurden. Ob Witzenmann in diesem Fall auch «so gute anglo-amerikanische Berater» zur Hand hatte, wie sie heute von seinen Schülern vorgeschlagen und beklatscht werden, um den Anthroposophen dann das kleine Einmaleins der Nebel-Anthroposophie wie Förster (siehe hier derzeit S. 716 ff; sowie hier), und von Steiners unauffindbaren Motiven (Clement) beizubringen, sei dahin gestellt. Witzenmanns Anhänger Heisterkamp jedenfalls gab sich in der Vergangenheit ja auch schon alle Mühe, den Anthroposophen einen Ken Wilber aufzuschwatzen, der wundersamerweise dann auch noch seinen Weg in die Witzenmann-Dissertation von Wagemann gefunden hat, während Steiner dem doktorierenden Witzenmannphilosophen kein einziges Kapitel wert war. Und ein kritischer Vergleich Steiners mit Witzenmann schon gar nicht. Womit eigentlich schon ziemlich klar wird, wohin die Reise der heutigen Witzenmanngemeinde gehen soll: Zu Steiners Grundlagen und seiner Anthroposophie jedenfalls nicht. Völlig ausschließen mag ich solche «hilfreichen» Berater bei Witzenmann dann auch nicht mehr. Bleibt doch auf jeden Fall die Frage, warum er sich über mehr als dreißig Jahre lang an einem Verständnisproblem mit einem unverstandenen methodischen Schlüsselbegriff Steiners hat festbeißen können, ohne jemals einen klärenden Blick in Steiners restliche Frühwerke zu werfen, wo es leicht zu lösen gewesen wäre. Für die gesellschaftswissenschaftlichen Umtriebe Witzenmanns und seiner Schüler spricht mehr noch das Hingezogensein zum Angloamerikanismus, wie es bei Witzenmann schon erkennbar war, und im Falle Heisterkamps und Schierens gewisse aberwitzige Höhepunkte erreichte. Wer einen Bericht von Frau Dithfurt über die Amerikahörigkeit und US-Wurzeln der deutschen Grünen liest und ähnliches bei Willy Wimmer (S. 141), der wird auf noch mehr Anlässe für diese Auffassung stoßen. Ob Witzenmann als Unternehmenserbe und mit Schülern aus reichen Familien mit einer eigenen Sozialphilosophie mit Steiners Dreigliederung überhaupt kompatibel war, ist eine spezielle Frage, die sich mehr an Dreigliederer wendet. Denn daß die Interessenlage von einflußreichen Unternehmererben innerhalb der Anthroposophie sich nicht unbedingt mit den Intentionen von Steiners Dreigliederung deckt, liegt auf der Hand und wäre deswegen eigens zu untersuchen. In jedem Fall aber käme es der Geopolitik eines materialistischen und eugenetisch-sozialdarwinistischen Anglo-Amerika äußerst gelegen, wenn Steiners Anthroposophie zugrunde geht, und diese Schmutzarbeit auch noch von Steiners eigenen Leuten besorgt wird. Siehe zu diesem Thema auch den Europäer, Heft 8, 2022, S. 27 ff und Frieder Sprich zur Frage: Weleda und die seltsam-zerstörerischen Hintergrundverbindungen zu Bill Gates. Wenn sie noch mögen, dann schauen Sie einmal in das Alverde Magazin des DM-Drogeriemarktes, wo Sie inzwischen die Kolumnen des von Bill Gates finanzierten Klimakomikers Hirschhausen studieren können. Inzwischen sind wir auch so weit, daß die digitalisierte Fassung von Steiners Gesamtausgabe, die ich selbst noch mit allen Suchfunktionen etc vor etlichen Jahren kaufen konnte, nur noch gegen einen happigen Betrag zu mieten ist. Damals (2007) bezahlte ich etwa 800 € für die wissenschaftliche Dauernutzung und heute verlangt man 144 € Miete allein für ein Jahr. Das Modell Gates, «Sie werden nichts mehr besitzen, aber ich alles!», scheint auch hier langsam zukunftsorientierte Früchte zu tragen. Ob die elektronische GA irgendwann auch nur gegen passende Sozialpunkte herausgerückt wird, werden wir vielleicht schon sehr bald erleben können. Und wenn niemand mehr etwas besitzt, so daß er sich auch nichts mehr kaufen kann, dann ist das Thema mit der Anthroposophie ohnehin sehr bald auf natürlichem Wege vom Tisch und nur noch gewissen Ständen vorbehalten, die sich mit dem System gemein machen. Daß man so etwas aus Steiners sozialer Dreigliederung und freiem Geistesleben herleiten kann, darf wohl bezweifelt werden. Aus dem kommenden Neo-Feudalismus der Globalmilliardäre schon eher. Wie gesagt, die fragwürdig enge Beziehung von «Anthroposophen» zur materialistisch totalitären Ideologie eines eugenisch orientierten Angloamerika, dem erklärten antagonistischen Gegensatz zum Goetheanismus, wie Steiner hier in GA-181, S. 478 ff unmissverständlich deutlich macht, harrt noch ihrer weiteren Aufarbeitung. Und wird zur Zeit in wenigen Ansätzen sichtbar. Es ist allerdings auch zu befürchten, und dafür gibt es bereits eine Reihe klarer Indizien, daß diejenigen innerhalb der anthroposophischen Bewegung, die aus dem Lager Witzenmanns kommend zur Zeit dort Macht und (auch politischen) Einfluß haben, alles unterdrücken werden, was der gediegenen inneren und auch philosophischen Aufklärung über Steiners Grundlagen dient, um am derzeitigen Staus Quo nichts zu ändern. Was allerdings nicht nur für die Anhänger Witzenmanns gelten muß. Inzwischen bestimmt offensichtlich auch hier von den verschiedensten Seiten her die anglo-amerikanische Geopolitik zusammen mit Globalmilliardären, wo es lang geht. - Ein deutliches Bild dieser Unterdrückungs-Szene zeichnete Dirk Pohlmann 2021 für die politisch-soziale Aufklärung im Januar und Februar 2021 hier und hier. Ähnlich Frau Sommerfeld bereits einige Jahre zuvor im April 2017. Da muß sich bei solchen Hintergründen auch niemand mehr über Hirschhausen-Kolumnen, dazu passende Spendenkonten bei der GLS Bank und Gates-Angriffe auf Weleda, - wie im Europäer beschrieben, - und die anthroposophische Medizin wundern. Ebenso wenig über solche auf Steiners erkenntniswissenschaftliche Grundlagen. Ein Mensch mit einem gesunden kriminalistischen Gespür wird da eher nicht an Einzelfälle und Zufälle denken, sondern wohl mehr an einen organisierten Zusammenhang. Zumal, wenn spezielle «anthroposophische» Spielmacher ausgerechnet in Zeiten von politischen Großverschwörungen und solchen von Globalmilliardären und WEF bei den Anthroposophen auch noch gegen «Verwörungstheoretiker» in aller Öffentlichkeit Stellung beziehen. Und gut organisiert für eine begleitende gruppenspezifische Vorbereitung dieser weltweiten Konspiration gegen die Freiheit des Menschen durch massive Verblindung und Verblödung ihrer anthroposophischen Klientel sorgen. Indem sie politische und philosophische Schlafmittel und Rosstäuschereien unter den Anthroposophen verteilen in Zeiten, wo Steiners Anhänger auf diesen Feldern hellwach sein müssten. Nun, dann dürfte auch allen anderen allmählich ein Licht aufgehen. Den von Frau Sommerfeld genannten Band der GA-333 zur Dreigliederung und freiem Geistesleben finden Sie hier, sowie alternativ hier und hier. 14. Witzenmanns Problem mit dem durchschauten Weltgeschehen Daß der hermeneutische Irrläufer Witzenmann mit seinem Steinerverständnis natürlich auch das Weltgeschehen nicht durchschaute, von dem er nicht einmal wusste, was Steiner überhaupt damit meinte, das versteht sich von selbst. Auch Witzenmann kam wie Kant «an die Sache nie heran», um mit Steiner zu sprechen. Witzenmanns Schüler ebenso wenig, wie wir oben aus allerjüngster Zeit wieder anhand von Wagemanns Witzenmann-Übersetzung demonstrierten. Im Gegensatz dazu kommt derjenige aber «an die Sache heran», der Wirkendes und Bewirktes in ihrem Zusammenhang unmittelbar erlebt. Das ist trivial. Dass er dann als Beobachter dieses Geschehens zugleich auch das Weltgeschehen durchschaut, liegt in der Natur dieser Sache, bleibt aber in aller Regel einem Steinerinterpreten (und nicht nur Savoldelli oder Wagemann) ein Buch mit sieben Siegeln, weil er die ganzen philosophischen Zusammenhänge und Lösungsbemühungen um das Kausalitätsproblem nicht kennt. Und demzufolge auch die denk-psychologischen Lösungsbemühungen Steiners nicht versteht, weil er sie mit den parallelen Bemühungen von Steiners Zeitgenossen zudem auch nicht in Verbindung zu bringen vermag. Die entsprechende Problemgeschichte der naturwissenschaftlichen Kausalerkenntnis muß er sich erst gesondert aneignen, um die naturerklärende Reichweite der Beobachtung des Denkens in Steiners frühen Begründungsschriften verstehen zu können. Es geht dabei ausnahmslos immer auch um das neuzeitliche Kausalitätsproblem und dessen Lösung, wie man schon eingangs der Philosophie der Freiheit gleich im ersten Kapitel, und ebenso eingangs ihres dritten Kapitels zu lesen bekommt. „Ist der Mensch in seinem Denken und Handeln ein geistig freies Wesen oder steht er unter dem Zwange einer rein naturgesetzlichen ehernen Notwendigkeit?“ So fragt ihr Verfasser direkt zu Beginn des Werkes im Kapitel I. Was dann auf den ersten Seiten ihres dritten Kapitels in etwas veränderter Form und mit einem Blick auf den physiologischen Psychologen und erklärten Kant-Hume-Anhänger Theodor Ziehen neuerlich vorgebracht wird. (Siehe Ziehen speziell in dessen Handbuch der physiologischen Psychologie, S. 170 f, wo er nicht als einziger einen Mechanismus des Denkens geltend macht.) Nur können sich anthroposophische und andere Interpreten in der Regel darauf keinen Reim machen, weil sie die neuzeitliche Problemgeschichte der empiristischen Kausalerklärung eben nicht kennen. Auch nicht die Tatsache, daß man zu Steiners Zeit dieses Problem analog wie Steiner auf dem Wege der inneren Beobachtung auf empirisch psychologischem Wege zu lösen suchte. So daß der psychologische Zeitgenosse Steiners, Oswald Külpe, von dem wir oben auf S. 9 bereits deswegen sprachen, auf S. 311 f mit Blick auf die mechanistischen Psychologen seiner Zeit nach Art Ziehens und F. A. Lange schreibt, sie gäben den Philosophen «Steine statt Brot». Und seinerseits in diesem Artikel S. 312 ff spricht von der «monarchischen Struktur des Seelenlebens». Das alles scheinen die anthroposophischen Interpreten nicht zu kennen. Als Interpreten können sie Steiners Kausalitäts-Anliegen dann erst recht nicht begreifen, wenn sie dazu auch noch im Vorfeld dessen am Verständnis der Beobachtung des Denkens gehindert werden, und vor der Frage stehen, wie jemand das Weltgeschehen durchschauen können sollte, wo er doch noch nicht einmal das aktuelle Denken laut Steiner beobachten kann. Und dann wie Witzenmann in all seiner Verständnislosigkeit mit einem «Erzeugungsproblem» darauf reagieren. (Siehe Wagemann oben, Kapitel 13.) Wo es dann eben darauf ankommt, was Steiner unter einer Beobachtung des Denkens überhaupt versteht, damit solche Mißverständnissse nicht aufkommen, und der Interpret womöglich glaubt, daß man das unbeobachtbare gegenwärtige Denken womöglich auch gar nicht erfahren kann. Siehe Witzenmann! - Auch bei Anthroposophen ist das eine regelmäßig und häufig anzutreffende Fehlinterpretation. Daß ihnen damit und bei all ihrer wissenschaftsgeschichtlichen Unkenntnis auch Steiners kausalitätsphilosophischer Lösungsansatz nebst seinem inneren Naturforschungsanliegen ganz zwangsläufig und unverstanden durch die Hände rinnt, liegt auf der Hand. Da bleibt eben auch Steiners unverstandene «allerwichtigste Beobachtung» aus der Philosophie der Freiheit inwischen regelmäßig auf der Strecke. Zumal dann, wenn sie aus der Schule Witzenmanns stammen, wo solche Denkansätze Steiners angesichts von Witzenmanns bizarrer «erkenntnistheoretischen Grundfrage», «Wie Unbeobachtbares zur Erinnerung werden kann?» schon prinzipiell jenseits aller Möglichkeiten liegen. Da ist am Ende des Tunnels überhaupt kein Licht mehr sichtbar. - Wir können die Sachlage hinsichtlich des Zusammenfallens von Wahrnehmung und Begriff inzwischen noch viel weiter eingrenzen und präzisieren. Steiner spricht wie gesagt bei der «erkennenden Betrachtung des Denkens» auch von einer «Gegenüberstellung». Das nicht nur in der Philosophie der Freiheit im Kapitel III, hier S. 26 ff, bzw. in der Erstauflage von 1894 im Kapitel IV hier S. 39, sondern bereits rund acht Jahre zuvor in den Grundlinien … von 1886 am Ende des Kapitels 4, auf S. 28 f, wo es diesbezüglich heisst: „Auch das Denken selbst erscheint uns zunächst als Erfahrungssache. Schon indem wir forschend an unser Denken herantreten, setzen wir es uns gegenüber, stellen wir uns seine erste Gestalt als von einem uns Unbekannten kommend vor. [] Das kann nicht anders sein. Unser Denken ist, besonders wenn man seine Form als individuelle Tätigkeit innerhalb unseres Bewußtseins ins Auge faßt, Betrachtung, d. h. es richtet den Blick nach außen, auf ein Gegenüberstehendes. Dabei bleibt es zunächst als Tätigkeit stehen. Es würde ins Leere, ins Nichts blicken, wenn sich ihm nicht etwas gegenüberstellte. [] Dieser Form des Gegenüberstellens muß sich alles fügen, was Gegenstand unseres Wissens werden soll. Wir sind unvermögend, uns über diese Form zu erheben. Sollen wir an dem Denken ein Mittel gewinnen, tiefer in die Welt einzudringen, dann muß es selbst zuerst Erfahrung werden. Wir müssen das Denken innerhalb der Erfahrungstatsachen selbst als eine solche aufsuchen.“ - «Wir müssen das Denken innerhalb der Erfahrungstatsachen selbst als eine solche aufsuchen», die dann als Erfahrungstatsache «gegenüberstellend zu betrachten ist»; um bei Steiners eigener Ausdrucksweise und Methode zu bleiben. Denn wer das Denken erforscht, so Steiner, «der muß es sich gegenüberstellen». Und es dann denkend betrachten. Diese Verfahrensweise der betrachtenden Gegenüberstellung gilt also nicht nur 1886, sondern gleichermaßen 1894 in der Philosophie der Freiheit. Und ebenso in ihrer Zweitauflage von 1918. Bei den Grundlinien ... bleibt es damit also nicht, sondern derselbe zwingende methodische Hinweis zur gegenüberstellenden denkenden Betrachtung des Denkens findet sich auch im dritten Kapitel der Philosophie der Freiheit. So an zentraler Stelle der Zweitauflage von 1918, auf S. 43 f / in der Ausgabe von 1958 auf S. 27: „Zwei Dinge vertragen sich nicht: tätiges Hervorbringen und beschauliches Gegenüberstellen. Das weiß schon das erste Buch Moses. An den ersten sechs Welttagen läßt es Gott die Welt hervorbringen, und erst als sie da ist, ist die Möglichkeit vorhanden, sie zu beschauen: «Und Gott sahe an alles, was er gemacht hatte; und siehe da, es war sehr gut.» So ist es auch mit unserem Denken. Es muß erst da sein, wenn wir es beobachten wollen“ So heißt es in der Zweitauflage von 1918. Und dasselbe auch auch in der ersten Erstauflage von 1894 im Kapitel IV, S. 39 f. Nun ist das Denken eben nicht nur der nachträglich begreifenden, gegenüberstellenden Beobachtung zugänglich, sondern selbstverständlich auch der unmittelbaren Erfahrung. Auch das bereits in den Grundlinien … von 1886. Dort im Kapitel 8., hier S. 44 f. Vorgebracht dort mit den Worten: „Tritt nun das Denken wirklich in einer Weise an uns heran, wird es unserer Individualität so bewußt, daß wir mit vollem Rechte die oben hervorgehobenen Merkmale für dasselbe in Anspruch nehmen dürfen? Jedermann, der seine Aufmerksamkeit auf diesen Punkt richtet, wird finden, daß ein wesentlicher Unterschied zwischen der Art besteht, wie eine äußere Erscheinung der sinnenfälligen Wirklichkeit, ja selbst wie ein anderer Vorgang unseres Geisteslebens bewußt wird, und jener, wie wir unser eigenes Denken gewahr werden. Im ersten Falle sind wir uns bestimmt bewußt, daß wir einem fertigen Dinge gegenübertreten; fertig nämlich insoweit, als es Erscheinung geworden ist, ohne daß wir auf dieses Werden einen bestimmenden Einfluß ausgeübt haben. Anders ist das beim Denken. Das erscheint nur für den ersten Augenblick der übrigen Erfahrung gleich. Wenn wir irgend einen Gedanken fassen, so wissen wir, bei aller Unmittelbarkeit, mit der er in unser Bewußtsein eintritt, daß wir mit seiner Entstehungsweise innig verknüpft sind. Wenn ich irgend einen Einfall habe, der mir ganz plötzlich gekommen ist und dessen Auftreten daher in gewisser Hinsicht ganz dem eines äußeren Ereignisses gleichkommt, das mir Augen und Ohren erst vermitteln müssen: so weiß ich doch immerhin, daß das Feld, auf dem dieser Gedanke zur Erscheinung kommt, mein Bewußtsein ist; ich weiß, daß meine Tätigkeit erst in Anspruch genommen werden muß, um den Einfall zur Tatsache werden zu lassen. Bei jedem äußeren Objekt bin ich gewiß, daß es meinen Sinnen zunächst nur seine Außenseite zuwendet; beim Gedanken weiß ich genau, daß das, was er mir zuwendet, zugleich sein Alles ist, daß er als in sich vollendete Ganzheit in mein Bewußtsein eintritt. Die äußeren Triebkräfte, die wir bei einem Sinnenobjekte stets voraussetzen müssen, sind beim Gedanken nicht vorhanden. Sie sind es ja, denen wir es zuschreiben müssen, daß uns die Sinneserscheinung als etwas Fertiges entgegentritt; ihnen müssen wir das Werden derselben zurechnen. Beim Gedanken bin ich mir klar, daß jenes Werden ohne meine Tätigkeit nicht möglich ist. Ich muß den Gedanken durcharbeiten, muß seinen Inhalt nachschaffen, muß ihn innerlich durchleben bis in seine kleinsten Teile, wenn er überhaupt irgendwelche Bedeutung für mich haben soll.“ - Damit haben wir einen relativ langen und hoch interessanten Sachverhalt vor uns. Der Gedanke zeigt «sein Alles». Weil wir es hier «nicht mit unzugänglichen äußeren Triebkräften zu tun haben, sondern mit der erlebten eigenen Tätigkeit», die ihn erst zur Erscheinung bringt. Wir haben demnach beim Denken Wirkendes und Bewirktes unmittelbar im Bewußtsein vorliegen. Was laut Steiner bei keiner einzigen «äußeren» Tatsache der Welt der Fall ist. (Dasselbe noch einmal mit besonderer Emphase hervorgehoben in Goethes Weltanschauung von 1897, S. 67 - 72; in der späteren GA-6 von 1990 auf S. 83 ff.) Es ist dies der Grund, warum laut Steiner das Denken bereits in unmittelbarer Erfahrung sein Wesen enthält, wie er rückblickend im Kap 15, S. 86 der Grundlinien … eigens noch einmal anführt: „Wir erinnern uns, warum eigentlich das Denken in unmittelbarer Erfahrung bereits sein Wesen enthält. Weil wir innerhalb, nicht außerhalb jenes Prozesses stehen, der aus den einzelnen Gedankenelementen Gedankenverbindungen schafft. Dadurch ist uns nicht allein der vollendete Prozeß, das Bewirkte gegeben, sondern das Wirkende.“ In Goethes Weltanschauung wird das Anliegen der Grundlinien … und seiner Ausgestaltung in der Philosophie der Freiheit gewissermaßen noch einmal kombiniert, und gleichzeitig mit einer Kritik an Goethe verknüpft, die es weder in den Grundlinien, noch in der Philosophie der Freiheit gab. Nur in mittelbarer Form in Wahrheit und Wissenschaft (am Ende der Vorrede, S. 6) dahingehend, dass Steiner dort seine gedankliche Unabhängigkeit von Goethe in Anspruch nahm, die in der «kombinierten» Variante von Goethes Weltanschauung dann noch einmal speziell beleuchtet wird. Dahingehend, daß Goethe den Weg über die Beobachtung des Denkens nie habe gehen wollen / und können. Darin wiederum unterscheidet sich Steiner von ihm natürlich fundamental über alle Grundschriften hinweg. So daß man mit Steiner auch von Goethe sagen muß, er hat die «wirkende Idee» in der Gestalt des eigenen, sich selbst tätig beobachtenden Denkens nie zum Thema gemacht, und in dieser Weise Steiners natürlich auch das «Weltgeschehen» nie durchschaut. Bei allem Idealismus und Ideenrealismus Goethes. Das alles sollte man im Auge behalten angesichts Steiners oben erwähnter kritisch abgrenzender Bemerkung zu Hegel, daß es ihm (Steiner) vornehmlich darum gehe, den Prozeß ins Auge zu fassen, durch den Begriffe und Ideen erst gewonnen werden. In diesem Prozeß wiederum, - und das ist jetzt die naturwissenschaftliche Dimension des Erkenntnisproblems, - liegt ein erlebter Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem vor, der in der Ausprägung eines Kausalzusammenhanges, der ja ebenfalls ein Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem ist, eine endlose Herausforderung der naturwissenschaftlichen Grundlagenforschung darstellte, wie Steiners Hinweis auf Kant und die Dogmatismen von Offenbarung und Erfahrung im Kapitel 14 der Grundlinien … zeigt. Die «an die Sache nie herankommen», wie es bei Steiner heißt (hier S. 82). So schreibt er dort: „Fassen wir einmal streng ins Auge, wie eine Behauptung der Wissenschaft zustande kommen kann. Sie verbindet zwei Dinge: entweder einen Begriff mit einer Wahrnehmung oder zwei Begriffe. Von letzterer Art ist z. B. Die Behauptung: Keine Wirkung ohne Ursache. Es können nun die sachlichen Gründe, warum die beiden Begriffe zusammenfließen, jenseits dessen liegen, was sie selbst enthalten, was mir daher auch allein gegeben ist. Ich mag dann noch immerhin irgend welche formelle Gründe haben (Widerspruchslosigkeit, bestimmte Axiome), welche mich auf eine bestimmte Gedankenverbindung leiten. Auf die Sache selbst aber haben diese keinen Einfluß. Die Behauptung stützt sich auf etwas, das ich sachlich nie erreichen kann. Es ist für mich daher eine wirkliche Einsicht in die Sache nicht möglich; ich weiß nur als Außenstehender von derselben. Hier ist das, was die Behauptung ausdrückt, in einer mir unbekannten Welt; die Behauptung allein in der meinigen. Dies ist der Charakter des Dogmas. Es gibt ein zweifaches Dogma. Das Dogma der Offenbarung und jenes der Erfahrung. Das erstere überliefert dem Menschen auf irgendwelche Weise Wahrheiten über Dinge, die seinem Gesichtskreise entzogen sind. Er hat keine Einsicht in die Welt, der die Behauptungen entspringen. Er muß an die Wahrheit derselben glauben, er kann an die Gründe nicht herankommen. Ganz ähnlich verhält es sich mit dem Dogma der Erfahrung. Ist jemand der Ansicht, daß man bei der bloßen, reinen Erfahrung stehen bleiben soll und nur deren Veränderungen beobachten kann, ohne zu den bewirkenden Kräften vorzudringen, so stellt er ebenfalls über die Welt Behauptungen auf, zu deren Gründen er keinen Zugang hat. Auch hier ist die Wahrheit nicht durch Einsicht in die innere Wirksamkeit der Sache gewonnen, sondern sie ist von einem der Sache selbst Äußerlichen aufgedrängt.“ - So Steiner im Kap. 14, und macht dabei gleich mit deutlich, daß es ihm dabei zugleich um die «bewirkenden Kräfte» geht, deren Erkenntnis anzustreben sei. Deren Erkenntnis aber ist in beiden dargelegten Formen des Dogmatismus ausgeschlossen. Mit Kant ist bei der Kausalerkenntnis und der Erkenntnis wirkender Kräfte also empirisch nichts zu holen, lautet sein Fazit. Weil er mit seinen Mitteln an die Sache nicht herankommt. Nicht herankommt an den Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem repektive an die «bewirkenden Kräfte». Was ja auch Kants persönlicher Auffassung entsprach wie Sie besonders prägnant seinen Prolegomena schon in der Vorrede (ab S. 6) entnehmen können. „Ich gestehe frei, die Erinnerung des David Hume war eben dasjenige, was mir vor vielen Jahren zuerst den dogmatischen Schlummer unterbrach, und meinen Untersuchungen im Felde der spekulativen Philosophie eine ganz andere Richtung gab. … Ich versuchte also zuerst, ob sich nicht Humes Einwurf [gegen die kausale Naturerklärung, MM] allgemein vorstellen ließe, und fand bald: daß der Begriff der Verknüpfung von Ursache und Wirkung bei weitem nicht der einzige sei, durch den der Verstand a priori sich Verknüpfungen der Dinge denkt, vielmehr, daß Metaphysik ganz und gar daraus bestehe." Die ganze Kritik der reinen Vernunft, sein kritisches Hauptwerk, war Kants Worten zufolge darauf angelegt, das «Humesche Problem» der Kausalerkenntnis auf einer allgemeineren Ebene und fern von jeder empirischen Erkenntnis, nämlich rationalistisch / metaphysisch zu lösen. So Kant dort in der Kirchmannausgabe auf S. 8. Daß Kant darüber hinaus auch von der empirischen Psychologie als einer ernst zu nehmenden Wissenschaft nicht viel hielt, läßt sich ganz unmissverständlich seiner Vorrede zu den Metaphysischen Anfangsgründen der Naturwissenschaft entnehmen. Kant, der schon von (S. 6) der Chemie nichts hielt, und ihr damals den Rang einer Wissenschaft verwehrte, siedelte die Psychologie noch weit unterhalb einer Chemie an, die seiner Einschätzung zufolge nie in den Stand einer soliden mathematisierbaren Naturwissenschaft würde gelangen können. Für die Psychologie sah es seiner Auffassung nach noch um ein Vielfaches düsterer aus: „Noch weiter aber, als selbst Chemie, muss empirische Seelenlehre jederzeit von dem Range einer eigentlich so zu nennenden Naturwissenschaft entfernt bleiben, erstlich, weil Mathematik auf die Phänomene des inneren Sinnes und ihre Gesetze nicht anwendbar ist, [...] Aber auch nicht einmal als systematische Zergliederungskunst oder Experimentallehre kann sie der Chemie jemals nahe kommen, weil sich in ihr das Mannigfaltige der inneren Beobachtung nur durch blosse Gedankentheilung von einander absondern, nicht aber abgesondert aufbehalten und beliebig wiederum verknüpfen, noch weniger aber ein anderes denkendes Subject sich unseren Versuchen, der Absicht angemessen, von uns unterwerfen lässt, und selbst die Beobachtung an sich schon den Zustand des beobachteten Gegenstandes alterirt und verstellt. Sie kann daher niemals etwas mehr als eine historische, und, als solche, so viel möglich systematische Naturlehre des inneren Sinnes, d. i. eine Naturbeschreibung der Seele, aber nicht Seelenwissenschaft, ja nicht einmal psychologische Experimentallehre werden; ..." (Vorrede, S. 7) Mit dem selbstbeobachtenden psychologischen Erkennen des eigenen Denkens einen empirischen Weg zur Lösung des Kausalitätsproblems zu suchen, wäre ihm schon von daher ganz unmöglich gewesen. Die Suche nach den Kräften der Natur im Menscheninneren, wie es in Steiners Kapitel II der Philosophie der Freiheit ganz ausdrücklich formuliert wird, wäre deswegen für Kant schlechterdings ein Unding gewesen. Während für Steiner die Verhältnisse vollkommen anders lagen. Das Erkennen und Erleben von wirkenden Kräften ist laut Steiner allein möglich bei der erlebten Erkenntnis des Denkens. Weil da für Steiner bereits dieser Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem in der unmittelbaren Erfahrung vorliegt und nirgendwo sonst. Daß Steiner bei der im Kapitel 14 der Grundlinien … schon angedeuteten kantianistischen Misere der empirischen Naturwissenschaft dann in der 1894 nachfolgenden Philosophie der Freiheit die Beobachtung des Denkens zur «Allerwichtigsten erklärt, die der Mensch machen kann», versteht sich angesichts der 1886 am Beispiel Kants behandelten empirischen Zwangslage mit ihrem Erklärungsnotstand des kritischen / skeptischen Empirismus weitgehend von selbst. Denn die «allerwichtigste Beobachtung» aus der Philosophie der Freiheit rekurriert ganz explizit auf den erlebten Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem im Denken. Es geht dort um erlebte und durchschaute schöpferische Produktivität im Denken. Etwas, was Kant als erklärter Metaphysiker von Naturwissenschaft und Kausalerkenntnis zusammen mit Hume niemals fand. Und erst recht nicht auf empirischem Wege im erlebten Denken. Der Umschwung von Kant der nicht einmal eine sichere Kausalerkenntnis für möglich hielt, zu Steiner ist so gesehen wirklich gewaltig. Insofern, als Steiner sogar die Naturwissenschaft – das «naturwissenschaftlich Sichere», - mit den Mitteln einer seelischen Beobachtung begründete, vor der Kant sich damals buchstäblich, so möchte man sagen, bekreuzigte. Als Ergänzung dazu noch einmal der Hinweis, daß Steiner bereits in der frühen Auseinandersetzung mit Eduard von Hartmann (1887) von der «verursachenden Idee» spricht. Und damit im Zusammenhang den menschlichen Willen als «Idee» bezeichnet, „diese als Kraft aufgefaßt.“ (GA-1, Dornach, 1987, S. 196 ff). Dasselbe bereits dargelegt in den Grundlinien … von 1886 (siehe nachfolgend). Ein Analogon dazu findet sich wiederum im später skizzierten anthroposophischen Schulungsweg, wo Steiner anlässlich der Gedankenübung von einer «Willenswirklichkeit» spricht, die «ihre Wirklichkeit in sich selbst trägt». (GA-35, S. 276 f) Für einen Ideenrealisten wie Steiner, für den die gesamte Natur einen organisierten Weisheitszusammenhang der «umfassenden Idee» darstellt, ist es natürlich naheliegend, die wirkenden Kräfte (Ideen) der Welt und ihres «Urgrundes» zuallererst mit ihrer Wirksamkeit in Form kraftender und wirkender Ideen im eigenen Denken zu suchen; - dort wo auch Ideen unmittelbar erlebbar schöpferisch hevorgebracht werden. Und dieses ideenrealistisch-naturwissenschaftliche Forschungsziel läßt sich bei Steiner von Anfang an eindeutig belegen. Insbesondere natürlich in den Grundlinien … von 1886. Ganz unmissverständlich dort ausgesprochen schon im Kapitel 8 mit seiner Aussage von der Denktätigkeit als «tätigem Gedankengehalt der Welt». (GA-2, S. 46 ff) Wenn er dann 11 Jahre später in Goethes Weltanschauung S. 70 vom «durchschauten Weltgeschenen anhand der Beobachtung des Denkens» spricht, dann liegt das auf der Hand. Wie es ebenso auf der Hand liegt, wenn er ebendort im selben Zusammenhang von der «durschauten Idee bei der Beobachtung des Denkens» spricht: „An dem Zustandekommen aller übrigen Anschauungen ist der Mensch unbeteiligt. In ihm leben die Ideen dieser Anschauungen auf. Diese Ideen würden aber nicht da sein, wenn in ihm nicht die produktive Kraft vorhanden wäre, sie zur Erscheinung zu bringen. Wenn auch die Ideen der Inhalt dessen sind, was in den Dingen wirkt; zum erscheinenden Dasein kommen sie durch die menschliche Tätigkeit. Die eigene Natur der Ideenwelt kann also der Mensch nur erkennen, wenn er seine Tätigkeit anschaut. Bei jeder anderen Anschauung durchdringt er nur die wirkende Idee; das Ding, in dem gewirkt wird, bleibt als Wahrnehmung außerhalb seines Geistes. In der Anschauung der Idee ist Wirkendes und Bewirktes ganz in seinem Innern enthalten. Er hat den ganzen Prozeß restlos in seinem Innern gegenwärtig. Die Anschauung erscheint nicht mehr von der Idee hervorgebracht; denn die Anschauung ist jetzt selbst Idee. Diese Anschauung des sich selbst Hervorbringenden ist aber die Anschauung der Freiheit. Bei der Beobachtung des Denkens durchschaut der Mensch das Weltgeschehen. Er hat hier nicht nach einer Idee dieses Geschehens zu forschen, denn dieses Geschehen ist die Idee selbst. Die sonst erlebte Einheit von Anschauung und Idee ist hier Erleben der anschaulich gewordenen Geistigkeit der Ideenwelt.“ Im Prinzip war das alles bereits 1886 in den Grundlinien … schon so ausgesprochen. Nun, Dogmatiker von Offenbarung und / oder Erfahrung sind neben Metaphysikern unter den Wissenschaftsphilosophen wie Kant auch alle naturwissenschaftlichen Physikalisten, weil sie «nie an die Sache herankommen», wenn sie einen Kausalzusammenhang behaupten, ohne eine wirkliche Einsicht in die sachlichen Gründe dieses Zusammenhangs zu haben. Und dann auf Kant oder Hume und deren gegenwärtige Abkömmlinge in Begründungsfragen setzen. - Was Steiner in jenem Kapitel 14 der Grundlinien… darlegte, gilt heute noch ganz genau so. Insofern ist es naturwissenschaftlich und werkgenetisch von besonderer Tragweite, wenn Steiner bei der Beobachtung des Denkens schon 1886 einen «erlebten Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem» geltend macht, und davon 1897 in Goethes Weltanschauung (hier S. 70) schreibt, daß «der Beobachter des Denkens das Weltgeschehen durchschaut». Insofern muß man sich über das vorrangig induktiv naturwissenschaftliche Anliegen von Steiners früher Erkenntniswissenschaft, das in allen seinen damaligen Begründungswerken regelrecht in die Augen springt, wirklich nicht mehr streiten. Es geht in diesen Begründungsschriften um den empirischen Naturforschungs-Zugang zu einer Geist-Natur, wie er es in Anlehnung an Goethes Essay Die Natur im zweiten Kapitel der Philosophie der Freiheit ebenfalls formulierte. Was hinreichend verdeutlicht, dass der unmittelbar erlebte Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem, wie er von Steiner betont wird, von ausserordentlicher Bedeutung für die empirisch-naturwissenschaftliche Welterklärung ist. Weil er anderswo eben nicht zu erleben ist. Was wiederum verständlich macht, daß der Mensch als komplementärer Naturforscher laut Goethes Weltanschauung «bei der Beobachtung des Denkens das Weltgeschehen durchschaut», wie es 1897 (S. 70) hieß. Weil er bei der Beobachtung des Denkens eine unmittelbare Einsicht nicht nur in die logischen Verhältnisse, sondern, und das gilt ja für den Naturwissenschaftler vor allen Dingen und mit Vorrang: Vor allem in den Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem hat. Mit der Logik allein und ihren Prinzipen, das zeigt Steiners Kapitel 14 der Grundlinien …, kommt man beim Verständnis von Naturwirksamkeiten nicht weit. Man kann und muss sich sich zwar an logischen Prinzipen wie Widerspruchsfreiheit etc orientieren, das allein reicht indessen nicht. Denn was nützt es, wenn man die eigentlichen sachlichen Erklärungsgründe nicht kennt und zudem auch noch behauptet, sie niemals kennen zu können. In diesem Fall baut man nur noch hypothetisch-illusionäre Welterklärungsluftschlösser, die auch beliebig anders aussehen können, so weit sie eben formal-logisch einigermassen konsistent sind. Unter derartigen Voraussetzungen kann man mit Kant auch gleich wie hier S. 6 ff Metaphysiker der Naturwissenschaft bleiben, ohne irgend etwas zu ihrem wirklichen empirischen Verständnis beitragen zu können. Und mit seinen logischen Zaubereien damit dann ganz zwangsläufig beim Irrealismus eines unerkennbaren Dinges an sich enden. - Den Prozeß des Denkens und ebenso sein Resultat, den Gedankeninhalt, habe ich in unmittelbarer Erfahrung vorliegen. - So Steiner bereits 1886 auf S. 56 der Grundlinien … . «Wir stehen innerhalb, nicht außerhalb jenes Prozesses, der aus den einzelnen Gedankenelementen Gedankenverbindungen schafft. Und infolgedessen ist uns nicht allein der vollendete Prozeß, das Bewirkte gegeben, sondern auch das Wirkende.» Eine Feststellung im Kapitel 15, die wahrlich nicht ganz zufällig gleich dem Kapitel mit der kritischen Betrachtung zu Kants Kausalitätsproblem und den beiden Dogmatismen nachfolgt. Diese Sachlage vom «erlebten Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem» firmiert später in der Philosophie der Freiheit (hier S. 181, oder alternativ hier, S. 256) auch unter dem Terminus «intuitiv erlebtes Denken», als einer «Wahrnehmung, in der der Wahrnehmende selbst tätig ist. Und einer Selbstbetätigung, die zugleich wahrgenommen wird.» Dort zwar in den Zusätzen von 1918 platziert, aber der Sache nach längst schon, wie der Leser sieht, in den Grundlinien … von 1886 vorhanden unter dem Stichwort «erlebter Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem.» Was 1886 bereits in den Grundlinien … zu lesen war, das wird dort in den Zusätzen von 1918 noch einmal aufgenommen und zusätzlich bekräftigt. - Man kann das gar nicht oft genug wiederholen wenn es um die Frage der Beobachtung des Denkens bei Steiner geht. Denn es wird schon 1886 klipp und klar gesagt, daß der Tätigkeitsprozeß des Denkens natürlich ebenfalls in der unmittelbaren Erfahrung als «Wirkendes» vorliegt und nicht nur das von ihm «Bewirkte». Was ja in Wahrheit und Wissenschaft im Kapitel IV hier S. 37 ausdrücklich noch einmal und neuerlich im Rückgriff und im Zusammenhang mit dem Begriff der Kausalität wiederholt wird. Desgleichen in der Philosophie der Freiheit. Sowie 1897 dann noch einmal in aller Dringlichkeit und Prägnanz in der Schrift Goethes Weltanschauung im Kapitel Die Metamorphose der Welterscheinungen (hier in der Erstauflage von 1897, S. 70; in der GA-06 von 1990 auf S. 85 ff). Wenn Sie sich jetzt noch einmal Steiners Auseinandersetzung mit dem Kausalitätsproblem Kants im Kapitel 14 S. 81 ff der Grundlinien … ansehen, dann wird Ihnen wie gesagt einiges noch weit klarer werden, was Steiner mit dem erlebten Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem und der Beobachtung des Denkens mit Blick auf das Weltgeschehen alles verbindet. Eine weit ausführlichere Betrachtung dazu finden Sie wie gesagt in meiner längeren Studie, Bildende Kräfte und Rudolf Steiners Philosophie der Freiheit, die der Frage der inneren Kausalität im Zusammenhang mit der Beobachtung des Denkens ausgedehnt auch philosophiegeschichtlich und im Zusammenhang mit dem Kausalitätsproblem von Hume und Kant nachgeht. Hier im vorliegenden Kapitel würde uns das jetzt zu weit führen. Weswegen ich hier 2022 nur einiges ergänze, was mir zur Präzisierung des seit circa 10 Jahren hier vorliegenden Kapitels sehr wichtig erschien. - Das Denken wird demnach, wenn man bei Steiners Ausdrucksweise bleibt, vom Denken "gesehen". In diese Richtung zielt auch sein Hinweis von Kap. IX, hier, S. 101 der Philosophie der Freiheit: "Im Betrachten des Denkens selbst fallen in eines zusammen, was sonst immer getrennt auftreten muß: Begriff und Wahrnehmung." Der unmittelbar vorangehende sachliche Kontext des Zitats ist der Frage gewidmet, womit oder wodurch das Denken zu erklären sei. Das Denken, so Steiner auf könne "unmittelbar angeschaut" werden und weist hirnphysiologische Erklärungen ebenso zurück wie Ansätze, die das Denken auf unbewußte Vorgänge zurückführen wollen. Das Zusammenfallen von Wahrnehmung und Begriff steht hier also im Konnex mit der Selbsterklärung beziehungsweise Erkenntnis des Denkens und bedeutet, daß der beschreibende Begriff, der mir bei der Beobachtung des Denkens aufgeht, gleichzusetzen ist mit der Anschauung des Denkens. Das Denken kann also nur durch Begriffe «angeschaut» oder «gesehen» werden. Oder wenn wir noch präziser sein wollen: begriffen werden! Denn darum geht es ja im vorliegenden Fall. Und zwar auf einer rein deskriptiven Ebene. Wie es zudem beim Begreifen bei Steiner ganz allgemein notwendig ist, gehört dazu auch die Wahrnehmung der individuellen begreifenden Denktätigkeit, ohne welche das Denken gar nicht zu begreifen ist. Schon gar nicht induktiv auf empirischen Wege. Letzteres sage ich auch hier in ausdrücklicher Abgrenzung von Herbert Witzenmann, der im Kapitel Intuition und Beobachtung im gleichnamigen Band Nr. 1, Stuttgart 1977 auf S. 83 in der Anmerkung 83 seinem Leser erklärt: „Das Denken kann nicht, wie es die materialistischen Denker anstreben, »durch einen bloßen Beobachtungsprozeß« in derselben Art wie die anderen Gegenstände des Weltinhaltes gefunden werden. Vielmehr entzieht es sich der »normalen Beobachtung« und ist nur einem »Ausnahmezustand« des Beobachtens, nämlich der Intuition zugänglich.“ - Damit hat Witzenmann Steiners Frühschriften faktisch auf das bloße Niveau jener klassischen Metaphysik degradiert, die für ihre rationalen Konstruktionen keine empirische Grundlage, sondern es nur mit ausgedachten Gegenständen zu tun hat. Und für begriffliche Konstruktionen, auch der rein metaphysischen Art, sind nun einmal Intuitionen zuständig, weil ich die natürlich für meine Begriffsbildung benötige. Auch für eine rein metaphysische. Das wäre auch bei Rudolf Steiner nicht anders. Begriffe allein allerdings, das wissen wir auch von Steiner, garantieren noch längst keine Wahrheit, sondern bieten nur eine halbe und gegebenenfalls nur ausgedachte Schein-Wirklichkeit. Deswegen war der Empirist Steiner auch kein Metaphysiker. Was bei Witzenmann aber eher so ist. Während Steiner ganz anders vorgeht als Witzenmann. Wir werden auch gleich sehen, warum dem so ist. Und warum sich das bei Steiner so vollkommen anders verhält als bei Witzenmann: Im Gegensatz nämlich zu Witzenmann existiert bei Steiner eine Wahrnehmung der eigenen Denkaktivität, die es bei Witzenmann nicht gibt. Deswegen ist Steiner auch kein rationalistischer Metaphysiker mit «Erzeugungsproblemen» wie Witzenmann, sondern Empirist und induktiver Ideen- respektive Geistesforscher. Ein maßgebliches Unterscheidungskriterium zwischen Steiner und Witzenmann ist die Wahrnehmung der eigenen Denk-Aktivität, des «Wirkenden», wie Steiner in den Grundlinien, Kap. 15 (S. 86) schreibt, die bei Witzenmann in einer unmittelbar erlebten Form schlechterdings nicht existiert, sondern lediglich in einer erdachten. Während Steiner grundlegend darauf, auf der unmittelbaren Erfahrung der eigenen Aktivität des Denkens aufbaut. In sämtlichen Frühschriften Steiners ist das so. Wenn der Leser sich erst einmal darum bemüht, wird er hoch erstaunt darüber sein, wie klar und regelmäßig diese Sachlage von Steiner ausgesprochen wird. Die erlebte Aktivität des Denkens ist bei Steiner der entscheidende empirische Bezugspunkt seiner Erkenntniswissenschaft, - «als das volle Erleben der Aktivität des Denkens», wie es bei ihm später rückblickend auf seine Philosophie der Freiheit noch heißt (GA-78, Dornach 1968, S. 41 f. Vortrag vom 30. August 1921.) Während es diese erlebte Aktivität des Denkens, die von Steiner beständig und mit großem Nachdruck in den Frühschriften betont wird, bei Witzenmann, - und vor allem laut dessen Steinerinterpretationen erklärtermaßen gar nicht gibt, obwohl Steiner von 1886 bis 1897 in den Frühschriften kontinuierlich darüber spricht und daran alles weitere fest macht. Stattdessen existiert bei Witzenmann nachweislich seit 1948 ein in Steiners Begründungswerk hineininterpretiertes «Erzeugungsproblem» bis 1983 anhaltend, und den Denk-Akt lediglich in einer ebenso interpretierten, rein rationalistischen Variante als erdachten Denk-Akt. Wenn ich aber keine Wahrnehmung meiner eigenen Denkaktivität habe, wie Witzenmann, dann bleiben natürlich nur noch jene begrifflichen Konstruktionen anhand von Intuitionen übrig, die Witzenmann dann für seine erschlossenen Denkakte benötigt, die er in Wirklichkeit und laut eigenen Aussagen nie erlebt, sondern lediglich begrifflich erdichtet hat. Wie gesagt sind das ganz überwiegend Interpretationen Witzenmanns, in denen Steiner eine solche Auffassung unterstellt wird. Während es sich bei Steiner komplett anders verhält. In dieser empirischen Schlüsselfrage sind Witzenmanns Steinerexegesen nachweislich falsch, wie sich leicht am Originalwerk Steiners überprüfen läßt. Übrigens sind solche exegetischen Verstiegenheiten à la Witzenmann in der anthroposophischen Bewegung keine Seltenheit, wie wir auch in den übrigen Kapiteln dieser Studie etwa im Kapitel 6. 4 am Beispiel Kühlewinds gesehen haben. Der davon sprach, daß im ersten Teil der Philosophie der Freiheit von der Tätigkeit des Denkens gar keine Rede sei. Während in Wirklichkeit das Gegenteil der Fall ist, wie der Leser leicht evaluieren kann. Bei einem anderen bekannteren anthroposophischen Interpreten, Helmut Kiene, findet sich in dessen Buch, Grundlinien einer essentialen Wissenschaftstheorie von 1984 auf S. 150 sogar sehr ähnlich wie bei Witzenmann die hermeneutische, logische und empiristische «Meisterleistung» formuliert, «daß sich das Denken dem Bewußtsein entzieht, weil man es selbst hervorbringt». So ein Unsinn kursiert heute noch unverändert als anthroposophisches Schrifttum auf dem Markt, weil es wie im Fall Witzenmanns offenbar immer noch die Mentalität vieler Menschen aus den Reihen der Anthroposophen anspricht, und die Verfasser ebenso wie die späteren Herausgeber und Leser solcher abstrusen Interpretationen selbst auch nichts dazu gelernt haben. Dazu lernen hätten können allein dadurch, indem sie Steiners erkenntniswissenschaftliche Grundlagen nur einmal angemessen in Augenschein nehmen. Sich aber stattdessen wie die Anhänger Witzenmanns seit vielen Jahrzehnten hartnäckig weigern, das überhaupt zu tun, wie wir ganz explizit von Wagemann oben neuerlich gehört haben. Treten wir der Sache etwas näher: Zunächst einmal ist der von Witzenmann oben angeführte Gedankengang, das Denken sei nur in einem »Ausnahmezustand« des Beobachtens, nämlich der Intuition zugänglich“, in mehrfacher Hinsicht verwirrend und auch irreführend. Zum einen, weil der von Steiner genannte «Ausnahmezustand» in der «gegenüberstellenden Betrachtung von Erfahrungen des Denkens» besteht, wie wir oben bereits anläßlich Steiners Grundlinien… erläutert haben, wo er auch schon existiert. Darauf beruft sich Steiner auch in der Philosophie der Freiheit vor allem mehrfach im dritten Kapitel, und am markantesten hier: „Zwei Dinge vertragen sich nicht: tätiges Hervorbringen und beschauliches Gegenüberstellen.“ (hier S. 27) Soll sagen: Ich kann nicht zwei Aktionen zugleich ausführen: Nämlich auf der einen Seite meine Begriffe tätig hervorbringen, und mir gleichzeitig dieses aktuelle Hervorbringen der Begriffe betrachtend gegenüberstellen. Denn das (die erkennende / betrachtende Gegenüberstellung) verläuft auch nur denkend, was ja auch der Sinn dieser gegenüberstellenden Betrachtung schon in den Grundlinien von 1886 ist. Nämlich durch die gegenüberstellende Betrachtung von Erfahrungen des Denkens das Denken zu begreifen. Wie ich es vor über zwanzig Jahren (2001) im Resümee zu dieser Studie schon gesagt habe, geht es folglich um ein doppeltes Begreifen bei der Erkenntnis des Denkens. Nämlich um das erkennende Betrachten meines erkennenden Denkens. Das wiederum ist in beiden Fällen eine Aufgabe des Denkens, die verständlicherweise nicht gleichzeitig, sondern nur in zwei Schritten verlaufen kann, wie Steiner im dritten Kapitel der Philosophie der Freiheit ausführt. Diese betrachtende Gegenüberstellung kann aber auch, und das ist Steiners Kernargument zu dieser Beobachtung, qualitativ nicht verschieden sein vom erkennenden Denken. Was als Sachverhalt natürlich einleuchtend ist, und von jedem Leser auch faktisch nachvollzogen werden kann. Dazu muß er weder Psychologe, und schon gar nicht Philosoph sein, um die Sachlage für sich handfest zu überprüfen und als Tatsachenfeststellung für sich selbst wasserdicht zu machen. Probieren Sie es aus! - Die Erfahrungen des Denkens einschließlich der Aktivitätserfahrung wiederum müssen als solche natürlich vorhanden sein, sonst könnte der Mensch nicht denken, sondern wäre lediglich ein biologischer Automat, wie vielfach geglaubt wird. Könnte dieses Denken auch nicht beobachten und gegenüberstellend betrachten, denn dazu gehört die Erfahrung des eigenen Denkens nicht nur als Objekt, sondern auch als Tätigkeit dazu, da ja Beobachtungstätigkeit und Objekt dieser Beobachtung in der Philosophie der Freiheit laut ihrem drittem Kapitel wesensgleich sind. Also ist in der bloßen Erfahrungsform bereits das Denken, – allerdings noch unbegriffen, – bei jedem vorhanden. Auch als innere Aktivität. Auf der Ebene der «reinen Erfahrung des Denkens», wie Steiner das über mehrere Kapitel der Grundlinien … nennt. Natürlich auch erlebte Intuitionen, - die ebenfalls unbegriffen, - bei jedem begrifflichen Denkprozeß vorhanden sind. Nur in den Grundlinien, wie wir oben schon erläutert haben, noch nicht so genannt, sondern erstmals in der Philosophie der Freiheit von 1894 im damaligen Kapitel VI, hier S. 94 und öfter. Die «gegenüberstellende Betrachtung» (im Ausnahmezustand) wiederum findet sich ebenfalls bereits in den Grundlinien von 1886 dargelegt im dortigen Kapitel 4; allerdings dort nicht mit dem Ausdruck «Ausnahmezustand» bezeichnet, sondern nur mit dem des «Gegenüberstellens»: „Dieser Form des Gegenüberstellens muß sich alles fügen, was Gegenstand unseres Wissens werden soll. Wir sind unvermögend, uns über diese Form zu erheben. Sollen wir andem Denken ein Mittel gewinnen, tiefer in die Welt einzudringen, dann muß es selbst zuerst Erfahrung werden. Wir müssen das Denken innerhalb der Erfahrungstatsachen selbst als eine solche aufsuchen.“ So Steiner. (hier S. 28 f) In der Philosophie der Freiheit findet es sich dann, wie wir sahen im dritten Kapitel. Dort wird die gegenüberstellende Betrachtung des Denkens noch zusätzlich «Ausnahmezustand» genannt. Ein «Ausnahmezustand» ist es auch nur insofern, weil er etwas ungewöhnlich ist, und sich das Denken normalerweise eben nicht den (eigenen oder fremden) Denk-Erfahrungen gegenüberstellt, um sie in Erkenntnisabsicht zu beobachten / zu betrachten und das Denken als solches zu begreifen. Letzteres ist ja das ausdrückliche Anliegen des sogenannten Ausnahmezustandes. Steiner macht gar kein geheimnisvolles Gewese um diesen Ausnahmezustand, und stilisiert ihn nicht sonderlich hoch, sondern spricht Kap. III, hier S. 25 lediglich von «einer Art Ausnahmezustand», weil wir normalerweise nicht über unser Denken mit Erkenntnisabsicht nachdenken, dahingehend, was Denken eigentlich ist. Als beobachtende Bewußtseinshaltung ist er im Prinzip sogar sehr einfach herzustellen und macht ebenfalls keinerlei besondere Ansprüche. Vielmehr ist er für jeden «erreichbar, der das nur will» und das Denken begreifen möchte, wie Steiner im dritten Kapitel selbst sagt. Ohne größeren Aufwand ist er zu erreichen, obwohl in diesem Ausnahmezustand wiederum die «allerwichtigste Beobachtung» gemacht werden kann, die dem Menschen dort laut Steiner möglich ist, (hier S. 29). Indes bei letzterem sieht die Sache doch sehr anders aus als bei der Bewußtseinshaltung des Ausnahmezustandes, wie man am notorischen Unverständnis dieser «allerwichtigsten Beobachtung» erkennen kann. Der Ausnahmezustand der Beobachtung ist leicht herzustellen; das Begreifen der allerwichtigsten Beobachtung im Rahmen des Ausnahmezustandes, wie wir weiter oben schon sahen, unglücklicherweise aber nicht. Zumindest, wenn man den (anthroposophischen) Steinerinterpreten respektive der Steinerrezeption folgt, ist sie bis heute weitestgehend unbegriffen, und inzwischen bei ihren namhaften Vertretern wie etwa Peter Heusser auch regelmäßig schon gar nicht mehr erwähnt. (Siehe speziell zu Heusser ausführlich hier, etwa S. 1025 ff; S. 1156 ff; S. 1168 ff; S. 1185 ff und sehr viel öfter.) Sehr viel anders sieht es in einem von Heusser und Weinzirl 2013 herausgegebenen Sammelband, Rudolf Steiner Seine Bedeutung für Wissenschaft und Leben heute, Schattauer Verlag 2013, auch nicht aus. Da bemüht sich auf S. 76 ff ein Herr Sijmons aufopferungsvoll darum, dem Leser etwas von Steiners «dialektischer Methode der Philosophie der Freiheit» aufzubinden, während Rudolf Steiner persönlich seinem Leser etwas von seiner «naturwissenschaftlichen Methode» und «seelischer Beobachtung» schon gleich im Untertitel der Philosophie der Freiheit ins Stammbuch schreibt, und in den Vorgängerschriften seit 1886 in langen Kapiteln sowieso. Wovon wiederum Herr Sijmons nichts auf seinem dialektischen Schirm hatte. Während Renatus Ziegler den Leser ausdrücklich auf S. 55 auf die Zirkularität jedes psychologischen Ansatzes in der Erkenntnistheorie aufmerksam macht, ohne Steiners seelische Beobachtung der Frühschriften auch nur entfernt zu kennen und dazu Stellung zu nehmen. Lauter «psychologisch hoffnungslose» Fälle? Oder kognitive Dissonanz? - Vielleicht sollte man so weit nicht gehen, denn bekanntlich stirbt die Hoffnung ja zuletzt. Mit der Realität des Steinerschen Denkens ist bei Steinererklärern dieser Provenienz, so weit man diesem Sammelband folgt, augenfällig nicht sehr viel Staat zu machen, und man würde manchmal gerne wissen, was solche Leute wohl zu Steiners Wunsch nach einem psychologischen Laboratorium aus GA-21, S. 170 sagen würden, und mit welchen akademischen Kunstgriffen sie so einen eindringlichen Wunsch Steiners auch noch aus der Realität entsorgen würden. Von Steiners allerwichtigster Beobachtung jedenfalls hört man dort so weit ich sehe ohnehin nichts. Derart wurscht und unzugänglich ist Steiners heutigen Herolden das geworden. - Allen voran Witzenmann mit seinem näheren oder ferneren Anhang aus ganz grundsätzlichem Anlaß. Suchen Sie einmal nach Steiners «allerwichtigster Beobachtung, die der Mensch machen kann» aus dem dritten Kapitel der Philosophie der Freiheit in Witzenmanns Strukturphänomenologie! Sie finden dort das genaue Gegenteil davon: nämlich Witzenmanns «Erzeugungsproblem» und seine «Paradoxie der Selbstgebung». Das ist jener ausgekochte Nonsense Witzenmanns, den die Anthroposophen heute mit reichlich Manpower, jahrelangem Zeitaufwand und großzügiger finanzieller Förderung durch die GLS-Bank ins Englische übertragen lassen, wie uns ihr Übersetzer Wagemann oben berichtet hat. - Daß Sie sich auch fremden Denkerfahrungen gegenüberstellen können, sehen Sie an der empirischen Psychologie des Denkens, wo sich die Versuchleiter dann den mitgeteilten Denk-Erfahrungen ihrer Versuchspersonen gegenüberstellen, um das Denken zu begreifen. Ähnlich wie so ein Versuchsleiter können Sie sich natürlich auch in weniger systematischer Form den Denkerfahrungen einer beliebigen Person gegenüberstellen. Oder, und das ist ja der Kernaspekt im Kapitel III der Philosophie der Freiheit: Sie stellen sich Ihren eigenen Denkerfahrungen gegenüber, um das Denken zu begreifen. Der Unterschied zum fremden Denken ist, daß Sie bei letzteren immer auf Erfahrungsberichte aus zweiter Hand angewiesen sind. Das gilt auch für die innere Aktivität des fremden Denkers, die er nur selbst wahrnehmen und dann darüber gegebenenfalls berichten kann. Wenn Sie den Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem beim Denken im Original erleben wollen, dann gelingt das bei fremdem Denken also nur teilweise. Teilweise insofern, als sie das Hervorbringen der Begriffe des beobachteten Denkers natürlich nicht erleben können, sondern nur das, was er ihnen davon mitteilt. Das Wirkende können Sie nur anhand des eigenen Denkens erleben und hernach beobachten. Und im Falle der Beobachtung des Denkens eines anderen Denkers können Sie das Erwirkende Ihrer eigenen Begriffsbildung im Rahmen Ihres Erkenntnisprozesses erleben, den Sie über das Denken des fremden Denkers anstellen, wenn Sie sich darüber Ihre klärenden Gedanken machen. Denn wer sich klärende Gedanken über etwas macht, der erlebt seine eigene Aktivität des Denkens, sofern er dabei nicht schläft. Folglich erlebt er sie auch, wenn er sich über Erfahrungen des Denkens, - seien es mitgeteilte fremde oder die eigenen, - seine begreifenden Gedanken macht. Gegebenenfalls kann man zwecks wissenschaftlicher Absicherung auch einer Versuchsperson den Auftrag geben, ihr eigenes Denken nicht nur zu erleben und darüber zu berichten, sondern es auch zu beobachten und damit zu erkennen. Das geht prinzipiell ja auch im Labormaßstab. So eine Versuchsperson wird dann nicht nur ihre Erfahrungen des Denkens aktiv reflektieren, sondern auch eine Wahrnehmung ihrer aktiven Begriffsbildung über solche Erfahrungen des Denkens haben. Wenn so eine Versuchsperson dann auch noch die Frage nach der Kausalität ihrer eigenen Denkerfahrungen beantworten soll, dann werden Sie, bzw. wird die Versuchsperson feststellen, daß sie ihrem Denken wie bei der gewöhnlichen Beobachtung des Denkens schon, eine ganz andere Richtung geben muß, um so eine Frage beantworten zu können. Es reicht dazu nicht aus, wie wir oben schon erläuterten, daß man nur nach den Erlebnissen des Denkens schaut, ob solche vorhanden sind oder nicht, sondern man muß umfassendere Fragestellungen dazu beantworten, wie etwa die nach dem ursächlichen Veranlasser der eigenen Denkaktivität. Was unter Umständen wie bei Johannes Volkelt (1918, hier S. 141 ff ) lange Jahre benötigt, um schlüssige Antworten dazu auf wissenschaftlichem Niveau zu erhalten und sie empirisch / philosophisch in das Weltbild einer umfassenden «Naturwissenschaft» einzugliedern. Auch im weiten Sinne Goethes und Steiners. Das haben wir ja weiter oben auch schon ausführlicher behandelt. Egal aber, wie Sie verfahren: Zur Erkenntnis des Denkens gehört Intuition wie bei jeder anderen Erkenntnis auch. Ob Sie sich sinnliche oder gedankliche Wahrnehmungen vornehmen, das spielt dabei keine Rolle. Sobald es um die Begriffsbildung und Erkenntnis anlässlich einer Wahrnehmung geht, benötigen Sie Intuitionen. Ohne Intuitionen gibt es keine Begriffsbildung, wie Sie schon der Erstausgabe der Philosophie der Freiheit entnehmen können. Hier ist Witzenmann also irreführend, weil natürlich die Erkenntnis von Wahrnehmungen jeglicher Art, seien sie äußerer oder innerer, oder geistiger Natur, nur auf dem Wege des reinen Denkens und der Begriffsbildung via Intuitionen möglich ist, wie Steiner im Kapitel V. der Philosophie der Freiheit anlässlich der Einführung des Intuitionsbegriffs ausdrücklich hervorhebt. Siehe hier S. 65 ff. Alternativ GA-4, Dornach 1995, S. 94 ff: “Wir stehen einem beobachteten Dinge der Welt so lange fremd gegenüber, so lange wir in unserem Innern nicht die entsprechende Intuition haben, die uns das in der Wahrnehmung fehlende Stück der Wirklichkeit ergänzt. Wer nicht die Fähigkeit hat, die den Dingen entsprechenden Intuitionen zu finden, dem bleibt die volle Wirklichkeit verschlossen.“ Was gleichermaßen für äußere Wahrnehmungen gilt, wie auch für innere und geistige. - Diesbezüglich haben wir ebenfalls oben schon auf Steiners Anmerkungen zur Neuauflage der Grundlinien... von 1924 in GA-2, Dornach 2003, S. 137 f zum Wesen des Erkennens hingewiesen: “Die Sinnenwelt ist in ihrer Erscheinung für das menschliche Anschauen nicht Wirklichkeit. Sie hat ihre Wirklichkeit im Zusammenhange mit dem, was sich im Menschen über sie gedanklich offenbart. Die Gedanken gehören zur Wirklichkeit des Sinnlich-Angeschauten; nur daß sich, was im Sinnensein Gedanke ist, nicht draußen an diesem, sondern drinnen im Menschen zur Erscheinung bringt. Aber Gedanke und Sinneswahrnehmung sind ein Sein. Indem der Mensch sinnlich anschauend in der Welt auftritt, sondert er von der Wirklichkeit den Gedanken ab; dieser erscheint aber nur an einer anderen Stelle: im Seelen-Innern. Die Trennung von Wahrnehmung und Gedanke hat für die objektive Welt gar keine Bedeutung; sie tritt nur auf, weil der Mensch sich mitten in das Dasein hineinstellt. Für ihn entsteht dadurch der Schein, als ob Gedanke und Sinneswahrnehmung eine Zweiheit seien. Nicht anders ist es für die geistige Anschauung. Wenn diese durch die Seelenvorgänge auftritt, die ich in meiner späteren Schrift «Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?» beschrieben habe, dann bildet sie wieder die eine Seite des - geistigen - Seins; und die entsprechenden Gedanken vom Geistigen bilden die andere Seite. Ein Unterschied tritt nur insofern auf, als die Sinneswahrnehmung durch den Gedanken gewissermaßen nach oben zum Anfang des Geistigen hin in Wirklichkeit vollendet, die geistige Anschauung von diesem Anfang an nach unten hin in ihrer wahren Wesenheit erlebt wird. Daß das Erleben der Sinneswahrnehmung durch die von der Natur gebildeten Sinne, das der Anschauung des Geistigen durch die erst auf seelische Art ausgebildeten geistigen Wahrnehmungsorgane geschieht, macht nicht einen prinzipiellen Unterschied.“ Wie gesagt gilt das auch für die erlebte Intuition selbst, die ja bereits im ganz gewöhnlichen, ungeschulten Denk-Bewußtsein auftritt, sobald sich der Mensch begrifflich denkend betätigt. (Weswegen Steiner ja schon das gewöhnliche begriffliche Denken «Hellsehen» nennt, wie nicht nur aus seinem Rechtfertigungsvortrag von 1921, S. 295 ff hervorgeht.) Auch die Intuitionen müssen als solche durch die Beobachtung erst erkannt und in ihrer Funktion und Bedeutung begriffen werden. Obwohl sie beim tätigen erkennenden Denken ständig erlebt werden. Etwas anderes ist nicht möglich. Denn, wie Steiner in Kap. VII schreibt: „Man wird aus dem schon Vorangehenden, aber noch mehr aus dem später Ausgeführten ersehen, daß hier alles sinnlich und geistig an den Menschen Herantretende als Wahrnehmung aufgefaßt wird, bevor es von dem tätig erarbeiteten Begriff erfaßt ist.“ Kap. VII, hier S. 94. Ein Sachverhalt, der in den Zusätzen von 1918 dann eigens noch einmal bekräftigt wird durch Steiners Bemerkung über das «intuitiv erlebte Denken», „dem rein geistig erlebbaren intuitiven Denken, durch das eine jegliche Wahrnehmung in die Wirklichkeit erkennend hineingestellt wird.“ (Zweiter Zusatz von 1918 im Kapitel Die Konsequenzen des Monismus, hier S. 180.) Eine jegliche Wahrnehmung wird durch dieses intuitiv erlebte Denken in die Wirklichkeit erkennend hinein gestellt, - was selbstredend auch für die Erkenntnis des eigenen Denkens und die Intuitionserfahrung im engeren Sinne gilt: Wenn Sie keine Intuitionen erleben / wahrnehmen, dann können Sie verständlicherweise auch keine begreifen. Wenn Sie wiederum Ihre Denkbetätigung nicht erleben, dann können Sie auch über Ihre Intuitionen wenig Substantielles aussagen, da Steiner die Intuition auf das Engste mit der inneren Tätigkeit verknüpft. Dahingehend, «das intuitiv erlebte Denken sei eine Wahrnehmung, in der der Wahrnehmende selbst tätig ist. Und es sei eine Selbstbetätigung, die zugleich wahrgenommen wird.» (Hier S. 181) Was übrigens in Wahrheit und Wissenschaft (hier S. 37) bereits mit der «intellektuellen Anschauung» im Kapitel IV der Fall war, wie wir weiter oben schon darlegten. Womit es sich natürlich fragt, wie Herbert Witzenmann (und dessen beliebiger Stellvertreter) eigentlich Intuitionen nachweisen will, wenn er gar keine Tätigkeitserfahrung beim Denken kennt, sondern stattdessen ein Erzeugungsproblem hat? Er könnte ja Assoziationen oder Gedankenbilder gar nicht mehr von tätig hervorgebrachten Begriffen unterscheiden, wenn er erklärtermaßen wegen einem Erzeugungsproblem über die Tätigkeitserfahrung nicht verfügt. Das Begreifen der Intuition findet freilich wiederum durch das tätige intuitive Denken und dabei erlebte Intuitionen statt. Weil die Intuitionen ausdrücklich zu «jeglichen Wahrnehmungen» (diesmal geistiger Art) dazugehören. Aber ebenso ist die Intuition erforderlich für die Erkenntnis von Schnecken und Löwen, die nun einmal ebenfalls in das Feld von «jeglichen Wahrnehmungen» hinein gehören. An Schnecken und Löwen veranschaulicht Steiner schließlich auch die Bedeutung und Rolle der Intuition für jegliche Erkenntnis im V. Kapitel der Philosophie der Freiheit (hier S. 65 f): „Ohne das funktionierende Denken erscheint uns das rudimentäre Organ des Tieres, das ohne Bedeutung für dessen Leben ist, gleichwertig mit dem wichtigsten Körpergliede. Die einzelnen Tatsachen treten in ihrer Bedeutung in sich und für die übrigen Teile der Welt erst hervor, wenn das Denken seine Fäden zieht von Wesen zu Wesen. Diese Tätigkeit des Denkens ist eine inhaltvolle. Denn nur durch einen ganz bestimmten konkreten Inhalt kann ich wissen, warum die Schnecke auf einer niedrigeren Organisationsstufe steht als der Löwe. Der bloße Anblick, die Wahrnehmung gibt mir keinen Inhalt, der mich über die Vollkommenheit der Organisation belehren könnte. Diesen Inhalt bringt das Denken der Wahrnehmung aus der Begriffs- und Ideenwelt des Menschen entgegen. Im Gegensatz zum Wahrnehmungsinhalte, der uns von außen gegeben ist, erscheint der Gedankeninhalt im Innern. Die Form, in der er zunächst auftritt, wollen wir als Intuition bezeichnen. Sie ist für das Denken, was die Beobachtung für die Wahrnehmung ist. Intuition und Beobachtung sind die Quellen unserer Erkenntnis. Wir stehen einem beobachteten Dinge der Welt so lange fremd gegenüber, so lange wir in unserem Innern nicht die entsprechende Intuition haben, die uns das in der Wahrnehmung fehlende Stück der Wirklichkeit ergänzt. Wer nicht die Fähigkeit hat, die den Dingen entsprechenden Intuitionen zu finden, dem bleibt die volle Wirklichkeit verschlossen.“ Im Prinzip kennen wir das alles bereits aus den Grundlinien von 1886. Bis auf den Intuitionsausdruck, der in dieser speziellen und generalisierten Weise erst 1894 in der Erstausgabe der Philosophie der Freiheit erschien, wie wir oben auf den Seiten 24 ff schon dargetan haben. Ohne Intuition gibt es keine reinen Begriffe bei Steiner und ebenso auch keinerlei Erkenntnis, die ja in der Zusammenführung von Wahrnehmungen und intuitiv gewonnenen reinen Begriffen besteht. Die Intuition ist folglich kein Alleinstellungsmerkmal für die Erkenntnis des Denkens, sondern sie ist vielmehr zu jeder Erkenntnis erforderlich, wie Steiner im V. Kapitel der Philosophie der Freiheit unmißverständlich dargelegt hat. Damit von der anderen Seite gesehen: Auch für die Erkenntnis des Denkens gilt, daß sie in der Zusammenführung von Wahrnehmung und Begriff besteht. Wie gesagt gilt das im engeren Sinne auch von der Intuition, die, obwohl beim tätigen begrifflichen Denken ständig erlebt, ebenfalls zu begreifen ist, und vor allem auf dem höheren Schulungswege der Anthroposophie als höchste Form der geistigen Erkenntnis entsprechend selbst auch ein besonderer Gegenstand des Begreifens ist. Das Begreifen durch Intuition und Wahrnehmung macht natürlich vor der Intuition selbst nicht Halt, die zunächst wahrzunehmen und anschließend weiter zu begreifen ist. Grenzen des Erkennens gibt es für Steiner bekanntlich laut Kapitel VII der Philosophie der Freiheit nicht. Auch keine hinsichtlich der spirituellen Erkenntnis. Folglich auch keine, welche vor der Intuition errichtet werden. Da ist es natürlich besonders fatal, wenn solche Grenzen bereits weit im Vorfeld und vor der «Wahrnehmung» des eigenen tätigen Denkens errichtet werden, wie bei Witzenmann und Verwandten. Wer noch nicht einmal die eigene Aktivität des Denkens zu erleben vermag, wie Witzenmann mit seinem «Erzeugungsproblem» behauptet, der hat gar keine Aussicht jemals Näheres über die Herkunft seiner Gedanken und den «Ursprung des Denkens», (laut Steiners Programmatik aus dem ersten Kapitel der Philosophie der Freiheit, hier S. 14 f) empirisch in Erfahrung zu bringen. Es könnte angesichts solcher Voraussetzungen, wie Witzenmann sie behauptet, auch ein eingeimpfter neurowirksamer micro-Schaltkreis von Pfizer und irgend ein 4 / 5 G Funkmast sein, die ihn glauben machen zu denken, während er in Wirklichkeit aus der Ferne gesteuert wird, in der Weise, wie Herr Harari und andere satanische Phantasten sich das derzeit zusammenträumen und vorbereiten. Wer wegen einem angeblichen Erzeugungsproblem nämlich keine Wahrnehmungen seines tätigen Denkens hat, wie ganz explizit Herr Witzenmann, der kann dort auch nicht die Wahrnehmung seiner Denkaktivität mit Begriffen erkennend zusammenführen, sondern allenfalls wie ein Rationalist und Metaphysiker nur Begriffe mit Begriffen, deren tätiges Hervorbringen er im Original nicht erlebt hat. Das muß man wissen, da natürlich auch Witzenmann regelmäßig von «Denkakten» redet. Die Tatsache allerdings, ob jemand darüber redet, ist nicht entscheidend. Entscheidend ist für Steiner vielmehr, ob er sie auch erlebt hat, oder nur logisch folgernd erschlossen ohne eine unmittelbare Erfahrungsgrundlage seiner eigenen Denktätigkeit. Letzteres, die «unmittelbar erlebte Gegebenheit der Denkaktivität» fordert Steiner deswegen auch im vierten Kapitel von Wahrheit und Wissenschaft, (hier S. 37), ganz ausdrücklich ein, wie wir ebenfalls schon dargelegt haben. (Von Witzenmann freilich nie beachtet.) Diese Lage ist in allen Frühschriften Steiners stets dieselbe: Es geht um die erlebte Aktivität des Denkens. Um einen «erlebten Prozeß; Wirkendes und Bewirktes; die man vollständig im Inneren gegenwärtig hat», wie es in Goethes Weltanschauung von 1897, S. 70 heißt. Und nicht nur dort. Daß Steiner in all diesen Schriften von der real erlebten Aktivität des Denkens spricht, daran kann gar kein Zweifel aufkommen. Bei den Philosophen allerdings muß das nicht immer so sein. Da gibt es bisweilen einen richtiggehenden akademischen Etikettenschwindel. Die reden bisweilen von «Denkakten», meinen aber keine, die man auch real erleben könnte. Auch Husserl sprach bis in die 1920er Jahre regelmäßig von «Akten» des Bewußtseins, schloß aber den (erlebten) Tätigkeitsaspekt ausdrücklich von diesen Akten aus, wie wir oben, S. 39, bei Christopher Gutland, Denkerfahrung, München 2018, S. 403 hörten. Der dort schreibt: „Um zu verstehen, was ein Akt ist, ist es lehrreich, auf eine Bedeutungswandlung zu achten, die dieser Ausdruck bei Husserl nahm. In den Logischen Untersuchungen definiert Husserl Akte als intentionale Erlebnisse, nicht als Tätigkeit. Er schreibt: »Was andererseits die Rede von Akten anbelangt, so darf man hier an den ursprünglichen Wortsinn von actus natürlich nicht mehr denken, der Gedanke der Betätigung muß schlechterdings ausgeschlossen bleiben.«“ Laut Gutland ging das bei Husserl bis in die 1920er Jahre so. Bis annähernd 5 Jahre vor seinem Ruhestand. Was ja bereits eine merkwürdige Sache ist. Von «Akten» zu reden, wo der ursprüngliche Wortsinn von «actus» / «agere» bereits unmißverständlich die Aktivität und einen Handlungsgesichtspunkt zum Ausdruck bringt, zu solchen zu erklären, die gar keine sind, weil «der Gedanke der Betätigung schlechterdings ausgeschlossen bleiben muß». Damit kann natürlich auch jeder «Denkakt» zu einem solchen «intentionalen Erlebnis» erklärt werden, von dem jede innere Tätigkeit des Denkenden ausgeschlossen werden kann. Pech für den Leser solcher philosophischen Erzeugnisse, wenn er diese Veränderung im Sprachgebrauch nicht kennt. Der glaubt dann womöglich beim Wortgebrauch «Denk-Akt» an eine reale Denk-Tätigkeit, obwohl diese schon sehr frühzeitig und kategorisch von dem großen Phänomenologen entsorgt wurde. Die Psychologie Franz Brentanos, die keinen Willen kennt, und aus dessen Schule wiederum Husserl stammt, läßt so etwas freilich insofern zu, als man dort dann von «intentionalen Erlebnissen» spricht, die keinen Willensbezug haben können, weil der Wille in diesen psychologischen Konzepten nicht existiert. (Steiners kritische Betrachtungen zum fehlenden Willen bei Brentano können Sie in GA-21 im langen Nachruf auf Brentano ab S. 78 und in den entsprechenden Ergänzungskapiteln studieren.) Während bei Steiner ein menschliches Denken ohne Willens- und Handlungsbezug schlechterdings nicht vorstellbar ist. «Wille sei die Idee selbst, diese als Kraft aufgefaßt» heißt es deswegen bereits 1887 in den Einleitungen in Goethes naturwissenschaftliche Schriften (GA-1, Dornach 1987, S. 197) gegen Eduard von Hartmann gerichtet. Das wird auch so bleiben. So daß bei Steiner dann auch später und vortragsweise mit speziellem Blick auf die Philosophie der Freiheit das normale reine Denken auch als reines Wollen betrachtet wird. (Siehe etwa GA-202; auf S. 202. Vortrag vom 19.12.1920.) Aus der anthroposophischen / theosophischen Sicht wiederum spricht er 1907 davon «daß der Weltenwille als Urkraft im menschlichen Willen lebt». (GA, 98, S. 53). Von der «Urkraft im Denken» ist freilich auch in den Grundlinien… von 1886 bereits im Kapitel 13 (S. 79) die Rede. Was indessen auch in seinen kritischen Bemerkungen von 1887 gegenüber Eduard von Hartmann zum Ausdruck kam, und ähnlich in der Schrift Goethes Weltanschauung, (1. Ausgabe 1897, S. 69 f; in der GA-6 von 1963 auf S. 57), wenn dort vom «durchschauten Weltgeschehen» und der «durchschauten Idee bei der Beobachtung des Denkens» die Rede ist. Vor diesem Hintergrund ist nicht nur bemerkenswert Steiners Ergänzung zum dritten Kapitel der Philosophie der Freiheit, wonach es darauf ankäme, „daß nichts gewollt wird, was, indem es sich vollzieht, vor dem «Ich» nicht restlos als seine eigene, von ihm überschaubare Tätigkeit erscheint. Man muß sogar sagen, wegen der hier geltend gemachten Wesenheit des Denkens erscheint dieses dem Beobachter als durch und durch gewollt.“ Was ja, - und das ist noch bemerkenswerter, - bereits sachlich in den Grundlinien von 1886 zu lesen ist in der Ausdrucksweise vom «erlebten Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem beim Denken», worauf wir hier mehrfach schon hingewiesen haben. Das sind alles Welt-Perspektiven des willentlich tätigen menschlichen Denkens, die bei Steiner ein unübersehbares Maß an Kontinuität bis in sein anthroposophisches Schaffen haben, auch wenn die Gesichtspunkte dort noch von anderen Fragestellungen geistiger / seelischer Art umrahmt und gewaltig erweitert werden. Von der anderen Seite stellt sich die Frage: Warum spricht man dann bei intentionalen Erlebnissen überhaupt noch von «Akten», wenn das entscheidende Merkmal des Agierens fehlt, und der Ausdruck «intentionales Erlebnis» völlig gereicht hätte, um die Angelegenheit «ohne aktive Betätigung» hinreichend zu kennzeichnen. Insofern ist es natürlich nur noch ein leeres und in sich widersprüchliches akademisches Wortgeklingel, wenn man wie Husserl von «Akten» spricht, aber jeden Gedanken an Betätigung ausdrücklich daraus streicht. Ausgemachter sprachlich akademischer Unsinn, der von Husserl allerdings jahrzehntelang in seinen prominentesten Schriften gepflegt wurde. Bis etwa 1923, wie Gutland schreibt. Nur auf diese Problematik will ich hinweisen: Was unter akademischen Philosophen dieser Größenordnung so alles möglich ist, und man nicht unbedingt bei deren stark geprägten Schülern, zu denen auch Witzenmann gehörte, so ein Wort wie «Denk-Akt» auf die Goldwaage legen sollte. Da ist wie bei Husserl schon, ebenfalls alles möglich. Man muß sich wirklich sehr genau im Detail anschauen, wie sie aus dieser Vor-Prägung heraus dann im Einzelfall als Interpreten mit Steiners wissenschaftlichen Grundlagen und mit dem verfahren, was Steiner persönlich unter «Denktätigkeit» versteht, und wie dieser sie in seinen Grundlegungsschriften kennzeichnet. Wofür Witzenmann nun wirklich eine der unsolidesten aller prominenten Quellen ist. Zumal, wenn es um das Zentrum des Steinerschen Begründungsdenkens geht. Denn da sieht es bei Witzenmann alles andere als überzeugend und umsichtig aus. Im allerhöchsten Maße erstaunlich ist es vielmehr, daß Witzenmann in seinen sogenannten «Interpretationen» ausnahmslos alles dasjenige weggelassen hat, was in sämtlichen Frühschriften Steiners ganz unmißverständlich als «unmittelbares Tätigkeitserlebnis des Denkens» gekennzeichnet und in diesem Sinne auch eingehend dargelegt wird. Wovon es bei Steiner in allen Frühschriften bis 1897 wahrlich, wahrlich nicht wenig gibt. Das alles jedoch ist in Witzenmanns «Interpretationen» buchstäblich ausgelöscht und keines Wortes gewürdigt worden. Er hat das, - und so weit ich sehe durchgängig, - fortgelassen, und aus dem gesamten Begründungszusammenhang Steiners schlicht herausgetrennt. (Siehe dazu auch nachfolgend auf S. 88 Witzenmanns Behandlung von Steiners Zusätzen von 1918 zur Philosophie der Freiheit.) Wie ja auch von der «reinen Erfahrung des Denkens», auf der Steiner aufbaut, von Witzenmann schon nie die Rede war. Und schon gar keine Interpretationserzeugnisse existieren, die hermeneutisch irgend einen Anspruch auf enge Orientierung am Original Steiners machen könnten. - Aufschlussreich genug ist so eine durchgängige Unterlassung, die sich bei Witzenmann über nahezu 40 Jahre bis in seine Strukturphänomenologie erstreckt. So etwas freilich, das über beträchtliche zeitliche Distanzen sich erstreckende systematische Ausblenden und Unterschlagen von essentiellen und unverzichtbaren Werkzusammenhängen und Begründungs-Aussagen Steiners, die in ihrer Fülle und Unzweideutigkeit bei Steiner gar nicht zu übersehen sind, beruht nicht mehr auf Zufällen und läßt sich auch nicht mehr als temporäre Unaufmerksamkeit oder Nachlässigkeit bezeichnen, die natürlich jedem unterlaufen kann. Wem Fehler bei der Interpretation passieren, und ihm ist die Sache ernst, der wird sich nach Kräften um hermeneutische Korrektur bemühen. Das jedoch ist bei Witzenmann in all den vielen Jahren und Jahrzehnten überhaupt nicht ersichtlich. Weit interessanter ist daher, daß Witzenmann sein weitestgehend unbrauchbares Interpretationselaborat über die Dekaden seit 1948 und bis zum Schluß mit aller Energie bis zur Strukturphänomenologie fortgeführt hat, die der großen Mängelsammlung an Fehlinterpretationen dann auch noch die sprichwörtliche Krone aufsetzte. Ein ausgemachter Etikettenschwindel um Steiners Werk. Und das mitten aus der Anthroposophie heraus. So jedenfalls würde es ein weniger freundlicher Zeitgenosse bewerten. Mit Steiners Grundlagen jedenfalls hat das alles nichts mehr zu tun. Denn wer ernstlich Erzeugungsprobleme beim Denken als Interpretationsresultat seines Steinerstudiums behauptet, der kann nicht nur überhaupt keinen Anspruch mehr auf empirisch erlebte Denk-Akte erheben. Sondern erst recht keinen Anspruch, Steiners Grundlegungsschriften jemals ernsthaft studiert zu haben. So etwas nämlich, wie Witzenmanns Erzeugungsproblem, werden Sie bei Steiner niemals erleben, wenn Sie dessen Grundschriften auch nur halbwegs sorgfältig durchgehen. Und vor allem kein Anfänger in dieser Angelegenheit mehr sind, wie Witzenmann. Was man nach 40 Jahren Steinerstudium Witzenmanns vielleicht nicht unbedingt erwarten sollte. Was aber faktisch so ist. - Ähnliche Probleme wie der missweisende Wortgebrauch im Fall von «Bewußtseinsakten» oder «Denkakten» finden sich ganz allgemein im Gebrauch von theoretischen Konstrukten, die dann wie eine ganz reale Sache behandelt und «verdinglicht» werden (Hypostasen). Ein in der Philosophie und den Naturwissenschaften gebräuchliches Verfahren, wo die Grenze zwischen theoretischen Modellen oder hypothetischen Konstrukten und der Erfahrungsgegebenheit vollkommen verschwindet. Ausdrücke wie «Urknall» oder «Dunkelmaterie», «menschengemachter Klimawandel» usw. werden regelmäßig wie eine ganz reale Angelegenheit behandelt, obwohl ohne jede hinreichende Erfahrungsgrundlage nur einer kosmologischen oder klimahistorischen Hypothesenbildung entsprungen, die im Fall des Urknalls nie beweisbar sein wird, (wie alles übrige in den gewöhnlichen Naturwissenschaften im strengen Sinne ebenfalls nicht). Analoges gilt für den Klimawandel, wo inzwischen spekulative, mitunter auch betrügerische Rechenmodelle zunehmend die Realität ersetzen und politisch bis zum kompletten gesellschaftlichen Desaster handlungsleitend werden, weil fehlerhafte und hoch reduktionistische Rechenmodelle die komplexen und vielfach gar nicht bekannten Wirkzusammenhänge des globalen Klimas natürlich nicht ersetzen können, sondern mit ihren Rückwärts- und Vorwärts-Hypothesen alles mögliche wiedergeben – nur eben nicht die globale Realität des vergangenen und künftigen Klimas und seiner Wirkmechanismen. Der Nachweis wiederum für die postulierte und wie eine konkrete Sache behandelte Dunkelmaterie ist bis heute ebenfalls nicht erbracht, trotz aller dahingehenden Versuche und Erfolgsmeldungen, die dann wieder in der Versenkung verschwinden. So daß vom «Urknall bis zum wissenschaftlichen Durchknall» nur noch ein kurzer Sprung ist, wie Alexander Unzicker trefflich sichtbar macht. Ähnliches läßt sich von Denk-Akten sagen, «die sich dem Bewußtsein entziehen, weil man sie selbst hervorbringt». (Helmut Kiene, S. 150, siehe oben.) Da ist der «Durchknall» mehr noch als beim Urknall gewissermaßen schon bei der Formulierung eingepreist, weil so ein Gedanke ohne jede Erfahrungsanbindung natürlich nicht konsistent und empirisch überzeugend sein kann, und als psychologische Grundlagen-Behauptung in dieser Form extrem selbstwidersprüchlich ist. Letztlich nichts weiter als eine empirisch vollständig leere, willkürliche Setzung. An die Spitze einer Erkenntnistheorie gestellt und als Basis für jede empirische Wissenschaft. Weh` dem, der sich solche erkenntniswissenschaftlichen Grundlagen, den archimedischen Hebel gar für die Welterklärung ausdenkt. Steiner war es jedenfalls nicht, der sich im vorliegenden Fall zu diesem eklatant leeren Selbstwiderspruch verstiegen hat, wie er sich dann in Kienes misslungener Interpretation findet. Auch Kiene, obwohl er den Faden dorthin bereits in der Hand hielt, kam augenfällig an dieser Stelle nicht mit der Unterscheidung zwischen erkennender Beobachtung des eigenen Denkens und der bloßen Erfahrung dieses Denkens zurecht. Mit der Folge, daß er einen von ihm nicht weiter diskutierten Nebenaspekt zur Kernbegründung Steiners machte. So daß sich dann laut Kiene das Denken paradoxerweise «dem Bewußtsein entzieht, weil man es selbst hervorbringt.» Das ist aber nicht die Begründung Steiners für die Unbeobachtbarkeit des gegenwärtigen Denkens. Sondern das Verschlafen der eigenen Denktätigkeit wird von Steiner dort lediglich als eine der Möglichkeiten angegeben, warum man das eigene Denken so regelmäßig unbeachtet läßt und keine erinnerbare Wahrnehmung der eigenen Aktivität oder anderer Einzelheiten des Denkens hat. Man hat schlicht kein Interesse daran, sondern lediglich am bedachten Gegenstand. Eine Sachlage, die sich bei engagierten Denkpsychologen wie beispielsweise Hans Aebli oder Karl Bühler, wie wir weiter oben sahen, schon ganz anders darstellt, die von vornherein ein professionelles Interesse an der Erkenntnis und am Erleben des Denkens mitbringen. Der Grund indessen, den Steiner für die Unbeobachtbarkeit des gegenwärtigen Denkens angibt, ist ohne das Verständnis der «gegenüberstellenden, erkennenden Beobachtung» nicht zu begreifen. Auf jeden Fall behauptet Steiner nicht, daß sich das Denken «dem Bewußtsein entzieht, weil ich es selbst hervorbringe». Sondern er behauptet lediglich, daß ich es im selben Augenblick, indem ich es vollziehe, nicht beobachten, sondern lediglich erfahren kann. Also: sofern ich beim Denken nicht schlafe, ist es schon bewußt, indem ich es vollziehe. Denn darauf kommt es beim Denken an, „daß nichts gewollt wird, was, indem es sich vollzieht, vor dem «Ich» nicht restlos als seine eigene, von ihm überschaubare Tätigkeit erscheint. Man muß sogar sagen, wegen der hier geltend gemachten Wesenheit des Denkens erscheint dieses dem Beobachter als durch und durch gewollt." Wie es am Ende des dritten Kapitels der Philosophie der Freiheit heißt. Nur ist es damit allein, nur mit der reinen Erfahrung, eben noch nicht erkannt, weil das Erkennen erst die Aufgabe der Beobachtung ist. Falls sich «das Denken dem Bewußtsein entzieht, weil man es selbst hervorbringt», wie es bei Kiene heißt, dann sind über diese Tatsachen seiner Herkunft keinerlei empirische Aussagen mehr zu machen, weil sie ja gar nicht erlebt wurden. Damit stehen wir dann genauso auf dem sprichwörtlichen «Schlauch» wie Witzenmann mit seinem «Erzeugungsproblem», das dieser seit 1948 in die Welt hinaus posaunt hat und daraus seine eigene mißratene «erkenntnistheoretische Grundfrage» formte, «Wie Unbeobachtbares zur Erinnerung werden kann?» - Halten wir also fest: Die bloße Erfahrung des Denkens ist psychologisch / erkenntniswissenschaftlich eine ganz andere Sachlage, als die Beobachtung des Denkens, wo es erklärtermaßen um seine Erkenntnis geht. Man kann so viel über die Beobachtung des Denkens reden, wie man will. Man kann den von Steiner genannten «Ausnahmezustand» wie Witzenmann in seiner Monographie zur Philosophie der Freiheit, Die Philosophie als Grundlage des künstlerischen Schaffens, Dornach 1988, (wiederholt ab S. 144 ff) «überwachen Ausnahmezustand» nennen. Das nützt ja wenig, wenn man nicht weiß, wie er herbeizuführen ist und worin er besteht. Woran sich auch Witzenmann ohne ernsthaftes Quellenstudium und ohne konstruktives Resultat zeitlebens die Zähne ausgebissen hat. Obwohl Steiner das sehr genau erläutert. Die Folge davon mag dann sein, daß Witzenmann in seinem speziell an Kunstschaffende adressierten Buch von Steiners «allerwichtigster Beobachtung, die der Mensch machen kann», schon gar nicht mehr spricht. Obwohl ausgerechnet sie in diesem «überwachen Ausnahmezustand» gemacht wird. Dazu müßte man also schon konkreter werden und sich nicht mit Metaphern wie «Überwachheit» zufrieden geben, die über das konkrete Beobachtungs- und Erkenntnis-Prozedere im «Ausnahmezustand» doch nichts aussagen. Auch nichts über Steiners naturforschende Intentionen anhand der Beobachtung des Denkens hergeben. Ein Künstler kann damit wie jeder andere nichts beginnen, sich aber an Stelle dessen sehr viel einbilden und zusammenfantasieren, wie es seiner jeweiligen künstlerischen Seelenlage eben entsprechen mag. Geholfen ist ihm mit so vieldeutigen und wenig fasslichen Sprachbildern wie «Überwachheit» also nicht, wenn sie nicht an das konkrete Prozedere anknüpfen und eingebettet sind in Steiners Naturforschungsanliegen, um das es ja dort im Ausnahmezustand bei dieser Beobachtung geht. Wer zudem wegen einem Erzeugungsproblem Schwierigkeiten mit der erlebten Denkaktivität hat, der ist ohnehin außerstande, in die Phase der «Überwachheit» einzutreten, denn dazu gehört die erlebte Aktivität des Denkens dazu. Ist sie nicht vorhanden, dann kann es entsprechend auch keinen «überwachen Ausnahmezustand» und keine «allerwichtigste Beobachtung» geben, weil man das Hervorbringen ja gar nicht erlebt. Womit dann auch die Erfahrungsbasis für solche weltbedeutenden und wissenschaftlich gesicherten Überzeugungen fehlt. Sowohl für den Fall der bloßen Erfahrung des Denkens, wie auch für den Fall der Beobachtung des Denkens, die ebenfalls der unmittelbaren Erfahrung zugänglich sein muß, und es laut Steiners Worten natürlich auch ist. Was dann empirisch dazu führt, im erlebten Denken und über das erlebte Denken mehr zu erkennen, als man vorher darüber wußte, so lange man es nicht beobachtete. Bis hin zum «durchschauten Weltgeschehen» anhand der Beobachtung des Denkens, wie Steiner ausführt. Indes, wenn ich ein angebliches Erzeugungsproblem mit dem Denken habe, dann kann ich über die Herkunft meines Denkens schlicht nichts mehr aussagen, weil ich ja nicht dabei war. Kann dann aber auch über die «allerwichtigste Beobachtung» erklärlicherweise nichts mitteilen, denn das ist ja jene, die den erlebten, produktiven Vorgang des Denkens und seine Bedeutung im Weltgeschehen betrifft. In Steiners Worten aus den Grundlinien… den «erlebten Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem». Wer ihn freilich nicht erlebt, diesen Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem, der wacht auch nicht auf, selbst wenn er noch so viel über das Aufwachen und «überwache Zustände» redet wie Witzenmann, sondern das leere Gerede von unverstandenen überwachen Zuständen schläfert ihn und seinen Leser nur noch weiter ein. Da wäre es wohl für die Künstler hilfreicher gewesen, wenn Witzenmann ihnen erst einmal ein Buch über Steiners Grundlinien … vorgelegt hätte, um ihnen den dort behandelten «erlebten Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem» nebst Steiners dortiger Kant-Kritik des Kapitels 14 in Verbindung mit dem problematischen Kausalitätsbegriff nahe zu bringen. Damit sie erst einmal etwas von Steiners innerem Naturforschungsanliegen begreifen. So aber, wie die Verhältnisse liegen, hat Witzenmann zwar gegen Ende seiner an die Künstler adressierten Schrift (S. 202) einen ultrakurzen Abstecher in die Zusätze der Philosophie der Freiheit platziert, und die von Steiner dort (S. 180 f) thematisierte «erlebte Selbstbetätigung» notdürftig gestreift, kann aber damit psychologisch, freiheitsphilosophisch und auch naturwissenschaftlich ersichtlich überhaupt nichts beginnen. Sondern läßt Steiners Erläuterung wie eine Sternschnuppe so plötzlich und unerwartet wieder in der Dunkelheit verschwinden, wie sie aufleuchtete. Weil er zu diesem Zusatz schlichtweg nichts zu sagen hatte. Anstatt dem Leser den von Steiner gemeinten, erlebten Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem in einem Längsschnitt durch Steiners Frühschrifttum seit 1886 anhand dieser Passage weiter verständlich zu machen. Bis hin zum «durchschauten Weltgeschehen» von S. 70 in Goethes Weltanschauung von 1897. Letzteres geschieht freilich in Witzenmanns Buch für die Künstler nicht. Sondern erkenntniswissenschaftlich, naturwissenschaftlich und psychologisch blieb diese bedeutende präzisierende Textergänzung Steiners von 1918 für Witzenmann unwirksam und ohne jede Funktion. Abgesehen davon, daß er dem Leser dabei wie ein moderner Spinoza noch etwas von «freier Notwendigkeit» auf den Tisch legt, obwohl davon in diesem Kontext bei Steiner wirklich nicht die Rede ist. Schon gar nicht im Zusammenhang mit der Freiheit und der erlebten Selbstbetätigung im intuitiven Denken. Witzenmann schien wie mit Pattex ausschließlich an den Denkinhalten festgeleimt zu sein, aus denen er solche freien Notwendigkeiten herleitete. So daß Steiners «Weltgeschehen» bei Witzenmann über rund 40 Jahre komplett durch den Rost fiel. Wohingegen der «seelische Beobachter» und «innere Naturkräfteforscher» Steiner sein erkenntniswissenschaftliches Hauptaugenmerk jenem «Prozeß» zuwendet, «durch den Begriffe und Ideen erst gewonnen werden», wie er in der Philosophie der Freiheit auch klarstellend im Kapitel IV (hier S. 38) gegenüber Hegel ausführt. In Steiners Augen wiederum ist «der Prozeß, durch den Begriffe und Ideen erst gewonnen werden» (auch) ein «Weltgeschehen». Schon im Kapitel Drei der Philosophie der Freiheit (hier S. 31 und öfter) ist bekanntlich davon die Rede. Vor allem auch im Kapitel Zwei, wenn dort (S. 20 f) von der «Suche nach den wirkenden Kräften der Natur im Inneren» die Sprache ist. Besonders aufschlussreich und überblicksartig dann noch einmal hervorgehoben in der Schrift Goethes Weltanschauung von 1897 auf S. 70. Im Gegensatz zu Witzenmann ging es Steiner bei dem «Prozeß, durch den Begriffe und Ideen erst gewonnen werden» um ein Weltgeschehen und um den «erlebten Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem», wie es in den Grundlinien… dazu hieß. Damit aber auch um die Lösung des naturwissenschaftlichen Kausalitätsproblems, wie er sie im Kapitel 14 der Grundlinien… im Rahmen seiner Kant-Kritik skizzierte. Dieses «Weltgeschehen», durch welches Begriffe und Ideen erst gewonnen werden, wiederum ist ja auch derselbe Prozeß, von dem er in der Philosophie der Freiheit fragt, ob er als Tätigkeit unsere eigene sei, oder ob die modernen Hirnphysiologen wie Theodor Ziehen (siehe nachfolgend, S. 91 ff) recht haben, mit ihrem zwanghaften Assoziationsmechanismus des Denkens. Ob er also frei sei, oder nach naturgesetzlicher Notwendigkeit verläuft, und gar nicht unser Tun ist, sondern wir uns das nur einbilden? Während Witzenmann zur erlebten freien Aktivität des Denkens respektive zu diesem «Weltgeschehen» sowohl psychologisch, wie auch zu ihren naturwissenschaftlichen Implikationen und Konsequenzen schlechterdings nichts zu sagen hatte. Obwohl das alles bei Steiner in den begründenden Frühschriften von Anfang an zu lesen ist, und in den genannten Ergänzungen von 1918 ausdrücklich noch einmal präzisiert wurde. Empirische Aufklärung über Freiheitsfragen nach Art Steiners auf dem Wege einer «inneren Naturwissenschaft» kann es von Witzenmanns Seite, - und zumal angesichts seines «Erzeugungsproblems», - erklärlicherweise gar nicht geben. Sondern stattdessen hat man aus lauter Unverstand mit Witzenmanns Hilfe aus dem inneren Naturforscher Steiner eine lächerliche lahme Ente der Philosophie gemacht. Bisweilen wie bei Hartmut Traub & Co nichts weiter als einen hochstapelnden intellektuellen Plagiator. - Das jedenfalls sind die Fakten, die sich anhand der Steinerrezeption Witzenmanns (und seiner Anhänger) zeigen. Angemessener formuliert: das Licht in welchem Steiner jenen aussenstehenden Philosophen und Bearbeitern erscheinen muß, die ebenso unverständig und ahnungslos sind, wie der desinteressierte und ahnungslose Witzenmannanhang selbst. Der ganze Aspekt der empirischen, inneren Naturerkenntnis, die Suche nach den Kräften der «Natur» (im Sinne Goethes) im eigenen Inneren, den Steiner über den erlebten Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem seit 1886 und nicht nur in der Philosophie der Freiheit von Anfang an ins Zentrum seiner Überlegung stellt, ist bei Witzenmann komplett unter den Tisch gefallen. Da fehlte, - wie bei Witzenmanns nachfolgenden Schülern, - schon bei Witzenmann selbst jedes Verständnis dafür. So daß Witzenmann sich dann auch noch in kompositorischen Fragen der Textgestaltung einer unverstandenen Philosophie der Freiheit verliert, anstatt dem Leser die allerwichtigste Beobachtung dieser Schrift im Kapitel Drei und Steiners inneres Naturforschungsanliegen aus Kapitel Zwei zu erhellen. Und ihnen zu erläutern, was das alles mit jener Naturkausalität zu tun hat, die bei Steiner als übergeordnete Frage gleich einleitend im ersten Kapitel den Rahmen absteckt: „Ist der Mensch in seinem Denken und Handeln ein geistig freies Wesen oder steht er unter dem Zwange einer rein naturgesetzlichen ehernen Notwendigkeit?“ - Jedoch: Steiners «Erforschung von wirkenden Kräften der Natur im Inneren», sucht der Künstler in der an ihn adressierten Schrift Witzenmanns vergeblich. Was erklärlich ist für einen Steiner-Interpreten wie Witzenmann, der zwar ein 400seitiges Buch über «Goethes universalästhetischen Impuls» schrieb, dort ebenso fruchtlos wie recherchefrei auf S. 346 f über Steiners «Ausnahmezustand» sinnierte, aber kein einziges Wort findet, um Steiners Erforschung der wirkenden Kräfte der Natur im Inneren zu beleuchten, welche Steiner direkt in Anlehnung an Goethes Essay «Die Natur» in der Philosophie der Freiheit (Kap. II) als sein eigenes Vorhaben in diesem Buche vorstellt. Von all diesen Projekten der Steinerschen Naturforschung erfährt der von Witzenmann adressierte Künstler in Witzenmanns Schrift über die Philosophie der Freiheit nichts. Und noch viel weniger über das «durchschaute Weltgeschehen» von 1897, S. 70 f in Steiners Schrift über Goethes Weltanschauung. Stattdessen wartet Witzenmann auf S. 346 in seinem Buch über Goethes universalästhetischen Impuls wie schon 1948 mit der Analyse auf, daß es in der Beobachtung des Denkens nur ein erinnernd repräsentierendes, aber kein originäres Erleben vom Geschehen gäbe. So schreibt er mit Blick auf den «Ausnahmezustand» im dritten Kapitel der Philosophie der Freiheit: „In diesen Bemerkungen fällt der Begriff »Ausnahmezustand« auf, der hier nur negativ als das Ungewohnte (gegenüber dem gewohnten Nichtbeobachteten) charakterisiert zu sein scheint. Offenbar aber ist damit eine bestimmte in einem Zeitintervall durchgeführte Betätigungsart gemeint. Der Blick hierauf kann weiterführen. Denn es handelt sich dabei nicht um ein unbefragtes und unbefragendes Betätigen, sondern um ein Beobachten, welches diesem Betätigen als dem Befragten (in unserem Beispielfall der Sprachhandlung und ihrem Inhalt) befragend zugewandt ist. Dies scheine ich mir bereits verdeutlicht zu haben, sowie auch, daß, ebenso wie beim Inhalt der Betätigung, auch von ihrem Akt keine Beobachtung ihres gegenwärtigen Geschehens möglich sei, also kein unmittelbares und originales, sondern nur ein mittelbares erinnernd repräsentierendes Bewußtsein, - wobei sich bei diesem das Problem, wenn ich seiner beobachtend inne werden will, von neuem zu stellen scheint.“ - «Vom Denkakt gibt es kein unmittelbares und originales, sondern nur ein mittelbares erinnernd repräsentierendes Bewußtsein.» So das dortige haarsträubende Fazit Witzenmanns. Ohne jede weitere prüfende Recherche in Steiners restlichen Frühschriften, bleibt anzumerken. - Was Steiner freilich nie behauptet hat, daß es vom Denkakt und während seiner Beobachtung nur ein erinnernd repräsentierendes Bewußtsein gäbe. Sondern es ist dasselbe Prozeß-Bewußtsein, wie beim gewöhnlichen Denken auch, das bei der Beobachtung des Denkens erlebt wird, weil die ja ebenfalls ein Denken ist: Wesensgleich mit dem gewöhnlichen Denken. Witzenmann ist wie seine Anhänger und Mitstreiter mangels Grundlagenforschung demselben Fehlschluß aufgesessen wie Kiene oben. Dem nämlich, daß die Unbeobachtbarkeit des gegenwärtigen Denkens gleichbedeutend sei mit seiner Unerfahrbarkeit. Während, was in Witzenmanns Passage als ominöse „Betätigungsart“ daherkommt, bei Steiner klipp und klar gekennzeichnet wird als «wesensgleich mit dem Denken». Witzenmanns dunkle «Betätigungsart» nennt Steiner im Kapitel Drei der Philosophie der Freiheit (hier S. 30) ganz unmißverständlich und explizit „Denken“: „Denn was jetzt im Hintergrunde schwebt, ist selbst wieder nur das Denken. Der beobachtete Gegenstand ist qualitativ derselbe wie die Tätigkeit, die sich auf ihn richtet. Und das ist wieder eine charakteristische Eigentümlichkeit des Denkens. Wenn wir es zum Betrachtungsobjekt machen, sehen wir uns nicht gezwungen, dies mit Hilfe eines Qualitativ-Verschiedenen zu tun, sondern wir können in demselben Element verbleiben.“ Von diesem qualitativ selben Denken wird laut Steiner die Beobachtung des Denkens im «Ausnahmezustand» vorgenommen. Daran ist nichts dunkel und mißzuverstehen. Weswegen sie als betrachtende und erkennende Denkbetätigung in der gleichen Weise auch unmittelbar zu erfahren ist, wie jede andere Denkbetätigung in ihrem «Normalzustand» auch. - Das alles bleibt Witzenmann völlig fern und wird keiner näheren Analyse unterzogen. Stattdessen erscheint dann (S. 397) als paradoxer Höhepunkt seiner Exegese Witzenmanns «Erkenntnistheoretische Grundfrage: Wie aus Unbeobachtbarem Erinnerungen werden können?» - Auch so ein vollendeter wissenschaftlicher «Durchknall», um mit Alexander Unzicker zu sprechen. Mit solchen Exzessen von Unvernunft, Gleichgültigkeit und Verständnislosigkeit setzte sich Witzenmann bei den Anthroposophen faktisch an Steiners Stelle. Wo er eine einflußreiche Anhängerschaft von ebenso Unverständigen und Gleichgültigen um sich herum scharte, die sich überall an Schlüsselstellen der Anthroposophen festsetze, aber es bis heute nicht für nötig hielt, Steiners Frühwerk einmal gründlich anzuschauen und aufzuarbeiten, wie wir es neuerlich von Wagemann oben bestätigt bekamen. Jene folgenreiche Fehlinterpretation Witzenmanns, existierend seit mindestens 1948, die daran krankt zwischen Beobachtung und Erfahrung des Denkens nicht unterscheiden zu können, findet sich 1983 immer noch als Kernaussage in Witzenmanns Strukturphänomenologie, die soeben mit viel personellem Tamtam und Finanzhilfe von den «Anthroposophen» ins Englische übersetzt worden ist. Daß aus solchen exegetischen Fehlkonstruktionen für Steiners Freiheitsforschung, für sein inneres Naturforschungsprojekt, für seine Erforschung der wirkenden Kräften der Welt im Inneren, auch im Rahmen seiner anthroposophischen Geistesforschung nichts mehr zu holen ist, liegt auf der Hand. Daß wiederum akademische anthroposophische Erkenntnistheoretiker sich viele Jahrzehnte lang und ohne jedes seriöse quellenkritische Studium überhaupt ernstlich auf solchen hermeneutischen Spuk à la Witzenmann haben einlassen können, wo dann die Frage «Wie Unbeobachtbares zur Erinnerung werden kann?» als «exegetische Meisterleistung» zur «erkenntnistheoretischen Grundfrage» erklärt wird, das gehört wohl mit zu den ganz großen Rätseln in der jüngeren Geistesgeschichte. - Lassen wir es erst einmal dabei. Konkret gesprochen liegt der Grund für die Unbeobachtbarkeit des gegenwärtigen Denkens darin, daß ich mir mein aktuell tätiges Denken nicht gleichzeitig betrachtend gegenüberstellen kann, weil das ja ebenfalls ein (erkennendes) tätiges Denken ist, nur mit einer ganz anderen Richtung und Problemstellung als das betrachtete: „Zwei Dinge vertragen sich [nämlich] nicht“, wie Steiner sagt: „tätiges Hervorbringen und beschauliches Gegenüberstellen. Das weiß schon das erste Buch Moses.“ (Kap III, hier S. 27) Auf den Gedanken der Richtungsverschiedenheit des betrachtenden Denkens zum betrachteten ist verdienstvollerweise Da Veiga Greuel in seiner im Kapitel 6.5 behandelten Dissertation ja schon gekommen. Leider aber damals noch nicht weiter, so daß er in dieser Frage noch in Anlehnung an Witzenmanns «Erzeugungsproblem» von einem «Grundlegungsproblem der empirischen Wissenschaft» sprach. Er schrieb seinerzeit auf S. 43, „Das hier auftretende Erzeugungsproblem in der Beobachtung des Denkens stellt die Möglichkeit einer sich auf Erfahrung gründenden Erkenntniswissenschaft in Frage. Die in der Beobachtung ansetzende Selbstreflexion des Denkens scheint durch die Tätigkeitsstruktur des Denkens nicht durchführbar zu sein." - Da fehlte ebenfalls die Unterscheidung zwischen reiner Erfahrung und Beobachtung des Denkens. Worum es aber wirklich bei der Unbeobachtbarkeit des gegenwärtigen Denkens laut Steiner geht: Man kann nicht gleichzeitig zwei verschiedene tätige Denkprozesse in divergierende Richtungen unterhalten, sondern muß bei der Beobachtung den ersten unterbrechen. Das war auch eine sehr bemerkenswerte Feststellung Da Veigas. Sozusagen die Hälfte der Wahrheit, aber eben nicht zu Ende gedacht, so daß er damals noch über Witzenmanns «Erzeugungsproblem» stolperte und zusammen mit Witzenmann glaubte, es gäbe da ein Erzeugungsproblem und die Begründung der empirischen Wissenschaft sei dadurch hoch gefährdet. Was Witzenmann bis in seine berüchtigte und «von vielen seiner Anhänger heiß verehrte» Strukturphänomenologie glaubte. Um die Frage aber zu Ende zu denken, dazu muß man wiederum wissen, was Steiner mit dem «beschaulichen Gegenüberstellen» meint, das nicht gleichzeitig zum Denken möglich ist, aber dennoch wesensgleich mit dem Denken ist. - Es ist laut Steiners Auskunft «in keiner Weise qualitativ verschieden vom Denken», wie er im dritten Kapitel ausdrücklich hervorhebt: „Wenn ich aber mein Denken betrachte, so ist kein solches unberücksichtigtes Element vorhanden. Denn was jetzt im Hintergrunde schwebt, ist selbst wieder nur das Denken. Der beobachtete Gegenstand ist qualitativ derselbe wie die Tätigkeit, die sich auf ihn richtet. Und das ist wieder eine charakteristische Eigentümlichkeit des Denkens. Wenn wir es zum Betrachtungsobjekt machen, sehen wir uns nicht gezwungen, dies mit Hilfe eines Qualitativ-Verschiedenen zu tun, sondern wir können in demselben Element verbleiben.“ (So Steiner in Kap. III, hier S. 30.) Das Denken wird laut Steiner betrachtet / beobachtet durch das Denken. Woraus eben folgt, daß ich nicht gleichzeitig verschiedene Denkprozesse vollziehen kann: Einen tätigen Denkprozeß, und gleichzeitig einen tätigen zweiten beobachtenden, der in Erkenntnisabsicht über den ersten nachdenkt, Fragen dazu stellt und entsprechende Begriffe bildet. Sondern letzteres geht nur nacheinander in zwei Schritten, wie Steiner dort sagt. Denn bei beiden Schritten handelt es sich um aktive Denkprozesse mit jeweils ganz verschiedenen Fragestellungen. Und so, wie der erste als Tätigkeit erlebt wird, wird es natürlich auch der zweite, der den ersten zu begreifen versucht. Weil ich aber beide nicht gleichzeitig tätigen kann, deswegen ist die Beobachtung / Betrachtung des gegenwärtigen Denkens nicht möglich, seine Erfahrung aber gleichwohl! - Bitte probieren Sie es aus, lieber Leser: Sie werden in beiden Fällen Ihre Aktivität des Denkens erleben. Sofern, - das gebe ich hier noch einmal ausdrücklich zu bedenken, - Sie sich Ihres Erkenntnismotivs bewußt sind, wie es Steiner im dritten Kapitel der Philosophie der Freiheit einfordert. Ist Ihnen das Erkenntnis-Motiv nicht bewußt, so laufen Sie Gefahr, die eigene Aktivität des Denkens zu verschlafen. (Was sich im Labor ebenfalls experimentell überprüfen läßt.) Werden wir noch eine Stufe konkreter: Wenn Sie, lieber Leser, darüber nachdenken, wie Sie ein Dreieck in einen Kreis verwandeln können, dann sind Sie vollständig mit einer mathematischen Problemstellung beschäftigt. Sofern Sie dabei nicht schlafen, dann erleben Sie natürlich Ihren aktiven Denkprozeß. Wieviel Sie hinterher noch davon erinnern können, das ist bei jedem sehr verschieden, wie Sie auch an Merijn Fagards Untersuchungen hier auf meiner Webseite gut und plastisch dargelegt finden. Wenn Sie aber anschließend Ihr Denken beobachten wollen, dann müssen Sie das Thema auf jeden Fall wechseln: Fort nämlich vom mathematischen Problem, und hin zur Frage nach den Eigenarten des Denkens, die sich Ihnen anhand Ihrer Erfahrung des Denkens zeigen. Dann geht es also nicht mehr um das mathematische Umwandlungsproblem von Dreiecken in Kreise, sondern das Problem lautet jetzt: Was habe ich innerlich getan, um so ein mathematisches Problem zu lösen? Und wie habe ich das getan? Was hat das möglicherweise mit dem Problem der Kausalität / der Verursachung zu tun? Wie Sie sehen haben Sie es hier mit zwei völlig verschiedenen Fragestellungen zu tun. Das normale Denken betätigt sich im angegebenen Fall an der Frage, wie man Dreiecke in Kreise verwandeln kann. Während das beobachtende Denken sich mit der Frage beschäftigt, was man dabei tut, wenn man so ein Problem löst und was diese Tätigkeit mit dem Problem der Kausalität und mit physiologischen Vorgängen zu tun hat, wie es bei Steiner im Kapitel Drei der Philosophie der Freiheit der Fall war. (Andere Fragestellungen sind natürlich ebenfalls möglich.) Beantworten können Sie solche Fragen des betrachtenden Denkens an das betrachtete Denken wiederum nur auf dem Wege des tätigen Denkens und anhand der erlebten unmittelbaren Erfahrungen des Denkens, was als Sachverhalt nicht schwer zu verstehen ist. Es handelt sich dabei um eine empirisch psychologische Fragestellung der seelischen Beobachtung mit philosophischem und weitreichendem naturwissenschaftlichem Hintergrund. Letztere, die Frage nach dem Verursacher des Denkens / Handelns, ist ja auch die einleitende Frage Steiners gleich im ersten Kapitel der Philosophie der Freiheit: «Freiheit oder zwanghafte Natur-Notwendigkeit?» Die, eingebettet in die Szene mit den Billardkugeln, im Beginn des dritten Kapitels neuerlich als Frage nach dem Verursacher auftaucht, nachdem die Grundfrage nach dem «Ursprung des Denkens» schon am Ende des ersten Kapitels mit allem Nachdruck aufgeworfen worden war, und das zweite Kapitel mit der Suche nach den wirkenden Kräften der Natur im Inneren endete. So heißt es dann ganz folgerichtig im dritten Kapitel (hier S. 22): „Ob diese meine Tätigkeit wirklich der Ausfluß meines selbständigen Wesens ist, oder ob die modernen Physiologen recht haben, welche sagen, daß wir nicht denken können, wie wir wollen, sondern denken müssen, wie es die gerade in unserem Bewußtsein vorhandenen Gedanken und Gedankenverbindungen bestimmen (vergleiche Ziehen, Leitfaden der physiologischen Psychologie, Jena 1893, S. 171), ...“. Die Frage nach dem Verursacher meines Denkprozesses findet sich hier noch einmal als Steiners Kern-Fragestellung an den physiologischen Psychologen Theodor Ziehen, gleich zu Beginn des dritten Kapitels der Philosophie der Freiheit. «Ist das meine selbständige Tätigkeit, oder haben die Physiologen recht mit ihrem Determinismus des Denkens?» So Steiners Fragestellung dort sinngemäß wiedergegeben. Denn Ziehen war als Anhänger der Humeschen Schule ein klassischer Determinist und überzeugt von einem ganz mechanistischen Denken. Wobei noch zu ergänzen ist, daß Theodor Ziehen an der von Steiner gemeinten Stelle seines Buches (S. 171) wörtlich von „Associationen“ spricht, was schon noch eine sehr eigene und engere physiologische Bedeutung hat, als nur eine «Gedankenverbindung» zu sein, die auch rein begrifflich-logischer Natur sein kann, aber von Ziehen so nicht gemeint wird. Wie Sie dort auch zu Beginn (im Vorwort) der Schrift Ziehens lesen können, argumentiert Ziehen aus der Sicht der britischen Assoziationspsychologie, deren Anhänger er war, ebenso wie er in der Ursachenfrage (S. 213) auch ein Gefolgsmann Kants war. Dergestalt ist er in die britische Assoziationspsychologie eingebettet, daß er auch seinem Leser (S. 108) die Werke David Humes ausdrücklich zum psychologischen Studium empfiehlt. Das alles sollte man im Auge behalten, wenn man auf Steiners Verweis auf Theodor Ziehen stößt, und übrigens wiederholt (Kap. I, S. 8; und Kap. IV, S. 38) auf Herbert Spencer, der ebenfalls ein sehr bekannter Anhänger Humes und der deterministischen britischen Assoziationspsychologie war. Die freilich zusammen mit Kant und Hume in der Kausalitätsfrage vollkommen im Dunkeln tappte, wie Steiner bereits im Kapitel 14 der Grundlinien … mit speziellem Blick auf Kant dargetan hatte. Dahingehend, daß sich Kausalität empirisch gar nicht sicher feststellen ließe, so die Auffassung Kants und Humes, wie wir weiter oben schon behandelt haben. - Das sozusagen noch einmal der wissenschaftsgeschichtlichen Orientierung wegen kurz in Parenthese hier angeführt. Warum das Thema «Kausalität» in einer empirischen Variante, nämlich der seelischen Beobachtung, die Philosophie der Freiheit permanent durchzieht. Wer nun wie Steiner im zweiten Kapitel der Philosophie der Freiheit ganz ausdrücklich nach den wirkenden Kräften der Natur im Inneren sucht, der ist ohne jede Frage auch ein empirischer Naturforscher. Auch dem eigenen Selbstverständnis nach. Auf dieses enge Verhältnis von seelischer Beobachtung und Naturforschung weist Steiners Untertitel der Philosophie der Freiheit auch ganz unmißverständlich hin. Ein klassischer, rationalistischer Metaphysiker wie der Skeptiker Kant und dessen ebenso skeptisches Anhängerkollektiv war Steiner in dieser Frage ganz sicher nicht. Und auch kein rein metaphysischer Idealist, wie viele seiner berühmten Vorgänger. Sondern er war als Verfasser seiner Begründungsschriften ein empiristischer, komplementärer Naturforscher und Idealist, wie er es im zweiten Kapitel der Philosophie der Freiheit auch ankündigte. Das aber wirklich nicht nur dort, wie wir hier schon darlegten. Auch darauf sollte man schauen, wenn man Steiners Untertitel zur Philosophie der Freiheit betrachtet. - Ein Anhänger jenes Husserl wiederum, dem es nie um Kausalitätsfragen, innere Naturforschung und das damit verbundene Freiheitsproblem gegangen ist, war Steiner schon gar nicht. Ebenso wenig, wie er ein Anhänger jenes Husserl war, der einen ausgesprochenen Widerwillen gegen die Experimentalpsychologie hatte. Auch im engeren Sinne gegen die des Denkens. (Siehe dazu unsere längere Studie, insbesondere die Kap. 13.1.e; 13.1.f; 13.3.b). Abneigungen und akademische Abwehrstrategien Husserls, die dann als antipsychologistische Aversionen von manchen anthroposophisch tingierten Proselyten Husserls auch erfolgreich in die Anthroposophie hineingetragen wurden. Ein solcher Anhänger des Phänomenologen war Steiner ganz und gar nicht, wie Sie auch an Steiners eindringlichem Wunsch nach einem psychologischen Laboratorium zur anthroposophischen Grundlagenforschung in der Schrift Von Seelenrätseln, S. 170 f lesen können. Niemals gehörte er zu den Anhängern und Sympathisanten Husserls, wie man wenigstens vortragsweise von ihm selbst auch 1921, in GA-73a, auf den Seiten 501 f hören kann. Auch wenn ihm so eine Verbindung regelmäßig von Verirrten und Begriffstutzigen aus dem Sympathiekreis Witzenmanns unterstellt wird. Die von dort immer wieder beschworene Verbindung Steiners zu Husserl, und den aus diesem Umfeld immer wieder auflodernden Kampf gegen den angeblichen «Psychologismus» von Steinerinterpreten, die Steiners seelische Beobachtung ernst nehmen, können Sie getrost zu den Akten legen. Das Denken empirisch unter Naturforschungs- und Kausalitätsgesichtspunkten introspektiv zu untersuchen wie Steiner, das wäre wirklich das Allerletzte gewesen, wozu Husserl sich herbei / herab gelassen hätte. Das können Sie etwas eingehender im Kapitel 13.3.b), Humes Problem und seelische Kausalität bei Husserls Schülerin Edith Stein ab S. 536 ff, am wissenschaftlichen Schicksal seiner Assistentin Edith Stein studieren, wo es um genau diese Frage geht. (Ergänzend zum Hintergrund empfehle ich Ihnen sehr das Kapitel 13.1. e) auf den Seiten 458 ff in meiner genannten Studie.) Was auch einigermaßen erklären könnte, warum es von Steiner zu Husserl nie eine Verbindung gegeben hat. Schon gar keine, die Steiner explizit und aus Überzeugung selbst gezogen hätte. Da herrscht wirklich nachweislich und sehr begründet weitestgehend tabula rasa. (Ausführlichere Einzelheiten auch dazu in meiner längeren Studie.) Husserl hatte auch gar keinen Anlaß nach innerer Kausalität zu fragen wie Steiner. Da es für den Brentanoschüler Husserl im Gegensatz zu Steiner keinen Willen im Steinerschen Sinne gab. So daß die Frage seiner Assistentin Edith Stein nach innerer Kausalität sich für Husserl schon psychologisch konzeptionell verbot, wie wir oben auf S. 83 ff schon kurz andeuteten. Husserls psychologisches Gedankengebäude ließ Kausalitäts- und Freiheitsforschung auch nach Art des frühen Steiner gar nicht zu. (Zu Husserls phänomenologischem Freiheitsverständnis siehe überblicksartig etwa Tobias Keiling, Phänomenologische Freiheit in Husserls Ideen... .) Aber kehren wir zu unserem Beobachtungsbeispiel zurück: Wie der Leser an unserem Musterbeispiel mit der Dreiecksverwandlung schon bemerken kann, liegt bei der «beobachtenden Gegenüberstellung» so eines Denk-Prozesses ein zweiter Denkprozeß mit einer ganz anderen Richtung und Fragestellung vor als beim ersten, dem mathematischen. Fragen an einen Denkprozeß gibt es wiederum unzählige, von denen wir eben nur exemplarisch eine extrem sparsame Auswahl präsentiert haben. Wovon die nach dem Verursacher meines Denkprozesses zweifellos zu den allerwichtigsten und bedeutendsten naturwissenschaftlichen und philosophischen Fragen gehört, die man überhaupt daran stellen kann. Die auch regelmäßig an prominenter Stelle in Steiners Frühschriften vorhanden sind. Nicht nur als Einleitungsfrage Steiners gleich im ersten Kapitel der Philosophie der Freiheit. Und nicht nur anlässlich der «allerwichtigsten Beobachtung», die man laut ihrem dritten Kapitel «überhaupt machen kann». Sondern sie findet sich in geradezu spektakulärer Weise auch ausgesprochen in den Ergänzungen der Philosophie der Freiheit von 1918 zum Kapitel IX, (hier S. 102 f). Gekennzeichnet dort als «zurückdrängende Wirksamkeit des Denkens». Und so unzweideutig in einer Form dargelegt, die jedem modernen, physikalistisch orientierten, kausalen Determinismus des Denken buchstäblich ins Gesicht schlägt. Eine Sicht, die auch vom «Anthroposophen» Steiner regelmäßig vertreten wird. (Siehe exemplarisch dazu GA-78, Dornach, 1986, S. 141 ff mit kritischem Blick auf das physikalistische Energieerhaltungskonzept.) Schließlich und endlich ist da auch noch vom «durchschauten Weltgeschehen» und der durchschauten «wirkenden Idee anläßlich der Beobachtung des Denkens» die Rede. Drei Jahre nach der Philosophie der Freiheit in der Schrift Goethes Weltanschauung von 1897, S. 69 f. Auch die engere Textumgebung dieser Goetheschrift von 1897 enthält lauter unzweideutige Schlüsselpassagen, die zum Verständnis von Steiners frühem Begründungsschrifttum ganz unerläßlich sind. Jetzt, lieber Leser, nehmen Sie sich einmal Steiners Einleitungsfrage aus dem ersten Kapitel der Philosophie der Freiheit vor. Nehmen Sie sich auch seine Frage vom Ende des ersten Kapitels vor, das ist die nach dem Ursprung des Denkens. Nehmen Sie sich auch seine Frage nach den wirkenden Kräften der Natur im Menscheninneren aus dem zweiten Kapitel vor. Fragen Sie sich angesichts dieser Forschungsziele Steiners, was die wohl mit der allerwichtigsten Beobachtung aus dem Kapitel Drei zu tun haben könnten. Und werfen Sie abschließend auch einen Blick in Goethes Weltanschauung, wo anläßlich der Beobachtung des Denkens vom duchschauten Weltgeschehen die Rede ist, und überlegen Sie sich, was das alles mit Steiners seelischer Beobachtung und Naturwissenschaft zu tun hat. Ich bin einigermaßen zuversichtlich, daß Ihnen da doch das eine oder andere Licht noch aufgehen wird, was die «allerwichtigste Beobachtung» Steiners alles zu bedeuten hat. Zumal, wenn Sie Ihr Studium auch noch eingehend um das Kapitel 14 der Grundlinien … ergänzen. Worauf Helmut Kiene mit seinen bis dahin vorliegenden Überlegungen zur Erkenntnis des Denkens und von der ganzen Anlage seiner Schrift durchaus hätte kommen können. Auf dem Wege dahin war er ja ganz unzweideutig. Es ist aber vollständig klar, daß ich solche Fragen nach dem Verursacher angesichts von Witzenmanns und Kienes «Erzeugungsproblem», wo sich das Denken paradoxerweise «dem Bewußtsein entzieht, weil man es selbst hervorbringt», empirisch gar nicht beantworten könnte. Natürlich wird das Denken, und das gilt für beide Varianten, betrachtendes / gegenüberstellendes Denken und gewöhnliches betrachtetes Denken, auch bewußt wahrgenommen, - sofern man nicht schläft, - und «entzieht sich nicht etwa dem Bewußtsein, weil man es selbst hervorbringt». Es ist ein erlebtes erkennendes Denken, das sich im Falle der Beobachtung betrachtend den Erfahrungen des Denkens gegenüberstellt, wie wir sahen. Und wie gesagt auch als betrachtendes Denken einschließlich der eigenen Denkaktivität erlebt wird. Darüber hinaus ist es eigentlich nichts besonderes, abgesehen davon, daß dieses ganz gewöhnliche menschliche Denken als einziges Weltgeschehen in der Lage ist, sich als beobachtendes Denken selbst zu begreifen und auf dieser Grundlage archimedische Hebel der Welterklärung zu veranlagen. Wie Steiner zudem in Goethes Weltanschauung (hier S. 70) darüber sagt, auch in der Lage «das Weltgeschehen und das Geschehen der Idee zu durchschauen und zu begreifen». Darauf, auf dieser Selbsterklärungsfähigkeit des Denkens basiert ja auch Steiners archimedischer Hebel der Welterklärung. Hätte allerdings der Denker von diesem Denken und seiner Denk-Tätigkeit keine Wahrnehmung, «weil er es selbst hervorbringt», dann wüßte er natürlich auch nicht, daß er überhaupt irgend etwas damit zu tun hat, und wo seine Gedanken herkommen. Das aber wird ja schon in den Grundlinien im Kapitel 8 von Steiner ausdrücklich behandelt und (S. 46) dahingehend beantwortet, daß der Gedanke «sein Alles zeigt», nämlich auch seine Herkunft anhand der erlebten Denktätigkeit, und nicht nur seinen Inhalt. Wie wir eingangs dieses Kapitels schon sagten, liegt in der Philosophie der Freiheit dem gegenüberstellenden Betrachten des eigenen Denkens im «Ausnahmezustand» laut Steiner auch ein bewußtes Motiv zugrunde, dahingehend, es auch betrachtend erkennen zu wollen. Das muß man natürlich bei diesem Beobachtungsprozedere einkalkulieren. Denn wer, - zum Beispiel als professioneller Denkpsychologe, - dem eigenen bewußten Erkenntnismotiv zwecks Erkenntnis des erlebten Denkens systematisch folgt, und dabei auch noch die ganze denkpsychologische Forschungslage überschaut, wie seinerzeit Karl Bühler oder Oswald Külpe, der übersieht verständlicherweise die Einzelheiten nicht so leicht wie jemand, der in dieser Hinsicht nur beiläufige Zufallsfunde macht, ohne sein Erkenntnismotiv ausdrücklich in Richtung auf das Erkennen des Denkens zu artikulieren, und zudem auch gar nicht weiß, wie er dazu zwecks Erkenntnis überhaupt vorgehen sollte. Die Bewußtheit des Motivs und das Methodenwissen spielen erklärlicherweise eine ganz entscheidende Rolle. Es macht eben einen großen Unterschied, ob man weiß, was man, warum und wie vorhat, oder ob man in dieser Hinsicht komplett im Nebel steht. Dasselbe Problem mit dem aktuellen Denken wie bei Kiene zeigt sich über all die Jahre bei Witzenmann. Was freilich bei Kiene insofern erstaunlich ist, da er sich deutlich mehr als zahlreiche Interpreten aus den anthroposophischen Reihen auch um andere Frühschriften Steiners bemüht hat. Und seine Erläuterungen zum Erkennen des Denkens ab S. 149 sehr klar und konsequent um diese Erkenntnis des Denkens kreisen. Erstaunlich vor diesem Hintergrund ist eben die Tatsache, daß er den Wahrnehmungsaspekt bezüglich der eigenen Denktätigkeit dort völlig übersehen hat, der sich durch alle Frühschriften Steiners hinzieht, und in der Philosophie der Freiheit hoch plakativ noch einmal dem Leser vor Augen geführt wurde. Beginnend aber bereits 1886 in den Grundlinien… wie wir sahen. Dann in der Schrift Wahrheit und Wissenschaft, die nur kurz vor der Philosophie der Freiheit erschien, im Kapitel IV. (S. 37) dermaßen zugespitzt, so daß man schon von einer bewußten rhetorischen Überzeichnung der fraglichen Sachlage sprechen könnte. Was ja nur illustriert, wie außerordentlich zentral diese Tatsache der Wahrnehmung der Denktätigkeit im Zusammenhang mit dem reinen Denken und der intellektuellen Anschauung für Steiner war. So daß Steiner dort selbst dem Wahnsinnigen nicht zutraut die eigene Tätigkeit beim begrifflichen Denken zu übersehen, wie er dort ausführt: „Wir müssen uns vollständig klar darüber sein, daß wir dieses Hervorbringen in aller Unmittelbarkeit wieder gegeben haben müssen. Es dürfen nicht etwa Schlußfolgerungen nötig sein, um dasselbe zu erkennen. Daraus geht schon hervor, daß die Sinnesqualitäten nicht unserer Forderung genügen. Denn von dem Umstande, daß diese nicht ohne unsere Tätigkeit entstehen, wissen wir nicht unmittelbar sondern nur durch physikalische und physiologische Erwägungen. Wohl aber wissen wir unmittelbar, daß Begriffe und Ideen immer erst im Erkenntnisakt und durch diesen in die Sphäre des Unmittelbar-Gegebenen eintreten. Daher täuscht sich auch kein Mensch über diesen Charakter der Begriffe und Ideen. Man kann eine Halluzination wohl für ein von außen Gegebenes halten, aber man wird niemals von seinen Begriffen glauben, daß sie ohne eigene Denkarbeit uns gegeben werden. Ein Wahnsinniger hält nur Dinge und Verhältnisse, die mit Prädikaten der «Wirklichkeit» ausgestattet sind, für real, obgleich sie es faktisch nicht sind; nie aber wird er von seinen Begriffen und Ideen sagen, daß sie ohne eigene Tätigkeit in die Welt des Gegebenen eintreten.“ - Der Wahnsinnige erlebt dieser Bemerkung zufolge mit Blick auf die Wahrnehmung der eigenen Denktätigkeit offenbar grundlegende Dinge, die Steiners Interpreten regelmäßig entgehen und seit weit über 100 Jahren schon entgangen sind, weil sie solche Schriften Steiners gar nicht lesen, geschweige denn: ernst nehmen. Und dann natürlich auch Steiners Begründungen und Hinweise auf das unmittelbar erlebte tätige Denken nicht sehen. - Wie Sie als Leser schließlich auch sehen, sehen Sie von all dem, was Steiner dazu ganz unmißverständlich und mehr als eindringlich dem Leser nahe bringt, auch in Herbert Witzenmanns «angeblich so vorbildlichen Steiner-Interpretationen» buchstäblich rein gar nichts. Man kann daran jedenfalls studieren: Philosophen und wissenschaftliche Denker sowie Interpreten Steiners generieren bisweilen ziemlich konfuse gedankliche Chimären, ohne jeden Realitätsrückhalt. Indem sie etwa «Akte» des Bewußtseins postulieren, wo von Betätigung nicht die Rede sein darf. Oder wo gar die Akte des Denkens nicht erfahrbar sind, weil man sie selbst hervorbringt. Das wiederum war mit Blick auf die betätigungslosen Bewußtseinsakte das philosophische Milieu Husserls, von dem der junge Witzenmann stark beeindruckt und beeinflußt war. Da ist am Ende mancherlei an Konfusionen möglich. Schon allein weil Husserl aus der Brentanoschule stammte, und ähnlichen Denkfiguren der Intentionalität verhaftet war, wie es Brentano war. - Für Steiner wären solche paradoxen philosophischen Konstruktionen ganz unvorstellbar gewesen. Man sollte die Tatsache, daß auch Witzenmann regelmäßig von «Denk-Akten» spricht, jedenfalls nicht allzu hoch hängen. Sondern weit wichtiger ist es die Frage zu stellen, wie er eigentlich darauf gekommen ist, wenn er ein eklatantes Wahrnehmungsproblem bei der Denktätigkeit hat. Und ob da nicht auch ein analoger eingepreister «Durchknall» vorliegt wie bei Helmut Kiene, der ihm ja auch schon vom Wortgebrauch in dieser Frage sehr nahe kam. Insofern als der eine (Witzenmann) in der Strukturphänomenologie von 1983 (S. 25) von der «entscheidenden Schwierigkeit des Erzeugungsproblems» spricht, und Kiene im selben Sachzusammenhang ein Jahr später (S. 150) von einer «grundsätzlichen Erschwernis». Bei Witzenmann jedenfalls läßt sich zeigen, daß seine postulierten Denk-Akte nur begriffliche Konstrukte ohne jede Wahrnehmungsgrundlage sind, also Hypostasen im oben genannten Sinne. Womit sie sich den betätigungslosen Akten Husserls in gewisser Weise nähern, insofern als sie bei Witzenmann empirisch nicht wahrnehmbar, und demzufolge auch im empirischen Sinne keine sind, sondern bei Witzenmann empirisch leere Konstrukte. Witzenmanns Denkakte sind empirisch völlig gehaltlos, weil nicht wahrgenommen. Während sie bei Steiner in sämtlichen Grundschriften sehr gut nachvollziehbar ganz reale Erlebnisse der Denktätigkeit zur Erfahrungsgrundlage haben: den «erlebten Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem», den es bei Witzenmann schlechterdings nicht gibt. Der aber als empirischer Sachverhalt bei Steiner schlichtweg nicht zu übersehen ist. Ich betone es deswegen noch einmal mit allem Nachdruck: In ausnahmlos allen Frühschriften Rudolf Steiners ist das so! Zudem wird in den späteren Vorträgen diese Sachlage von ihm ausdrücklich und regelmäßig bestätigt! Einige repräsentative Beispiele dazu haben wir schon vorgelegt. Wieder andere anthroposophische Autoren, wie der im Kapitel 6.4 behandelte Kühlewind sehen in der Frage der Beobachtung des Denkens eine große sachliche Differenz zwischen der Erst- und Zweitauflage der Philosophie der Freiheit. Insbesondere, was die Beobachtung und Erfahrung des gegenwärtigen Denkens anbelangt. Eine von Kühlewind behauptete Differenz, die man allerdings bei Steiner nicht nur nicht erkennen kann, sondern Steiner hat die Verhältnisse ja schon in den vorangehenden Frühschriften seit 1886 längst unmißverständlich klar gestellt. So daß schon deswegen niemand zu solchen angenommenen, aber inexistenten schwerwiegenden Brüchen in den Auflagen seine Zuflucht nehmen muß, wenn es um die erlebte gegenwärtige Denktätigkeit geht. Daß Steiner im ersten Teil der Philosophie der Freiheit nicht von der Tätigkeit des Denkens spricht, sondern nur vom Gedachten, wie Kühlewind da aus der Schrift herausliest, das ist beim besten Willen nicht am Text Steiners zu belegen, sondern entspringt lediglich der Phantasie Kühlewinds und seiner Ratgeber, wie der Leser auch unserem Kapitel 6. 4 entnehmen kann. Bei Kühlewind liegt das Kernproblem ebenfalls in der mangelnden Unterscheidung zwischen erkennender Beobachtung und Erfahrung des Denkens, so daß er dann in seiner Erklärungsnot und gegen alle Evidenzen zu massiven Differenzen in den verschiedenen Ausgaben der Philosophie der Freiheit greift. - Auch Kühlewind soll übrigens bei der Abfassung seiner konfundierenden Schrift, wie ich mir vor vielen Jahren von einem Mitstudenten aus dem Witzenmannumfeld habe sagen lassen, der ihn und das Witzenmannmilieu aus nächster Nähe gut kannte, auch unter dem «hilfreichen» Einfluß Witzenmanns und unter der Betreuung seiner Schüler gestanden haben. Man muß einfach konstatieren, daß Witzenmann für zahllose Entgleisungen dieser Art bis auf den heutigen Tat eine entscheidende Quelle und Leitfigur war. Eine andere, exemplarische dieser Entgleisungen findet sich bei Günter Röschert in der Schrift Kontinuität und Wandel, S. 171, wo der Philosophie der Freiheit beispielsweise «Verbindungslosigkeit zwischen dem ersten und zweiten Kapitel» unterstellt wird. Um nur eine von mancherlei gravierenden Verständnislosigkeiten daraus zu benennen. (Mehr dazu hier, S. 1053 ff und S. 1199, Anmerkung 396) Alles eine Folge der Tatsache, wie sehr selbst Steiners engagierte Leser wie Röschert neben der Spur liegen, wenn sie unter dem Einfluß Herbert Witzenmanns stehen. So daß ihnen, - so auch bei Röschert, - die augenfälligsten sachlichen Zusammenhänge in dieser Schrift mit ihrem plakativ dargelegten inneren Naturforschungsanliegen völlig verloren gehen. Am allermeisten natürlich bei Witzenmanns unmittelbaren Schülern / Verehrern, von denen nicht wenige existieren und seine exegetischen Fehlleistungen emsig weiter transportieren wie der oben behandelte Wagemann. Wie wir ja auch bei Da Veiga im Kap. 6. 5 dieser Studie schon dargelegt haben. Dem inzwischen immerhin klar geworden ist, daß die Witzenmann-Interpreten Steiners auf dem Holzweg sind, und über Steiner herzlich wenig wissen, wie Sie hier von Da Veiga selbst lesen können. - Es fragt sich angesichts dessen und vorab, wie weit Witzenmann, der ja laut Klaus Hartmanns Witzenmannbiographie (Bd. 1, S. 104) stark von Husserl beeinflußt war, bei seiner Konzeption von unwahrnehmbaren Bewußtseinsakten möglicherweis von Husserl darin bestärkt war, da es bei Steiner für so eine Sichtweise im frühen erkenntniswissenschaftlichen Schrifttum keinerlei Anhalt gibt. Ganz im Gegenteil. So schreibt Klaus Hartmann im Bd. 1 seiner Witzenmann-Biographie auf S. 104: „Der Brentano-Schüler Husserl war, als Witzenmann in Freiburg zu studieren begann, bereits 66 Jahre alt. Er hatte seine Logischen Untersuchungen (1900/1901) und seine Ideen zu einer reinen Phänomenologie und phänomenologischen Philosophie (1913) schon vor der Freiburger Zeit verfasst, vertiefte aber in den Folgejahren seinen Forschungsansatz mit großer Akribie und weiteren Veröffentlichungen. So war es nicht zu verwundern, dass Witzenmann in seinen Seminaren als Kommilitonen durchaus einigen Menschen aus der Elite der späteren deutschen Philosophie wie Hannah Arendt, Eugen Fink und anderen begegnete und mit ihnen in denselben Husserlschen Lehrveranstaltungen saß. Doch hat Witzenmann später nie darauf Bezug genommen, auch auf sein Studium bei Husserl nicht. Dabei wird ihm Husserls Denkungsart und Methode, die die Beobachtung des Denkens einbezieht, wenn man von dem trockenen philosophischen Stil der Darstellung absieht, nicht fremd gewesen sein. Ja, man kann sagen, dass Witzenmann eine ganze Reihe spezifischer Fragestellungen Husserls in seiner Art und im Kontext der Erkenntnis-und Geisteswissenschaft aufgegriffen und weitergedacht hat. Viele der späteren Veröffentlichungen Witzenmanns, von Intuition und Beobachtung über die Voraussetzungslosigkeit der Anthroposophie, die Strukturphänomenologie bis zu Sinn und Sein zeigen den an Husserl geschulten Blick für die Methoden und Inhalte der Philosophie. Akt und Inhalt, Voraussetzungslosigkeit, Evidenz, Selbstgebung, Adäquation und vieles mehr sind Themen, die man in ähnlich ausführlicher Darstellung bei Husserl und, wenn auch in anderer Art, bei Witzenmann findet.“ Wahrlich nicht wenig, was Witzenmann im Zweifel an zentralen Überlegungen über Steiner stülpte, ohne sich über die Herkunft seiner husserlschen Philosopheme bei seinem Leser zu erklären. Sogar für die Unterscheidung nach «Akt und Inhalt» und «Selbstgebung» vermutet Hartmann, der ganz unverdächtig ist ein Gegner Witzenmanns zu sein, auch die Quelle Husserl. Kein Wunder wäre es zumindest, wenn ein derart bei Husserl vorgeformter Blick Witzenmanns für die entscheidenden Details bei Steiner keine Aufmerksamkeit und auch gar kein Interesse mehr hat. Sondern beides, Husserl und Steiner ohne jede Klarheit für diese unterschiedlichen Quellenlagen, sowie ihre hoch verschiedenen sachlichen Intentionen, Konsequenzen und Implikationen munter verquickte, und ohne dem Leser irgend etwas über diese seine, auf Husserl zurückgehenden Veränderungen an Steiners eigenen Original-Gedankenbildungen zu berichten. Zumal, wenn er wie Witzenmann auch noch die allerwichtigsten und empirisch auskunftsreichsten Teile von Steiners frühem Begründungsschrifttum schlichtweg ignorierte und in die sprichwörtliche Tonne trat. Über die Konfusionen bei einer von Witzenmanns «Interpretations-Cocktail» geprägten Steinerrezeption jedenfalls müsste da schon allein deswegen niemand mehr erstaunt sein, denn es ist ein einziges unentwirrbares, weil von Witzenmann nie belegtes Durcheinander. Wenn Sie dann auch noch erleben, wie wenig sich die Anhänger Witzenmanns für Steiners eigenes Werk interessieren, wie wir oben anläßlich Wagemanns Übersetzung der Strukturphänomenologie neuerlich hörten, sondern nur Mißinterpretationen Witzenmanns und irgend einen unerklärten Husserlverschnitt als Steinersches Gedankengut verkaufen, dann bekommen Sie eine Ahnung dafür, wohin bei derartigen Anhängern letztlich die Reise geht: Nämlich in ein erkenntniswissenschaftliches Kraut- und Rüben- Projekt, das ganz sicher nicht zum Verständnis und zur angemessenen Weiterführung von Steiners Grundlagen oder gar bis zur Anthroposophie Steiners führt. Wovor Sie sich als Leser nur schützen können, wenn Sie auf so eine intellektuelle Kraut- und Rüben-Lieferung verzichten, und Steiner, wie es sich für jeden gewissenhaften Menschen und jeden ernst zu nehmenden Wissenschaftler gehört, ordentlich im Original studieren, bevor Sie sich vorschnell von mißweisender Sekundärliteratur in die Irre führen lassen. Mit Husserl und Witzenmann vergleichen können Sie ihn dann immer noch, wenn Ihnen daran liegt. Sauber in allen Einzelheit klären werden wir diesen verworrenen Quellenverschnitt Witzenmanns hier allerdings nicht können, da Witzenmann auch laut Hartmann über die nicht zu übersehenden Husserleinflüsse in seinen Steinerinterpretationen eben nie Auskunft gegeben hat. Was nun das Allerletzte ist, was man von einer seriösen, gewissenhaften und wissenschaftlich ernst zu nehmenden Erarbeitung grundlegender Werke Rudolf Steiners erwarten sollte, die sich bei Witzenmann über annähernd 40 Jahre erstreckte und in Teilen davon gar in der Funktion als Goetheanumsvorstand entworfen. Woraus sich noch ganz besondere Verpflichtungen bezüglich der akribischen Forschungsarbeit ergeben. Darum freilich, um Quellentreue, scherte sich der Goetheanumsvorstand und «Betreuer der anthroposophischen Jugend», Witzenmann, laut Hartmann herzlich wenig. Das alles muß man wissen: Wenn jemand als Philosoph von «Denk-Akten» spricht, dann muß das nicht zwangsläufig auch einen empirischen Hintergrund haben. Sondern dahinter steht unter Umständen bloß ein rein rationalistischer oder anderswo entlehnter wie bei Witzenmann. Sprache ist bekanntlich geduldig. Wichtiger als der bloße Ausdruck ist deswegen die Frage, auf welchem Wege er überhaupt dazu kommt, darüber in solchen Ausdrücken wie «Denk-Akten» zu sprechen. Denn wenn jemand als Steinerinterpret mit «Denk-Akten» aufwartet, die man auf der reinen Tätigkeits- und Wirksamkeitsebene nicht erfahren kann, sondern statt dessen wie Witzenmann ein «Erzeugungsproblem» und eine «Paradoxie der Selbstgebung» postuliert, während Steiner in sämtlichen Frühschriften das genaue Gegenteil, nämlich die erlebte Tätigkeit des Denkens im Blick hat und darauf unmissverständlich aufbaut; wenn Witzenmann in seinem Buch über Goethes universalästhetischen Impuls (S. 346) anlässlich des Ausnahmenzustandes und der Beobachtung des Denkens von einer ominösen «Betätigungsart» spricht, Steiner hingegen beim Ausnahmezustand und an der von Witzenmann interpretierten Stelle klipp und klar vom «qualitativ gleichwertigen Denken», aus dem sein Interpret Witzenmann dann irgend eine nebelhafte «Betätigungsart» konstruiert, dann wird es für einen Empiristen und gewissenhaften Steinerinterpreten verständlicherweise höchst problematisch. Also ist es schon erheblich, ob jemand wie Witzenmann den Denkakt erst «über Denkakte zum Bewußtseinsinhalt» macht, die er gar nicht unmittelbar erlebt hat, oder ob er «aus dem vollen Erleben der Aktivität des Denkens» spricht, wie es Steiner ausdrücklich später von seiner Philosophie der Freiheit sagt (GA-78, Dornach 1968, [1986] S. 41 f. Und wahrhaftig nicht nur dort im späteren Vortrag. Sondern permanent und ohne Ausnahme in allen Grundschriften, wenn man erst einmal einen gründlichen Blick darauf wirft. - Insofern war natürlich auch Bühlers Frage nach den Wahrnehmungen / Erlebnissen des Denkens so wichtig – auch für Anthroposophen. Um noch einmal den Faden zu früheren Passagen dieses Kapitels aufzunehmen. - Fahren wir erst einmal mit unseren Ausgangsüberlegungen dieses letzten Abschnittes zur Rolle der Intuition für die Erkenntnis des Denkens fort: Daß Witzenmann der Intuition eine Sonderfunktion für die Erkenntnis des Denkens zuweist, die ihr erkenntniswissenschaftlich von Steiner augenfällig in gar keiner Weise zugebilligt wird, ist relativ leicht zu erklären. Für Witzenmann gab es nämlich keine Wahrnehmung des aktuellen Denkens, wie wir oben noch einmal eindrucksvoll anhand der Übersetzung Wagemanns gesehen haben: An die Stelle von Steiners Wahrnehmung der aktuellen Denkbetätigung setzte Witzenmann sein «Erzeugungsproblem» der Strukturphänomenologie. Dem seit 1948 verschiedene Vorläufer einer skurrilen Denkakt-Denkerei vorangingen, die in der Sache alle auf das selbe hinauslaufen, bzw. dieselbe Wurzel hatten: nämlich die fehlende Wahrnehmung der eigenen Denkaktivität. Es fehlte als Folge eines missverstandenen Beobachtungsbegriffs, und vielleicht nicht nur deswegen, bei Witzenmann die Wahrnehmung des aktuellen Denkens. Seit mindestens 1948 unverändert bis in die Strukturphänomenologie der 1980er Jahre mit ihrem expliziten «Erzeugungsproblem». Wenn ich aber keine Wahrnehmung meines gegenwärtigen Denkens bzw. meiner real wirkenden Denk-Aktivität habe, wie Witzenmann irtümlich behauptete, dann kann ich auch keine Wahrnehmungen meines aktuellen Denkens mit jenen Begriffen vereinigen, zu denen ich im Verlauf meiner Beobachtung des Denkens gelange. Komme also nicht in der empirischen Selbsterklärungsfähigkeit des Denkens an wie Steiner im dritten Kapitel der Philosophie der Freiheit oder in Goethes Weltanschauung. Sondern lande ohne Wenn und Aber im «Erzeugungsproblem» Witzenmanns, und kann mir damit beliebige und endlose Hypothesen darüber ausspinnen, wer oder was wohl der eigentliche Verursacher meiner Gedankenbildung war, ohne jemals irgend einen empirischen Anhalt dafür zu haben. «Man bringt dann nur noch Denkakte durch Denkakte hervor», die man gar nicht wahrgenommen hat, bzw. die kein Bewußtseinsinhalt waren, wie es bei Witzenmann fortlaufend seit 1948, S. 40 heißt. Denn der erlebte / wahrgenommene Denkakt wird bei Witzenmann ausdrücklich in Abrede gestellt. - Das heißt: Der ganze erkenntniswissenschaftliche Empirismus Steiners und dessen Selbsterklärungsfähigkeit des Denkens lösen sich an ihrer Schlüsselstelle bei Witzenmann in lauter Luft auf. Infolge einer hartnäckigen Fehlinterpretation, die sich seit 1948 über annähernd 40 Jahre bis in Witzenmanns Strukturphänomenologie von 1983 hinzog, und dort als «Erzeugungsproblem» ihre neue alte Aufwartung macht. Was kurios genug ist, angesichts der Tatsache, daß Steiner permanent in sämtlichen Frühschriften auf die unmittelbare Erfahrung der Denkaktivität hinweist, und davon außerordentlich viel abhängig macht. Indes, was Witzenmann daraus geformt hat ist angesichts dieser Tatsache nicht nur völlig unverständlich und bizarr, sondern das alles ist krudester Hypothesenrelativismus des faktischen Denkens, und weit, weit weg von allem, was Steiner jemals dazu gesagt und geschrieben hat. Dieses Programm Witzenmanns läuft inzwischen bei den Anhängern Witzenmanns und verstärkt seit annähernd 50 Jahren, beginnend schon weit früher im Jahre 1948 mit seiner Erstauflage von Intuition und Beobachtung. Während Steiner die Wahrnehmung der Selbstbetätigung beim Denken ausdrücklich in den Zusätzen von 1918 zur Philosophie der Freiheit noch einmal betont, wird sie von Witzenmann ebenso nachdrücklich in seinem Aufsatz Intuition und Beobachtung in der zweiten Auflage von von 1977 neuerlich abgewiesen. Und zwar unter Hinweis auf vermeintliche Aussagen von Steiner persönlich. Steiner haben wir dazu inzwischen schon häufiger gehört. Hier S. 181, wo er das intuitiv erlebte Denken als «Wahrnehmung», kennzeichnet, «in der der Wahrnehmende selbst tätig ist, und als Selbstbetätigung, die zugleich wahrgenommen wird.» Das Tätigkeitserleben ist eine ganz unerläßliche Eigenschaft des intuitiv erlebten Denkens. Während andererseits wiederum, - auch darin wiederholen wir uns jetzt noch einmal, - laut Steiners Philosophie der Freiheit hier Kap. VII, S. 94, „alles sinnlich und geistig an den Menschen Herantretende als Wahrnehmung aufgefaßt wird, bevor es von dem tätig erarbeiteten Begriff erfaßt ist.“ Wie ich hier inzwischen auch schon wiederholt dargelegt habe, war das in der Überarbeitung der Philosophie der Freiheit von 1918 alles nichts Neues, sondern derselbe Gedankengang durchzieht Steiners gesamtes Begründungswerk seit mindestens den Grundlinien von 1886. Dort als «erlebter Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem» eigens noch einmal hervorgehoben im Kapitel 15. (S. 56) mit den Worten: „Wir erinnern uns, warum eigentlich das Denken in unmittelbarer Erfahrung bereits sein Wesen enthält. Weil wir innerhalb, nicht außerhalb jenes Prozesses stehen, der aus den einzelnen Gedankenelementen Gedankenverbindungen schafft. Dadurch ist uns nicht allein der vollendete Prozeß, das Bewirkte gegeben, sondern das Wirkende.“ Das Wirkende in diesem Prozess ist im vorliegenden Rückblick die erlebte, eigene Aktivität des Denkens, die ja bereits im achten Kapitel dieser Schrift (hier ab S. 24) charakterisiert wird. Was sich dann in Goethes Weltanschauung von 1897 (S. 70 f) höchst eindrucksvoll noch einmal wiederholt, dahingehend daß bei der Beobachtung des Denkens «der ganze Prozeß restlos im Inneren gegenwärtig ist». Folglich das Wirkende unmittelbar erlebt und das «Weltgeschehen» durchschaut werde als «Geschehen der Idee». Was wir inzwischen ja auch schon hinlänglich kennen: „An dem Zustandekommen aller übrigen Anschauungen ist der Mensch unbeteiligt. In ihm leben die Ideen dieser Anschauungen auf. Diese Ideen würden aber nicht da sein, wenn in ihm nicht die produktive Kraft vorhanden wäre, sie zur Erscheinung zu bringen. Wenn auch die Ideen der Inhalt dessen sind, was in den Dingen wirkt; zum erscheinenden Dasein kommen sie durch die menschliche Thätigkeit. Die eigene Natur der Ideenwelt kann also der Mensch nur erkennen, wenn er seine Thätigkeit anschaut. Bei jeder anderen Anschauung durchdringt er nur die wirkende Idee; das Ding, in dem gewirkt wird, bleibt als Wahrnehmung außerhalb seines Geistes. In der Anschauung der Idee ist Wirkendes und Bewirktes ganz in seinem Innern enthalten. Er hat den ganzen Prozeß restlos in seinem Innern gegenwärtig. Die Anschauung erscheint nicht mehr von der Idee hervorgebracht; denn die Anschauung ist jetzt selbst Idee. Diese Anschauung des sich selbst Hervorbringenden ist aber die Anschauung der Freiheit. Bei der Beobachtung des Denkens durchschaut der Mensch das Weltgeschehen. Er hat hier nicht nach einer Idee dieses Geschehens zu forschen; denn dieses Geschehen ist die Idee selbst.“ So Steiner dort. Von Akten und Betätigungen, die wie bei Husserl gar keine sind, und jeder Gedanke an Tätigkeit ausgeschlossen bleiben muß, ist hier aus gutem Grund keine Rede. Und erst recht keine von Witzenmanns ausgedachten Denk-Akten, die erst über Denk-Akte «zum Bewußtseinsinhalt» werden. Witzenmanns Erzeugungsprobleme und Paradoxien der Selbstgebung existieren deswegen bei Steiner aus ebenso guten Gründen nicht. Sondern: „es kommt darauf an, daß nichts gewollt wird, was, indem es sich vollzieht, vor dem «Ich» nicht restlos als seine eigene, von ihm überschaubare Tätigkeit erscheint. Man muß sogar sagen, wegen der hier geltend gemachten Wesenheit des Denkens erscheint dieses dem Beobachter als durch und durch gewollt.“ wie es in der Ergänzung am Schluß des dritten Kapitels der Philosophie der Freiheit heißt (hier S. 36 f). Diese Bemerkungen nur noch einmal als Einrahmung, weil das den Kontrast im philosophischen Realitätsbezug etwas erhöht: Steiner spricht nicht von philosophisch virtuellen Kräften, Prozessen und erdachten Scheintätigkeiten, die keine sind, sondern von echten. Die er unmittelbar erlebt (wahrnimmt) und beobachtet. Dem steht zum Beispiel kontradiktorisch die Interpretation gegenüber, die Witzenmann in seinem überarbeiteten Aufsatz Intuition und Beobachtung Bd. 1, 1977 auf S. 74 vorlegt. So schreibt er dort: „Nennt man den Gesamtumfang des menschlichen Bewußtseins Erfahrung ..., so lassen sich innerhalb seiner zwei Gebiete unterscheiden. Die Objekte des einen Gebietes sind ohne Zutun ... des Subjekts, also (was ihr Gegebensein anlangt) fertig ..., die des anderen Gebiets nur auf Grund einer Betätigung des Subjekts, also hervorgebracht gegeben. Die fertig gegebenen Objekte (nicht die ihnen zugeordneten Tätigkeiten - Akte - unseres bewußten Verhaltens) [Hervorhebung, MM] nennt Rudolf Steiner Wahrnehmungen … Von ihnen hebt sich das Gesamtgebiet des Hervorgebracht-Gegebenen ... nur als Ergebnis unserer Eigentätigkeit Auftretenden, das Denken... ab.“ Wie Sie sehen schließt Witzenmann hier ganz ausdrücklich und unter Hinweis auf angebliche Aussagen Steiners die individuelle Aktivität des Denkers von der Wahrnehmung aus: „Die fertig gegebenen Objekte (nicht die ihnen zugeordneten Tätigkeiten - Akte - unseres bewußten Verhaltens) nennt Rudolf Steiner Wahrnehmungen … [Hervorhebung, MM]„. Der fragwürdige Punkt an Witzenmanns Charakterisierung ist nicht die Tatsache, daß er hier von «fertig gegebenen Objekten» spricht. Denn das ist ja auch ein Hauptunterscheidungsmerkmal bei Rudolf Steiners Kennzeichnungen des «Gegebenen». Beginnend schon im Kapitel 8 der Grundlinien, S. 44 ff. Und speziell auf die Grundlinien… Steiners bezieht sich Witzenmann an dieser Stelle. Der kritische Punkt ist vielmehr, daß Witzenmann hier zugleich betont, Steiner würde die den Wahrnehmungen bzw. den fertig vorgegebenen Objekten «zugeordneten Akte unseres Verhaltens nicht als Wahrnehmung bezeichnen». Denn das trifft durchgängig nicht zu. Auch für die speziell von Witzenmann gemeinten Grundlinien … trifft das nicht zu, wie der Leser in besonderer Weise in den Kapiteln 8 und 15 überprüfen kann. Welche ausdrücklich die Wahrnehmung der inneren «Triebkräfte» (Kap. 8, S. 45 f) zum Thema haben: „Die äußeren Triebkräfte, die wir bei einem Sinnenobjekte stets voraussetzen müssen, sind beim Gedanken nicht vorhanden. Sie sind es ja, denen wir es zuschreiben müssen, daß uns die Sinneserscheinung als etwas Fertiges entgegentritt; ihnen müssen wir das Werden derselben zurechnen. Beim Gedanken bin ich mir klar, daß jenes Werden ohne meine Tätigkeit nicht möglich ist. Ich muß den Gedanken durcharbeiten, muß seinen Inhalt nachschaffen, muß ihn innerlich durchleben bis in seine kleinsten Teile, wenn er überhaupt irgendwelche Bedeutung für mich haben soll.“ Deswegen zeigt der Gedanke, wie Steiner dort betont, auch «sein Alles» Nicht nur seinen Inhalt, sondern auch seine Herkunft, die wir unmittelbar als Denkaktivität erleben. - Im Kapitel 15 (S. 86) wird diese Sachlage von Steiner dann eigens noch einmal kurz rückblickend zusammengefaßt, dahingehend: „Wir erinnern uns, warum eigentlich das Denken in unmittelbarer Erfahrung bereits sein Wesen enthält. Weil wir innerhalb, nicht außerhalb jenes Prozesses stehen, der aus den einzelnen Gedankenelementen Gedankenverbindungen schafft. Dadurch ist uns nicht allein der vollendete Prozeß, das Bewirkte gegeben, sondern das Wirkende.“ Wenn «das Wirkende gegeben ist», wie Steiner sagt, dann wird es selbstredend auch wahrgenommen über jenen «inneren Sinn», „für das Wahrnehmungsvermögen der inneren Erlebnisse“ von dem in diesem Buche bereits im Kapitel 7 (hier S. 40) die Rede war. Und was als «Triebkräfte» oder «Wirkendes» wahrgenommen wird, das ist bekanntlich auch eine Wahrnehmung. Was in den nachfolgenden Grundschriften Steiners dann ja auch durchgängig und bruchlos weiter verfolgt, bestätigt und präzisiert wird: Daß beim tätigen Denken Wirkendes und Bewirktes unmittelbar in ihrem Zusammenhang erlebt werden. Was er dann in der Zweitausgabe der Philosophie der Freiheit ausdrücklich unter dem Ausdruck «intuitiv erlebtes Denken» dem Leser hinter die Ohren schreibt: «Das intuitiv erlebte Denken sei nämlich eine Wahrnehmung, in welcher der Wahrnehmende selbst tätig ist und eine Selbstbetätigung, die zugleich wahrgenommen wird.» Da geht es nicht um die höhere Geistesforschung Steiners, sondern um das, was Steiner der Sache nach schon 1886 geschrieben hat in der Weise, «weil wir innerhalb, nicht außerhalb jenes Prozesses stehen, der aus den einzelnen Gedankenelementen Gedankenverbindungen schafft. Dadurch ist uns nicht allein der vollendete Prozeß, das Bewirkte gegeben, sondern das Wirkende.» Die Aktivität des Denkens hat bei Steiner bereits 1886 unter dem Terminus «Wirkendes, das als Gegebenes vorliegt» unübersehbaren Wahrnehmungsstatus. Den Steiner in sämtlichen erkenntniswissenschaftlichen Folgeschriften der 1890er Jahre wieder aufnimmt, dort als Schlüsselstelle betont, und bezüglich der Wahrnehmungsgegebenheit auch sprachlich weiter poitiert, bis in die Zusätze der Philosophie der Freiheit von 1918. Es ist das komplette Gegenteil von dem, was Witzenmann 1977 in der zitierten Anmerkung seiner Schrift auf S. 74 behauptet, wennn er sich dort auf vermeintliche Aussagen Steiners beruft. Denn daß bei Steiner die Denkaktivität einen ausgesprochenen Wahrnehmungsstatus hat, ist schon ganz unübersehbar in den Grundlinien von 1886 der Fall: Die Tätigkeit des Denkens wird dort ganz explizit wahrgenommen, bzw. ist «als Wirkendes gegeben». Eine extrem essentielle Tatsache, die sich bei Steiner in sämtlichen Frühschriften ausgesprochen findet. Im Rückblick der Grundlinien bezeichnenderweise auch noch gleich im Anschluß an das Kantkapitel und das von Kant ungelöste Kausalitätsproblem hervorgehoben. Und schließlich als «allerwichtigste Beobachtung» der Philosophie der Freiheit und dort spektakulär als «Archimedischer Hebel der Welterklärung» ausgezeichnet. Während sich bei Witzenmann der komplette Gegensatz dazu, nämlich die unwahrnehmbaren Denkakte von 1948 an bis in seine Strukturphänomenologie von 1983 erhalten haben. - (Womit sich eben die Frage stellt, wie denn die Akte des Bewußtseins überhaupt ins Bewußtsein gelangen sollten, wenn sie gar nicht wahrgenommen werden, also unsere inneren Erkenntnis-Aktivitäten, keine Wahrnehmungen sind.) Witzenmann wiederholt 1977 nur noch einmal, was er bereits 1948 in der Erstauflage seines Aufsatzes geschrieben hat. Daß nämlich der Denkakt erst Bewußtseinsinhalt wird, «wenn ich ihn in einem zweiten Denkakt denke». Im Unterschied zu 1948 wird 1977 vom «erkannten» Denkakt gesprochen. Freilich war der Denkakt auch 1977 immer noch nicht bewußt erlebt. Denn auch hier wird er nur «mittelbar» durch einen zweiten Denkakt bewußt und erkannt. Da fragt es sich natürlich: Wo war denn der Denkakt, bevor ich ihn in einem zweiten Denkakt bewußt machte, und angeblich erkannte? Worauf stützt sich dann dieses vermeintliche Erkennen, wenn es vorher gar keine Wahrnehmung der Denktätigkeit gab? - Jedenfalls nicht auf die reine empirische Erfahrung der Denktätigkeit. Während es sich, wie Sie sehen, bei Steiner komplett anders verhält, der aus dem «vollen Erleben der Aktivität des Denkens» sprach. Das nicht erst in der Nachbetrachtung späterer Vorträge, sondern bereits in den Grundlinien von 1886 selbst, wenn er im Kapitel 15 (S. 86) noch einmal resümiert: "Wir erinnern uns, warum eigentlich das Denken in unmittelbarer Erfahrung bereits sein Wesen enthält. Weil wir innerhalb, nicht außerhalb jenes Prozesses stehen, der aus den einzelnen Gedankenelementen Gedankenverbindungen schafft. Dadurch ist uns nicht allein der vollendete Prozeß, das Bewirkte gegeben, sondern das Wirkende." So ein «Wirkendes», bzw. den «erlebten Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem» werden Sie in Witzenmanns «Interpretationen» vergeblich suchen. Und damit auch alles dasjenige nicht finden, was Steiner an freiheitsphilosophischen, kausalitätsphilosophischen Überlegungen, und Anliegen zum spirituellen Goetheschen Naturverständnis verknüpfte. Dass infolgedessen bei Witzenmann und in seiner Strukturphänomenologie die «allerwichtigste Beobachtung» nicht existiert, «die der Mensch laut Steiner machen kann», sondern stattdessen ein Erzeugungsproblem und eine Paradoxie der Selbstgebung, das versteht sich aus dem Vorangehenden ganz von selbst. Zu dieser «Paradoxie der Selbstgebung» bzw. zu Witzenmanns «Erzeugungsproblem» gibt es in Steiners sämtlichen frühen Begründungs-Schriften keine einzige Parallele! Steiner berichtet in Wirklichkeit und in sämtlichen Frühschriften seit mindestens 1886 das exakte Gegenteil von dem, was Witzenmann daraus gemacht hat. Und diese «Tätigkeit des bewußten Verhaltens», nämlich des Denkens, wird als «wahrgenommene Tätigkeit» hoch eindrucksvoll als «Wirkendes» im Kapitel 15 der Grundlinien (S. 86), und in der Zweitauflage der Philosophie der Freiheit sogar noch einmal mit allem Nachdruck hervorgehoben! Nämlich «als Selbstbetätigung, die zugleich wahrgenommen wird». Wo Steiner die Wahrnehmung der eigenen Aktivität faktisch zum definitorischen Kennzeichen des intuitiv erlebten Denkens macht. Was sich wie gesagt bereits wiederholt 1886 in den Grundlinien von 1886 findet. Wie wir es neuerlich hören, und von Steiner mit aller Emphase betont in Wahrheit und Wissenschaft, im Kap. IV (hier S. 37) dahingehend, «daß das Hervorbringen von Begriffen unmittelbar gegeben sein müsse. Und nicht etwa das Resultat von Schlußfolgerungen sein dürfe.» Schließlich mit besonderer Hervorhebung noch einmal ausgesprochen in der Zweitauflage der Philosophie der Freiheit, nicht nur, wenn er von der Wahrnehmung des intuitiv erlebten Denkens spricht. «Als Selbstbetätigung, die zugleich wahrgenommen wird», sondern auch am Ende des Dritten, wo es heißt, es käme beim Denken darauf an, „daß nichts gewollt wird, was, indem es sich vollzieht, vor dem «Ich» nicht restlos als seine eigene, von ihm überschaubare Tätigkeit erscheint. Man muß sogar sagen, wegen der hier geltend gemachten Wesenheit des Denkens erscheint dieses dem Beobachter als durch und durch gewollt.“ Die Passagen aus Goethes Weltanschauung von 1897 (S. 69 f) nehmen diesen Bezug zu den Vorgängerschriften noch einmal besonders klar und konzentriert auf. - Die Aktivität des Denkens, und was ist das anderes als die höchste Form des «erkennenden Verhaltens», die den gegebenen Dingen erkenntniswissenschaftlich zugeordnet werden kann, liegt bei Steiner stets als «Wirkendes», «Erlebtes», «Gegebenes» oder wortwörtlich eben als «Wahrnehmung» vor. Wo Steiner zudem in der Philosophie der Freiheit alles sinnlich und geistig gegebene als Wahrnehmung bezeichnet, bevor sie vom tätig erarbeiteten Begriff erfaßt worden sind. Wozu selbstredend auch die Wahrnehmung des tätigen Denkens gehört. Wie gesagt seit mindestens 1886 in sämtlichen Grundschriften Steiners. Das Sonderbare bei Witzenmann ist indessen, dass er nicht nur die den fertig vorgegebenen Gegenstände zugeordneten Aktivitäten im allgemeinen durch Steiner von der Wahrnehmung ausschließen läßt, sondern sogar die Aktivität des Denkens von der Wahrnehmung exkludiert. Während Steiner sie geradezu definitorisch einbezieht. Dagegen ist bei Witzenmann die Tätigkeit des Denkens kein Gegenstand der Wahrnehmung! In der Erstauflage des Aufsatzes Intuition und Beobachtung von 1948 wird der Denkakt auf S. 40 ausdrücklich als «nicht bewußt» gekennzeichnet: „Der Denkakt kann als ein Hervorbringen selbst nur ein Hervorgebracht-Gegebenes sein. Damit er Bewußtseinsinhalt sei, muß ich ihn selbst zum inhaltlichen Ergebnis eines auf ihn abzielenden Aktes machen. Ich muß also den (zur Hervorbringung eines zuvor gedachten Begriffs erforderlichen) vorangehenden Denkakt denken.“ Der nicht bewußte, sondern nur nachträglich gedachte Denkakt Witzenmanns ist hier nichts anderes als eine Hypostase: Ein begriffliches Konstrukt, und kein Erlebnis, sondern nur im Nachgang verdinglicht. In der unmittelbaren Wahrnehmung als erlebte Aktivität nicht vorhanden, sondern lediglich erdacht. Erdacht von einem «zweiten Denk-Akt», den er logischerweise ebenfalls nicht wahrgenommen haben kann. - "Ich bringe also im Denken eines Aktes einen Akt durch einen Akt als dessen Inhalt hervor" So lautet die berüchtigte Denkakt Konstruktionsformel Witzenmanns von 1948, S. 40. Dieselbe Lage immer noch in der Zweitauflage von 1977, S. 79, wo er ebenfalls «nur mittelbar» durch einen zweiten Denk-Akt bewußt gemacht wird, der unter solchen Prämissen selbstredend auch nicht erlebt worden sein kann. Witzenmann bringt virtuelle Denkakte durch nicht erlebte Denkakte hervor, während Steiner das Hervorbringen von Begriffen und Ideen durch die Denktätigkeit ganz konkret und unmittelbar erlebt. Siehe exemplarisch dazu Wahrheit und Wissenschaft, wo S. 37 das Hervorbringen von Begriffen und Ideen unmittelbar gegeben sein muß. Wie gesagt nur exemplarisch hier angeführt, denn die Denktätigkeit wird bei Steiner seit 1886 über sämtliche Begründungsschriften hinweg als bewußte Wahrnehmung / Erfahrung dargestellt. In der Zweitauflage von 1918 noch einmal ganz besonders unter dem Wahrnehmungsstichwort explizit gemacht, während sie 1886 in der Sache zwar gleichlautend, aber unter dem Stichwort «Erlebter Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem» vermittelt wird. Im Kapitel 15 (hier S. 86) durch den Verweis auf vergangene Passagen, wo er insbesondere im Kapitel 8 (hier S. 45 f) lang und breit erläutert wird, und unter Verweis auf die erlebten inneren Triebkräfte dahingehend, daß der Gedanke «sein Alles zeigt». Auch seine Herkunft, - weil die eigene Tätigkeit des Denkens unmittelbar erlebt wird. Während es bei Witzenmann schlichtweg keine Wahrnehmung von Akten des Bewußtseins im allgemeinen gibt, und in Sonderheit auch keine von der Aktivität des Denkens. Stattdessen lediglich eine gedachte und rein theoretisch mittelbar erschlossene ohne eine unmittelbare Erfahrungsgrundlage der Aktivität des eigenen Denkens. Seit 1948 und durchgängig bis zur Strukturphänomenologie von 1983, wo dieser Sachverhalt dann unter dem Stichwort «Erzeugungsproblem» und «Paradoxie der Selbstgebung» erscheint. - Auf S. 25 der Strukturphänomenologie Witzenmanns von 1983 heißt es deswegen entsprechend: „Wer sich mit dem Erzeugungscharakter der Grundstruktur bekannt gemacht hat, wird eines Problems gewahr, das ganz ähnlich auch im Hinblick auf das Denken, die Begriffsbildung auftritt. Denn das Hervorgebrachte (dies ist ebenso die Grundstruktur wie das Denken selbst) kann als ein solches ja erst beobachtet werden, nachdem es hervorgebracht wurde.“ Eine Wahrnehmung der Selbstbetätigung im Denken existiert bei Witzenmann auch 1983 nicht. Auch keine unmittelbare Wahrnehmung jener Beobachtungstätigkeit, die bei Steiner ja ebenfalls ein Denken ist – «qualitativ identisch» mit der Denktätigkeit: „Der beobachtete Gegenstand ist qualitativ derselbe wie die Tätigkeit, die sich auf ihn richtet. Und das ist wieder eine charakteristische Eigentümlichkeit des Denkens. Wenn wir es zum Betrachtungsobjekt machen, sehen wir uns nicht gezwungen, dies mit Hilfe eines Qualitativ-Verschiedenen zu tun, sondern wir können in demselben Element verbleiben.“ So Steiner dazu im Kapitel Drei der Philosophie der Freiheit, hier auf S. 30. Die von Steiner durchgängig betonte Tatsache, daß man das Denken in seinem Vollzug erleben kann und muß, wenn auch nicht gleichzeitig beobachten kann, findet, wie man sieht, bei Witzenmann bis zum Ende seines schriftstellerischen Schaffens keinerlei Berücksichtigung. Wie gesagt ist das nicht nur gänzlich abwegig, sondern auch in besonderer Weise kurios, weil die von Steiner geschilderte Sachlage in Steiners sämtlichen Frühschriften überhaupt nicht zu übersehen ist. Witzenmanns Steinerinterpretationen sind in dieser Frage über fast vier Dezennien beherrscht von interesseloser Willkür. Mit anderen Worten: Witzenmann hat Steiners Erkenntnistheorie in ihrem empirischen Kern, ihren Intentionen und ihrer Methode der Beobachtung des Denkens sein Leben lang nicht begriffen. In den restlichen Arbeiten Witzenmanns sieht es diesbezüglich nicht anders aus, was wir hier und in anderen Abhandlungen auf dieser Webseite zur Genüge behandelt haben. An anderer Stelle (hier S. 594) habe ich Witzenmanns, - ebenso an den Haaren herbeigezogene, wie bei vielen anthroposophischen Rezipienten federführende, - Steinerinterpretationen deswegen auch eine fundamentalphilosophische Mogelpackung genannt, weil es dazu allen dringenden Anlaß gibt. Denn es ist angesichts der regelmäßigen Hervorhebung der erlebten Denkaktivität durch Steiner, die ja in sämtlichen Frühschriften gar nicht zu übersehen ist, eine mehr als sonderbare Angelegenheit. - Eine wahrlich absurde, annähernd 40 Jahre währende und nie überprüfte intellektuelle Konstruktion Witzenmanns. Das angesichts von Steiners eigenen Darstellungen, die sich in der Sache immer gleichlautend und ohne Ausnahme durch sämtliche Frühschriften hinziehen bis zu Goethes Weltanschauung von 1897 und darüber hinaus. (Siehe dazu auch ausführlicher hier, etwa auf den Seiten 593 ff; und S. 1164, Anm. 392, sowie dort an vielen weiteren Stellen.) Die Intuition ist es also nicht, die exklusiv nur bei einer Erkenntnis des eigenen Denkens infrage kommt, weil die Intuition für jede Erkenntnis benötigt wird. Um präziser zu sein: Es nützt nichts, hier nur unspezifiziert von «Intuition» zu reden, ohne den näheren Zusammenhang zu betrachten, in dem das Wort bei Steiner fällt. Man muß genauer hinsehen, was Steiner damit meint, wenn er schreibt, daß die «Wesenheit des Denkens nur durch eine Intuition erfaßt werden könne», wie eingangs des IX. Kapitels der Philosophie der Freiheit. Man muß danach nämlich erst verstehen, was Steiner im Zusammenhang von Kapitel IX der Philosophie der Freiheit verknüpft, wenn es dort vorangehend heißt: „Ein richtiges Verständnis dieser Beobachtung kommt zu der Einsicht, daß das Denken als eine in sich beschlossene Wesenheit unmittelbar angeschaut werden kann. Wer nötig findet, zur Erklärung des Denkens als solchem etwas anderes herbeizuziehen, wie etwa physische Gehirnvorgänge, oder hinter dem beobachteten bewußten Denken liegende unbewußte geistige Vorgänge, der verkennt, was ihm die unbefangene Beobachtung des Denkens gibt. Wer das Denken beobachtet, lebt während der Beobachtung unmittelbar in einem geistigen, sich selbst tragenden Wesensweben darinnen.“ - Um Steiners Bemerkung zur Intuition, durch die man allein die Wesenheit des Denkens erfassen könne, angemessen aufzunehmen, dazu wiederum muß man das Beobachten des Denkens erst richtig verstehen. Das ist die Voraussetzung zum Verständnis des Nachfolgenden, die Intuition betreffend. So viel geht aus Steiners Worten hervor. Wer das indessen mit der Beobachtung des Denkens schon nicht versteht, wie beispielsweise Witzenmann bis in die Strukturphänomenologie hinein, der begreift infolgedessen auch nicht Steiners nachfolgendes Erkenntnis-Resümee, die Intuition betreffend. Das ist ganz selbstverständlich. So daß man in aller Entschiedenheit konstatieren kann, daß jemand mit einem «Erzeugungsproblem» wie Witzenmann, mit seinem Verständnis meilenweit davon entfernt ist, was Steiner mit dem «Erfassen der Wesenheit des Denkens durch die Intuition» dem Leser überhaupt vermitteln will. Was laut Steiner allerding für die Erkenntnis des Denkens in besonderer Weise bei seiner Beobachtung in Betracht kommt, ist die Tatsache, daß dabei Wahrnehmung und Begriff zusammenfallen, wie es dort in diesem einleitenden Zusammenhang von Kapitel IX ebenfalls heißt. Insofern nämlich, als der Denker nicht nur einen Begriff zwecks Begreifen des eigenen Denkens tätig erarbeitet, sondern zugleich bei der tätigen / beobachtenden Begriffserarbeitung den eigenen beobachtenden, tätigen Denkprozeß, - das Wirkende, - auch unmittelbar als tätig erlebt - «ihn wahrnimmt». Der gesamte Prozeß, sei es der des Denkens oder der seiner Beobachtung, wird daher von Steiner als «Weltgeschehen» betrachtet. Als ein erlebter Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem, wie in den Grundlinien … von 1886 bereits dargetan. Das gilt in den Überarbeitungen der Philosophie der Freiheit von 1918 nach wie vor. So daß die Intuition als solche nur eintritt auf der Grundlage eines solchen erlebten Weltgeschehens. Wer freilich von diesem Weltgeschehen schon nichts wahrnimmt, weil er da mit Witzenmann ein Erzeugungsproblem hat und sogar seine eigene Aktivität des Denkens nicht erlebt, dem muß das alles völlig fremd bleiben. Er mag dann in der Strukturphänomenologie mit Husserl zusammen nach Schichten graben, aber vom erlebten «Weltgeschehen», wie Steiner das in allen frühen Begründungsschriften darlegt, und besonders eindrucksvoll noch einmal 1897 im Zusammenhang mit Goethes Idealismus auf den Seiten 69 ff zusammenfasst, davon hat er gar keinen Begriff. Steiners inneres Naturforschungsanliegen aus dem Kapitel II der Philosophie der Freiheit lag Witzenmann völlig fern. Und er hatte, so weit ersichtlich, auch gar nicht die Absicht, sich damit jemals ernsthaft auseinanderzusetzen. Sonst wäre er in seinen Steiner-Studien weit, weit gründlicher vorgegangen. Denn obwohl das realtiv einfach doch aus dem Werk Steiners hervorgeht, sieht man davon bei Witzenmann nichts. Oder wie es bei Steiner (hier S. 30) über die Wesensgleichheit von Denken und beobachtendem Denken heißt: „Während wir die andern Dinge beobachten, mischt sich in das Weltgeschehen - zu dem ich jetzt das Beobachten mitzähle [Hervorhebung, MM] - ein Prozeß, der übersehen wird. Es ist etwas von allem andern Geschehen verschiedenes vorhanden, das nicht mitberücksichtigt wird. Wenn ich aber mein Denken betrachte, so ist kein solches unberücksichtigtes Element vorhanden. Denn was jetzt im Hintergrunde schwebt, ist selbst wieder nur das Denken. Der beobachtete Gegenstand ist qualitativ derselbe wie die Tätigkeit, die sich auf ihn richtet. Und das ist wieder eine charakteristische Eigentümlichkeit des Denkens. Wenn wir es zum Betrachtungsobjekt machen, sehen wir uns nicht gezwungen, dies mit Hilfe eines Qualitativ-Verschiedenen zu tun, sondern wir können in demselben Element verbleiben.“ Wie Steiner auch an späterer Stelle der Schrift (hier S. 175) schreibt: „Wenn wir denkend beobachten, vollziehen wir einen Prozeß, der selbst in die Reihe des wirklichen Geschehens gehört.“ - Im Denken liegt demnach ein „Weltgeschehen“ vor, das in der Lage ist, sich selbst zu begreifen, weil Wirkendes und Bewirktes in ihrem Zusammenhang unmittelbar erlebt und begriffen werden. Das aber gilt im vorliegenden Fall vom «intuitiv erlebten Denken», und es gilt auch auch für die Beobachtung des Denkens, die ja nichts anderes ist als ein intutiv erlebtes Denken, das sich in Erkenntnisintention auf die Erfahrungen des Denkens richtet, um sie zu begreifen. Nicht nur der tätige Denkprozeß im allgemeinen ist für Steiner ein erlebtes „Weltgeschehen“, sondern der Prozeß der qualitativ gleichwertigen Beobachtung des Denkens ist es natürlich ebenso. So daß wir es hier ganz generell mit einem „Weltgeschehen“ zu tun haben, das nicht nur als Tätigkeit wahrgenommen, sondern im Rahmen der Beobachtung durch das qualitativ gleichwertige Weltgeschehen namens «Denken» auch als ein unmittelbar erlebter Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem wahrgenommen und begriffen wird. Was bei keiner einzigen äußeren Wahrnehmung jemals der Fall ist. Und schon gar nicht in dieser Sicherheit. - Man sollte sich das besonders energisch noch einmal vor Augen führen angesichts Steiners kritischen Bemerkungen zu Kant und dessen dogmatischer Handhabung des Kausalitätsproblems im Kapitel 14 der Grundlinien … . Wo Steiner den Dogmatismen von Offenbarung und Erfahrung vorhält, den entscheidenden Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem sachlich nie erreichen zu können. Sondern an dessen Stelle lediglich ein gedachtes, äußerliches Konstrukt zu setzen, das mit der Sache gar nichts zu tun hat. Für Kant (und Hume, an den Kant ausdrücklich in der Vorrede der Prolegomena anknüpft) ist das Weltgeschehen grundsätzlich und in der Tat nie wirklich zu begreifen, weil sie beide meinten an den Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem nie heranzukommen. So daß Kant an die Stelle dessen und in Anlehnung an Hume sein unerkennbares «Ding an sich» setzte. Als Ausdruck eines unbegriffenen und ewig unbegreiflichen Weltgetriebes. Während bei Steiner das sichere Begreifen des Weltgeschehens ganz explizit mit der «allerwichtigsten» Beobachtung des Denkens einsetzt, worauf er seinen archimedischen Hebel der Welterklärung verankert. Im erkennenden Betrachten des «Weltgeschehens Denken» sind folglich auf empirischem Wege fundamentale naturwissenschaftliche Klärungen und des Kausalitätsproblems insbesondere möglich, die weder von der gewöhnlichen Naturwissenschaft, noch von ihren bisherigen philosophischen Zuarbeitern haben gelöst werden können. Auch das gehört selbstredend unter das Motto vom zweiten Kapitel der Philosophie der Freiheit, wonach wir «die äußere Natur erst finden können, wenn wir sie in uns bereits kennen». - Vorausgesetzt allerdings, wir haben das Beobachten des Denkens richtig verstanden, und wissen, daß es sich dabei um eine qualitativ identische und erlebte Tätigkeit handelt wie das Denken selbst. Dieses «Weltgeschehen» in Form von erlebtem und beobachtetem Denken entspricht wiederum dem, was Steiner in den Zusätzen von 1918 zur Philosophie der Freiheit bezeichnete als „Wahrnehmung, in der der Wahrnehmende selbst tätig ist, und ... eine Selbstbetätigung, die zugleich wahrgenommen wird.“ Das ist nicht nur das Kennzeichen des intuitiv erlebten Denkens, sondern auch der Intuition. Und zwar durchgängig seit 1886, - damals noch nicht so genannt, sondern dort vor allem in der Form eines «erlebten Zusammenhangs von Wirkendem und Bewirktem» sprachlich geprägt. In Wahrheit und Wissenschaft tritt dasselbe, wie wir sahen, im Kapitel IV als «intellektuelle Anschauung» auf. Das ist: als übersinnliche Wahrnehmung. Und zwar charakterisiert dahingehend, daß dabei nicht nur die hervorbringende Denk-Tätigkeit unmittelbar gegeben sein muß, sondern auch der dadurch hervorgebrachte / wahrgenommene begriffliche Inhalt. - Letztlich nichts anderes als ein intuitiv erlebtes Denken, wie es dann in der Philosophie der Freiheit genannt wird. Was in den Vorgängerschriften bereits dargelegt war, firmiert dann in der Philosophie der Freiheit als «intuitiv erlebtes Denken». - Wie wir weiter oben schon besprochen haben ist das nur eine andere Ausdrucksweise für das, was Steiner in Wahrheit und Wissenschaft in Anlehnung an den zeitgenössischen Sprachgebrauch der Philosophen die «Intellektuelle Anschauung» nannte. – Nämlich eine «übersinnliche Wahrnehmung», die sich dadurch auszeichnet, daß sowohl die eigene Tätigkeit des Denkens, als auch der begriffliche Inhalt gegeben sein müssen. Was dann in den Zusätzen von 1918 lediglich noch einmal an verschiedenen Stellen der Philosophie der Freiheit sprachlich besonders pointiert wird. Nicht nur im dritten Kapitel (hier S. 36) in der Wendung, „daß nichts gewollt wird, was, indem es sich vollzieht, vor dem «Ich» nicht restlos als seine eigene, von ihm überschaubare Tätigkeit erscheint. Man muß sogar sagen, wegen der hier geltend gemachten Wesenheit des Denkens erscheint dieses dem Beobachter als durch und durch gewollt.". Ferner dann in der Wendung eingangs von Kapitel IX hier, S. 101: „Im Betrachten des Denkens selbst fallen in eines zusammen, was sonst immer getrennt auftreten muß: Begriff und Wahrnehmung.“ Wo die Wahrnehmung eines «Weltgeschehens» mit einem Begriff zu diesem «Weltgeschehen» namens Denken zusammenfallen. Und um ein drittes Beispiel ohne Vollständigkeitsansprüche neuerlich vorzubringen: In der Wendung vom «intuitiv erlebten Denken, das eine Wahrnehmung sei, in welcher der Wahrnehmende selbst tätig ist. Und eine Selbstbetätigung, die zugleich wahrgenommen wird.» - Wie gesagt ist das nichts anderes als wir in den genanntenVorgängerschriften bereits gelesen und aufgezeigt haben: Die Wahrnehmung der Selbstbetätigung gehört zum «Denken», zur «intellektuellen Anschauung» und zur «Intuition» notwendigerweise dazu. Jedenfalls gilt das ohne Wenn und Aber für jeden, der das Denken erkennen will. Denn einerseits: Wenn ich von meiner Aktivität des Denkens keine Wahrnehmung habe, dann kann ich auch nicht mehr von Intuitionen reden. Denn zur Intuition gehört mein Erleben der Herkunft meines Gedankens unbedingt dazu. Wer also von seiner Denktätigkeit keine Wahrnehmung hat, der kann darüber auch kein empirisch fundiertes Urteil abgeben, wo seine Gedanken eigentlich herkommen. Er hat aber auch damit keine Einsicht in das Wirkende des Weltgeschehens. Andererseit, und das habe ich an anderer Stelle ab S. 681 ff ausführlicher unter dem Aspekt des Humeschen und Kantschen Problems der Kausalität behandelt: Das intuitiv erlebte Denken enthält zunächst einmal eine erste empirische Lösung dieses Kausalitätsproblems, insofern, als ich mir über die ursächliche Herkunft der Gedanken in einer empirischen Sicherheit Rechenschaft ablegen kann, die es bei empirischen Erkenntnissen, die sich mit Wirksamkeiten und ihren Zusammenhängen befassen, sonst niemals gibt. Was ja Steiners Grundlagenstandpunkt ist: Ich muß wissen, was ich tue, und wer oder was meine Gedanken hervorbringt. Ohne das gibt es keinen «archimendischen Hebel der Weltauffassung» bei Steiner. Wiederum: Ohne die Lösung dieses Humeschen / Kantschen Problems der Verursachung gibt es auch kein «intuitiv erlebtes» Denken, keine «intellektuelle Anschauung» und auch keinen «erlebten Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem», wie Steiner letzteres noch in den Grundlinien… im Kapitel 15 (hier S. 86) nannte: „Wir erinnern uns, warum eigentlich das Denken in unmittelbarer Erfahrung bereits sein Wesen enthält. Weil wir innerhalb, nicht außerhalb jenes Prozesses stehen, der aus den einzelnen Gedankenelementen Gedankenverbindungen schafft. Dadurch ist uns nicht allein der vollendete Prozeß, das Bewirkte gegeben, sondern das Wirkende.“ Nun, der Leser kennt das inzwischen ja bereits. In der höheren Variante dieser Untersuchung des «Weltgeschehens namens Denken», die dem anthroposophischen Schulungsweg angehört, zeigt sich der lebendige / wesenhaft wirkende Charakter des Gedankens noch in einer ganz anderen, qualitativ viel gesättigteren Weise. - Ich schätze, daß wir damit auch mit unserem Verständnis der Tatsache etwas näher kommen, wenn Steiner in den Zusätzen eingangs des neunten Kapitels der Philosophie der Freiheit schreibt: „Intuition ist das im rein Geistigen verlaufende bewußte Erleben eines rein geistigen Inhaltes. Nur durch eine Intuition kann die Wesenheit des Denkens erfaßt werden.“ - Durch den erlebten Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem im intuitiv erlebten Denken. Letztlich, das zeigen diese Untersuchungen und Steiners kennzeichnende Worte, geht es maßgeblich um eine empirische Untersuchung dessen, was Steiner in der Philosophie der Freiheit «Intuition» nennt. Denn bei der «Intuition», und im speziellen beim «intuitiv erlebten Denken» geht es um jenen Ursprung des Denkens, den Steiner am Ende von Kapitel Eins der Philosophie der Freiheit zum vordringlichen Ziel seiner Forschung erklärt in den Worten: „Wir mögen die Sache anfassen wie wir wollen: immer klarer muß es werden, daß die Frage nach dem Wesen des menschlichen Handelns die andere voraussetzt nach dem Ursprunge des Denkens.“ - Das heißt die Frage nach dem Verursacher oder Produzenten respektive Schöpfer meines Denkens wird hier zur allerersten erklärt. Was sich wiederum in zahlreichen Aspekten dieser Schrift zeigt. Ein ganz zentraler davon ist die Intuition und im engeren Sinne das intuitiv erlebte Denken, das sich ja ausdrücklich mit dem Ursprung dieses Denkens befaßt, wenn davon die Rede ist, daß es «eine Wahrnehmung sei, in welcher der Wahrnehmende selbst tätig ist. Und eine Selbstbetätigung, die zugleich wahrgenommen wird.» Bei der erkennenden Beobachtung des Denkens via intuitiv erlebtem Denken geht es selbstverständlich weiter um diesen Ursprung des Denkens. Für den weiteren erkennenden Eintritt in die geistige Welt benötige ich folglich Intuitionsforschung, die sich mit der schöpferischen Herkunft meiner Gedanken und den darin wirkenden Kräften eingehend weiter empirisch befaßt. Bekanntlich findet das statt im Rahmen der methodisch vertiefenden anthroposophischen Geistesforschung im Zusammenhang mit und auf dem anthroposophischen Übungswege. Weil es, wie wir wissen, nicht reicht «nur nach dem Inneren zu schauen, das stets vorhanden ist». Sondern man muß auf dem Wege einer spezifischen Seelenpflege von Denken, Fühlen und Wollen bestimmte Eigenarten seines Seelenlebens methodisch erst ausbilden, um darin Erfolg zu haben, wie Steiner im Skizzenhaften Ausblick am Ende der Rätsel der Philosophie schreibt. - Nun haben wir es ja bei der Beobachtung des Denkens laut Steiner mit nichts anderem zu tun, als um ein qualitativ gleichwertiges Denken, das sich mit den Erfahrungen des Denkens erkennend auseinandersetzt. Von diesem qulitativ gleichwertigen Denken gilt natürlich ebenso, was eben vom intuitiv erlebten Denken gesagt worden ist. Nämlich «Wahrnehmung zu sein, in der der Wahrnehmende selbt tätig ist. Und eine Selbstbetätigung, die zugleich wahrgenommen wird.» - Anders gesagt, auch die Beobachtung des Denkens gehört, und zwar zwangsläufig, zum intuitiv erlebten Denken. Wenn dieses Denken sich jetzt um die aus Kapitel Eins bekannte Herkunftsfrage bemüht, dann hat es vordringlich etwas mit der Intuition und dem intuitiv erlebten Denken zu tun. Dahingehend, daß sie dem Ursprung des Denkens in der Intuition immer weiter vertiefend nachgeht. Das heißt: der aktiven und wirksamen Wesenheit des Denkens empirisch nachgeht. Denn die spricht sich in der Intuition und im intuitiv erlebten Denken unmittelbar als «Weltgeschehen» aus. Zur vertiefenden Forschung dieses Weltgeschehens können Sie als Leser und Studierender des Steinerschen Begründungswerkes auch seinem anthroposophischen Schulungsweg nachgehen, welcher das Weltgeschehen des Denkens mit einer elaborierten Methode weiter verfolgt. Und wovon das Frühwerk Steiners seinen Worten zufolge ja nur die empirische Begründung darstellt. Ein plastisches Beispiel für Steiners eigene Sichtweise vom erlebten Denken findet sich am Ende des dritten Kapitels der Philosophie der Freiheit (hier S. 36), wo er in Verbindung mit seiner Hartmannkritik schreibt: „es kommt darauf an, daß nichts gewollt wird, was, indem es sich vollzieht, vor dem «Ich» nicht restlos als seine eigene, von ihm überschaubare Tätigkeit erscheint.“ Der unmittelbar erlebte Vollzug des Denkens ist eine durch und durch erfahrene, und keineswegs erschlossene Angelegenheit. Was ja ausdrücklich in Wahrheit und Wissenschaft (Kap. IV, S. 37) schon eingefordert wurde. Was gleichwohl in den Überarbeitungen von 1918 längst bekannt war, desgleichen auch in Wahrheit und Wissenschaft schon. Da er das bereits in der Erstauflage der Grundlinien... auf S. 56 resümierend dahingehend zusammenfasste: „Wir erinnern uns, warum eigentlich das Denken in unmittelbarer Erfahrung bereits sein Wesen enthält. Weil wir innerhalb, nicht außerhalb jenes Prozesses stehen, der aus den einzelnen Gedankenelementen Gedankenverbindungen schafft. Dadurch ist uns nicht allein der vollendete Prozeß, das Bewirkte gegeben, sondern das Wirkende.“ - Dieser erlebte Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem gilt bei Steiner über alle Frühschriften kontinuierlich für das Denken im allgemeinen und natürlich auch für das begreifende Betrachten des Denkens im speziellen. In beiden Fällen haben Sie Wirkendes und Bewirktes in ihrem Zusammenhang vorliegen. Was Sie übrigens exemplarisch am Begiff der «Verursachung» studieren können: Wenn Sie den reinen Begriff der «Verursachung» denken, dann haben Sie zwei Formen davon vorliegen. Einmal als Wahrnehmung des Erwirkenden den unmittelbar erlebten, erwirkenden Denkprozeß selbst, den Steiner in Wahrheit und Wissenschaft (hier S. 37) mit der «intellektuellen Anschauung» vergleicht. Und einmal den reinen Begriff der «Verursachung» als erwirktes (und zugleich wahrgenommenes) Resultat dieses erwirkenden Prozesses. Ein Denk-Prozeß, der sich fassen läßt unter Steiners Kennzeichnung aus den Zusätzen der Philosophie der Freiheit dahingehend, daß es sich hier um eine geistige Wahrnehmung handelt, in welcher der Wahrnehmende selbst tätig ist. Und um eine Selbstbetätigung, die zugleich wahrgenommen wird. Was von der argumentativ-charakterisierenden Seite her bereits in Wahrheit und Wissenschaft zu lesen ist. Was Sie sich wie gesagt im Prinzip auch von einer Versuchsperson bestätigen lassen können, der Sie den Auftrag gegeben haben, ihr eigenes Denken nicht nur zu erleben, sondern auch zu beobachten und zu einer entsprechenden Begriffsbildung bezüglich des Denkens zu kommen. Witzenmanns Erzeugungsprobleme liegen Steiner aus verständlichen Gründen völlig fern, da er ja das Wirkende der eigenen Denktätigkeit unmittelbar erlebt. Auch das Wirkende des Beobachtungsprozesses, bzw. der erkennenden Begriffsbildung anhand der Erfahrungen des Denkens. Der von Steiner vorgetragene «erlebte Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem» ist freilich von Witzenmann nie thematisiert worden, obwohl sich das bei Steiner in sämtlichen Begründungsschriften völlig problemlos und an entscheidenden Stellen findet. - Sie können so viel über vegetative schöpferische Prozesse und Kräfte in Blumen und Bäumen nachdenken wie Sie wollen. Die Pflanzen beobachten, so viel Sie wollen. Die wirkenden Kräfte in diesen Pflanzen erleben Sie nicht unmittelbar, sondern sie bleiben Ihnen ein Äußeres, wie Steiner bereits in den Grundlinien …, Kap. 8 (hier S. 48 f) und besonders markant dann in Goethes Weltanschauung (1897; hier S. 67-70; alternativ in GA-6; S. 83 f) noch einmal hervorhebt: „Goethe macht einmal die Bemerkung: «Wer sie [meine Schriften] und mein Wesen überhaupt verstehen gelernt, wird doch bekennen müssen, daß er eine gewisse innere Freiheit gewonnen.» … Damit hat er auf die wirkende Kraft hingedeutet, die sich in allem menschlichen Erkenntnisstreben geltend macht. Solange der Mensch dabei stehen bleibt, die Gegenstände um sich her wahrzunehmen und ihre Gesetze als ihnen eingepflanzte Prinzipien zu betrachten, von denen sie beherrscht werden, hat er das Gefühl, daß sie ihm als unbekannte Mächte gegenüberstehen, die auf ihn wirken und ihm die Gedanken ihrer Gesetze aufdrängen. Er fühlt sich den Dingen gegenüber unfrei; er empfindet die Gesetzmäßigkeit der Natur als starre Notwendigkeit, der er sich zu fügen hat. Erst wenn der Mensch gewahr wird, daß die Naturkräfte nichts anderes sind als Formen desselben Geistes, der auch in ihm selbst wirkt, geht ihm die Einsicht auf, daß er der Freiheit teilhaftig ist. Die Naturgesetzlichkeit wird nur so lange als Zwang empfunden, so lange man sie als fremde Gewalt ansieht. Lebt man sich in ihre Wesenheit ein, so empfindet man sie als Kraft, die man auch selbst in seinem Innern betätigt; man empfindet sich als produktiv mitwirkendes Element beim Werden und Wesen der Dinge. Man ist Du und Du mit aller Werdekraft. Man hat in sein eigenes Tun das aufgenommen, was man sonst nur als äußeren Antrieb empfindet. Dies ist der Befreiungs-Prozeß, den im Sinne der Goetheschen Weltanschauung der Erkenntnisakt bewirkt.“ Weiter geht es dann unter Hinweis auf die produktive Kraft im Menschen, die ja nichts anderes ist als jene geistige Kraft, die auch allen Naturerscheinungen zugrunde liegt: „Den Unterschied zwischen Denken über das Denken und Anschauung des Denkens hat Goethe nicht gemacht. Sonst wäre er zur Einsicht gelangt, daß man gerade im Sinne seiner Weltanschauung es wohl ablehnen könne, über das Denken zu denken, daß man aber doch zu einer Anschauung der Gedankenwelt kommen könne. An dem Zustandekommen aller übrigen Anschauungen ist der Mensch unbeteiligt. In ihm leben die Ideen dieser Anschauungen auf. Diese Ideen würden aber nicht da sein, wenn in ihm nicht die produktive Kraft vorhanden wäre, sie zur Erscheinung zu bringen. Wenn auch die Ideen der Inhalt dessen sind, was in den Dingen wirkt; zum erscheinenden Dasein kommen sie durch die menschliche Tätigkeit. Die eigene Natur der Ideenwelt kann also der Mensch nur erkennen, wenn er seine Tätigkeit anschaut. Bei jeder anderen Anschauung durchdringt er nur die wirkende Idee; das Ding, in dem gewirkt wird, bleibt als Wahrnehmung außerhalb seines Geistes. In der Anschauung der Idee ist Wirkendes und Bewirktes ganz in seinem Innern enthalten. Er hat den ganzen Prozeß restlos in seinem Innern gegenwärtig. Die Anschauung erscheint nicht mehr von der Idee hervorgebracht; denn die Anschauung ist jetzt selbst Idee. Diese Anschauung des sich selbst Hervorbringenden ist aber die Anschauung der Freiheit. Bei der Beobachtung des Denkens durchschaut der Mensch das Weltgeschehen. Er hat hier nicht nach einer Idee dieses Geschehens zu forschen, denn dieses Geschehen ist die Idee selbst.“ Was in den Dingen wirkt ist Geist. Und was in der menschlichen Denk- und Erkenntnistätigkeit wirkt, ist ebenfalls Geist. Oder der tätige Gedankengehalt der Welt, wie es am Ende des 8. Kapitels der Grundlinien … bereits heißt. Der Mensch erlebt somit die schöpferischen geistigen Kräfte beim eigenen Denken und seiner Beobachtung unmittelbar. Weswegen man bei der Beobachtung des Denkens auch «das Weltgeschehen durchschaut», wie es an der betreffenden Stelle in Goethes Weltanschauung heißt. Weil man dabei die wirkenden Kräfte während der Beobachtung in Wahrnehmungsform auch unmittelbar erleben kann. Und insofern fallen Wahrnehmung und Begriff dort zusammen: - Die eigene Denkaktivität des beobachtenden Denkens als Wahrnehmung des Wirkenden. Und das Erkenntnisresultat dieses erkennenden Denkens als Bewirktes. Was Steiner wie gesagt eigens noch einmal in seiner Schrift Goethes Weltanschauung von 1897 auf S. 70 und in ihrer späteren Neuauflagen ebenso wie in der GA-6, Dornach 1990, S. 83 ff hervorhebt. Was, wie wir sahen, aber bereits 1886 zum fundamentalen Bestand der Grundlinien … gehörte. Nur beim Denken wird der Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem unmittelbar erlebt, wie es bereits in den Grundlinien … von 1886 hieß. Und das ist das entscheidende Alleinstellungsmerkmal bei der Erkenntnis des eigenen Denkens. Daß Wirkendes (der erlebte beobachtende Denkprozeß) und Bewirktes (der dabei erarbeitete und erkannte Begriff respektive die Erkenntnis) in ihrem Zusammenhang unmittelbar erlebt werden. Und das Weltgeschehen insofern auch durchschaut wird, weil hier ein schöpferischer «Naturprozeß» unmittelbar erlebt und erkannt wurde. Oder wie Steiner es ebenfalls in Goethes Weltanschauung (S. 69) in diesem Zusammenhang in kritischer Anlehnung an Goethes ausdrücklichen Verzicht auf die Beobachtung des Denkens skizziert: „Aber so wie die schöpferischen Naturkräfte «nach tausendfältigen Pflanzen» noch eine machen, worin «alle übrigen enthalten» sind, so bringen sie auch nach tausendfältigen Ideen noch eine hervor, worin die ganze Ideenwelt enthalten ist. Und diese Idee erfaßt der Mensch, wenn er zu der Anschauung der andern Dinge und Vorgänge auch diejenige des Denkens fügt.“ Die Intuition ist wie gesagt in allen Fällen von «Sinneserwahrnehmungen», äußeren wie inneren und geistigen, erforderlich, über die zur gegebenen Wahrnehmung der ergänzende Begriff hinzugefügt wird. Das eigene erlebte / wahrgenommene Denken macht dabei keine Ausnahme. Nur ist dieser Zusammenhang bei Witzenmann völlig verloren gegangen und abgeschafft worden, weil er meinte, von seiner Denktätigkeit kein unmittelbares Bewußtsein, - keine unmittelbare Wahrnehmung, - zu haben. Das auf der Basis eines ganz unverstandenen Beobachtungsbegriffs. Weswegen er in seiner Schrift Goethes universalästhetischer Impuls, Dornach 1987, (S. 356, S. 386, S. 397) die im Zusammenhang mit Steiners Frühschriften vollkommen abwegige Frage, «Wie Unbeobachtbares zur Erinnerung werden kann?» zur «erkenntnistheoretischen Grundfrage» erklärte. Womit er jede gedankliche Verbindung mit Steiner und dessen erkenntniswissenschaftlichen Intentionen nachweislich abgeschnitten hat. Wie bereits gesagt, ohne jede weitere klärende Untersuchung des problematischen Sachverhalts an Steiners restlichen (Früh)-Werken. Was bis zur finalen Strukturphänomenologie Witzenmanns auch so bleiben wird, die von Witzenmanns Schülern vielfach hoch und heilig gehalten wird. Der Mann hat in Wirklichkeit nichts begriffen von dem, worum es Steiner mit seiner «inneren Naturwissenschaft» geht, und wie er das einlöst. Witzenmanns Anhängern geht es damit bis heute in genau gleicher Weise, wie wir sahen. Wohingegen Steiner in sämtlichen Begründungsschriften das genaue Gegenteil von dem darlegt, was Witzenmann darüber referriert – nämlich die Bewußtheit des Denkprozesses in Form seiner unmittelbaren Erfahrung / Wahrnehmung. Respektive als «unmittelbare Gegebenheit» in Wahrheit und Wissenschaft, Kap. IV, S. 37: „Wir müssen uns vollständig klar darüber sein, dass wir dieses Hervorbringen in aller Unmittelbarkeit wieder gegeben haben müssen. Es dürfen nicht etwa Schlussfolgerungen nötig sein, um dasselbe zu erkennen.“ Oder eben als «erlebter Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem» in den Grundlinien… von 1886. In der Philosophie der Freiheit war das also schon 1894 alles nichts Neues. Man muß sich bei alldem nur verdeutlichen, daß wir es hier, bei den grundlegenden erkenntniswissenschaftlichen Schriften Steiners und der dort thematisierten Wahrnehmung der Aktivität des individuellen Denkens immer noch im Vorfeld der späteren Geistesforschung des Anthroposophen Steiners befinden. In der Schrift Von Seelenrätseln (GA-21, S. 11 ff) spricht Steiner im Kapitel Anthropologie und Anthroposophie von einem «gemeinsamen Gebiet und Forschungsfeld» wo Verständigung möglich sei, zwischen den beiden, der Anthropologie auf der einen Seite und der Anthroposophie auf der anderen. In diesem gemeinsamen Forschungsfeld sind auch die seelischen Beobachtung von Steiners Frühschriften anzusiedeln, in denen laut Steiner nur erst die Grundlagen gelegt werden für die spätere geistige Forschung auf der Basis dieser frühen Untersuchungen, wie Steiner immer wieder betont. Über diese Grundlagenforschung kann man sich problemlos verständigen. Es ist dies ja auch der Anlaß, warum Steiner am Ende dieser Schrift, S. 170 f so eindringlich den Wunsch nach einem psychologischen Laboratorium äußert, von dem er sich so viel für die Grundlagenforschung versprach. Wo im engeren Sinne die Veranlagung zum Schauen untersucht und demonstriert werden sollte. Für die höhere Geistesforschung ist der anthroposophische Übungsweg unerläßlich, der qualitativ noch ganz andere Zugänge zum seelischen und Geistigen ermöglicht, wie Steiner speziell und ausführlich im Skizzenhaften Ausblick auf eine Anthroposophie in der Schrift Die Rätsel der Philosophie (GA-18, S. 594 ff) darlegt. Man muß sich darüber klar sein, daß die Intuition bei Steiner etwas mit dem Willen und dem Weltgeschehen zu tun hat. Was ja bereits in Steiners kurzer Replik von 1887 auf Eduard von Hartmann sichtbar wird, die ihn zu dem Urteil führte, daß «der menschliche Wille die Idee selbst sei, diese als Kraft aufgefaßt». (GA-1, S. 196 f) Die Untersuchung des Denkens beginnt bei Steiner mit seinen Frühschriften. Ist aber dort natürlich nicht abgeschlossen, wie er selbst 1921 ausführt: „Man gelangt zur vollen, zur ganzen Wirklichkeit von dem, wovon man bis zu einem gewissen Grade sich eine Vorstellung, eine empirische Vorstellung verschaffen kann auch auf die Art, wie ich es versucht habe darzustellen in meiner «Philosophie der Freiheit». Da habe ich versucht, auf das reine Denken hinzuweisen, auf dasjenige Denken, das in uns auch leben kann, bevor wir gerade diese Partie des Denkens mit irgendeiner äußeren Wahrnehmung zur vollen Wirklichkeit zusammengebracht haben. Ich habe hingewiesen darauf, daß dieses reine Denken selber als innerer Seeleninhalt wahrgenommen werden kann; aber was es seinem Wesen nach ist, das läßt sich erst erkennen, wenn die wirkliche Intuition auf dem höheren Erkenntniswege in der Seele auftritt. Dann durchschaut man gewissermaßen dieses eigene Denken; man lebt sich jetzt erst durch Intuition in dieses eigene Denken hinein, denn die Intuition besteht eben darinnen, daß man sich in ein Übersinnliches mit seinem eigenen Wesen hineinlebt, daß man in dieses Übersinnliche untertaucht.“ (GA-78, Dornach 1986, S. 141 f) Hier spricht er von der «wirklichen Intuition des höheren Erkenntnisweges». Das «Einleben in das Übersinnliche» beginnt allerdings bereits mit der Intuition des gewöhnlichen Denkbewußtseins. Was er in GA-21, S. 61 auch gegenüber Max Dessoir vorbringt mit Blick auf seine Philosophie der Freiheit und den Intuitionsbegriff dort: „Mir gilt eben Intuition nicht «bloß» als die «Form, in der ein Gedankeninhalt zunächst hervortritt», sondern als die Offenbarung eines Geistig-Wirklichen, wie die Wahrnehmung als diejenige des Stofflich-Wirklichen.“ Von der frühen Intuition der Begründungsschriften gelangt man dann bis zur «höheren» Intuition, auf deren Grundlage Steiner das Weltgeschehen in einer Weise beurteilt die einem allgemeingültigen Kausalitätsprinzip der materiellen Welt noch klarere Grenzen setzt, als es ja schon in den Frühschriften der Fall war. (Siehe GA-78, S. 142 f) - Werden wir abschließend in dieser Passage noch etwas konkreter und mit etwas Gegenwartsbezug durch ein bekanntes Beispiel. Die Tatsache, daß ich mich beim Denken nicht nach der Hirnphysiologie richte, sondern nach den Inhalten von Begriffen, ist an sich völlig trivial und leicht zu verifizieren. Der von Steiner diesbezüglich hergehobene Sachverhalt ist eine Erkenntnis über das Denken auf einer rein deskriptiven Ebene und an der unmittelbaren Erfahrung des Denkens gewonnen. Doch so trivial und einleuchtend er auch ist, gibt es genügend Blinde, die über die Farbe reden, weil sie nach wie vor glauben, dass es das Gehirn sei, welches denkt. Ohne einen einzigen Beweis an der unmittelbaren Erfahrung des Denkens dafür jemals vorlegen zu können. Das ist der regelmäßige Sachstand heute, wenn physikalistische Welterklärer und Ethiker mit unbelegbaren hirnphysiologischen Hypothesen und mit einem naturwissenschaftlichen Kausalitätsprinzip ganz rationalistisch über das Denken herfallen, von dem sie wegen ihrer Blindheit nicht die leiseste Vorstellung haben. «Der Rationalismus ... interpretiert in die Erscheinungswelt Ursachen und Zusammenhänge hinein, die nicht in derselben sind. Verliert damit den sicheren Boden unter seinen Füßen und verfällt der Willkür der Einbildungskraft und des subjektiven Einfalles.» So Steiner Goethe referierend dazu in GA-1, hier S. 188, anlässlich der Behandlung von Goethes «Urphänomen». Eine dogmatisch-fantastische Vorgehensweise, die er bereits im Kapitel 14 der Grundlinien … Kant vorgeworfen hatte, der mit seinen dogmatisch-metaphysischen Kausalerklärungen «an die Sachen nie herankam» und an die Stelle der Tatsachen rationalitische Phantastereien setzte. Das geht im Prinzip seit mindestens Humes Zeiten schon so, und treibt zur Zeit unter dem globalfaschistischen und angeblich brillanten Vordenker des Herrn Schwab, Harari, auf einen nie dagewesenen totalitären Höhepunkt zu, wo ein materialistischer Blinder aus dem Weltwirtschaftsforum über die Farbe redet, gegen die menschliche Freiheit kämpft, und sich bei seinen menschenverachtenden ideologischen Exzessen auf die Naturwissenschaft, und unter anderem auf die Versuche von Libet beruft: „Geist ist für Harari in seinen ersten beiden Büchern etwas, das entsorgt werden sollte, zusammen mit Seele und Gott. Doch nun zeichnet sich ein Ernstnehmen von geistig-seelischen Phänomenen ab. Gleichwohl betrachtet Harari die Inhalte des Bewusstseinsflusses nach wie vor als reine Informationen und unterstellt, dass wir letztlich doch nur informationsverarbeitende Maschinen seien, die besser von maschinellen Algorithmen «gesteuert» werden sollten.“ So schreibt Gernot Böhme dazu in der neuen Züricher Zeitung vom 15.01.22. Begriffe wie Freiheit und Seele gehören für Harari entsorgt. Dass neben den von ihm vorgebrachten Algorithmen, die man dann gegen nutzlose Esser zur Anwendung bringt, vielleicht noch ganz andere Ideen im Kopf des Herrn Harari herum spuken, kann man einem längeren Hintergrundartikel über Transhumanismus und synthetische Spiritualität entnehmen. In solchen vorhersehbar perversen Exzessen des Materialismus, deren physiologische Wurzeln sich bereits in der physiologischen Psychologie seiner Zeit herausbildeten, lag auch ein engerer Anlass für Steiners Kapitel 14 in den Grundlinien… , wo er das Kausalitätsproblem zwar mit Blick auf Kant diskutiert. Doch dieser wiederum fußt in dieser Frage ganz explizit auf David Hume, wie Sie hier in Kants Prolegomena in der Vorrede S. 6 ff nachlesen können. Wonach Kausalität überhaupt nicht empirisch nachweisbar sei, weswegen wiederum Kant nach dieser Steilvorlage Humes die Flucht in die Metaphysik angetreten hat, wie er in den Prolegomena schreibt. Weder Kant noch Hume waren in Lage, Naturkausalität in der äußeren Natur empirisch zu finden, weil sie die «Natur» gar nicht kannten, um mit Steiners zweitem Kapitel der Philosophie der Freiheit zu reden. Wohingegen wiederum Steiner in der Philosophie der Freiheit (Kap. II, hier S. 21) ausdrücklich betont: „Es kann nur ihr eigenes Wirken sein, das auch in uns lebt. ... Wir können die Natur außer uns nur finden, wenn wir sie in uns erst kennen.“ Das weist ganz unmissverständlich auf Steiners naturforschenden Weg nach innen, wie er ihn dort auch verfolgt hat. Wer nun aber nach dem Vorbild der Naturwissenschaft materialistische / hirnphysiologische Kausalität im menschlichen Denken rationalistisch geltend macht, aber gemäß Kant und Hume erkenntnistheoretisch Kausalität gar nicht empirisch belegen kann, und nachfolgend nur fantastische naturwissenschaftliche Hypothesen darüber und die Kausalbestimmtheit des menschlichen Denkens ausspinnt ohne auch letzteres zu kennen, der kann auch über Freiheitsfragen, das Menschenbild und künftige soziale Verhältnisse anhand einer pseudodarwinistischen Ethik und mit einem rationalistischen Kausalitätsprinzip bewaffnet nur fantastisch substanzloses und mörderisches Zeug ausspinnen. Wie es Steiner schon den «Maschinendenkern» des zeitgenössischen Sozialismus und Bolschewismus attestierte. Deren psychologische Hilfstruppen, wie etwa der physiologische Psychologe Theodor Ziehen, damals dieselbe Spur legten, der heute ein Herr Harari in seinen tödlichen transhumanistischen Phantastereien folgt, dem alles Menschliche völlig fern liegt. (Siehe Steiner etwa in GA-174b, S. 298 ff; siehe dazu auch GA-174 b, Dornach 1994, S. 301 ff) Laut Steiner legte als namhafter zeitgenössischer Vordenker für den Bolschewismus Theodor Ziehen, seines Zeichens physiologischer Psychologe und ebenso Kant- und mehr noch Hume-Anhänger, damals mit diese Spur, wie sie heutzutage etwa Libet für den Primitiv-Darwinisten, Vulgär-Historiker, Techno-Phantasten und «Schwab-Berater» Harari legt, der mit großem Tamtam in die Öffentlichkeit gedrückt wird. An dieser lebensbedrohlichen Perspektive einer Menschheit, die «die Natur gar nicht kennt, da sie sie in sich selbst nie gefunden hat», hat sich seit Steiners Zeit nicht viel geändert, sondern seither noch erheblich verschärft, weil angeblich famose Geister über das Denken immer noch wie die Blinden über Farben reden, wie im ausgehenden 19. Jahrhundert schon. Und infolgedessen als globalistische «Maschinendenker» drauf und dran sind, auch die ganze Menschheit physikalistisch zu ruinieren und zu menschlichen Maschinen zu formen. So wie es Herr Schwab und sein mechanistischer Vortänzer Harari ganz offen propagieren. Wiederum ganz vorne mit dabei die deutsche Regierung unter einer inzwischen Ex-Kanzlerin Merkel nebst EU-Präsidium und vor allem die deutschen Rotgrünen, die jetzt mit den nicht minder faschistoiden angeblichen Liberalen bei dieser Umformung des Menschen zur algorithmisch gesteuerten Maschine aus Deutschland heraus maßgebliche Assistenz leisten. Wir stehen gegenwärtig buchstäblich mitten im menschlichen Überlebenskampf gegen Maschinendenker wie Schwab, Harari und ihresgleichen. (Siehe dazu auch Prof. Dr. Peter Cullen im Corona-Ausschuß Nr. 109 ab Std 3:05. ) - Und mit Blick auf die Erkenntnis von Denken und Freiheit ist diesbezüglich zu konstatieren: Von Herrn Witzenmann und dessen exegetischen Entgleisungen und philosophischen Verballhornungen Steiners ist dabei keinerlei Hilfe zu erwarten. Da ist in dieser Frage mit Witzenmanns «Erzeugungsproblem» und seiner «Paradoxie der Selbstgebung» aus der Strukturphänomenologie zur Rettung wirklich nichts zu holen. Ganz im Gegenteil. - Nun, was vor der eigentlichen Anschauung des Denkens durch empirisch gewonnene Begriffe aus innerer Beobachtung liegt, ist seine begriffslose "reine Erfahrung". Wer nichts über das Denken weiß, der kann zwar erfolgreich und bisweilen sehr brillant denken, hat aber auf der Ebene seines Begreifens nichts weiter als unbegriffene reine Erfahrungen davon. Und selbst das ist ihm als Tatsache in aller Regel alles andere als klar, so lange er sich nicht in den «Ausnahmezustand» der betrachtenden Gegenüberstellung begibt, um das Denken auch mittels des Denkens zu begreifen. Darauf beruht die sich selbst tragende Natur des Denkens, von der Steiner oben im Zusammenhang mit Hegel sprach, und bemerkte, daß diese sich selbst tragende Natur nicht einfach auf Begriffe und Ideen übertragen werden können, sondern nur für das Denken gilt, durch welches Begriffe und Ideen erst gewonnen werden. Man muß hinzufügen: Auch die moderne Physik kann sich natürlich nicht selbst tragen, sondern muß zugestehen, daß sie von ihrer Beobachtungsposition aus den unmittelbaren Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem niemals sicher feststellen wird, weil ihr die viel zu fern liegen. Die von ihr untersuchten äußeren Triebkräfte sind ihr schlechterdings nicht unmittelbar erreichbar, wie Steiner schon 1886 im Kapitel 8 der Grundlinien … und öfter schrieb. Diese Tatsache geht auch aus Steiners Auseinandersetzung mit Kants Kausalitätsproblem hervor, dem des Kapitel 14 der Grundlinien … gewidmet ist. Der einzige Ort, wo ein erlebter Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem sicher feststellbar ist, das ist laut Steiner das menschliche Denken. Was natürlich enorme Auswirkungen auf die Begründung der Naturwissenschaften haben muß. Man kann die äußere Natur nur finden, wenn man sie in sich erst kennt. Wie Steiner im zweiten Kapitel der Philosophie der Freiheit sagt. Was seinen Worten zufolge einschließt, dass man dort «mehr findet, als nur Ich». * Schauen wir uns jetzt im ergänzenden Durchgang sozusagen die Angelegenheit noch einmal etwas aus der Nähe an: Da Steiner auch in anderen Kontexten ein Zusammenfallen von Wahrnehmung und Begriff hervorhebt, und es hier beachtenswerte Differenzen gibt, sei der Klarstellung halber folgendes angemerkt: Leser, die mit Steiners philosophischen Grundschriften etwas vertraut sind, werden wissen, daß er dort dem Denken die Fähigkeit zuschreibt, Begriffe und Ideen wahrzunehmen - man könnte auch sagen: sie zu beobachten. Denn dahinter steht ja ebenfalls ein Erkenntnisinteresse, auf den spezifischen Charakter von Begriffen und Ideen hin orientiert. Jenen geistigen Wahrnehmungen die an den Menschen herantreten, und so lange als Wahrnehmung aufzufassen sind, bevor sie von dem tätig erarbeiteten Begriff erfaßt sind. Steiners Aussagen dazu sind so zahlreich, dass sie hier nicht alle angeführt werden können. Nur einige exemplarische Fälle:
Auch bei dieser ideellen Wahrnehmung fallen Wahrnehmung und Begriff zusammen, wie Steiner ausführt: "Im menschlichen Bewußtsein ist der Begriff selbst das Wahrnehmbare. Anschauung und Idee decken sich. Es ist eben das Ideelle, welches angeschaut wird." (GA-1, 1987, S. 284) Da scheint jetzt auch etwas zusammen zu fallen. Insofern, als sich Anschauung und Idee decken. - "Im menschlichen Bewußtsein ist der Begriff selbst das Wahrnehmbare.“ Angeführt hier lediglich als Ausdruck der Tatsache, daß Begriff und Ideen nicht konstruiert, sondern eben tätig denkend «wahrgenommen» werden. Das Ideelle, Begriffliche ist bekanntlich bei Steiner ebenfalls ein «Wahrnehmungsgegenstand» für das menschliche Denken. In welchem Verhältnis steht jetzt dieses «sich Decken» von Wahrnehmung und Begriff zu jenem «Zusammenfallen», von dem in den Zusätzen der Philosophie der Freiheit von eingangs Kap. IX hier S. 101 die Rede ist?: “Im Betrachten des Denkens selbst fallen in eines zusammen, was sonst immer getrennt auftreten muß: Begriff und Wahrnehmung.“? Man könnte leicht zu der Auffassung gedrängt werden, es sei in all diesen oben aufgezählten Fällen jeweils vom selben Sachverhalt die Rede, wo der Begriff eben «wahrgenommen» wird. Das ist aber nicht der Fall. Das heißt: die Wahrnehmung oder Beobachtung von Begriffen und Ideen ist nicht per se dasselbe wie die Beobachtung des Denkens. Denn bei der Beobachtung des Denkens haben wir es vorrangig mit jenem begreifenden «Prozess zu tun, durch den Begriffe und Ideen erst gewonnen werden», um Steiners obige Differenz zu Hegel noch einmal aufzunehmen. Während es uns bei der Wahrnehmung von Begriffen und Ideen zunächst keineswegs vorrangig um den Prozeß geht, durch den sie erst gewonnen werden. Im Gegenteil. Sondern Denkprozesse, auch wenn es dabei nur um rein begriffliche, meinetwegen mathematische oder philosophische Fragestellungen geht, zielen vorrangig auf etwas Ideelles, Begriffliches – auf die gedankliche Lösung von Fragen und Problemstellungen. Der konkrete Prozeß des Denkens interessiert den Denker dabei in der Regel am allerwenigsten, geschweige denn die Frage, wer denn der Verursacher seines Denkprozesses ist. Sondern lediglich das vordergründige Ziel seiner Fragestellungen interessiert ihn. Deswegen wird die Tätigkeit des Denkens und seine sonstigen Eigenarten ja auch regelmäßig übersehen, wie Steiner im dritten Kapitel der Philosophie der Freiheit schrieb. Wie Sie zudem beim oben zitierten Karl Bühler, S. 297 lesen können, glaubten die meisten Philosophen und Psychologen seiner Zeit (um 1907 /08), dass es beim Denken ohnehin nichts zu erleben gab. Erst wenn der Denker sich in den oben behandelten «Ausnahmezustand» der gegenüberstellenden Betrachtung versetzt, was auch Bühler damals anhand von Versuchspersonen tat, wird der Prozeß des (eigenen) Denkens zum Thema und zum empirischen Untersuchungsgegenstand für ihn, wie es das dritte Kapitel der Philosophie der Freiheit darlegt. Womit Steiner seiner Zeit schon in den Grundlinien … von 1886 um rund 20 Jahre voraus voraus war. Es gibt demnach in Steiners Frühschriften zwei Formen des Zusammenfallens von Wahrnehmung und Begriff, die man miteinander folgenreich verwechseln könnte. Nämlich dann, wenn man aus sprachlichen Gründen die eben zitierten rein «begrifflichen Wahrnehmungen» mit der «Wahrnehmung der Aktivität des Denkens» verwechselt, von der Steiner ebenfalls seit 1886 regelmäßig spricht. Die er in der Ergänzung von 1918 zu Beginn des IX Kapitels der Philosophie der Freiheit im Zusammenhang mit der Beobachtung des Denkens dahingehend thematisiert, «daß bei der Beobachtung des Denkens zusammenfällt, was sonst immer getrennt auftreten muß – nämlich Begriff und Wahrnehmung». Bei der Beobachtung des Denkens liegen diese dagegen ungetrennt vor. Nämlich die Wahrnehmung des aktiven Denkens und der Begriff des Denkens, im selben tätigen Prozeß, so weit er uns bei der denkenden Beobachtung des Denkens im Rahmen der empirischen Untersuchung aufgeht. So daß eben der Tätigkeitsprozeß des Denkens als solcher wahrgenommen wird, und ebenso jener Begriff bezüglich des Denkens, der uns bei seiner Beobachtung durch das tätige Denken offenbar wird. Was man leicht unter die Ergänzungen von 1918 bringen kann: Als eine «Wahrnehmung, in welcher der Wahrnehmende selbst tätig ist. Und eine Selbstbetätigung, die zugleich wahrgenommen wird.» Was eigentlich nicht schwer zu verstehen sein sollte, da der Denker ja bei der Beobachtung des Denkens sein beobachtendes Denken ebenfalls erlebt, respektive wahrnimmt. Die Präzisierungen Steiners im IX Kapitel der Philosophie der Freiheit von 1918 fallen im Vergleich zu ihrer Erstauflage von 1894, – damals war es das X. Kapitel, - ganz besonders ins Auge. Zumal Steiner das Verständnis dieser Passage von 1918 an das Verständnis der Beobachtung des Denkens knüpft. Dahingehend: „Ein richtiges Verständnis dieser Beobachtung kommt zu der Einsicht, daß das Denken als eine in sich beschlossene Wesenheit unmittelbar angeschaut werden kann. Wer nötig findet, zur Erklärung des Denkens als solchem etwas anderes herbeizuziehen, wie etwa physische Gehirnvorgänge, oder hinter dem beobachteten bewußten Denken liegende unbewußte geistige Vorgänge, der verkennt, was ihm die unbefangene Beobachtung des Denkens gibt. Wer das Denken beobachtet, lebt während der Beobachtung unmittelbar in einem geistigen, sich selbst tragenden Wesensweben darinnen. Ja, man kann sagen, wer die Wesenheit des Geistigen in der Gestalt, in der sie sich dem Menschen zunächst darbietet, erfassen will, kann dies in dem auf sich selbst beruhenden Denken. [ ] Im Betrachten des Denkens selbst fallen in eines zusammen, was sonst immer getrennt auftreten muß: Begriff und Wahrnehmung. ...“ Erinnern wir uns an jene Stellungnahme Steiners aus dem Kapitel 15 der Grundlinien…, wo Steiner (hier S. 86) rückblickend den erlebten Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem im Prozeß des Denkens hervorhob: „Wir erinnern uns, warum eigentlich das Denken in unmittelbarer Erfahrung bereits sein Wesen enthält. Weil wir innerhalb, nicht außerhalb jenes Prozesses stehen, der aus den einzelnen Gedankenelementen Gedankenverbindungen schafft. Dadurch ist uns nicht allein der vollendete Prozeß, das Bewirkte gegeben, sondern das Wirkende.“ Eine analoge Festellung, diesmal mit Blick auf das intuitiv erlebte Denken und die geistige Wahrnehmung dann in den Zusätzen zur Philosophie der Freiheit von 1918, hier S. 181: „Denn, wenn auch einerseits das intuitiv erlebte Denken ein im Menschengeiste sich vollziehender tätiger Vorgang ist, so ist es andererseits zugleich eine geistige, ohne sinnliches Organ erfaßte Wahrnehmung. Es ist eine Wahrnehmung, in der der Wahrnehmende selbst tätig ist, und es ist eine Selbstbetätigung, die zugleich wahrgenommen wird. Im intuitiv erlebten Denken ist der Mensch in eine geistige Welt auch als Wahrnehmender versetzt.„ - In beiden zitierten Fällen liegt der erlebte Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem vor. Die erlebte Tätigkeit des Denkens (des «Wirkenden») ist eine unerlässliche Bedingung des intuitiv erlebten Denkens, das im Zusatz bereits als «geistige Wahrnehmung» gekennzeichnet wird. Vorausblickend dabei auf das, was in seinen anthroposophischen Schriften dann in weiter vertiefter Form als geistige Wahrnehmung bezeichnet wird. Versehen ist der gesamte Passus mit einem «zugleich»: „… eine Selbstbetätigung, die zugleich wahrgenommen wird.“ Das heißt, zeitlich fällt die Wahrnehmung der Selbstbetätigung mit der Wahrnehmung der begrifflich / geistigen Entitäten zusammen. So daß wir hier eine Wahrnehmung der begrifflichen Entität haben, die mit der Wahrnehmung der Selbstbetätigung (zeitlich) zusammenfällt. Sie fallen zusammen in jenem «Prozeß, durch den Begriffe und Ideen erst gewonnen werden», wie Steiner abgrenzend gegenüber Hegel vorbringt. In beiden genannten Fällen (Grundlinien und Philosophie der Freiheit) wird klar gesagt, daß die Gegebenheit respektive Wahrnehmung der Selbstbetätigung zur Wesenserkenntnis des Denkens dazugehört. Weiter ist zu bedenken, daß in jener Erweiterungspassage vom Beginn des IX. Kapitels die klare Rede davon ist, daß das Denken nur aus sich selbst heraus erklärt werden könne: „Ein richtiges Verständnis dieser Beobachtung kommt zu der Einsicht, daß das Denken als eine in sich beschlossene Wesenheit unmittelbar angeschaut werden kann. Wer nötig findet, zur Erklärung des Denkens als solchem etwas anderes herbeizuziehen, wie etwa physische Gehirnvorgänge, oder hinter dem beobachteten bewußten Denken liegende unbewußte geistige Vorgänge, der verkennt, was ihm die unbefangene Beobachtung des Denkens gibt. Wer das Denken beobachtet, lebt während der Beobachtung unmittelbar in einem geistigen, sich selbst tragenden Wesensweben darinnen. Ja, man kann sagen, wer die Wesenheit des Geistigen in der Gestalt, in der sie sich dem Menschen zunächst darbietet, erfassen will, kann dies in dem auf sich selbst beruhenden Denken.“ So daß sich des weiteren die Frage stellt: Was wird aus dieser Wesenserkenntnis, wenn die Wahrnehmung der Selbstbetätigung gar nicht auftritt, sondern sogar bestritten wird, etwa im Zuge eines mißverstandenen Beobachtungsbegriffs? So dass die Fragen aus der Philosophie der Freiheit nach dem Ursprung des Denkens und den wirkenden Kräften der Natur im Inneren gar nicht mehr zu stellen wären. Schon gar nicht unter Verursachungsgesichtspunkten zu betrachten wären. Bzw. wenn, dann nur hoch spekulativ zu beantworten, weil ein empirisch erlebter ursächlicher Zusammenhang gar nicht mehr vorliegt. Ein Fall den nicht nur Witzenmann infolge seines mißverstandenen Beobachtungsbegriffs in der Strukturphänomenologie in Anspruch nimmt, und dort schon aus grundsätzlichen Überlegungen heraus keine Zusammenhänge von Wirkendem und Bewirktem zu erleben meint. Aus anderen Gründen auch bei Eduard von Hartmann vorliegend, der fest davon überzeugt war, daß ursächliche Zusammenhänge auf der Ebene der reinen (Denk)-Erfahrung niemals gegeben seien könnten, sondern lediglich Täuschungen seien. Analog auch der oben besprochene Theodor Ziehen. - Man kann sich den Unterschied zwischen einer rein ideellen Wahrnehmung und einer Wahrnehmung der Denk-Aktivität mit Blick auf das Zusammenfallen von Wahrnehmung und Begriff auch auf folgendem Wege verdeutlichen: Jeder Denker, der dem Inhalt von Begriffen und Ideen nachspürt, nimmt sie nach Steiners Auffassung genau genommen wahr. Bei ihm kommen Wahrnehmung und Begriff in dem vorhin genannten Sinne zur Deckung, insofern Begriffe und Ideen eben «wahrgenommen» werden. Nur: - der Denker weiß in der Regel nichts davon. Er kann sein Leben lang weitläufig und gewissenhaft mit diesen Entitäten Umgang pflegen und kommt doch nie dahinter, daß er unabhängiges Ideelles wahrnimmt, sondern glaubt womöglich, es sei sein subjektives Erzeugnis, eine Konstruktion oder dergleichen. Vielleicht gar ein kausales Ereignis seiner Hirnphyiologie, wie damals und heute regelmäßig von den Materialisten behauptet wird. Und nicht eine eigenständige, auf seinen eigenen Gesetzen beruhende Wesenheit, die er da handhabt. Oder er ist vielleicht erst auf dem Wege zu dieser Einsicht, wie der renommierte britische Mathematiker, Physiker und Kosmologe Roger Penrose, der die von Steiner betonte Wahrnehmbarkeit zumindest für mathematische Ideen in seinem Buch Computerdenken (Heidelberg 1991, S 92 ff; S. 418) öffentlich anerkennt. Der Schritt Steiners über Penrose hinaus geht dahin, beispielsweise für die Idee der Freiheit dieselbe Eigenständigkeit einzuräumen, wie sie Penrose auf S. 93 für die Mandelbrot-Menge konzediert. 107b Der Beobachter von Begriffen und Ideen kann also den Inhalten dieser Entitäten erfolgreich nachgehen, ohne auch nur die geringste Ahnung davon zu haben, was er da eigentlich tut und in welchem Verhältnis diese Gegenstände zu ihm als Denker stehen, weil sein Erkenntnisinteresse restlos auf die Inhalte des Denkens hinorientiert ist und nicht auf die spezifischen Bedingungen oder Umstände ihres Daseins. Oder um Steiners Hegelbemerkung noch einmal präzisierend anzuführen: Nicht auf den Prozeß, durch den Begriffe und Ideen erst gewonnen werden. Nun ist eben laut den Zusätzen von 1918 zur Philosophie der Freiheit mit den darin enthaltenen Erweiterungen des Wahrnehmungsbegriffs im Kap. VII (hier S. 133; alternativ hier S. 94) die Sachlage die, „daß hier alles sinnlich und geistig an den Menschen Herantretende als Wahrnehmung aufgefaßt wird, bevor es von dem tätig erarbeiteten Begriff erfaßt ist.“ Jeder Begriff ist zugleich auch eine geistige Wahrnehmung. Was aus dieser Perspektive trivial, weil per definitionem selbstverständlich ist. Wer also «Begriffe und Ideen mit dem tätigen Denken wahrnimmt, wie das Auge das Licht», wie oben dargetan, der hat es laut Steiner mit geistigen «Wahrnehmungen» zu tun. Mit einer «intellektuellen Anschauung», um beim Sprachgebrauch von Wahrheit und Wissenschaft (Kap. IV, hier S. 37) zu bleiben. Tätig hervorgebrachte geistige Wahrnehmungen. Denn nichts anderes sind Begriffe und Ideen, aus Steiners empirischer Sicht; nicht nur in Wahrheit und Wissenschaft. Begriffe und Ideen, die an den Denker bewusstseinsphänomenologisch betrachtet in einem tätigen Prozeß als geistige Wahrnehmungen herantreten, «bevor sie neuerlich vom tätig erfaßten Begriff erarbeitet worden sind». Der Begriff fällt zunächst dem Menschen seinem Inhalt nach als «Wahrnehmung» oder «reine Erfahrung» ins denkende Bewußtsein. Was dem gewöhnlichen Denker dabei natürlich nicht zugleich und unmittelbar neben dem Begriffsinhalt ins Bewußtsein fällt, ist der Wahrnehmungscharakter von Begriffen und Ideen, oder der Charakter seiner «Denktätigkeit als tätigem Gedankengehalt der Welt» und so weiter und so fort. Das muss er sich natürlich alles erst gesondert klar machen, wie jeder verstehen wird. Er muß also alles, was ihm über das tätige Denken zunächst als bloßer Begriffsinhalt bewußt wird, zum Gegenstand neuerlicher Denkarbeit machen, um zu weitergehenden Auffassungen darüber zu gelangen: Dass Begriffe und Ideen wiederum rezeptiv und doch tätig gewonnene «Wahrnehmungen» des Denkens sind und keine mechanistischen Ausschwitzungen des Hirns, muß ich mir schließlich auch erst klar machen auf dem Wege der empirischen Selbstbeobachtung meines Denkens. Dann kann ich dazu die entsprechenden empirischen Belege vorweisen. Wie ich mir ebenso erst klar machen muß, daß die menschliche Denktätigkeit der «kraftende Gedankengehalt der Welt» ist, wie es im Kap. 8 der Grundlinien … heißt. Oder dass „der menschliche Wille die «Idee selbst ist, diese als Kraft aufgefaßt», (Einleitungen Goethes Naturwissenschaftliche Schriften, hier S. XLV; alternativ hier in GA-1, Dornach 1987, S. 197) - Auf der einen Seite haben wir also den Wahrnehmungscharakter von Begriffen und Ideen bei Steiner ausgesprochen. Und insofern heißt es dann auch mit Recht: „Im menschlichen Bewußtsein ist der Begriff selbst das Wahrnehmbare. Anschauung und Idee decken sich. Es ist eben das Ideelle, welches angeschaut wird." (GA-1, 1987, S. 284) Hier fallen also Wahrnehmung (Anschauung) und Begriff zusammen, weil der Begriff selbst als eine geistige Wahrnehmungsgegebenheit betrachtet wird. Daß Wahrnehmung und Begriff zusammenfallen ist vor diesem Hintergrund selbstverständlich. Wie sollte es anders sein wenn dem Begriff selbst der Charakter einer «geistigen Wahrnehmung» zugeordnet wird? Bleibt die andere Seite dieser geistigen Wahrnehmung; nämlich die Tätigkeitsseite jenes «Prozesses, durch den Begriffe und Ideen erst gewonnen werden». Mit anderen Worten: die Tätigkeitsseite der geistigen Wahrnehmung von Begriffen und Ideen. In diesem Sinne gibt es wie schon erwähnt bereits im Kapitel IV der Philosophie der Freiheit die bemerkenswerte Klarstellung Steiners, die gegenüberstellende Betrachtung des Denkens betreffend. Insoweit, als er im Zusammenhang mit Hegel deutlich macht, daß es ihm (Steiner) nicht um Begriffe und Ideen, sondern um das Denken geht, jenen Prozeß, durch welchen Begriffe und Ideen erst gewonnen werden. Das ist: Um etwas Erwirkendes. Denn die geistige Wahrnehmung von Begriffen und Ideen wird vom willentlichen Denken erwirkt. Diese Wirksamkeit des individuellen Denkens ist nun ebenfalls Gegenstand einer Wahrnehmung, wie Steiner schon in den Grundlinien … klar hervorhob. Nicht nur dahingehend, daß der Gedanke laut dortigem Kapitel 8 «sein Alles zeige». Also nicht nur seinen Inhalt, sondern auch seine Herkunft aus dem tätigen Denkprozeß: „Die äußeren Triebkräfte, die wir bei einem Sinnenobjekte stets voraussetzen müssen, sind beim Gedanken nicht vorhanden. Sie sind es ja, denen wir es zuschreiben müssen, daß uns die Sinneserscheinung als etwas Fertiges entgegentritt; ihnen müssen wir das Werden derselben zurechnen. Beim Gedanken bin ich mir klar, daß jenes Werden ohne meine Tätigkeit nicht möglich ist. Ich muß den Gedanken durcharbeiten, muß seinen Inhalt nachschaffen, muß ihn innerlich durchleben bis in seine kleinsten Teile, wenn er überhaupt irgendwelche Bedeutung für mich haben soll.“ Im Gegensatz zu den äußeren Triebkräften hinter den gewöhnlichen Sinnesgegenständen, sind die inneren Triebkräfte beim Denken unmittelbarer Gegenstand der Erfahrung. Was ja, wie mehrfach schon erwähnt, im Kapitel 15 (hier S. 86) zu dem Resüme führt: „Wir erinnern uns, warum eigentlich das Denken in unmittelbarer Erfahrung bereits sein Wesen enthält. Weil wir innerhalb, nicht außerhalb jenes Prozesses stehen, der aus den einzelnen Gedankenelementen Gedankenverbindungen schafft. Dadurch ist uns nicht allein der vollendete Prozeß, das Bewirkte gegeben, sondern das Wirkende.“ Das begriffliche Denken als «tätige Wahrnehmung» verstanden: ein Gesichtspunkt, den Steiner bereits in den Grundlinien … im Kapitel 9 (hier S. 51) darlegte, wonach man zwischen der eigenen Denktätigkeit und der unabhängigen, aber tätig wahrgenommenen ideellen Entität zu unterscheiden habe: „Wir müssen uns zweierlei vorstellen: einmal, daß wir die ideelle Welt tätig zur Erscheinung bringen, und zugleich, daß das, was wir tätig ins Dasein rufen, auf seinen eigenen Gesetzen beruht. Wir sind nun freilich gewohnt, uns eine Erscheinung so vorzustellen, daß wir ihr nur passiv, beobachtend gegenüberzutreten brauchten. Allein das ist kein unbedingtes Erfordernis. So ungewohnt uns die Vorstellung sein mag, daß wir selbst ein Objektives tätig zur Erscheinung bringen, daß wir mit anderen Worten eine Erscheinung nicht bloß wahrnehmen, sondern zugleich produzieren: sie ist keine unstatthafte.“ Hier geht es um den Unterschied zwischen der objektiven Tatsache und Unabhängigkeit der begrifflich-ideellen Welt, und der Tatsache, daß diese unabhängigen und objektiven ideellen Entitäten erst durch unsere individuelle Tätigkeit des Denkens zur Erscheinung kommen. In den abgrenzenden Worten zu Hegel aus der Philosophie der Freiheit: Um den Prozeß, durch den Begriffe und Ideen erst gewonnen werden, und dessen Verhältnis zu den davon zwar unabhängigen ideellen Inhalten, die freilich nur durch diesen erlebten Prozeß zur Erscheinung kommen. Um diesen erwirkenden Prozeß geht es Steiner wiederum in der Philosophie der Freiheit, wenn er danach fragt, ob dieser Prozeß von uns selbst getätigt wird, oder etwa lediglich das Resultat einer zwanghaften Naturnotwendig sei. Von diesem erwirkenden Prozeß wiederum gilt, daß bei der Beobachtung des Denkens respektive bei seiner Betrachtung Wahrnehmung und Begriff zusammenfallen. Steiner geht erkenntnistheoretische bekanntlich ja nicht wie Hegel von Begriffen und Ideen aus, sondern vom Denken, durch welches Begriffe und Ideen erst gewonnen / wahrgenommen werden, wie er im Kapitel IV der Philosophie der Freiheit darlegt: „Ich muß einen besonderen Wert darauf legen, daß hier an dieser Stelle beachtet werde, daß ich als meinen Ausgangspunkt das Denken bezeichnet habe und nicht Begriffe und Ideen, die erst durch das Denken gewonnen werden. Diese setzen das Denken bereits voraus. Es kann daher, was ich in bezug auf die in sich selbst ruhende, durch nichts bestimmte Natur des Denkens gesagt habe, nicht einfach auf die Begriffe übertragen werden. (Ich bemerke das hier ausdrücklich, weil hier meine Differenz mit Hegel liegt. Dieser setzt den Begriff als Erstes und Ursprüngliches.)“ (hier S. 57 f ;alternativ hier S. 37). Bei der Beobachtung des Denkens geht es also nicht mehr darum, sich den Inhalt von Begriffen auf einer rein sematischen, logischen oder metaphysischen bzw. erkenntniswissenschaftlichen Ebene klar zu machen, sondern darum, sich die produktiv-schöpferischen Eigentümlichkeiten des Denkens selbst klarzumachen, durch welche Begriffe und Ideen erst gewonnen werden, wie Steiner kontrastierend zu Hegel ausführt. Wiederum kann „die in sich selbst ruhende, durch nichts bestimmte Natur des Denkens ... nicht einfach auf die Begriffe übertragen werden“, wie Steiner dort ausdrücklich bemerkt. Die in sich selbst ruhende Natur des Denkens liegt in der Selbsterklärungsfähigkeit jenes Prozesses, durch den Begriffe und Ideen erst gewonnen werden. Während Begriffe und Ideen als solche, so wie sie uns vorliegen, sich nicht selbst erklären können. Wie soll das auch gehen? - Sondern dabei von dem Prozess des Denkens abhängen, der sich selbst zu erklären vermag, und sie zur Erscheinung bringt. Wenn jetzt hier, bei der Beobachtung des Denkens, «Wahrnehmung und Begriff zusammenfallen», dann haben wir eine ganz andere Sachlage, als wenn wir nur Begriffe und Ideen als Wahrnehmungen betrachten. Denn wenn wir das Denken beobachten, dann beobachten wir insbesondere auch jenen Produktionsprozeß, durch den Begriffe und Ideen erst gewonnen werden, wie Steiner gegenüber Hegel geltend macht. Das hat natürlich auch Konsequenzen für das Verständnis des Zusammenfallens von Begriff und Wahrnehmung bei der Beobachtung des Denkens. Es geht da nämlich nicht um sich selbst erklärende Begriffe und ihre Zusammenhänge, die sich laut Steiner aber nicht selbst erklären können, sondern um ein sich selbst erklärendes Denken. Also um jenen Produktionsprozeß, durch den Begriffe und Ideen erst gewonnen werden, wie es seitens Steiner gegenüber Hegel heißt. Dieser Produktionsprozeß, «durch den Begriffe und Ideen erst gewonnen werden», soll sich jetzt selbst erklären. Und das geschieht erfolgreich, «weil Wahrnehmung und Begriff des Produktionsprozesses beim Betrachten des Denkens zusammenfallen». - Was heißt das jetzt wenn hier Wahrnehmung und Begriff zusammenfallen? - Es bedeutet, daß die Wahrnehmung und der Begriff jenes Produktionsprozesses zusammenfallen, durch den Begriffe und Ideen erst gewonnen werden. Das aber ist das, was wir vom Denken jeweils dabei begreifen, wenn wir die Erfahrungen des Denkens denkend betrachten. Es geht um den beim Denken erlebten Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem, wie es schon in den Grundlinien … resümierend hieß. Hören wir noch einmal Steiner vom Beginn des Kapitels IX der Philosophie der Freiheit: „Der Begriff des Baumes ist für das Erkennen durch die Wahrnehmung des Baumes bedingt. Ich kann der bestimmten Wahrnehmung gegenüber nur einen ganz bestimmten Begriff aus dem allgemeinen Begriffssystem herausheben. Der Zusammenhang von Begriff und Wahrnehmung wird durch das Denken an der Wahrnehmung mittelbar und objektiv bestimmt Die Verbindung der Wahrnehmung mit ihrem Begriffe wird nach dem Wahrnehmungsakte erkannt; die Zusammengehörigkeit ist aber in der Sache selbst bestimmt. [] Anders stellt sich der Vorgang dar, wenn die Erkenntnis, wenn das in ihr auftretende Verhältnis des Menschen zur Welt betrachtet wird. In den vorangehenden Ausführungen ist der Versuch gemacht worden, zu zeigen, daß die Aufhellung dieses Verhältnisses durch eine auf dasselbe gehende unbefangene Beobachtung möglich ist. Ein richtiges Verständnis dieser Beobachtung kommt zu der Einsicht, daß das Denken als eine in sich beschlossene Wesenheit unmittelbar angeschaut werden kann. Wer nötig findet, zur Erklärung des Denkens als solchem etwas anderes herbeizuziehen, wie etwa physische Gehirnvorgänge, oder hinter dem beobachteten bewußten Denken liegende unbewußte geistige Vorgänge, der verkennt, was ihm die unbefangene Beobachtung des Denkens gibt. Wer das Denken beobachtet, lebt während der Beobachtung unmittelbar in einem geistigen, sich selbst tragenden Wesensweben darinnen. Ja, man kann sagen, wer die Wesenheit des Geistigen in der Gestalt, in der sie sich dem Menschen zunächst darbietet, erfassen will, kann dies in dem auf sich selbst beruhenden Denken. [] Im Betrachten des Denkens selbst fallen in eines zusammen, was sonst immer getrennt auftreten muß: Begriff und Wahrnehmung. Wer dies nicht durchschaut, der wird in an Wahrnehmungen erarbeiteten Begriffen nur schattenhafte Nachbildungen dieser Wahrnehmungen sehen können, und die Wahrnehmungen werden ihm die wahre Wirklichkeit vergegenwärtigen. Er wird auch eine metaphysische Welt nach dem Muster der wahrgenommenen Welt sich auferbauen; er wird diese Welt Atomenwelt, Willenswelt, unbewußte Geistwelt und so weiter nennen, je nach seiner Vorstellungsart. Und es wird ihm entgehen, daß er sich mit alledem nur eine metaphysische Welt hypothetisch nach dem Muster seiner Wahrnehmungswelt auferbaut hat. Wer aber durchschaut, was bezüglich des Denkens vorliegt, der wird erkennen, daß in der Wahrnehmung nur ein Teil der Wirklichkeit vorliegt und daß der andere zu ihr gehörige Teil, der sie erst als volle Wirklichkeit erscheinen läßt, in der denkenden Durchsetzung der Wahrnehmung erlebt wird. Er wird in demjenigen, das als Denken im Bewußtsein auftritt, nicht ein schattenhaftes Nachbild einer Wirklichkeit sehen, sondern eine auf sich ruhende geistige Wesenhaftigkeit. Und von dieser kann er sagen, daß sie ihm durch Intuition im Bewußtsein gegenwärtig wird. Intuition ist das im rein Geistigen verlaufende bewußte Erleben eines rein geistigen Inhaltes. Nur durch eine Intuition kann die Wesenheit des Denkens erfaßt werden.“ Anthroposophischen Autoren scheint dies nicht immer hinreichend deutlich zu sein. Wenn Günter Röschert in seinem Buch (Anthroposophie als Aufklärung, München 1997, S. 41) mit Blick auf eine Textstelle des dritten Kapitels der Philosophie der Freiheit schreibt, das Denken sei "intim bekannt ohne Beobachtung", so ist diese Angabe sicherlich etwas irreführend oder zumindest nicht glücklich gewählt. Röschert schreibt dort: "Der wirklich herbeigeführte Ausnahmezustand macht aber mittelbar darauf aufmerksam, daß das Denken intim bekannt ist ohne Beobachtung, nämlich durch Intuition." Röschert verwechselt hier wie mancher andere Steinerinterpret das «Können» des Denkens mit seiner «intimen Bekanntheit». Und die Frage stellt sich in solchen Fällen natürlich, warum wir laut Steiner Kap. III, (hier S. 31) «durch Beobachtung erst kennenlernen müssen», was angeblich längst intim bekannt ist. (Bei Jaap Sijmons stellt sich dieselbe Frage.) Ich meine also das trifft in dem von Röschert genannten Sinne nicht zu. Eine «intime Bekanntheit» kann daher gar nicht zutreffen, wenn Steiner das Denken erst durch Beobachtung kennen lernen will, wie ausdrücklich ja im Kapitel Drei der Philosophie der Freiheit hervorgehoben wird. Analoges gilt laut zeitgenössischen Denkpsychologen wie Bühler, die Vergleichbares berichten wie Steiner. (Siehe hier seine Untersuchung von 1907 f. Hier auch die Teile II und III bei Wilhelm Humerez.) Wäre das Denken wirklich intim bekannt ohne Beobachtung, dann hätten die Würzburger sich nicht mit der Frage auseinandersetzen müssen, «was wir beim Denken überhaupt erleben?». Das alles wäre längst bekannt gewesen. Dem war nach Bühler aber keineswegs so, wie er schrieb: "Es gibt wohl kaum eine andere einzelwissenschaftliche Frage, auf die man so viele verschiedene Antworten erhalten kann als auf die: was ist Denken? Denken ist Verknüpfung, Denken ist Zerlegung. Denken ist Urteilen. Denken heißt Apperzipieren. Das Wesen des Denkens liegt in der Abstraktion. Denken ist Beziehen. Denken ist Aktivität, ist ein Willensvorgang. Fragt man aber spezieller nach den Inhalten der Denkerlebnisse, dann lautet die Antwort sehr einmütig, spezifische Denkinhalte gebe es nicht. Es gibt nur ganz wenige Forscher, die diesen Satz nicht anerkennen würden." So Bühler in seiner Einleitung dazu. Die meisten fachlichen Zeitgenossen waren laut Bühler regelmäßig der Ansicht, daß es dabei gar nichts zu erleben gab – (siehe dazu auch eingangs unseres Kapitels oben, S. 4 ff.) Den «Prozeß, durch den Begriffe und Ideen erst gewonnen werden» (Steiner), den kannten die meisten wissenschaftlichen Zeitgenossen laut Bühler also gar nicht, und stellten diesbezüglich nur substanzlose Behauptungen auf. Weswegen Bühler mit seiner denkpsychologischen Untersuchung angetreten war, hier überhaupt erst einmal empirische Klarheit in dieser Frage zu schaffen. Bei «intimer» Bekanntheit des Denkens hätte man freilich längst gewußt, was man beim Denken erlebt, und müßte nicht lange Forschungsreihen zu dieser weitgehend offenen Frage anstellen. Was nur ein triviales Beispiel aus der Geschichte der Denkpsychologie für diese Sachlage ist. Also: Weder laut Steiners Begründungen selbst, noch für die zeitgenössische Denkpsychologie ist das Denken intim bekannt ohne Beobachtung. Wie gesagt: Nicht das Denken ist intim bekannt, sondern seine Inhalte! In begrenztem Umfang, je nach den individuellen Voraussetzungen des Denkers. (Denn der ist ja nicht allwissend.) Die Begriffe wiederum, sofern bekannt, auch nur in ihrer bloßen Inhaltlichkeit, nicht aber in ihrem Verhältnis zum denktätigen Ich oder in sonstigen Eigenschaften, so daß von einer intimen Bekanntheit des Denkens gar keine Rede sein kann. Das selbe Mißverständnis scheint mir auch hinter einer Bemerkung Röscherts zu stehen, die er im Rahmen seiner Husemann-Kritik macht, wenn er dort schreibt, das heuristische Prinzip des sogenannten Ausnahmezustandes habe bei Steiner die Aufgabe, "auf die beobachtungsfrei mögliche Intuition des Denkens als Anschauung hinzuführen". (Siehe: Günter Röschert, Anthroposophische Gegenaufklärung, in Jahrbuch für anthroposophische Kritik, 2000, S. 176.) Auch hier soll nach Steiner angeblich das Denken beobachtungsfrei, durch Intuition angeschaut werden. Und zwar in jenem «Ausnahmezustand», in dem bei Steiner laut Kapitel III der Philosophie der Freiheit die Beobachtung und Erkenntnis des Denkens stattfindet. Nun gibt es hier lediglich zwei Möglichkeiten. Entweder erlebe ich mein eigenes Denken unbeobachtet in der Form seiner reinen Erfahrung. Was ja der Normalzustand des Denkens ist. Und seit 1886 von Steiner behandelt. Dann erlebe ich zwangsläufig auch Intuitionen, weil deren Auftreten im Verständnis Steiners der Regelfall des begrifflichen Denkens ist. Ohne Intuitionen gibt es weder Begriffe, noch überhaupt Erkenntnisse, wie er im Kapitel V (hier S. 65 ff) der Philosophie der Freiheit lang und breit ausführt: „Ohne das funktionierende Denken erscheint uns das rudimentäre Organ des Tieres, das ohne Bedeutung für dessen Leben ist, gleichwertig mit dem wichtigsten Körpergliede. Die einzelnen Tatsachen treten in ihrer Bedeutung in sich und für die übrigen Teile der Welt erst hervor, wenn das Denken seine Fäden zieht von Wesen zu Wesen. Diese Tätigkeit des Denkens ist eine inhaltvolle. Denn nur durch einen ganz bestimmten konkreten Inhalt kann ich wissen, warum die Schnecke auf einer niedrigeren Organisationsstufe steht als der Löwe. Der bloße Anblick, die Wahrnehmung gibt mir keinen Inhalt, der mich über die Vollkommenheit der Organisation belehren könnte. [] Diesen Inhalt bringt das Denken der Wahrnehmung aus der Begriffs- und Ideenwelt des Menschen entgegen. Im Gegensatz zum Wahrnehmungsinhalte, der uns von außen gegeben ist, erscheint der Gedankeninhalt im Innern. Die Form, in der er zunächst auftritt, wollen wir als Intuition bezeichnen. Sie ist für das Denken, was die Beobachtung für die Wahrnehmung ist. Intuition und Beobachtung sind die Quellen unserer Erkenntnis. Wir stehen einem beobachteten Dinge der Welt so lange fremd gegenüber, so lange wir in unserem Innern nicht die entsprechende Intuition haben, die uns das in der Wahrnehmung fehlende Stück der Wirklichkeit ergänzt. Wer nicht die Fähigkeit hat, die den Dingen entsprechenden Intuitionen zu finden, dem bleibt die volle Wirklichkeit verschlossen.“ Mancher Leser wird sich noch an meine eigenen Schwierigkeit mit dem Verständnis dieser Passage erinnern, betreffend die kontrastierende Gegenüberstellung von Intuition und Beobachtung. Inzwischen glaube ich, die Verhältnisse doch etwas klarer zu sehen, zumal dann, wenn man Steiners eigene klarstellende Erläuterungen zu dieser Passage einbezieht, die er in der Schrift Von Seelenrätseln (GA-21, S. 61 ) gegenüber der Kritik von Max Dessoir vorbrachte, wo er zur dieser Passage aus der Philosophie der Freiheit erläuternd schrieb: „Ich sage also hier: Intuition wolle ich als Ausdruck für die Form gebrauchen, in der die im Gedankeninhalt verankerte geistige Wirklichkeit zunächst in der menschlichen Seele auftritt, bevor diese erkannt hat, daß in dieser gedanklichen Innenerfahrung die in der Wahrnehmung noch nicht gegebene Seite der Wirklichkeit enthalten ist. Deshalb sage ich: Intuition ist «für das Denken, was die Beobachtung für die Wahrnehmung ist»“ Steiner dann ebendort weiter: „Mir gilt eben Intuition nicht «bloß» als die «Form, in der ein Gedankeninhalt zunächst hervortritt», sondern als die Offenbarung eines Geistig-Wirklichen, wie die Wahrnehmung als diejenige des Stofflich-Wirklichen.“ - Das nun entspricht dem, was Steiner über die Erkenntnisleistung als Synthese von Wahrnehmung und Begriff in den Frühschriften behandelt. Wobei er den Ausdruck Intuition wie schon gesagt erstmals in der Philosophie der Freiheit von 1894 für dieses Sachlage reserviert, und dann auch beibehält: Die Intuition bringt demnach von der geistigen Seite jenen begrifflichen Anteil der Wahrnehmung entgegen, der dann in der Erkenntnis mit der Wahrnehmung vereinigt wird. Oder wie Steiner in GA-21 sagt: „daß in dieser gedanklichen Innenerfahrung die in der Wahrnehmung noch nicht gegebene Seite der Wirklichkeit enthalten ist. Deshalb sage ich: Intuition ist «für das Denken, was die Beobachtung für die Wahrnehmung ist.“ Betrachten wir diese Darstellungen weiter: Ich beobachte mein Denken gegenüberstellend in Erkenntnisabsicht. Dann habe ich es letztlich mit nichts anderem zu tun als mit einem gewöhnlichen erkennenden Denken, das sich in diesem speziellen Fall um die Erkenntnis des Denkens bemüht. Denn das beobachtende Denken ist mit dem Denken wesensgleich, laut drittem Kapitel der Philosophie der Freiheit. Wobei wir wiederum den Fall vorliegen haben, daß bei dieser betrachtenden Erkentnisbemühung des Denkens «Wirkendes und Bewirktes in ihrem Zusammenhang erlebt werden», wie es bereits in den Grundlinien … hieß. Und auch hier gilt, daß Erkenntnisse des Denkens nur in der Synthese von Wahrnehmungen des Denkens mit entsprechenden Begriffen bestehen können. Mit einem maßgeblichen Unterschied: Im Vergleich zu allen übrigen Erkenntnissen habe ich beim Denken und seiner Erkenntnis Wirkendes und Bewirktes stets in jenem «Prozeß vorliegen, durch den Begriffe und Ideen erst gewonnen werden», um neuerlich an Steiners Hegel-Bemerkung anzuknüpfen. Seit mindestens 1886 ist das alles in Steiners Frühwerk nachzulesen. Viel Raum, im Sinne Röscherts oder Sijmons da viel hinein zu geheimnissen besteht ersichtlich nicht. Weder in die Intuition noch in irgend eine ominöse Bekanntheit des Denkens, die laut Steiner gar nicht existiert, bevor man es denkend beobachtet. Nun Steiners «Ausnahmezustand» aus der Philosophie der Freiheit (Kap. Drei) dient bei Steiner dem Begreifen des Denken, indem sich der Denker denkend den Erfahrungen seines Denkens gegenüberstellt. (Siehe dazu etwa unsere Studie hier ab S. 1206 ff.) Daß er natürlich bei jedem begrifflichen Denkvorgang Denken Intuitionen hat, wie Steiner regelmäßig hervorhebt, und laut Steiners Theosophie (GA-9) selbst der einfachste Gedanke Intuition enthält, gehört ebenfalls zu den Beobachtungsresultaten des Denkens, die selbst vielen Anthroposophen nicht bekannt sind oder lange Zeit nicht waren. So daß Steiner sich bemüßigt sah, diesen Sachverhalt eigens in der Zweitauflage der Philosophie der Freiheit noch einmal hervorzuheben. Dahingehend, «daß durch das intuitive Denken eine jegliche Wahrnehmung in die Wirklichkeit erkennend hinein gestellt wird». (Hier S. 180 im zweiten Zusatz von 1918.) Worin Röschert beizupflichen wäre, falls er es so verstanden wissen wollte, ist die Tatsache, daß die Beobachtung des Denkens eine Erkenntnisleistung ist. Und insofern, weil es ohne Intuitionen keine Erkenntnisse gibt, selbstredend auch die Erkenntnis des Denkens Begriffe und Intuitionen benötigt, um das Denken zu begreifen. Was ja hier weitläufig das Thema ist. Es scheint sich aber bei der Auffassung Röscherts eher um eines der hartnäckigsten Mißverständnisse von Anthroposophen bezüglich der Beobachtung des Denkens, beziehungsweise hinsichtlich der Interpretation des dritten Kapitels der Philosophie der Freiheit zu handeln. Bei Röschert wird wie gesagt die Bekanntheit der gedanklichen Inhalte (das unmittelbare Wissen im Sinne des dritten Kapitels der Philosophie der Freiheit, hier S. 29) mit der Bekanntheit des Denkens verwechselt. Bei Steiner heißt es diesbezüglich: "Der Grund, der es uns unmöglich macht, das Denken in seinem jeweilig gegenwärtigen Verlauf zu beobachten, ist der gleiche wie der, der es uns unmittelbarer und intimer erkennen läßt als jeden andern Prozeß der Welt. Eben weil wir es selbst hervorbringen, kennen wir das Charakteristische seines Verlaufs, die Art, wie sich das dabei in Betracht kommende Geschehen vollzieht. Was in den übrigen Beobachtungssphären nur auf mittelbare Weise gefunden werden kann: der sachlich-entsprechende Zusammenhang und das Verhältnis der einzelnen Gegenstände, das wissen wir beim Denken auf ganz unmittelbare Weise. Warum für meine Beobachtung der Donner auf den Blitz folgt, weiß ich nicht ohne weiteres; warum mein Denken den Begriff Donner mit dem des Blitzes verbindet, weiß ich unmittelbar aus den Inhalten der beiden Begriffe." - Um das Denken zu können und zu wissen wie ich dabei verfahre, dazu brauche ich es nicht zu beobachten, sondern ich kann es eben einfach. Und das ist ja für jeden denkenden Menschen der Normalzustand. Selbst wenn der im übrigen rein gar nichts über das Denken weiß, kann er es! Zum «Können» des Denkens ist kein Wissen über das Denken notwendig. Der Kontrast zwischen einer «intimen» (Röschert) oder «besten Bekanntheit» (Sijmons) des Denkens zu dem, was Steiner selbst darüber im dritten Kapitel berichtet, könnte gar nicht größer sein: „Was bei der Natur unmöglich ist: das Schaffen vor dem Erkennen; beim Denken vollbringen wir es. Wollten wir mit dem Denken warten, bis wir es erkannt haben, dann kämen wir nie dazu. Wir müssen resolut darauf losdenken, um hinterher mittels der Beobachtung des Selbstgetanen zu seiner Erkenntnis zu kommen. Der Beobachtung des Denkens schaffen wir selbst erst ein Objekt. Für das Vorhandensein aller anderen Objekte ist ohne unser Zutun gesorgt worden." So Steiner dazu (hier S. 31) mit speziellem Blick auf Schelling. Wie Steiner übrigens auch 1921 in seinem schon erwähnten Stuttgarter Vortrag 255b, S. 297 ff rückblickend noch einmal vorträgt. Um Denken zu können braucht man keine Schulung und kein Studium des Denkens. Hören wir ihn dazu noch einmal an: „Was der Mensch in seinem Denken vollzieht, von dem stellt sich zuletzt doch heraus, daß es ein Vorgang ist, der unabhängig von der physischen Organisation des Menschen abläuft. Und ich glaube, daß sich mir durch diese «Philosophie der Freiheit» nichts Geringeres ergeben hat als die übersinnliche Natur des menschlichen Denkens. Und hatte man diese übersinnliche Natur des menschlichen Denkens erkannt, dann war damit der Beweis geliefert, daß der Mensch im gewöhnlichsten Alltagsleben, wenn er sich nur erhebt zum wirklichen Denken, durch das er durch nichts anderes als durch die Motive des Denkens selbst bestimmt wird, daß er dann ein übersinnliches Element in diesem Denken vor sich hat. Richtet er sich dann im Leben nach diesem Denken, entwickelt er sich so, wird er so erzogen, daß er über die Motive seiner physischen Organisation, über Triebe, Emotionen, Instinkte hinaus Motive des reinen Denkens seinen Handlungen zugrunde legt, dann darf er ein freies Wesen genannt werden. Den Zusammenhang zwischen dem übersinnlich reinen Denken und der Freiheit darzulegen, das machte ich mir dazumal zur Aufgabe. [ ] Man kann nun dabei stehenbleiben, einen solchen Gedankengang bloß theoretisch zu verfolgen. Wenn man aber einen solchen Gedankengang nicht bloß theoretisch verfolgt, sondern wenn er einem Erfüllung des ganzen Lebens wird, wenn man in ihm geradezu eine Offenbarung der menschlichen Natur selber sieht, dann verfolgt man ihn nicht bloß theoretisch weiter, dann verfolgt man ihn praktisch weiter. Was ist dieses praktische Weiterverfolgen? Nun, man lernt erkennen - hat man einmal die übersinnliche Natur des Denkens erfaßt -, daß der Mensch imstande ist, sich in einer gewissen Betätigung unabhängig von seiner Leibesorganisation zu machen. Man kann nun den Versuch anstellen, ob der Mensch außer dem reinen Denken noch fähig ist, eine solche Tätigkeit zu entfalten, welche nach dem Muster dieses reinen Denkens ist. Wer dasjenige, was ich als Forschungsmethode meiner anthroposophischen Geisteswissenschaft zugrunde lege, Hellsehen nennt, der muß auch schon das gewöhnliche reine Denken, das durchaus aus dem Alltagsleben heraufströmt in das menschliche Bewußtsein, das hineinströmt in das menschliche Handeln, Hellsehen nennen. Ich selber sehe qualitativ keinen Unterschied zwischen dem reinen Denken und demjenigen, was ich als Hellsehen bezeichne. Ich sehe die Sache so, daß der Mensch sich zuerst an dem Vorgang des reinen Denkens eine Praxis heranbilden kann, wie man in seinen inneren Vorgängen unabhängig wird von seiner Leibesorganisation, wie man in dem reinen Denken etwas vollführt, woran der Leib keinen Anteil hat. Ich habe 1911 auf dem Philosophenkongreß in Bologna auf eine ganz philosophische Weise auseinandergesetzt, daß schon das reine Denken etwas ist, was im Menschen vollzogen wird, ohne daß die Leibesorganisation daran Anteil hat. Und ich habe hier in einer großen Anzahl von Vorträgen dieses von den verschiedensten Seiten her bekräftigt. [ ] Dann aber, wenn man den Vorgang kennt, durch den man zu solchem reinen Denken kommt, kann durch das, was wahre tiefergehende Philosophie gibt, etwas ausgebildet werden, was ich dann in der verschiedensten Weise als Erkenntnismethode für die höheren Welten dargestellt habe in meinem Buch «Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?» und in meiner «Geheimwissenschaft». Geradeso, wie aus den gewöhnlichen Alltagsbetätigungen der menschlichen Seele zuletzt das reine Denken hervorgeht, zu dem man keine besondere Schulung braucht, kann man, wenn man diesen Vorgang weiter ausbildet, zu dem kommen, was ich in dem genannten Buch und im zweiten Teil meiner «Geheimwissenschaft» die Stufen der höheren Erkenntnis - also Imagination, Inspiration, Intuition - genannt habe. Was sich im reinen Denken äußert, das wird uns Menschen einfach eigen dadurch, daß wir geboren sind; es ist uns in unserem jetzigen Stadium der Menschheitsentwicklung vererbt. Dasjenige, was nach dem Muster dieses reinen Denkens auftreten kann als Imagination, Inspiration, Intuition, das muß ebenso heranerzogen werden durch den erwachsenen Menschen, wie gewisse Fähigkeiten naturgemäß heranerzogen werden beim Kind. [Hervorhebung, MM]“ Steiner schildert in diesem Vortrag gleichsam in groben Zügen seinen Forschungsweg der Beobachtung des Denkens, wie er in seinen begründenden Frühschriften den Ausgang genommen hat. Wie Sie daraus entnehmen können, benötigt das reine Denken keine spezielle Schulung, sondern wird aus dem allgemeinen Kulturstrom heraus angeeignet und vererbt. Die Menschen können das Denken in dieser Kultur handhaben, ohne viel darüber zu wissen. Und schon gar nicht zu wissen, daß sie mit diesem Vermögen eigentlich bereits elementare Hellseher sind, und das regelmäßig geübte und unbekannte Denken sogar unabhängig von ihrer Leiblichkeit ist. Von all dem wissen die Menschen normalerweise nichts. Von den weiteren naturwissenschaftlichen Implikationen, die Steiner in diesem Vortragsausschnitt mit andeutet, gar nicht zu reden. Kehren wir zurück zur Philosophie der Freiheit. Steiner spricht an der von Günter Röschert angeführten Textstelle keineswegs davon, daß das Denken "intim bekannt sei ohne Beobachtung", sondern er sagt lediglich, daß wir das "Charakteristische seines Verlaufs" kennen - also einen ganz basalen, wesentlichen, typischen, aber vereinzelten Aspekt des Denkens, neben dem es eine endlose Zahl weiterer gibt, die wir noch nicht kennen. Und diese Denkwege, so viel sagt er auch in seinem zitierten Stuttgarter Vortrag, kennen wir, weil wir denken können. „ … es ist uns in unserem jetzigen Stadium der Menschheitsentwicklung vererbt ...“ Das bedeutet nicht, das wir das Denken vorher beobachten müssen, sondern wir haben es als Denkvermögen mit dem allgemeinen Kulturstrom aufgenommen. Es bedeutet natürlich auch nicht, daß wir damit schon über jedes denkpsychologische, bewußtseinsphänomenologische oder logische Detail des Denkverlaufs bescheid wissen, nur weil wir denken können. Und schon gar nicht wissen wir ohne Beobachtung, was unserer Denken mit dem Kausalitätsproblem und der Leibesunabhängigkeit zu tun hat. Es ist dies ja, auch laut dem eben zitierten Stuttgarter Vortrag Steiners, jener Aspekt, - die leibliche Unabhängigkeit des Denkens, - eine der Fragen, die er in seiner frühen Grundlagenforschung mit Vorrang geklärt hat, als Voraussetzung seines aus dieser Unabhängigkeit des Denkens sich ergebenden Schulungsweges. Selbst die meisten Anhänger Steiners wissen das alles nicht, trotz oftmals jahrzehntelanger Zugehörigkeit zur Anthroposophie, wie ich von vielen weiß und auch gelesen habe. Die hier und andernorts behandelte anthroposophische Sekundärliteratur mit ihren notorischen Auslassungen spricht regelrecht Bände zu diesem Thema. «Bekannt ohne Beobachtung», um auf Röschert zurück zu kommen, ist am Denken also herzlich wenig. Was man besonders deutlich wiederum daran sieht, daß Karl Bühler 1907 f extra eingehend untersuchen musste, was wir beim Denken überhaupt erleben, da kaum jemand das damals wußte, und die meisten wissenschaftlichen Zeitgenossen ohnehin bestritten, daß es dabei irgend etwas zu erleben gab. Ins Umgangssprachliche übersetzt: Wir wissen, weil wir es ohne Beobachtung zwar nicht kennen, gleichwohl aber können, welche gedanklichen Wege zu beschreiten sind, um von einem Begriff zum nächsten zu kommen, wie es Steiner entsprechend am Beispiel von Blitz und Donner demonstriert. Diese Kenntnis des charakteristischen Denkverlaufs haben wir - und zwar notwendigerweise, denn sonst könnten wir gar nicht denken - "ganz unmittelbar" - das heißt: ohne vorangehende Beobachtung des Denkens. Läge sie nicht in dieser unmittelbaren Form vor, wir könnten sie der Beobachtung des Denkens ja niemals entnehmen, da wir dann eben auch über keine begrifflichen Inhalte verfügten und gar nicht denken könnten. Eine andere Frage ist, wie wir dazu kommen uns ein Wissen über diese Tatsache zu verschaffen. - Das wiederum ist natürlich eine Beobachtungsangelegenheit. Zunächst noch einmal anders gewendet: Das Verfügen über begriffliche Inhalte überhaupt ist gleichbedeutend mit der Kenntnis der Gedankenwege, die bei ihrem Durchdenken zu gehen sind. Das Wissen um diese Inhalte ist dasselbe wie das Wissen um die Gedankenwege - oder wie Steiner sagt: den "charakteristischen Denkverlauf". Ein Begriff ist aus Steiners Perspektive zugleich eine mentale Handlungsanweisung, ein Verlaufsplan beziehungsweise eine Regel des Denkens. Und diese Kenntnis wiederum ist erst die Vorbedingung oder die Grundlage dazu, das Denken "intimer und unmittelbarer zu erkennen als jeden anderen Gegenstand". Von einer "intimen Bekanntheit" des Denkens ließe sich doch erst sprechen, wenn sich unser Wissen zumindest auf einen beträchtlichen Teil seiner noch unbekannten Seiten erstreckt. Also: - die Kenntnis der charakteristischen Seite des Denkverlaufs bzw. das Können des Denkens ist schon noch etwas anderes als eine "intime Bekanntheit des Denkens". Steiner zielt hier auf die unmittelbare Bekanntheit der gedanklichen Inhalte ab und das ursprüngliche - man könnte sagen: archaische - Wissen darum, was zu tun ist, um von Begriff A nach Begriff B zu kommen. Dieses Wissen ist so naturhaft-elementar, daß Schopenhauer der Auffassung war, es sei überhaupt sinnlos mit Hilfe der Logik richtiges Denken zu lernen oder jemandem beizubringen. Die Logik, schreibt er, sei "bloß das Wissen in abstracto dessen, was jeder in concreto weiß. Daher so wenig als man sie braucht, einem falschen Räsonnement nicht beizustimmen, so wenig ruft man ihre Regeln zu Hilfe, um ein richtiges zu machen, und selbst der gelehrteste Logiker setzt sie bei seinem wirklichen Denken ganz beiseite. ... Praktischen Gebrauch von der Logik machen wollen, hieße also das, was uns im einzelnen unmittelbar mit der größten Sicherheit bewußt ist, erst mit unsäglicher Mühe aus allgemeinen Regeln ableiten wollen: Es wäre gerade so, wie wenn man bei seinen Bewegungen erst die Mechanik und bei der Verdauung die Physiologie zu Rate ziehen wollte; und wer die Logik zu praktischen Zwecken erlernt, gleicht dem, der einen Bieber zu seinem Bau abrichten will." (Arthur Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung, München 1912, S. 57.) Richtig denken kann also im Prinzip jeder von Natur aus, weil er die Inhalte seiner Begriffe kennt und sie handhaben kann. Deswegen ist er allerdings noch längst kein Logiker, der über die logischen Gesetze seines Denkens oder seine sonstigen Eigenschaften Auskunft geben könnte. Dieses natürlich-unmittelbare Wissen ist, um es noch einmal zu sagen, nach Steiner explizit erst die Voraussetzung dazu, um das Denken intimer zu erkennen als jeden anderen Gegenstand und nicht etwa schon die Erkenntnis selbst. Die Erkenntnis des Denkens hat also erst noch stattzufinden. Als Aufklärung über ein, wenn man so will, natürlich gegebenes hellseherisches Vermögen, wie Steiner in GA-255 b sagt, das uns vererbt wurde, und das wir als solches noch nicht einmal üben müssen, weil wir es können. „Was sich im reinen Denken äußert, das wird uns Menschen einfach eigen dadurch, daß wir geboren sind; es ist uns in unserem jetzigen Stadium der Menschheitsentwicklung vererbt.“ Das soll unsere Problemstellung hier nur illustrieren. In einen vergleichbaren Fehlschluß wie Günter Röschert verfällt auch Jaap Sijmons in seiner anspruchsvollen Dissertation Phänomenologie und Idealismus, Utrecht 2004. Sijmons Arbeit könnte gleichermaßen Anlaß zur Bewunderung wie zur Verzweiflung sein. Zur Bewunderung wegen der enormen Fülle an Details, die er da so sorgsam und kenntnisreich zusammenträgt. Es ist nach meinem Verständnis eine der gediegendsten und ertragreichsten Arbeiten, die seit vielen Jahren zur Einbettung der Steinerschen Philosophie in ihren zeitgeschichtlichen philosophischen Kontext veröffentlicht wurde. Sie hat auf jeden Fall ihren Wert in sich, ganz unabhängig von der Kritik, die ich hier anbringe. Und zur Verzweiflung gibt sie Anlaß, weil offenkundig wird, daß auch das Anrufen aller Heiligen der Philosophiegeschichte kaum etwas nützt, das dritte Kapitel der Philosophie der Freiheit in seinem Kern - der Beobachtung des Denkens - und damit die entscheidende Verbindung zwischen Philosophie und Anthroposophie, aber auch die eigentliche Grundlage der Steinerschen Freiheitsphilosophie im sich selbst erkennenden und tragenden Denken zu begreifen. Gerade die beeindruckende Gründlichkeit, mit welcher der Autor vorgeht, rückt diese Tatsache in ein besonders grelles Licht. Es scheint manchmal so, als ob ihm durch die vorrangige Beschäftigung mit den Grundfragen der Philosophie die Sicht verstellt wird auf die einfachsten und alltäglichsten Tatbestände des gewöhnlichen Bewußtseins, von denen im dritten Kapitel der Philosophie der Freiheit ja die Rede ist. Manchen guten Faden hält er in der Hand, aber er bekommt sie noch nicht zusammen. Und am Ende haben sich die Dinge teilweise bis ins Absurde hinein verwickelt und verwirrt. Dazu nur ein Beispiel: Sijmons kommt ähnlich wie Günter Röschert auf S. 326 anhand der von Steiner betonten Tatsache, daß wir das Charakteristische des Denkverlaufs kennen, zu dem Schluß, das Denken sei "sich ... das best Bekannte überhaupt". Fügt dann hinzu: "Ohne dass wir das Denken kennten, gäbe es ja auch keine Erkenntnis (Denken) über etwas anderes. Wie sollte es nun unbekannt sein? Weil wir es hervorbringen, ist es uns bekannt." Das scheint bei diesem Text irgendwie naheliegend, aber es stimmt eben nicht, bzw. diese Interpretation greift daneben - und zwar gründlich. Der Autor setzt hier vergleichbar mit Röschert faktisch das Können des Denkens mit dem Kennen des Denkens gleich. Ein jeder, der denken kann, kennt auch das Denken, weil er es selbst hervorbringt. Und zwar unvergleichlich gut, sonst wäre es nicht das best Bekannte. Zudem wird hier die Bekanntheit des Denkens gar zur Voraussetzung von Erkenntnis überhaupt erhoben. Das heißt: Wer das Denken nicht erkannt hat, der erkennt auch nichts anderes. Und ich glaube, das alles liegt sehr weit abseits von dem, was Steiner in der Passage meint. Möglich, daß Sijmons selbst zwischen Bekanntheit und Erkenntnis des Denkens noch einmal differenziert. In der Philosophie wird ja gelegentlich etwas hintersinnig zwischen Kennen und Erkennen unterschieden. Ich sehe allerdings nicht, daß Steiners Erkenntnisbegriff Raum für eine solche Unterscheidung ließe. Man könnte vielleicht eine vereinzelte Passage Steiners aus dem Fichte-Kapitel von Wahrheit und Wissenschaft (S. 85) in diese Richtung deuten, vor dem Hintergrund, daß diese Schrift schon dem Titel und auch der Vorrede nach vorrangig dem wissenschaftlichen Erkennen gewidmet ist. So daß sich das vorwissenschaftlich Bekannte von einem wissenschaftlich Erkannten abgrenzen ließe. Wie sich das allerdings stringent Steiners Erkenntnistheorie eingliedern läßt, bleibt mir eine Frage. Denn was bekannt ist, muß in irgend einer Weise schon begrifflich durchdrungen sein, sonst wäre es nicht bekannt; und ein best Bekanntes gar muß dies mehr sein als alles andere sonst. In der Philosophie der Freiheit schließlich wird eine derartige explizite Fokussierung auf wissenschaftliches Erkennen - siehe die Vorrede von 1918 und das Ende von Kapitel II. - auch nicht mehr vorgenommen. Dort ist zwar die Untersuchungsmethode der seelischen Beobachtung dem Geiste der Naturwissenschaft verpflichtet; untersucht aber wird das ganz alltägliche Bewußtsein "wie sich dasselbe stündlich darlebt." (S. 35) Bezogen auf die oben erwähnten begrifflichen Inhalte: Wer über Begriffe verfügt, und somit denken kann, der verfügt eben nur über Begriffe in ihrer inhaltlichen Form, aber er hat kein Metawissen über Begriffe, weil er sich damit noch nie gedanklich befaßt hat. Er kennt also keine Begriffe, - weiss nicht, was sie sind und welche allgemeinen Eigenschaften sie haben -, sondern er hat nur welche. Das ist ein entscheidender Unterschied, der in der Umgangssprache oft nivelliert wird. Und das läßt sich paradigmatisch auf alle Eigenarten des alltäglichen Denkens ausdehnen. Logische Gesetze z. B. kennt auch niemand, der sie nicht eigens studiert, obwohl jedes klare Denken eines logischen Laien sich daran orientiert. Steiner selbst ist in dieser Beziehung schriftstellerisch nicht gerade entgegenkommend, wenn er (hier S. 27 f) in etwas missverständlicher Weise vom bekannten charakteristischen Denkverlauf spricht. Den nämlich kennt auch nur jemand, der sich darüber schon seine Gedanken gemacht hat, wie es an dieser Stelle auch bei Steiner geschieht. Denn wir haben es ja auch hierbei mit «Beobachtungsresultaten» Steiners zu tun. Der Denker muß sich seine Denkverläufe also schon betrachtend gegenüber gestellt haben, um darüber zu befinden, was daran typisch und charakteristisch ist und was nicht. Ohne diese betrachtende Gegenüberstellung weiß er das alles nicht; was der Leser jederzeit und leicht selbst prüfen kann. Und schon gar nicht weiß er das alles bloß deswegen, weil er zu denken vermag. Wie bereits gesagt ist ja auch Steiners Resüme über den charakteristischen Denkverlauf ein Resultat seiner denkenden Beobachtung und stellt sich als Beobachtungsresultat einer gegenüberstellenden Betrachtung dar. Und nur wenn dies geschieht, dann hat ein Mensch ein echtes (Meta)-Wissen von seinem Denkverlauf. Vorher übt er sein Denken aus oder vollzieht es, während das Charakteristische dieses Verlaufs ihm unbekannt bleibt als eines der zahllosen unbeobachteten Details unseres gewöhnlichen Denkens. Was der Leser auch ausgezeichnet der eben erwähnten Studie Karl Bühlers entnehmen kann. Wo ja insbesondere anhand der Erlebnisse von Versuchspersonen spezifische Denkverläufe nachgezeichnet wurden, die man man vorher nicht kannte infolge der vorherrschenden Auffassung, daß es beim Denken gar nichts zu erleben gab. Das alles kann übrigens der Leser jederzeit an seinem eigenen Denken studieren, indem er sich zu einem beliebigen Denkvorgang fragt: Was ist denn das Charakteristische meines Denkverlaufs? So ein Versuch ist nicht schwierig und in Eigenregie oder mit jedem Partner oder Freund durchzuführen, aber er ist sehr erhellend. Wenn man sieben Personen nach dem Charakteristischen dieses Verlaufs fragt, dann wird man etwa fünf verschiedene Antworten bekommen. Oder auch fünfzehn, je nachdem, was den Befragten so an Sinnvollem dazu einfällt. Und: Man muß diese Dinge wirklich auch einmal tun, denn so eine Versuchserfahrung ist außerordentlich aufschlußreich. Weil daran erkennbar wird, wieviel Entscheidungen und Urteilsunsicherheiten eine solche Frage im konkreten Fall nach sich zieht. Klar gesagt: Kein Mensch kennt seinen charakteristischen Denkverlauf, es sei denn, er hat sich wie Steiner beobachtende Gedanken dazu gemacht. Oder er bezieht sein diesbezügliches Wissen wo anders her, z. B. aus der philosophischen Tradition. Und letzteres wird leicht vergessen. Dem Laien ist der Ausdruck charakteristischer Denkverlauf nicht a priori verständlich, und auch dem Fachmann nur dadurch in relativ eindeutiger Weise, weil Steiner anschließend selbst den erläuternden Hinweis auf die begrifflichen Inhalte gibt. Ohne diesen spezifizierenden Fingerzeig hätte auch ein Experte für Denkverläufe mit ziemlicher Sicherheit mehrere Kandidaten im Gepäck mit Anspruch darauf, charakteristisch für den Denkverlauf zu sein. Wer vielleicht einmal Gelegenheit hatte die Denkuntersuchungen Karl Bühlers zu studieren (Vergl. Karl Bühler, Tatsachen und Probleme zu einer Psychologie der Denkvorgänge I., Über Gedanken. In: Archiv für die gesamte Psychologie, 9, 1907), der wird feststellen, daß dort eine ganze Reihe charakteristischer Denkverläufe beschrieben werden. Vergleicht man diese mit Steiners Schilderung, dann kann man zunächst den Eindruck bekommen, beide berichten von völlig verschiedenen Dingen, obwohl jeweils von Denkprozessen die Rede ist. Das muß nicht zwangsläufig für oder gegen eine bestimmte Sichtweise sprechen. Bühler ist als empirischer Denkpsychologe, der mit Versuchspersonen arbeitete, nur viel konkreter als Steiner. Das soll hier auch nur demonstrieren, daß es nicht selbstverständlich ist, was man unter einem charakteristischen Denkverlauf versteht. Zur Klärung dieser Frage ist eben sehr viel Denkarbeit erforderlich; das heißt: es gibt keinen Erkenntnisautomatismus in der Kennzeichnung bestimmter Bewußtseinserscheinungen als charakteristischer Denkverlauf. Und schon gar nicht kann man davon ausgehen, daß diese Verläufe dem Denker ohne weitere Untersuchung bekannt sind. Man muß eben auch bei dieser Frage in Betracht ziehen, daß Steiner hier Beobachtungsresultate vorlegt, und Steiners Wunsch nach einem psychologischen Laboratorium in GA-21, S. 170 f wiederum maßgeblich von dem Ziel geprägt war, die Verhältnisse sehr viel eingehender dazulegen, als es im frühen Schrifttum und in den späteren Vorträgen möglich war. (Eine
kurze, aber sehr sachliche und lesenswerte Entgegnung auf die
hier von mir vorgebrachte Kritik gibt Jaap Sijmons im
Internet unter der Adresse
http://ibs.modulaware.com/a/?m=select&id=3796522637 Wäre das Denken tatsächlich "intim bekannt ohne Beobachtung" oder sich das "best Bekannte überhaupt", wozu sollten wir es dann noch einmal erkennen? - "Was bei der Natur unmöglich ist: das Schaffen vor dem Erkennen; beim Denken vollbringen wir es. Wollten wir mit dem Denken warten, bis wir es erkannt haben, dann kämen wir nie dazu. Wir müssen resolut darauf losdenken, um hinterher mittels der Beobachtung des Selbstgetanen zu seiner Erkenntnis zu kommen. Der Beobachtung des Denkens schaffen wir selbst erst ein Objekt. Für das Vorhandensein aller anderen Objekte ist ohne unser Zutun gesorgt worden." heißt es entsprechend in der Philosophie der Freiheit gegen Schelling ins Feld geführt, (hier S. 31). Warum sollten wir "durch Beobachtung erst kennenlernen" (PdF, hier S. 24), was längst klar ist? Wieso etwa sollten wir es dann erst begreifen müssen, (hier S. 32)? Der von jeder Beobachtung des Denkens Unberührte weiß gar nicht, was Begriffe und Ideen sind, so wenig wie er sagen könnte, was Denken ist, eine Intuition oder ein charakteristischer Denkverlauf. Und dennoch vermag er richtig zu denken. Er kennt also das Denken nicht, obwohl er es richtig handzuhaben versteht und weiß nichts von Intuitionen, obwohl er sie ständig hat. Sinn und Zweck der Beobachtung des Denkens ist ja gerade, sich mit diesen speziellen Eigenarten und Eigenschaften des Denkens bekannt zu machen. (Siehe hierzu auch Kapitel 6.1 in diesem Aufsatz.) Wenn es irgend einen Sinn hat von einer Paradoxie des Denkens zu sprechen, dann besteht sie darin, daß der Denker etwas mit so großer Sicherheit und Selbstverständlichkeit handhabt, von dem er selbst so wenig weiß. (Siehe zu diesem Thema auch die sehr ausführliche und ertragreiche empirische Studie von Merijn Fagard hier auf dieser Internetseite.) Was hier in den letzten Abschnitten ausgeführt wurde, und, wie ich meine, einleuchtend ist: - Die Philosophie der Freiheit stellt, bezogen auf das Denken, erst den Beginn einer Erkenntnis des Denkens dar - wird auch von Steiner in einem Vortrag von 1921 hervorgehoben. Er führt dort am 05. September 1921 in Stuttgart (GA-78, Dornach 1968, hier S. 140 ff) aus, daß man vom Denken in der Philosophie der Freiheit "bis zu einem gewissen Grade sich eine Vorstellung, eine empirische Vorstellung verschaffen kann" (S. 141) Und er fährt dann (S. 142) fort: " aber was es [das Denken, MM] seinem Wesen nach ist, das läßt sich erst erkennen, wenn die wirkliche Intuition auf dem höheren Erkenntniswege in der Seele auftritt. Dann durchschaut man gewissermaßen dieses eigene Denken; ..." . (Das alles wird dort übrigens auf den Folgeseiten noch ergänzt von Steiners unmissverständlicher Aussage über die begrenzte Geltung von Naturkausalität und Energieerhaltungsprinzip. Was man als Frage und Aussage zur leiblichen Unabhängigkeit des Denkens bereits in Steiners Grundschriften vorgelegt bekommt.) Man hat demnach zwischen verschiedenen Graden einer Erkenntnis des Denkens zu unterscheiden: Seiner mehr oder weniger anfänglichen Erkenntnis, etwa im Sinne der Philosophie der Freiheit, und seiner umfassenden Erkenntnis im Zuge der Ausbildung höherer Erkenntnisstufen. Das in der Wendung von Günter Röschert und Jaap Sijmons zutage tretende Mißverständnis mag vielleicht einer der Gründe dafür sein, warum sich Anthroposophen so wenig mit der Psychologie des Denkens befassen, obwohl sich Steiner in der Schrift Von Seelenrätsel (S. 170 f) so dringlich selbst zwecks Grundlagenforschung dorthin wünschte – in ein psychologisches Laboratorium in der Art wie es Brentano zwar vorschwebte, aber dieser nicht verwirklichen konnte. Wer aber glaubens ist, das Denken sei ohne Beobachtung intim bekannt, dem ist gewiß schwerlich klar zu machen, daß er über das Denken eigentlich sehr wenig weiß. Dabei reicht es ja schon, sich nur Steiners Kernfragen aus der Philosophie der Freiheit vorzunehmen; die Fragen nach dem Verursacher des Denkens, nach seinem Ursprung und die nach den wirkenden Kräften der Natur im Menscheninneren. Das reicht bereits, um daran deutlich zu machen wie unbekannt den Interpreten das Denken und Steiners philosophisch / naturwissenschaftliche Interessenlage ist. Zumal dann, wenn sie, wie regelmäßig zu beobachten ist, mit derlei Kernfragen Steiners überhaupt nichts beginnen können. Schauen Sie einmal in Sijmons oder Röscherts und Witzenmanns Publikationen und fragen Sie sich, wohin Steiners Kernfragen dort bloß verschwunden sein mögen. (Zu Röschert und Ravagli siehe auch hier, S. 1054 ff; sowie S. 1201, Anmerkung 396.) Bei anderen Autoren sieht das kaum anders aus. 15. Über einen fragwürdigen Sammelband aus der Alanushochschule zu den angeblichen Quellen der Anthroposophie Von den wenigen anthroposophisch orientierten Autoren, die überhaupt in eine gewisse Nähe solcher Fragen Steiners kommen, will ich hier nur Salvatore Lavecchia nennen, der sich im Sammelband, Die philosophischen Quellen der Anthroposophie (S. 33 ff) die Verbindung Platons und der Anthroposophie vornimmt. Dabei u. a. auf Steiners Grundlinien … Bezug nimmt, wo so eine Untersuchung, wie überhaupt im Kontext der Steinerschen Goetheforschung ja auch nahe liegt. Leider hat es Lavecchia dabei versäumt, die Schrift Goethes Weltanschauung aus dem Jahre 1897 zu sichten, wo dieser Verbindung zu Platon von Steiner sehr viel ausführlicher und aufschlussreicher nachgegangen wird. Was im Kapitel Die Metamorphose der Welterscheinungen (hier S. 61 ff) sich dann zu einer Art Synthese verdichtet des Goetheschen Platonismus mit den Kernfragen der Grundlinien... und der Philosophie der Freiheit. Mit einem speziellen Akzent auf der Beobachtung des Denkens, sowie einer modernen Naturwissenschaft im Inneren, die dort den Kräften der Natur bei der Beobachtung des Denkens nicht nur nachgeht, sondern (1897) das «Weltgeschehen und die Idee dabei auch zu durchschauen» beansprucht. Also die Ideenlehre methodisch mit der Psychologie des Denkens und einer inneren Naturforschung verknüpft. Wie es ja in den Grundlinien… von 1886 bereits unübersehbar der Fall war. 1897 indes in seltener Klarheit auch seine eigenen (Steiners) Grenzen zu Goethe dabei klar beleuchtend, die ja von Steiner bereits in Wahrheit und Wissenschaft (hier S. 6) herausgestellt wurden, dahingehend, „dass mein Gedankengebäude eine in sich selbst begründete Ganzheit ist, die nicht aus der Goetheschen Weltanschauung abgeleitet zu werden braucht.“ Das scheint mir auch naturwissenschaftlich weit aussagekräftiger zu sein, als die von Lavecchia dort besprochene, nachträglich gefundene und schwer zu datierende Gedankenskizze Steiners Der Einzelne und das All (GA-40, S. 13 ff), von der auch laut Herausgebern nicht ganz sicher ist, wo sie zeitlich einzuordnen ist. Der man hermeneutisch zweifellos eine gewisse flankierende Bedeutung beilegen kann, während der Kern der Sache von Steiner in der Schrift Goethes Weltanschauung doch auch in systematischer Hinsicht und im Zusammenhang der Grundschriften klipp und klar gemacht wird. Da wäre sicherlich ein weiteres nachweisliches Bekenntnis Steiners auskunftsreich gewesen, in Form des Sendschreibens Die Natur und unsere Ideale (GA-30, S. 237 ff) aus dem Jahre 1886 stammend und von Steiner der Dichterin M. E. delle Grazie gegenüber zum Ausdruck bringend: „Oh, wir sollten doch endlich zugeben, daß ein Wesen, das sich selbst erkennt, nicht unfrei sein kann! Indem wir die ewige Gesetzlichkeit der Natur erforschen, lösen wir jene Substanz aus ihr los, die ihren Äußerungen zugrunde liegt. Wir sehen das Gewebe der Gesetze über den Dingen walten, und das bewirkt die Notwendigkeit. Wir besitzen in unserem Erkennen die Macht, die Gesetzlichkeit der Naturdinge aus ihnen loszulösen und sollten dennoch die willenlosen Sklaven dieser Gesetze sein? Die Naturdinge sind unfrei, weil sie die Gesetze nicht erkennen, weil sie, ohne von ihnen zu wissen, durch sie beherrscht werden. Wer sollte sie uns aufdrängen, da wir sie geistig durchdringen? Ein erkennendes Wesen kann nicht unfrei sein.“ - Ein Sendschreiben, in dem in gewisser Beziehung auch eine maßgebliche Differenz Steiners zu Goethe in der Freiheitsfrage bereits 1886 herausklingt, die er dann 1892/93 mehr mittelbar, und 1897 in Goethes Weltanschauung, S. 69 ff noch sehr viel stärker, und ebenso wortwörtlich wie methodisch auf den Punkt bringt: Weil sich Goethe niemals um Steiners methodischen Weg einer Beobachtung des Denkens hätte bemühen können, war es ihm auch nicht möglich klare Gedanken zur Freiheitsfrage zu entwickeln, wie Steiner schreibt. Mit allen weiteren Folgen, die das für die Freiheitsfrage und die Geistesforschung Steiners hatte. Die aus dem damaligen Goetheanismus eben nicht zu entwickeln waren ohne die Zuhilfenahme von Forschung von ganz anderer Seite, wie den gleich noch zu nennenden Johannes Volkelt. Steiners methodisches Gedankengebäude einer Beobachtung des Denken, womöglich noch im Labor, wie er sich das 1917 in der Schrift Von Seelenrätseln (S. 171) wünschte, war in der Tat von Goethe ziemlich weit entfernt, wie er ja schon in Wahrheit und Wissenschaft betont. Und noch viel weiter weg von allen Platonisten der vergangenen Zeit. Was man allerdings in den Grundlinien … schon erkennen kann, wenn man sich nur Steiners wissenschaftlichen Weg über die reine Erfahrung und Beobachtung des Denkens anschaut, den auch der Erfahrungs-Idealist Goethe in dieser Form nie gegangen ist. Wie man es dem Vorgehen der Philosophie der Freiheit ebenfalls entnehmen kann, und wie es in Goethes Weltanschauung dann in dieser Synopse der Grundschriften im Kapitel Die Metamorphose der Welterscheinungen auch ganz unverblümt noch einmal ausgesprochen wurde. So daß man sich schon ein wenig darüber wundert, warum es bei Lavecchia nicht einmal einen Literaturhinweis auf die Schrift Goethes Weltanschauung, (in späterer Auflage GA-6) gibt, wo diese Dinge ja ganz offen und ausführlich behandelt werden. 16. Scholastik in Steiners Grundlegungsschriften? Über das beredte Schweigen im Sammelband zu den «Quellen der Anthroposophie» Insgesamt muß man von der ganzen Aufsatzsammlung in dem genannten Sammelband sagen, daß die Autoren, - manchmal wie bei Klünkers zweifachem Auftritt (S. 11 ff; S. 51 ff) offenbar gar keins, - nur ein ausgesprochen dürres und anekdotisches Wissen von Steiners eigenen Grundlagen, ihrem sachlichen Aufbau, den Intentionen und Rezeptionsquellen haben. So daß man bei Klünker über Steiner selbst und dessen begründende Werkgenese gar nichts mehr zu hören bekommt, und Steiner dazu in seinen Aufsätzen im wesentlichen doch schweigt. Auch Klünkers Literaturverzeichnis gibt nicht einen einzigen Hinweis auf Steiners eigene Grundlagen. Was nichts anderes heißen kann als: Klünker kennt sie nicht, sie interessieren ihn augenfällig auch gar nicht und haben ihn ersichtlich auch noch nie interessiert, sonst hätte er sie zumindest erwähnt. Denn lange Jahrzehnte ist er bei den Anthroposophen ja schon dabei. Zeit genug, um schon einmal irgend etwas von Steiners Begründungsschriften gehört zu haben. Um sie wenigstens im Literaturverzeichnis zu erwähnen. Herr Klünker indes gönnt sich als anthroposophischer «Grundlagenforscher» den Luxus, Steiners Grundlagen gar nicht erst auf den Tisch des Hauses zu bringen, und auch sonst keinerlei Verbindung herzustellen zwischen Steiner, dessen Rechtfertigungen und dem, was Künker über vergangene Zeiten der Scholastik und davor darlegt, denn nichts von solchen Verbindungen zu Steiner ist in Klünkers Vorträgen wahrzunehmen. Das ist schon hoch bemerkenswert, jemanden Namhaften wie Klünker von S. 11 – 31 über anthroposophische Wissenschaftsgrundlagen und entsprechende wissenschaftliche Rechtfertigungsbegehren reden zu hören, der gar keine rechtfertigenden Grundlagen davon aufzeigen kann, sondern nur wenige Aspekte der Anthroposophie selbst, die erst noch zu begründen wären! So spricht er dann über die Bedürftigkeit der Anthroposophie nach einer wissenschaftlichen Begründung, ohne einen einzigen Blick auf jene Grundlagen zu werfen, die Steiner erklärtermaßen selbst gelegt hat. Klünker kennt sie nicht, obwohl sie seit mindestens 1886 vor seinen Füßen liegen, und er nur nicht hingeschaut hat. Weil ihm Steiners eigene Grundlagen augenfällig vollkommen fern liegen. Denn auch von dem, was Klünker im zweiten Beitrag (S. 51 ff) berichtet steht da nichts drin. Obwohl es angeblich laut Autorenvita von S. 333 ff Klünkers Aufgabe wäre, sich damit zu befassen, führt kein einziges Fädchen den Leser in Klünkers beiden Artikeln zu Steiners eigenen Grundlagen und Rechtfertigungen der Anthroposophie und damit zu seinen Quellen. - Wie also soll das jemand begreifen, der nach wissenschaftlichen Rechtfertigungen der Anthroposophie sucht? Es ist nicht zu begreifen bei dem, was Klünker vorträgt! Unter Rechtfertigungs- und Quellengesichtspunkten sind Klünkers beide Artikel vollkommen sinnfrei, weil gar keine Zusammenhänge mit Steiners Grundlagen sichtbar werden. Totalausfälle! Bei allem wenigen, was er im übrigen im ersten Artikel die Anthroposophie und ihre menschenkundlichen und weiteren Aspekte betreffend vorbringen mag, das mit Steiners eigenen wissenschaftlichen Begründungen ebenfalls definitiv nichts zu tun hat. Wo soll so etwas eigentlich hinführen? Wenn noch nicht einmal bei einem namhaften und langjährig darin aktiven, wissenschaftlich orientierten Anthroposophen, - Professor gar «für Erkenntnisgrundlagen der Anthroposophie», - die erkenntniswissenschaftlichen Wurzeln des eigenen anthroposophischen Unternehmens bekannt sind, obwohl diese seit gut 150 Jahren vorliegen und seine eigene Professur ihn sogar dazu verpflichtet, sich das anzusehen. Doch der Betreffende redet dann öffentlich von der Begründungsbedürftigkeit der Anthroposophie, ohne auch nur einen Hauch von den tatsächlich vorliegenden Begründungen Steiners zu demonstrieren, obwohl er seit langen Jahrzehnten schon dabei ist. Der «Professor für Erkenntnisgrundlagen der Anthroposophie» mag zwar manches wissen über die Scholastik und ihre Vorläufer. Aber er weiß augenfällig rein gar nichts von Steiners eigenen Erkenntnisgrundlagen der Anthroposophie, sonst wären sie zumindest in homöopathischer Verdünnung dort sichtbar geworden. Zumal in einem Quellenband. In Wirklichkeit erscheint davon aber definitiv nichts. – Willkommen im Club der philosophischen Luftbucher! Wieder ein Stück anthroposophischer Realsatire, wie man sie besser nicht hätte dichten können. Vom «Naturwissenschaftler» Steiner, der vom «naturwissenschaftlich Sicheren» aus eine Brücke zur Wissenschaft des Geistes schlägt, so wie Steiner nicht nur sich selbst einschätzte, sondern wie es schon seinem wissenschaftlichen Werdegang entsprach, und wie es auch aus seinen Grundlegungsschriften überdeutlich hervortritt, ist nicht nur bei Klünker keine Rede. Sondern, so weit ich sehen kann, auch sonst nirgendwo in diesen Quellen-Beiträgen, die in dieser Beziehung allesamt ebenfalls Totalausfälle sind. Man läßt nicht Steiner reden, sondern die Herren reden lieber einigermaßen verständnislos über ihn und über anderes, wie es bei Hartmut Traub neuerlich wieder einmal der Fall ist, bei allem angestrengten Bemühen irgendwie die Psychologie thematisch zu mobilisieren, was in dieser Form zu nichts Brauchbarem führt. Wieder einmal zum Abwinken, konfuses Gerede über Psychologie, so dass man den Eindruck hat, Traub spiele in diesem merkwürdigen Reigen, wie 2011 schon, nur den Advocatus Diaboli. Und trotz Aristoteles und Fichte, die dort aus Steiners Aufsatz Philosophie und Anthroposophie (GA-35, Dornach 1984, S. 66 ff) in Verbindung mit der Universalienfrage behandelt werden, in dieser zusammenhanglosen Art und losgelöst vom restlichen Begründungswerk auch nicht viel erhellen können. Obwohl der «erlebte Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem» aus Steiners Grundlinien … (S. 86) dort, unter Fichte und Aristoteles, bequem unterzubringen wäre, trotz seiner sehr anderen argumentativen und literarischen Ausgangslage in den Grundlinien… . Von beiden (Aristoteles und Fichte) ist nämlich dort nicht die Rede, sondern Steiner baut dazu in den Grundlinien … aus sehr gutem Grund auf Volkelts Begriff der «reinen Erfahrung», und im engeren Sinne auf dem erlebten Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem im Denken und Erkennen auf, die ihrerseits wiederum auf Volkelts immanent psychologischer Vorarbeit der Erkenntnistheorie fußen, wie man dort sehen kann, und wie wir gleich von Steiner noch selbst hören werden. Wovon freilich neben dem Psychologie-Referenten Traub auch sonst niemand unter den restlichen Autoren des Sammelbandes auch nur den blassesten Quellen-Schimmer hat. Schließlich auch geht es in der Universalien-Passage im von Traub behandelten Aufsatz Steiners (GA-35, S. 100 ff) nicht nur um das «Setzen des Ich», sondern um sein «Erkennen mittels einer Tathandlung des Erkennens». Exakt an dieser Problemstelle hatte Steiner Fichte bereits in Wahrheit und Wissenschaft kritisch korrigiert und Fichtes Tathandlung (hier S. 46 ff) in die «Tathandlung des Erkennens» umgewandelt (siehe auch weiter unten). Auf der Grundlage von Volkelts immanent-psychologischer Vorarbeit. Einer psychologischen Sichtmöglichkeit in der Erkenntniswissenschaft, wovon Fichte zu seiner Zeit natürlich schon aus wissenschaftsgeschichtlichen Gründen noch meilenweit entfernt war. Dafür kam Fichte schlicht zu früh. Und Hartmut Traub kam bis heute dort auch nicht an. Analoges gilt auch für die scholastischen Quellen und ihre Vorläufer, die in dem Sammelband von anderen Autoren wie Klünker erörtert werden. Sie werden, trotz all seiner Hochschätzung der Ideenlehre im allgemeinen, als Leser in Steiners Frühwerk einschließlich Philosophie der Freiheit und den Einleitungen in Goethes naturwissenschaftliche Schriften von Thomas von Aquin oder von der Scholastik rein gar nichts lesen, was Steiner in seinem konkreten erkenntniswissenschaftlichen Vorhaben als explizite Quelle gedient hätte. Schon gar nicht in Wahrheit und Wissenschaft und ebenso wenig in der Philosophie der Freiheit, wo noch nicht einmal von «Ideen» die Rede ist, die an den Platonismus angebunden wären wie im übrigen Frühwerk. Auch die „stolzen Gedankengebäude Fichtes, Schellings und Hegels stehen ... ohne Fundament da“, so Steiner gleich zu Beginn von Wahrheit und Wissenschaft in der Vorrede (hier S. 4). Was für die zeitgenössischen Vertreter des Idealismus galt, das galt natürlich noch weit mehr für ihre historischen Vorläufer. Es gab folglich überhaupt keine Veranlassung für Steiner, sich zu Begründungszwecken an diese oder gar an die Scholastik oder Aristoteles zu halten. Deswegen hört man davon auch nichts in Steiners Begründungsschrifttum. Und die mehr als spärlichen Reste, die man im frühen Schrifttum Steiners explizit überhaupt dazu findet, kann man getrost vernachlässigen. Sie demonstrieren allenfalls, das Steiner das zwar kannte, - schon wegen seiner Goethearbeit, - aber nicht für sein eigenes erkenntniswissenschaftliches Begründungsvorhaben verwendete. Schon aus prinzipiellen Gründen nicht, die in der Forderung nach Voraussetzungslosigkeit der Erkenntnistheorie lagen. Schauen Sie beispielsweise weiter etwa auf Steiners Bemerkungen von 1897 im wissenschaftkritischen Kapitel Goethe gegen den Atomismus, in Subkapitel 8, GA-1, Dornach 1987, speziell S. 326 ff. Die wenigen affirmativen und teils kritischen Worte zur Scholastik stammen aus jener Zeit (1897), als Steiner auch seine historisch orientierte Schrift Goethes Weltanschauung erstmals veröffentlicht hat. In der letzteren Schrift finden sich auf S. 16 auch knappe Worte zu Thomas von Aquin, die rein gar nichts dazu hergeben, daß das irgend eine unmittelbare Quelle für Steiners Grundlagen hätte gewesen sein können. Das wiederum zu einer Zeit, 1897, als Steiner bereits der Frage «Goethe und der Platonismus?» monographisch in dieser Schrift nachgegangen war. Mit der Feststellung von S. 27 ff versehen, dass Goethe sich die scholastische Sichtweise nie zu eigen gemacht habe und seine sehr individuellen Vorstellungen vom Verhältnis der platonischen Idee zur Erfahrung ausgebildet hatte, die damit kaum zur Deckung zu bringen waren. Dasselbe gilt für Steiner, der sich die jenseitsgläubige Variante des Platonismus so wenig wie Goethe ins eigene Programm geschrieben hatte. Die Zeit war nicht mehr danach, um diese alten Formen des Denkens, so wie sie ihrerzeit im Mittelalter und weit früher waren, zu Begründungszwecken aufgreifen zu können. Folglich macht es auch keinerlei Sinn auf solche Quellen dieser scholastischen Art umfänglich hinzuweisen, und daran ausgiebig wie Klünker herumzukneten, wenn man sie wie Klünker et al auf keine Weise mit Steiners Frühwerk verknüpfen kann: Weil Klünker erstens ersichtlich keine brauchbaren Kenntnisse von Steiners Frühwerk hat. Und zweitens solche scholastischen Quellen aus sehr guten Gründen auch so gut wie nie in diesem Frühwerk Steiners auftauchen. Weil damit natürlich keine erkenntnistheoretischen Fundamente zu bauen waren, wie sie Steiner vorschwebten und wie er sie zu seiner Zeit als naturwissenschaftlich geprägter empiristischer Zeitgenosse für notwendig hielt. So ist es also hoch erstaunlich, wenn Klünker als «Professor für anthroposophische Erkenntnisgrundlagen» in beiden seiner Artikel nicht nur kein einziges Stichwort zu Steiners eigenen anthroposophischen Erkenntnisgrundlagen fallen läßt, sondern nicht einmal einen einzigen Literaturhinweis auf diese Erkenntnisgrundlagen Steiners gibt. Quellenforscher dieser Art können sich ja nur noch selbst desavouieren, denn die Leser müssen doch irre werden an solchen nebelhaften Erzählungen, die ihnen als akademisch anthroposophische etwas von Steiners Quellen präsentieren, die der Leser aber in Steiners Grundlegungswerk mit aller Mühe nicht finden kann, weil es sie dort auch gar nicht gibt. Das grenzt dann schon an akademische Rosstäuscherei. Weil es in Steiners Begründungswerk nämlich aus gegebenem Anlaß und aus triftigen Gründen so gut wie gar keine Belege dafür gibt. Denn Steiner baute schlechterdings nicht auf der Scholastik, Thomas von Aquin oder auf Aristoteles auf. Er wurde auch als Anthroposoph natürlich kein Aristoteliker, Thomist oder Scholastiker, so sehr und so oft in seinem späteren Werk von ihm selbst auch historische Linien dorthin gezogen wurden, wie etwa in der Schrift Von Seelenrätseln (GA-21, S. 138 ff), wo er unter dem Stichwort «Ablähmung der lebendigen Begriffe» den Bogen schlägt zum Universalienrealismus der Scholastik und weiter zurück. Ähnlich im Autoreferat Philosophie und Anthroposophie von 1908 in GA-35, S. 66 ff ,wo ab S. 99 ff die Fäden über Fichte und Aristoteles zum Universalienrealismus und auf S. 102 zum «dreifachen Ich» gezogen werden. Davon freilich ist in den frühen Begründungsschriften noch keine Rede, und schon gar nicht zu erkenntniswissenschaftlichen Fundierungszwecken. Wenn Sie als Leser von Steiner Näheres zu den Vorgängerströmungen des Idealismus und seine geistesgeschichtliche Einschätzung dazu hören wollen, dann schauen Sie in Steiners Rätsel der Philosophie (GA-18; alternativ hier und hier). Zu Begründungszwecken waren diese Zeiten für Steiner vorüber und überlebt. Die Aufgabe der Anthroposophie Steiners bestand nicht darin, die idealistischen Gedankengebäude aus früheren Jahrhunderten neu aufzuwärmen, und seine Leser zu katholischen Thomisten, Aristotelikern und Platonikern zu formen, sondern dem seither veränderten menschlichen Bewußtsein der heutigen Gegenwart ganz andere und heute zeitgemäße Wissenschaftsformen für die Geisterkenntnis an die Hand zu geben, die damals nicht vorlagen, die aber heute dringend nötig und auch möglich sind. Auch und ganz besonders wegen der naturwissenschaftlichen Entwicklung, die nach solchen adaptierten Methoden verlangte. Insofern ist es natürlich kein Zufall, dass der «Naturwissenschaftler» Steiner sich um solche modernen Methoden bemühte, die ausdrücklich an die Naturwissenschaft seiner Zeit angebunden waren. Wovon im vorliegenden Sammelband aus der Alanushochschule freilich so gut wie nie die Rede ist. Der «Naturwissenschaftler» Steiner scheint dort gänzlich unbekannt zu sein, und der darin in Dunkelheit gehüllte Herr Klünker scheint seinen dortigen Publikationen zufolge und via universitärem Aufgabenbereich als nomineller «Experte für die Erkenntnisgrundlagen der Anthroposophie» diesen akademischen Reigen der Ahnungslosen auch noch anzuführen. Man muß angesichts solcher Tatsachen auch nicht darüber erstaunt sein, wenn heute im Goetheanum an der Sektion für Goetheanismus Menschen wirken, die von den Erkenntnisgrundlagen des Steinerschen Goetheanismus ungefähr ebensoviel wissen wie der «Professor für die Erkenntnisgrundlagen der Anthroposophie»: Nämlich ersichtlich so gut wie gar nichts. (Siehe dazu auch hier, S. 602 ff) Als Quelle für Steiners Grundlagen der Anthroposophie kommt die Scholastik nicht in Betracht und ist dort ebenso wenig zu finden wie Aristoteles oder eine direkte Anknüpfung an Platon. – In letzterer Frage abgesehen von Goethes Ideenverständnis. Allerding, und das ist eine ganz andere Sichtweise, kann man vor dem naturwissenschaftlichen Hintergrund der Steinerschen Grundlagen mit Recht und ganz allgemein gesehen mit Steiner von einer «aristotelischen oder platonischen Strömung» des Idealismus sprechen, die sich gegenwärtig in Steiners Anthroposophie treffen und darin gewissermaßen fortleben. So, wie Steiner es 1924 darlegte, wie etwa hier im Arnheimer Vortrag vom 19. Juli 1924 (GA-240). Es empfiehlt sich sehr, den vorangehenden Vortrag vom 18. Juli 1924 aus der GA-24 dazu zu nehmen, wo er den historisch-genetischen Bogen zum selben Thema weit zurück bis in vorchristliche Zeiten spannt. Man muß sich zudem entsprechend klar machen, dass der Naturwissenschaftler Steiner, der sich um streng erkenntniswissenschaftliche Begründungen in seiner eigenen Zeit bemühte, natürlich nicht mehr an die Ideenlehre zweier zurückliegender Jahrtausende anknüpfen konnte, wie sie in diesen früheren Zeiten vorlag. Denn damals gab es keine naturwissenschaftlichen Begründungsanforderungen; so wenig, wie es damals überhaupt eine Naturwissenschaft gab. Das aber änderte sich grundlegend mit Steiners eigenem Zeitalter und mit dem Aufkommen der modernen Naturwissenschaften in den vorangehenden rund zwei bis drei Jahrhunderten und den Vorläufern davor. Heute sind es die Naturwissenschaften, die, wenn auch nach wie vor ohne Erkenntnisfundament, die Philosophie und das praktische Handeln der Politik in zerstörerischer Weise dominieren. Dazu muß man sich nur die mörderisch flachen scientistischen Phrasen eines Herrn Harari oder eines Herrn Attali anhören. Worauf die Anthroposophen in ihren führenden Köpfen bis heute keine Antworten haben. Obwohl Steiner diese seit den 1880er Jahren längst vorgelegt hat. - Wie wir sehen und noch weiter sehen werden, interessiert das heute kaum einen der mainstream «Steinerspezialisten». Steiner, und das ist eine weitere zeitgenössische Quellenperspektive die Naturwissenschaft betreffend, war auch keineswegs der erste und einzige unter seinen Zeitgenossen, die sich um die (auch erkenntniswissenschaftliche) Verknüpfung der modernen Naturwissenschaft mit dem Idealismus alter Zeiten bemühten. Der seinerzeit überaus prominente und von Steiner hoch geschätzte Eduard von Hartmann gehörte ebenfalls dazu, dem er sogar (hier S. 3) seine Schrift Wahrheit und Wissenschaft gewidmet hat. Hartmann freilich hatte in seiner viele Auflagen erlebenden Philosophie des Unbewußten einen «induktiv-spekulativen» Weg dieser Verknüpfung eingeschlagen. Während Steiner einen direkten Weg dorthin beschritt über die Beobachtung des realen Denkprozesses. 1918 im Untertitel spezifiziert um den Ausdruck seelische Beobachtungsresultate. Vordringlich Beobachtungsresultate jenes Prozesses, durch den Begriffe und Ideen erst gewonnen werden, wie es in der Philosophie der Freiheit dazu in Abgrenzung zu Hegel hieß. Unter anderem mit dem Ziel, die Leibesunabhängigkeit des menschlichen Denkens nachzuweisen, wie Steiner in seinem Stuttgarter Vortrag von 1921 in GA-255b, S. 295 ff öffentlich erläutert: „Ich legte zunächst alles beiseite, was sich mir etwa ergeben konnte an Schauungen einer geistigen Welt. Ich wollte vor allen Dingen eine sichere philosophische Grundlegung haben, die im Einklang steht mit der naturwissenschaftlichen Forschung der neueren Zeit. Und von diesem Gesichtspunkt ausgehend, untersuchte ich vor allen Dingen die Natur des menschlichen Denkens. Ich versuchte alle möglichen Wege, um heranzukommen an die Beantwortung der Frage: Was ist seiner Wesenheit nach eigentlich dieses menschliche Denken? [] Wer nun meine «Philosophie der Freiheit» durchliest, wird finden, wie diese Wege zur Ergründung der Natur des menschlichen Denkens gesucht worden sind. Und für mich stellte es sich heraus, daß nur derjenige das menschliche Denken richtig verstehen könne, welcher in den höchsten Äußerungen dieses Denkens etwas sieht, das sich unabhängig von unserer Körperlichkeit, von unserer leiblichen Organisation vollzieht. Und ich glaube, es gelang mir nachzuweisen, daß die Vorgänge des reinen Denkens im Menschen sich unabhängig von den leiblichen Vorgängen vollziehen. In den leiblichen Vorgängen walten Naturnotwendigkeiten. Was aus diesen leiblichen Vorgängen hervorgeht an trüben Instinkten, an Willensimpulsen und so weiter, es ist in einer gewissen Beziehung naturnotwendig bestimmt. Was der Mensch in seinem Denken vollzieht, von dem stellt sich zuletzt doch heraus, daß es ein Vorgang ist, der unabhängig von der physischen Organisation des Menschen abläuft. Und ich glaube, daß sich mir durch diese «Philosophie der Freiheit» nichts Geringeres ergeben hat als die übersinnliche Natur des menschlichen Denkens. Und hatte man diese übersinnliche Natur des menschlichen Denkens erkannt, dann war damit der Beweis geliefert, daß der Mensch im gewöhnlichsten Alltagsleben, wenn er sich nur erhebt zum wirklichen Denken, durch das er durch nichts anderes als durch die Motive des Denkens selbst bestimmt wird, daß er dann ein übersinnliches Element in diesem Denken vor sich hat. Richtet er sich dann im Leben nach diesem Denken, entwickelt er sich so, wird er so erzogen, daß er über die Motive seiner physischen Organisation, über Triebe, Emotionen, Instinkte hinaus Motive des reinen Denkens seinen Handlungen zugrunde legt, dann darf er ein freies Wesen genannt werden. Den Zusammenhang zwischen dem übersinnlich reinen Denken und der Freiheit darzulegen, das machte ich mir dazumal zur Aufgabe." So Steiner auf S. 299 ff zu dem, was er sich in seinen Grundlegungsschriften zur vordringlichen Aufgabe gemacht hatte. Auch da ist von der Scholastik und den Lehren vergangener Zeit natürlich keine Rede. Sondern es ging um ein Anliegen, - die «Leibesfreiheit des menschlichen Denkens nachzuweisen», - das als hochgradig naturwissenschaftlich verankerte Problemstellung nur innerhalb dieser Fragestellung der modernen Naturwissenschaft gelöst werden konnte. Keineswegs aber ohne Bezugnahme darauf. Und mit Mitteln, die in seiner Zeit vorlagen. Wenn Sie, lieber Leser, sich das Nachwort zum achten bis elften Tausend in Steiners Schulungsbuch Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten (GA-10, Dornach 1992, hier auf S. 214) ansehen, dann werden Sie lesen, dass dieser Schulungsweg letztlich auf Tatsachen wie den hier geschilderten aufbaut: Auf der Leibesunabhängigkeit des menschlichen Denkens, die im Mittelpunkt der frühen Forschung Steiners stand. Von einem Naturwissenschaftler werden Sie wiederum nicht erwarten, dass der die gesamte Naturwissenschaft seiner Zeit dabei ignorierte. Deswegen werden Sie vermutlich umso erstaunter sein, daß der Sammelband der Alanushochschule rein gar nichts zu diesen Fragen zu sagen hat. Auch Herr Klünker nicht, der für diese Aspekte laut Aufgabenbeschreibung eigentlich ganz speziell zuständig sein müsste. Die Frage steht damit natürlich im Raum: Woher rührt die kolossale Blindheit und Ignoranz für die naturwissenschaftlichen Problemstellungen Steiners, nicht nur auch bei allen restlichen Beteiligten dieses Sammelbandes, sondern ganz speziell auch bei einem anthroposophischen Professor, bei dem diese naturwissenschaftliche Thematik exakt in seinen Forschungsbereich «für die Erkenntnisgrundlagen der Anthroposophie» fällt? In der Frage des menschlichen Denkens, seiner Beobachtung und der Einschätzung der menschlichen Freiheit gab es auch die heftigsten Dissonanzen zwischen Steiner und Eduard von Hartmann. Die Klärung solcher Fragen gehörten bei Steiner zur naturwissenschaftlichen Seite dieser Verknüpfung mit dem Idealismus / Platonismus, die nicht auf Spekulation beruht wie bei Eduard von Hartmann, mit dem Steiner sich bis in die Philosophie der Freiheit hinein argumentativ darüber auseinander setzte. Was in Hartmanns kritischen Bemerkungen zur Erstausgabe der Philosophie der Freiheit kulminierte, die in verschiedenen Aspekten von Steiner in ihrer Zweitauflage aufgenommen wurden, wie etwa am Ende ihres dritten Kapitels (hier S. 36 f). Mit einer forschungsperspektivischen Replik Steiners, die man wohl als heuristischen Leitstern seiner ganzen inneren Forschungshaltung dazu betrachten muß: Daß nämlich «nichts zur Erklärung des Denkens herangezogen werden darf, was nicht im Denken selbst gefunden werden kann». Womit er eine unmissverständliche und wohlbegründete Stellung gegen jede hypothesenbasierte Erklärung des Denkens zementiert, die von Außen an das Denken herangetragen wird, was ja bei Hartmanns Vorwürfen, Illustrationen und Einwendungen unzweideutig der Fall war. Und weit subtiler noch in Hartmanns assoziationspsychologischen Erklärungen eines definitiv unbewußten Denkens, die laut Hartmann erst recht nicht und niemals direkt zu prüfen sein sollten. - Aber darüber hinaus offenbaren Steiners Entgegnungen auch unter kausalitätsphilosophischen Perspektiven eine unmißverständliche Positionierung Steiners. In Worten wie diesen: „Man kann nicht zu etwas kommen, was das Denken bewirkt, wenn man den Bereich des Denkens verläßt.“ Auch das Erwirkende des Denkens kann nur im Denken selbst gefunden werden. Was bereits 1886 bei Steiner zu lesen ist. (Siehe speziell zu dieser Thematik auch hier, S. 88 ff.) Womit Steiner mit seiner Replik auf Hartmann an dieser Stelle des dritten Kapitels der Philosophie der Freiheit vorwegnehmend schon unterstreicht, was er dann im vierten Kapitel gegenüber Hegel geltend macht. Daß es ihm (Steiner) vornehmlich um den Prozess geht, durch den Begriffe und Ideen erst gewonnen werden. Letztlich aber sind dies unmißverständliche Hinweise darauf, dass weder eine hypothesenbasierte Naturwissenschaft, noch irgend eine Metaphysik von außen irgend etwas zur empirischen Klärung des menschlichen Denkens beitragen kann. Was sachlich auch Steiners Kapitel 14 der Grundlinien … abzulesen ist, wo es mit speziellem Blick auf Kant um den sicher erkannten Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem geht. Fragen und Stellungnahmen wie diese hätten eigentlich gleich zu allererst und vordringlich in den Quellenband der Alanushochschule hineingehört. Aber wie man sieht, sieht man dort definitiv nichts davon. Bei Steiner wird, wie man auch an solchen kritischen Bemerkungen gegenüber Hartmanns Außenerklärungen erkennt, die Beobachtung konkret wirkender Ideen im realen Denken als empirisch begründender Ausgangspunkt verstanden, und auch zum Ziel weiterer, sich dann späterer anthroposophisch geisteswissenschaftlich nennender Forschung erhoben. Die Verbindung zum Universalienrealismus liegt damit auf der Hand, auch wenn Steiner in der Philosophie der Freiheit nie explizit daran anknüpft, sondern erst wieder in der Schrift Goethes Weltanschauung von 1897. Die naturwissenschaftlichen Intentionen des Brückenbaus und der Grundlegung sind auch später durchweg geblieben. Was beim späteren Steiner in GA-21, S. 170 f dazu führt, jene aus dem wissenschaftlichen Umfeld, «die auf dem anthroposophischen Gesichtspunkt stehen», mit großer Energie zur «Grundlagenforschung im psychologischen Laboratorium» zu motivieren, um dort «beste Grundlagen» zu legen. Ein Vorhaben an der Verbindungsstelle und daher dem «gemeinsamen Forschungsfeld» von Naturwissenschaft und anthroposophischer Geisteswissenschaft, - von «Anthropologie und Anthroposophie», wie es in GA-21, hier S. 12 heißt. Was prinzipiell freilich schon seit Steiners Grundlinien... von 1886 ganz unmißverständlich als Forschungsprojekt vorgestellt wird, wenn man es denn zu sehen vermag. Die wissenschaftliche Verknüpfung von moderner Naturwissenschaft mit dem Idealismus / Platonismus war in Steiners Zeit also keineswegs neu und ungewöhnlich, und findet sich als Synthese von platonistischer und aristotelischer «Strömung» insofern natürlich sehr früh schon in GA-1, hier S. 126, im «induktiven Zugang zu den Ideen» - (in der Kürschner Originalausgabe von 1887 entspricht dem die Vorrede, siehe dort S. IV f). Der auch in sämtlichen Frühschriften Steiners gegenwärtig ist, und etwa in den Grundlinien … von der Beobachtung des wirklichen Denkens seinen Ausgang nimmt. Auch in der Philosophie der Freiheit, obwohl dort von «Ideen» in expliziter Anbindung an den Platonismus nicht die Rede ist, sondern ohne solche historischen Verknüpfungen. Abgesehen einmal von Steiners illustrierendem Hinweis auf Goethes Essay «Die Natur» im zweiten Kapitel der Philosophie der Freiheit, der freilich dort ausdrücklich keinen Begründungsstatus hat. Dasselbe gilt für die «Idee der Erkenntnis» aus Wahrheit und Wissenschaft (etwa hier im Kap. VI. S. 46 und öfter), die auch dort nicht direkt mit dem Platonismus verknüpft wird. Von dieser «Idee des Erkennens», so schreibt Steiner im Fichte-Kapitel, S. 46: „Unmittelbar gegeben ist diese Idee nun im menschlichen Bewusstsein, insofern es sich erkennend verhält. Dem «Ich» als Mittelpunkt des Bewusstseins ist die äußere und innere Wahrnehmung und sein eigenes Dasein unmittelbar gegeben. ... Das Ich fühlt den Drang, in diesem Gegebenen mehr zu finden, als was unmittelbar gegeben ist. Es geht ihm gegenüber der gegebenen Welt die zweite, die ders Denkens auf, und es verbindet die beiden dadurch, dass es aus freiem Entschluss das verwirklicht, was wir als Idee des Erkennens festgestellt haben.“ In diesen beiden Schriften (Wahrheit und Wissenschaft und Philosophie der Freiheit) wird keine ausdrückliche historische Verbindung zum Platonismus respektive Aristotelismus im Sinne der Arnheimer Vorträge hergestellt. Dafür gibt es nun in Goethes Weltanschauung in der Synthese von 1897 auf S. 69 ff ein geradezu schlagendes Beispiel für dieses Zusammenströmen, dahingehend dass «bei der Beobachtung des Denkens das Weltgeschehen durchschaut werde», und darüber hinaus «dieses Geschehen die Idee selbst sei». Eine perfekt illustrierende Kombination von Naturwissenschaft und Platonismus. Oder sagen wir: einem induktiv naturwissenschaftlichen Platonismus, wie er von einer modernen Naturwissenschaft eben gefordert wurde. Eine analoge Passage geht dem im selben Kapitel von Goethes Weltanschauung direkt voran. Wo es in Steiners kritischer Behandlung von Goethe hier auf S. 69 f heißt: „Aber so wie die schöpferischen Naturkräfte «nach tausendfältigen Pflanzen» noch eine machen, worin „alle übrigen enthalten" sind, so bringen sie auch nach tausendfältigen Ideen noch eine hervor, worin die ganze Ideenwelt enthalten ist. Und diese Idee erfaßt der Mensch, wenn er über sein Denken nachdenkt. Eben weil Goethes Denken stets mit den Gegenständen der Anschauung erfüllt war, weil sein Denken ein Anschauen, sein Anschauen ein Denken war: deshalb konnte er nicht dazu kommen, das Denken selbst zum Gegenstande des Denkens zu machen.“ Daß das Nachdenken über das erlebte Denken, bzw. über jenen «Prozeß, den man restlos im Inneren gegenwärtig hat», sich aus dieser Perspektive dem «tätigen Ideengehalt» der Welt zuwendet, das konnte man schon Jahre zuvor im 8. Kapitel von Steiners Grundlinien … erfahren. Weiter in den resümierenden Bemerkungen vom dortigen Kapitel 15, S. 86: „Wir erinnern uns, warum eigentlich das Denken in unmittelbarer Erfahrung bereits sein Wesen enthält. Weil wir innerhalb, nicht außerhalb jenes Prozesses stehen, der aus den einzelnen Gedankenelementen Gedankenverbindungen schafft. Dadurch ist uns nicht allein der vollendete Prozeß, das Bewirkte gegeben, sondern das Wirkende.“ Desgleichen im dortigen Kapitel 13 (hier S. 78) die Überzeugung: „Unsere Erkenntnistheorie führt zu dem positiven Ergebnis, daß das Denken das Wesen der Welt ist und daß das individuelle menschliche Denken die einzelne Erscheinungsform dieses Wesens ist.“ - Von Platon, Aristoteles und Scholastikern ist da nicht die Rede. Dafür aber im Psychologiekapitel 18 (S. 118) die vorgebrachte Sichtweise, dass nicht etwa die Philosophie, sondern «die Psychologie, die erste Wissenschaft sei, wo es der Geist mit sich selbst zu tun hat.» Mit dem resümierenden Hinweis aus der Neuauflage von 1924 (S. 143) versehen: „Nachdem ich nunmehr die verschiedenen Gebiete dessen, was ich «Anthroposophie» nenne, bearbeitet habe, müßte ich - schriebe ich dies Schriftchen heute - diese «Anthroposophie» hier einfügen. Vor vierzig Jahren, beim Schreiben desselben, stand mir als «Psychologie», in einem allerdings ungebräuchlichen Sinne, etwas vor Augen, das die Anschauung der gesamten «Geistes-Welt» (Pneumatologie) in sich einschloß. Daraus darf aber nicht geschlossen werden, daß ich damals diese «Geistes-Welt» von der Erkenntnis des Menschen ausschließen wollte.“ - Von der empirischen Psychologie dieser Zeit führt ein direkter Weg zu Steiners anthroposophischer Geisteswissenschaft, mehr will er damit ja nicht sagen. Und nicht etwa von Platon, Aristoteles oder der Scholastik führt der direkte Weg seiner Begründungsschriften dahin. Davon ist eben nicht die Rede. Selbst vielen akademischen Anhängern Steiners will das seit rund hundertdreißig und mehr Jahren nicht in den Kopf, obwohl man es kaum unmißverständlicher darlegen könnte als Steiner in diesen Frühschriften. Von all dem hören Sie auch im vorliegenden Sammelband kein Sterbenswort. Als ob die dortigen Referenten auf einem ganz fernen Planeten lebten, wo es Steiners Begründungsschriften gar nicht gibt. Und so ähnlich wird es wohl sein. Das Dumme an der Sache ist nur, mit solchen Handgriffen der Ahnungslosigkeit kann man Steiners Anthroposophie nicht mehr begründen, sondern nur noch erfolgreich ruinieren. Vom Platonismus, Aristotelismus oder gar der Scholastik hören Sie im Psychologiekapitel der Grundlinien … definitiv nichts. Andererseits gilt: Deutlicher als in den genannten Passagen von Goethes Weltanschauung, denen man noch die letzten Abschnitte vom 8. Kapitel (hier S. 47) der Grundlinien … von 1886 mit ihrer Hervorhebung der «Denktätigkeit als tätigem Gedankengehalt der Welt» zur Seite stellen könnte, läßt sich das Zusammengehen des induktiven Aristotelismus mit der Ideenlehre des Platonismus kaum auf den Punkt bringen. In der Schrift Goethes Weltanschauung ist in den genannten Passagen die Verknüpfung geradezu idealtypisch zum Ausdruck gebracht. In Gestalt einer Beobachtung des «Prozesses, durch den Begriffe und Ideen erst gewonnen werden», wie es in der Philosophie der Freiheit (hier, S. 38) dazu heißt. Denn da ist der wirkliche und wirkende Geist zu erleben, wie es ja schon im Psychologiekapitel der Grundlinien… und vorangehend hieß: im Erleben des tätigen Gedankengehalts der Welt. Was später über den anthroposophischen Schulungsweg noch weit, weit elaborierter zu erleben und zu erkennen ist. Sich aber in dieser späteren anthroposophischen Gestalt keineswegs Eins zu Eins auf den Idealismus eines Platon abbilden läßt. Und erst recht nicht auf den der Scholastiker. - Wie gesagt, es handelt sich um aristotelische und platonistische «Strömungen», die einander in der Anthroposophie begegnen. Und die können viele Jahrhunderte später natürlich eine Form annehmen, welche die ursprünglichen Varianten kaum noch erkennen läßt. Nicht nur weil die ursprünglichen Lehren und Weistümer als solche im Laufe der Zeit vollkommen verbogen und verdreht wurden, wie man es jetzt bei Steiners Anthroposophie und ihren Grundlagen in kaum hundert Jahren bereits erleben kann, die in der Alanushochschule schon nicht mehr wieder zu erkennen sind. Sondern auch weil das Bewußtsein der heutigen Menschen natürlich nicht mehr dasselbe ist wie vor mehr als zweitausend Jahren, und auch nicht mehr dasselbe wie bei den Scholastikern im Mittelalter. Von der wissenschaftlichen Entwicklung seither, hin zur modernen Naturwissenschaft, gar nicht weiter zu reden, für die es in früheren Zeiten überhaupt kein Analogon gab. Das alles aber ist zu berücksichtigen, wenn man von der «Synthese des Aristotelismus mit dem Platonismus» spricht, wie Steiner in den Arnheimer Vorträgen. Diese Synthese wiederum kommt vor allem in Steiners Frühwerk ausgesprochen facettenreich zum Ausdruck, - wenn man denn einen Blick dafür hätte. Ein Blick in den Sammelband der Alanus-Hochschule freilich demonstriert das genaue Gegenteil davon: Nämlich daß erstens für Steiners Grundlagen überhaupt keinerlei Interesse vorhanden ist, und auch keine Kenntnis davon vorhanden, die man ernstlich als solche bezeichnen könnte. Was auch für die Beiträge Schierens und Da Veigas gilt, die wenig nur über das hinausgehen, was sie in ihren inzwischen mehr als zwanzig oder dreißig Jahre alten Dissertationen schon geschrieben haben. Aus Schierens Aufsatz leuchtet immer noch Witzenmann hervor, der bereits in seiner Dissertation, die damals schon nicht über Steiner ging, sein Favorit war. Das alles stagniert jetzt auf niedrigem Niveau weiter. Es ist seither faktisch zum Steinerverständnis nichts dazu gekommen, was man als ernst zu nehmende Erweiterung ihres damaligen Grundlagen- und Quellenverständnisses von ehemaligen Doktoranden bezeichnen könnte. Da Veiga schreibt immer noch über Fichte und Schieren über Goethe und Kant. Gewürzt mit magersten Passagen über Steiner, mit denen kaum etwas anzufangen ist. Abgestandener Kaffee also aus ihren veralteten Dissertationen, der jetzt minimal überarbeitet neu aufgewärmt, geringfügig erweitert und im übrigen wiedergekäut wird. Wie eingefroren auf dem Niveau jener Doktoranden, die sie einmal waren. Der «Naturwissenschaftler» Steiner scheint auch bei ihnen, wie vor mehr als zwanzig Jahren schon, überhaupt nicht zu existieren. Die Folge davon ist zweitens, dass auch das Interesse und die Wahrnehmung vollständig fehlt für das Zusammenströmen von Aristotelismus und Platonismus in Steiners Frühwerk, obwohl dieses Zusammenströmen dort so überdeutlich und plakativ herausleuchtet wie von einer Werbesäule. Wir haben es hier laut Autorenvita von S. 333 ff des Sammelbandes mit zwei «Professoren» (Schieren und Da Veiga) zu tun, die nach wie vor auf ihrem Doktorandenniveau von anno tobac wie einbalsamiert sind. Und bei Herrn Klünker gar mit einem «Professor für die Erkenntnisgrundlagen der Anthroposophie», der von den Erkenntnisgrundlagen der Anthroposophie augenfällig gar nichts weiß, weil er sich offensichtlich noch nie damit beschäftigt hat. Und es infolgedessen noch nicht einmal für nötig hält, die von Steiner selbst und ständig wiederholt angegebenen Erkenntnisgrundlagen der Anthroposophie in seinem Literaturverzeichnis von beiden Beiträgen auch nur zu erwähnen. Geschweige denn sie inhaltlich zu behandeln. - Sehr viel mehr muß man dazu fast nicht sagen. Tatsache ist: Die «Ideen» des frühen Steiner werden im Wirken und Erleben des realen Denkens gesucht. Induktiv. Deswegen Steiners Nähe auch zur Psychologie bereits in den Grundlinien … von 1886. Wo sich aber trotz all solcher sprechenden Zeugnisse Steiners im Frühwerk mancher akademische Philosophenanthroposoph heute alle erdenkliche Mühe gibt, den Leuten auch noch die Psychologie und den darin wirkenden Geist ein für allemal aus dem Kopf zu blasen, wie manche Anhänger Husserls und des schrägen Witzenmann unter ihnen. Wiederum: Von einer «idealistischen oder universalienrealistischen Strömung» im allgemeinen zu sprechen heißt auch bei weitem nicht von Steiners «Quellen» zu sprechen. Schon gar nicht in akademischen Zusammenhängen und ohne die nötigen Differenzierungen und unerlässlichen werkgenetischen Klarstellungen. Denn geistige Strömungen sind definitiv etwas anderes als konkrete Quellen. Die wiederum sehen als zeitgenössische Quellen für Steiners Frühwerk vollkommen anders aus, als Klünker und Mitstreiter dem Leser das präsentieren möchten. «Quellenforschern», die wiederum von Steiners eigentlichem Vorhaben der frühen Begründungswerke so gut wie nichts wissen. Da ist es derart trüb und finster, dass es für einen Anthroposophen schon zum Fremdschämen ist. Man verwechsele aber Steiners frühes Vorgehen nur nicht mit einer simplen Übernahme aristotelischer oder scholastischer Denkformen, wenn Steiner von «Ideen» spricht. Schauen wir vor dem Hintergrund von Steiners Arnheimer Vorträgen von 1924 aus GA-240 und den dort abgehandelten Verbindungs-Perspektiven der Platoniker und Aristoteliker zunächst auf seinen Stuttgarter Rechtfertigungsvortrag von 1921 in GA-255b, S. 295 ff. Dort heißt es ganz unmißverständlich auf S. 296 über Steiners Ausgangslage zur Anthroposophie: „Dieser Ursprung und Ausgangspunkt liegt durchaus in der naturwissenschaftlichen Weltanschauung der neueren Zeit. Wer die ja etwas lange Reihe meiner Schriften durchgeht, der wird sehen können, daß mein Ausgangspunkt nie in irgendwelchen religiösen Problemen liegt, wenn auch selbstverständlich Anthroposophie ihrem Wesen nach, wie wir sehen werden, an das religiöse Empfinden und an religiöse Anschauungen heranführen muß. Der Ausgangspunkt waren nicht religiöse Anschauungen, der Ausgangspunkt war die naturwissenschaftliche Weltanschauung, in welche ich in jungen Jahren hineingewachsen bin.“ Interpreten wie Hartmut Traub, (man lese nur seinen eigenen Beitrag in diesem Sammelband aus der Alanus-Hochschule), und die meisten anderen darin verfallen gar nicht auf die Idee, dass das so sein könnte, und Steiner von den Naturwissenschaften seinen Ausgang hin zur Anthroposophie hätte nehmen können. Das mutet in dieser Aufsatzsammlung eher an wie ein akademisches Vexierbild: voller Eigenprojektionen der Interpreten. Der Naturwissenschaftler Steiner ist in diesem Sammelband kaum, um nicht zu sagen: gar nicht sichtbar. Was ja als Diskrepanz zwischen der Eigenwahrnehmung Steiners und der Fremdwahrnehmung seiner Interpreten ganz erstaunlich ist. Aber so war es, auch wenn man Steiners frühe Schriften verfolgt. Dann sieht man zunächst den Naturwissenschaftler. Beziehungsweise das «Erkennen als Naturprozeß», wenn auch anfangs nicht besonders helle, wie es mir selbst damit einst gegangen ist. Aber je länger und gründlicher man liest umso mehr. Doch je weniger und oberflächlicher man das erarbeitet, umso mehr sieht man wie im Fall Klünkers nur noch Klünkers Scholastiker, Platon und den Aristoteles, von dem in Steiners Begründungsschriften freilich nie die Rede war. Freie Erfindungen also vom Herrn Klünker. Während der (erkenntnistheoretisch orientierte) Naturwissenschaftler und seelische Beobachter Steiner bei Klünker gar nicht erst in Erscheinung tritt. Das geht bei Klünker zur Verblüffung des Lesers so weit, dass Klünker ,- im zweiten Artikel mehr noch als im ersten, - gar nicht erst auf die Idee kommt, Steiner einmal in seinem angeblichen Quellen-Aufsatz zu fragen, wo der sich denn selbst ansiedelt, und das ausführlicher darzulegen. Steiners eigener Standort interessierte ihn gar nicht. So wenig wie Wagemann Steiners Standort interessierte, der dort abstruserweise Witzenmann vorführte. Wie auch insgesamt Steiner mit seinem Begründungsvorhaben bei Klünker nie in Erscheinung tritt. Um es noch einmal zu wiederholen: bei einem «Professor für anthroposophische Erkenntnisgrundlagen» überhaupt nicht in Erscheinung tritt. Als gäbe es an der Alanushochschule ein Verbot, Steiners erkenntnistheoretisches Anliegen zu erforschen. Und stattdessen nur das leere Stroh zu dreschen, wie es dort jetzt eingefahren wird. Jedenfalls geht es in diesem Sammelband zu wie auf einem akademischen Gaukler- und Narrenschiff. Man muß sich einmal ernsthaft klar machen, was das heißt! Der «Professor für anthroposophische Erkenntnisgrundlagen» hat von Steiners eigenen Erkenntnisgrundlagen nicht nur keinen blassen Schimmer, sondern er erwähnt sie auch gar nicht erst. Weder direkt, noch mittelbar im Literaturverzeichnis. Von «Quellen-Wissenschaft» zu Steiner bei Klünker keine Spur, weil Steiner als unabdingbare Vergleichsgröße jeder Quellenforschung zu Steiner in diesen Beiträgen Klünkers schlichtweg fehlt. Was nicht überrascht, denn das ist Klünkers eigener geistiger Standort des Mittelalters. In dem ist er offenbar sehr gut fest gezurrt, und aus dem will er offensichtlich auch gar nicht heraus, wenn man seiner Abhandlung folgt. Er scheint nach wie vor ein Mann der römischen Kirche des Mittelalters geblieben zu sein, und versucht das jetzt in die Anthroposophie hinein zu tragen, wo es nicht hingehört. Oder besser gesagt: Er versucht mit aller Gewalt Steiners Anthroposophie in diese katholische Kirche des Mittelalters hinein zu zerren. So dass er, bis auf völlig verhungerte Restbestände, auch nicht Steiners Werk und dessen Werdegang wahrnimmt. Sich nicht einmal um eine rudimentäre plausibilisierende Anbindung seiner Ausführungen an Steiners eigene Auffassung bemüht. Offensichtlich vom klerikalen Irrglauben beseelt, das sei alles gar nicht nötig, und folglich damit für den Leser zum kompletten geistigen Irreführer gerät. Der Leser des «Quellenbandes» wird damit von Klünker buchstäblich zum Narren gemacht. So freilich geht man vor, wenn man Steiner durch angebliche Quellenforschung nicht etwa verständlich machen möchte, sondern die Person Steiner in der Anthroposophie endlich los werden will. Vielleicht ist das auch der «Forschungsauftrag» der Alanushochschule, Steiner endlich wegzuräumen – wer weiß das schon in Zeiten wie diesen!? Es ist jedenfalls dermaßen augenfällig und bizarr, daß es mit dem gesunden Menschenverstand schon nicht mehr zu fassen ist und jeder anderen vernünftigen Erklärung widerstreitet. Man kann sich einfach nicht vorstellen, daß Wissenschaftler mit einem rational begründeten Quellenanliegen so vorgehen, wie es dort in diesem Fall abgeliefert wird. Denn auch mit Klünkers unangebundenem zweitem Elaborat, das er besser in einem Magazin für Scholastik, römische Kirchengeschichte und Mediävistik hätte hinterlegen sollen, kann niemand etwas anfangen, der zum Quellenthema aufgeklärt werden möchte, und etwas über Steiners Quellen und über die Genese der Anthroposophie wissen will. Bei Klünkers erstem Artikel läuft es in der Sache auf dasselbe hinaus, denn auch dort ist beim «Professor für anthroposophische Erkenntnisgrundlagen» von Steiners eigenen Grundlagen keine Rede. - So kann die eigene Fantasie und Interessenlage von sogenannten akademischen «Interpreten» den Inhalt ganzer Schriften Steiners durch etwas vollkommen anderes ersetzen, was gar nicht darin steht. Aber so geht es Steiner in diesem Sammelband: Einer zerrt ihn in die katholische Kirche, einer zu Witzenmann, einer zu Fichte und Aristoteles und in irgend eine Nebelpsychologie und so fort. Was der Mann zu Begründungszwecken geschrieben hat, das interessiert dort so gut wie gar keinen von unseren honorigen akademischen Steinerexegeten. Der Rest ist weitgehend zu vernachlässigen. So etwas muß man auch nicht kaufen, und lohnt auch nur zu Forschungszwecken, um die Irrwege solcher «Anthroposophen» unter falschen Fahnen offen zu legen und näher zu beleuchten. Schon der obskure Verlag Info3, wo das erscheint, steht nicht für Aufklärung und Anthroposophie, sondern bereits wie ein Programm für sich und zusammen mit Schieren für einen frühen und verbissenen Anhänger Witzenmanns, der mit Steiner noch nie viel im Sinn hatte. Darüber hinaus steht der Verlag für ideologische Rosstäuschereien aller Art, die seit Jahrzehnten und im Zeitalter von Cancle-Culture zumal von einem Soros-Enthusiasten über den Anthroposophen ausgekübelt werden. Das allein sollte schon die eine oder andere Alarmglocke läuten lassen. Man muß heute ernsthaft davon ausgehen, dass man es bei solchen Erscheinungen nicht nur mit ahnungslosen, aber im übrigen ganz unschuldigen Schein-Experten zu Steiner tun hat. Sondern gewiß auch mit solchen umtriebigen Hinterleuten, wie von Pohlmann und Fiedler dokumentarisch eindrucksvoll nahegelegt, die ganz systematisch Steiners Werk hintertreiben, um es zu der von Steiner anvisierten und notwendigen Synthese von Aristotelismus und Platonismus in Kulminationszeiten wie jetzt möglichst nicht kommen zu lassen. Und das seit langen Jahren schon. In Zeiten einer gezielt betriebenen und umfassenden Kulturzerstörung, von der Steiner in seinem Arnheimer Vortrag ebenfalls in Worten wie diesen spricht: „Und im Laufe dieses 20. Jahrhunderts, wenn das erste Jahrhundert nach dem Ende des Kali Yuga verflossen sein wird, wird die Menschheit entweder am Grabe aller Zivilisation stehen oder am Anfange desjenigen Zeitalters, wo in den Seelen der Menschen, die in ihrem Herzen Intelligenz mit Spiritualität verbinden, der Michael-Kampf zugunsten des Michael-Impulses ausgefochten wird.“ (Arnheim, 19. Juli 1924, GA-240, S. 183) - Daß wir vor dem «Grabe aller Zivilisation» in der Tat fast schon direkt stehen, wird heute kaum ein wacher und ernsthafter Geist noch bezweifeln. Als Indikator dieser zivilisatorischen Friedhofsverhältnisse springt die Linie und enge Verbindung von einem Soros-Verehrer und Putin-Verhetzer, über einen «Kill-Putin»-Krakeeler in dessen Soros-Verehrungsmagazin zum Herausgeber des Sammelbandes regelrecht ins Auge. Als wollte jemand die Anthroposophen (wieder einmal) direkt an die Ostfront in ein Unternehmen Barbarossa treiben. Diesen Leuten scheinen die mörderischen Weltherrschafts-Visionen Anglo-Amerikas und irgend welcher Globalmilliardäre allemal näher zu stehen als die spirituellen Impulse Rudolf Steiners. Der geistige Betrug, so will mir scheinen, ist angesichts solcher innigen Verknüpfungen vom Farbenrevolutionär und Kulturvernichter Soros über Info3 zur braunen deutschen Vergangenheit schon so gut wie vorinstalliert. Vielleicht sollte man sich angesichts solcher Erscheinungen noch einmal auf Steiners Notiz über den Kampf um den russischen Kulturkeim besinnen, der vieles von dem beleuchtet, was heute zum Entsetzen der Welt vor Russlands Grenze und zum Entsetzen vieler Anthroposophen in der eigenen Bewegung vorgeht. Man sollte sich schließlich auch auf Steiners Bemerkungen vom 30. Juli 1918 in GA-181, hier S. 404 noch einmal besinnen, dass «Amerikanismus und Goetheanismus vollkommen unvereinbar und Gegenpole» seien. Das mag vielleicht auch die eine oder andere Erklärung dafür bereitstellen, warum Steiners Goetheanismus an der Alanushochschule und anderswo in der amerikanischen Kolonie Deutschland / Europa seit Jahren schon von der Bildfläche verschwindet, und zunehmend die Globalmilliardäre und Cancle-Culture-Strategen wie Soros und Gates auch bei den Anthroposophen das Heft in der Hand halten. Und inzwischen der globale WHO-Totalitarismus der dortigen medizinischen Lügenbarone auch direkt aus dem Goetheanum mit finanziert wird, wie man bei Frieder Sprich (S. 27) zu lesen bekommt. Mit meiner Vermutung bin ich bei weitem nicht allein auf weiter Flur. So fragt auch Gaston Pfister im Europäer Nr. 5 vom März 2023 auf S. 26, «ob wir es inzwischen mit einer Unterwanderung durch waschechte Feinde zu tun haben?» Mit speziellem Blick auch auf die bizarren «Kill-Putin Aktivitäten» eines Spitzen-Waldorfpädagogen. Noch dichter wird diese Indizienkette gewebt von Friedrich Sprich in, Ein Nachrichtenblatt, 12. Jahrgang, Nr. 10, Sondernummer III vom 15. Mai 2022. Der dort unter dem Titel, «Kann die Anthroposophie in der AAG noch gerettet werden?» der Frage einer «zersetzenden Jesuitisierung der anthroposophischen Bewegung von ihrer Spitze her» nachgeht. Und zwar auf zahlreiche empirische Befunde gestützt. So berichtet er auf S. 12 unter dem Titel «Jesuitenfreundlichkeit» unter anderem, daß an der Spitze der AAG eine regelrechte Kultur des Jesuitismus betrieben, und dieser dort sogar ganz offen propagiert werde. Vor dem Hintergrund der von Steiner erklärten Tatsache, dass der Jesuitismus auf die komplette Vernichtung der Anthroposophie hinwirke. Was Sprich dort an Indizien darlegt, ist eine hochbemerkenswerte Vielzahl an faktischen Vorgängen, die diesen Verdacht bestätigen. Hinzuzufügen wäre die Vernichtung der Anthroposophie durch den Anglo-Amerikanismus, mit ähnlicher und vielleicht mit dem ersten kommunizierender Wirksamkeit. Von der übrigens auch der gut unterrichtete Erzbischof Viganò hier und ergänzend hier regelmäßig die Öffentlichkeit unterrichtet: Von der satanischen Gemeinschaft von Teilen der römischen Kirche mit dem totalitären Globalismus. Beide in der Uniform des Antichristen. Einen analogen Blick einer konzertierten Aktion ermöglichen Markus Fiedler und Dirk Pohlmann im oben schon erwähnten Beitrag von ganz anderer Seite. Wer wiederum könnte an Steiners Wegräumung mehr interessiert sein, als die erklärten Antagonisten von Steiners Goetheanismus, die jetzt offenbar auch in geistigen Fragen am Ruder stehen? Man muß über das nichtssagende erkenntniswissenschaftliche Herumgekrebse, das dort im Sammelband der Alanushochschule über Steiners Grundlagen geboten wird, in gar keiner Weise erstaunt sein, denn das scheint inzwischen in der Natur dieser erwähnten Verhältnisse zu liegen. Wer schließlich sollte sich über solche und ähnliche Erscheinungen auch wundern an einer Hochschule, die am Tropf eines Staates hängt, der seit Jahren und von Tag zu Tag zunehmend mit Hilfe und unter der Führung solcher globalistischen Strategen anglo-Amerikas wieder einmal in einen olivbraunen Faschismus umgewandelt wird? Man muß sich nüchtern betrachtet also von dem Gedanken verabschieden, dass an der staatsabhängigen Universität einer amerikanischen Vasallenrepublik heute erfolgreiche Grundlagenforschung zu einer überragenden und entscheidenden Geistesgröße (Steiner) betrieben werden kann, dessen eigene Intentionen den Weltherrschaftsintentionen von neofeudalen Globalisten, den Weltherrschaftsambitionen der anglo-amerikanischen Geopolitik, den materialistischen Abgründen ihrer bestimmenden Elite, und denen der kriegsgeilen und merkelrotbraunen Angloamerika-Grünen direkt zuwiderlaufen. Denen nichts näher liegt, als Deutschland und Europa im Auftrage angloamerikanischer «Kräfte» endlich in eine dezivilisierte Trümmerlandschaft, und anschließend in ein riesiges neofeudales Konzentrationslager von Smart Cities für eugenisch geformte menschliche Maschinen zu verwandeln. - Letzteres aber mehr nebenbei. Primär geht es um die konkreten Sachfragen von Steiners Begründungswerk. Bleiben wir deswegen beim Naturwissenschaftler Steiner: Es war nicht nur Steiners akademischer Studiengang an der Wiener technischen Hochschule zunächst den Naturwissenschaften gewidmet, sondern dasselbe gilt auch von seiner Aufgabe, die naturwissenschaftlichen Schriften Goethes herauszugeben, denen er sich durch Vermittlung von Schröer für die Kürschner-Ausgabe widmete. Der Mann war also seinem ganzen Werdegang nach zunächst naturwissenschaftlicher «Aristoteliker», wenn man einmal die Strömungs-Differenzierung in «Platoniker» und «Aristoteliker» aus GA-240 bemüht. Diese enge Verwurzelung in den Naturwissenschaften kulminiert im autobiographischen Vortragsteil von 1921 (GA-255b) in Steiners Frage von S. 298 nach einer Brücke zwischen der naturwissenschaftlichen und einer geistigen Weltsicht: „Gibt es denn nicht eine Möglichkeit, zwischen demjenigen, was im Inneren des Menschen lebt an Aspirationen nach dem Geistigen und demjenigen, was Naturwissenschaft sicher festgestellt hat, gibt es denn dazwischen nicht eine Verbindung, gibt es dazwischen nicht eine Brücke von dem einen zum andern?“ Diese Brücke, so fährt Steiner dort fort, sei aber nur möglich gewesen vom naturwissenschaftlich Sicheren aus: „Und nun, was mir vor allen Dingen die Möglichkeit bot, eine solche Brücke zu finden, das war zunächst nicht das Hinschauen auf innere, subjektive Schauungen; das war mir vom Anfange an klar geworden. Sollten subjektive Schauungen noch so überzeugend, noch so intensiv vor der Seele auftreten, man hat keine Berechtigung, sie irgendwie, durch ihr subjektives Auftreten veranlaßt, zur objektiven Geltung zu bringen, wenn man nicht in der Lage ist, aus dem naturwissenschaftlich Sicheren heraus die Brücke hinüber zur geistigen Welt zu schlagen.“ Diesem Brückenbau, so Steiner weiter, dienten vor allem seine Einleitungen in Goethes Naturwissenschaftliche Schriften neben den Schriften Wahrheit und Wissenschaft sowie die Philosophie der Freiheit. Dort vor allem also fand seinen eigenen Worten zufolge das Ringen um das «naturwissenschaftlich Sichere» und den «Brückenbau» statt. Es geht Steiner erklärtermaßen um die erkenntniswissenschaftlichen Grundlagen auch für die Naturwissenschaft, die in jenen Frühwerken zu finden ist. Man muß angesichts dieser Darstellungen Steiners ja nicht groß fragen, worin denn das «naturwissenschaftlich Sichere» im Ergebnis bestand. Wenn man sich an Steiners Bemerkung aus dem zweiten Kapitel der Philosophie der Freiheit hält, wonach «die äußere Natur nur gefunden werden kann, wenn man sie in seinem Inneren bereits kennt», dann liegt es nahe, dabei den Blick auf die Selbsterklärungsfähigkeit des erlebten und beobachteten Denkens zu richten. Speziell auf den archimedischen Hebel der Welterklärung aus dem dritten Kapitel der Philosophie der Freiheit (hier S. 32 f). Der gilt für alle Wissenschaften, äußere wie innere, und basiert auf der Beobachtung dessen, was zwar jeder kann, aber kaum einer kennt. Und schon gar nicht in dieser Funktion und Bedeutung kennt. Bei dem von «Ideen» im platonischen Sinne auch nicht die Rede ist. Der dann aber 1897 in Goethes Weltanschauung hier S. 69 f mit der Ideenlehre verknüpft wird, und nicht nur in der Aussage gipfelt, bei der Beobachtung des Denkens werde «das Weltgeschehen durchschaut», sondern dieses beobachtete Geschehen sei die Idee selbst. - Da ist der aristotelische Brückenbau von den Naturwissenschaften über das «naturwissenschaftlich Sichere» zur «Idee der Platonisten» auf seine Weise erst einmal abgerundet. Womit Steiners Geistesforschung freilich nicht endet. Sondern im engeren und öffentlichen Sinne erst beginnt. Das in aller Kürze dazu. Wenn Sie sich die entsprechenden Frühschriften dazu näher ansehen, lieber Leser, dann werden Sie also von Aristoteles, von Platon, den Scholastikern und Thomas von Aquin nichts hören. Und doch ist laut Eigenauskunft in diesen Schriften ein naturwissenschaftlicher «Aristoteliker» auf der Suche nach einer Brücke zum «Platonismus» der geistigen Welt. Ein naturwissenschaftlicher Aristoteliker schon seinem beruflichen Werdegang nach, der gewissermaßen durch eine «glückliche Fügung» mit der Aufgabe betraut wurde, die naturwissenschaftlichen Schriften des sehr individuellen «Platonisten» Goethe herauszugeben. Also mit Goethes naturwissenschaftlichen Schriften auch die Werke eines «Aristotelikers» mit hochgradig platonistisch-naturwissenschaftlichen Ambitionen herauszugeben, dem es selbst freilich nicht gelang, sein Anliegen erkenntniswissenschaftlich zu begründen. Das konnte Goethe nicht. Daran, so sieht Steiner das, hatte Goethe auch keinen Bedarf. Gleichwohl wirken hier offenkundig zwei (Goethe und Steiner) zusammen, die beide als Naturwissenschaftler auf dem Wege sind, den Aristotelismus mit dem Platonismus zu vereinen. Und auf diesem Wege eine «spirituelle Naturwissenschaft von Innen» zu entwickeln. Den Ausdruck «glückliche Fügung» wähle ich hier übrigens mit Bedacht. Denn davon spricht Steiner selbst auf S. 157 f in seinem Arnheimer Vortrag vom 18. Juli 1924. Dahingehend: „Wäre ich aber damals in jener Stadt in das Gymnasium gekommen, so wäre ich Zisterzienser-Ordenspriester geworden. Das ist ganz zweifellos.“ Um ein Haar, so sagt Steiner. Wegen seiner guten Verbindung zu den dort lehrenden Zisterziensern nachfolgend dann platonistisch geprägter Ordenspriester der Zisterzienser. Stattdessen wurde er aber Naturwissenschaftler, weil er auf die Realschule ging. So kann es kommen. - Wenn man das für sich allein betrachtet, dann sieht man natürlich neben den systematisch verwendeten, im Schrifttum hinterlegten Quellen auch eine Vielzahl an solchen informellen, die Steiner in jungen Jahren umgaben und ihn verständlicherweise ebenfalls prägten. Was er mit den Zisterziensern des Gymnasiums ja sehr sprechend zum Ausdruck bringt. Steiner ist nicht den Weg der Zisterzienser gegangen, obwohl in Teilen seines Frühwerkes natürlich auch platonistisch geprägtes Gedankengut zum Tragen kommt. Literarisch am stärksten ausgebildet durch die Ideenlehre Goethes, deren Quelle wiederum höchst individuell von Goethe gehandhabt und gefärbt wurde. Insbesondere wenn man das alles weiß, muß man umso mehr zwischen den Quellen Steiners aus seiner eigenen Zeit unterscheiden, die dem Aufbau der Anthroposophie dienten, und jenen idealistischen Strömungen der Vergangenheit die in weit zurückliegenden Jahrhunderten analoge und für ihre Zeit gemäße idealistische / ideenrealistische Vorhaben mit ganz anderen Mitteln verfolgten. Als faktische Quelle für Steiners eigenes Begründungsvorhaben aber nachweislich in gar keiner Weise in Betracht kamen. Weil man damit keine erkenntniswissenschaftlichen Grundlagen legen konnte, wie es Steiner vorschwebte. Nicht einmal von Goethes Gedankenwelt aus konnte Steiner ohne fremde Hilfe solche Grundlagen legen. Abgesehen von Goethes ganz individualisiertem Idealismus, von dem Steiner sich erklärtermaßen auch noch unabhängig gemacht hat, und der sich bei Goethe wiederum schlecht auf eine einzige Quelle zurückdatieren läßt. Man muß sich demnach fragen, welche sachlichen Gründe Steiner dafür vorlegte, von den Naturwissenschaften auszugehen. Auch dann, wenn ihm das idealistisch-platonistische Gedankengut schon durch seine informellen Quellen nicht fremd war, und vieles, was an individuellen Veranlagungen bei ihm vorlag, nach einer näheren Abklärung und Begründung verlangte. Der Weg, den er wählte, war der über das «naturwissenschaftlich Sichere», wie er es im Vortrag von 1921 ausspricht, den man aber auch ohne Mühe in seinen Frühschriften erkennen kann. Wie Goethe fehlten den zeitgenössischen und den Idealisten der Vergangenheit eben jene Fundamente des Erkennens, die Steiner in einer naturwissenschaftlich geprägten Zeit für unabdingbar hielt. Deswegen auch sein «induktiver» Weg zu den Ideen, der über das «naturwissenschaftlich Sichere» ging. Zumal in einer Zeit, wo es seit Hume und Kant gar nichts «naturwissenschaftlich Sicheres» mehr gab, sondern gerade die Sicherheit des naturwissenschaftlichen Erkennens regelrecht ad absurdum geführt wurde. Ein Blick in das Kapitel 14 der Grundlinien … kann Ihnen einen exemplarischen Eindruck davon verschaffen. Was wahrlich nicht die alleinige Auffassung des «Kant-Überwinders» Steiner damals war, wie wir schon sahen und unten noch weiter behandeln werden. Die Zeiten der Idealisten des Mittelalters und der Griechen waren vorbei, denn die moderne Menschheit war bewußtseinsmäßig und mit ihrer Naturwissenschaft woanders angekommen. Dem mußte Rechnung getragen werden. Wer sich nur an den alten Zeiten festklammert und dort festfriert wie Klünker et al, der kommt gar nicht erst auf den Gedanken, Steiners naturwissenschaftlichen Weg als den einer Synthese von aristotelischer und platonistischer Strömung einzuordnen. Deswegen diese bizarren «Quellen-Beiträge» Klünkers, wo Steiner gar nicht erst gefragt wird, wo der sich denn selbst ansiedelt, und wo sich beim «Professor für die Erkenntnisgrundlagen der Anthroposophie» auch kein einziger Hinweis auf Steiners eigene Erkenntnisgrundlagen findet. Steiners idealistisches Anliegen in Verbindung mit den Naturwissenschaften ist nicht nur Klünker, sondern überhaupt den Autoren aus diesem Quellenband weitestgehend fern, die sich überwiegend mitnichten in Steiners Grundlegungswerk und den dortigen Intentionen auskennen. Diese resultierende, katastrophal zusammenhanglose Quellenstoppelei in dem Sammelband führt zu nichts, - wo man am Ende gar, wie zur Krönung des ganzen Quellen-Tumults aus der Alanus-Hochschule, auch noch Witzenmann auf den Hof reiten läßt. Wer Interesse für geschichtliche Symptome hat, der sollte sich das als Zeitdokument beiseite legen. Denn solche historischen Belege werden in wenigen Jahren einmal gesucht werden, um kopfschüttelnd wieder einmal heraus zu finden, wie es bei den Anthroposophen «damals» so weit kommen konnte. Wie gesagt, man muß die Dinge auch an Steiners Frühschriften anbinden. Auch die von Traub behandelte Aristoteles / Fichte Passage von 1908. Zum Beispiel muß man sie auch mit Wahrheit und Wissenschaft verknüpfen, wo ja im Kap. IV (hier S. 36 ff) eine ganz analoge Situation des schöpferischen reinen Denkens behandelt wird, das «als erlebte Tätigkeit gegeben sein muß». Die erlebte (hervorbringende) Tathandlung des Denkens führt dort, - (laut S. 38) noch ganz ausdrücklich ohne Ich-Thematisierung), - zur «intellektuellen Anschauung» reiner Begriffe und Ideen. Dem allgemeinen Prozedere des Erkennens nach gibt es zwischen dem Erkennen des «Ich» und anderen reinen Begriffen allerdings keinen Unterschied. Denn in beiden Fällen liegen Erkenntnisleistungen vor, die als erkennende / denkerische Produktivität unmittelbar erlebt werden. Die Besonderheit bei der Erkenntnis des «Ich» liegt aus dem universalienrealistischen Gesichtswinkel von Steiners späterem Aufsatz (hier S. 102) darin, dass hier «drei Ichs» zusammenfallen: „Wenn Sie das Ich im Denken fassen, so ist ein dreifaches Ich vorhanden: ein reines Ich, das zu den Universalien «ante rem» gehört, ein Ich, in dem Sie drinnen sind, das zu den Universalien «in re» gehört, und ein Ich, das Sie begreifen, das zu den Universalien «post rem» gehört. Das Ich lebt in sich, indem es seinen reinen Begriff hervorbringt und im Begriff als Realität leben kann. Für das Ich ist es nicht gleichgültig, was das reine Denken tut, denn das reine Denken ist der Schöpfer des Ich. Hier fällt der Begriff des Schöpferischen mit dem Materiellen zusammen, und man braucht nur einzusehen, daß wir in allen anderen Erkenntnisprozessen zunächst an eine Grenze stoßen, nur beim Ich nicht: dieses umfassen wir in seinem innersten Wesen, indem wir es im reinen Denken ergreifen.“ - Übertragen Sie das, lieber Leser, einmal auf den Begriff der «Kausalität», wie ihn Steiner in Wahrheit und Wissenschaft auf S. 37 f ja auch exemplarisch anführt. Frage: Welche Universalien haben Sie vorliegen, wenn Sie den Begriff der Kausalität denken, und den Prozeß des Hervorbringens, wie es Steiner ausdrücklich einfordert, auch mit erleben? - Vergleichbare Beispiele könnten wir reihenweise aus Steiners anderen Grundschriften hinzufügen. Weitere Frage: Was geschieht eigentlich mit den von Steiner geschilderten Universalien, wenn Sie, wie Witzenmann behauptet, Ihre aktuelle Denkaktivität wegen einem «Erzeugungsproblem» gar nicht erleben könnten? Nun, das ganze Zusammenfallen dieser drei Ichs aus Steiners Beispiel von 1908 wäre perdu. Ob das Ich respektive das Denken «Begriffe hervorbringt» läßt sich dann nämlich nicht mehr empirisch entscheiden. Weil Sie laut Witzenmann die hervorbringende Produktivität dann ja nicht mehr erleben können, sondern nur noch spekulative Hypothesen darüber zu bilden vermögen. Das Erleben der Denktätigkeit aber ist erforderlich, um überhaupt empirisch begründet von einem «Ich in Re» und einem Zusammenfallen der drei Universalienformen zu sprechen. Steiners Universalienbeispiel ist auch ein hervorragender Anlaß, um sich erkenntnistheoretisch diese Verhältnisse klar zu machen. Womit ich ergänzend noch einmal sagen will: ohne die Rückanbindung an Steiners Begründungsschriften treibt der Leser an dieser Stelle nicht nur zusammen mit Witzenmann, sondern auch zusammen mit Traub im Nebel. Gehen wir aber weiter: Der von Traub behandelte historisch orientierte und über 40-seitige Aufsatz Steiners Philosophie und Anthroposophie aus dem Jahre 1908 ist eine noch relativ kurz gefaßte, - meinetwegen «Vorstudie», - aber eine, wie sich schon aus Steiners einleitenden Worten dazu entnehmen läßt, die eine ähnliche Funktion hat, wie sein späteres, weit umfangreicheres Werk Die Rätsel der Philosophie (GA-18), deren Schlußkapitel Skizzenhafter dargestellter Ausblick auf eine Anthroposophie ebenfalls wie im von Traub behandelten Aufsatz zeigen soll, wie sich Steiner den Weg der Geistesgeschichte seit den Griechen sachlich einmündend denkt in die Anthroposophie, auf deren erkenntniswissenschaftliche Grundlagen er in diesem Zusammenhang im Skizzenhaften Ausblick unmißverständlich hinweist. (Auf die Parallelität in der historischen Orientierung und Funktion von Aufsatz und späterer Schrift wird unabhängig von mir auch im von Traub behandelten Aufsatz selbst auf S. 73 f hingewiesen. Siehe zur Entwicklung der Schrift Die Rätsel der Philosophie über verschiedene Vorläuferstadien auch die Hinweise der Herausgeber in GA-18, 1985, S. 628). In beiden Fällen, in dem von Traub behandelten Aufsatz und in den Rätseln der Philosophie geht es, wie schon in Steiners erkenntniswissenschaftlichen Grundschriften, nicht nur um Selbsterkenntnis, sondern gleichermaßen um die Natur-Erkenntnis. Um das extrem problematische äußerliche Naturerkennen und ihren Zusammenhang mit der menschlichen Selbsterkenntnis. - Hier wird übrigens ein ausführlicher Vergleich von Aufsatz und Schrift sehr ertragreich sein. - Vor allem aber geht es dabei um ein empirisches Verstehen des Erkennens selbst mit erheblichen Folgen für die Natur-Erkenntnis. Was man nicht nur auch bei Karl Popper später beobachten kann, der auf seine Art lieber den Energieerhaltungssatz preis gab als das menschliche Erkenntnisvermögen. Mit logischen Gründen und mit Blick darauf, daß die Physik der Zukunft niemand kenne. Karl R. Popper, John C. Eccles, Das Ich und sein Gehirn, München 1982, S. 640 ff. Siehe auch, Karl R. Popper, Objektive Erkenntnis, Hamburg 1984, S. 232 ff. Popper, der bei Karl Bühler auch Psychologie studiert hatte, wußte auch über die introspektive Psychologie weit besser Bescheid, als mancher philosophische Steinerforscher heute. Siehe etwa dazu, Popper / Eccles, Das Ich und sein Gehirn, München 1977, Kap. 30, Das Gespenst in der Maschine, S. 141 ff. Analog dazu auch Steiner, der laut zweitem Kapitel der Philosophie der Freiheit die äußere Natur nur den erkennen läßt, dem sie auch im Inneren bekannt ist. Aber wie schon 2011 ist bei Traub nur eine ganz oberflächliche akademisch intellektualistische Neugier an Steiner vorhanden, die zu nichts Verständnisvollem führt, da sie sich auf argumentative Einzelheiten und Steiners naturwissenschaftliche Intentionen wie schon 2011 weder einlassen will noch kann. Und mit einem Naturverständnis des Denkens und Erkennens, wo es um die physikalische Unabhängigkeit dieses Denkens und Erkennens geht, überhaupt nichts mehr am sprichwörtlichen Hut hat, obwohl es ein Hauptanliegen Steiners auch im Aufsatz Philosophie und Anthroposophie war, desgleichen schon in sämtlich Frühschriften – und wahrlich nicht nur dort. Ein problematisches Verhältnis des Physikalismus zum Erkennen bei Steiner ausgesprochen und immer wieder behandelt. In seinem von Traub behandelten Aufsatz von 1908 auf S. 69 etwa repräsentiert durch den namhaften Zeitgenossen Du Bois-Reymond und seinen berühmt gewordenen Vortrag Über die Grenzen des Naturerkennens. Ein schwieriges Verhältnis, das man als moderner Zeitgenosse im Prinzip eben auch bei Wissenschaftsphilosophen wie Karl Popper problematisiert findet, der um diese fragwürdigen Zusammenhänge der Erkenntnis mit einem supponierten Physikalismus offenbar um einiges besser im Bilde war als der Idealist Traub, dem offenbar auch ein Du Bois-Reymond aus seiner intellektuellen Hartleibigkeit nicht mehr aufhelfen kann, und bei dem es im wesentlichen regelmäßig und ganz unverbindlich akademisch um «Denkmodelle» geht, - ein anscheinend beliebtes Wort bei Traub. Was gelinde gesagt aber nur ein nichtssagender akademischer Hilfsterminus ist bei jemandem, dem sonst nichts Brauchbares mehr dazu einfällt und sich dann in solche Sprachgewohnheiten akademischer Unverbindlichkeit wie «Denkmodell» oder «Seelenmodell» flüchtet. Damit geht man dann auch kein akademisches Risiko mehr ein, denn das kann man auch auf jeden Unsinn anwenden. Die Gelegenheit wiederum, irgendwo in Steiners umfangreiches Werk willkürlich hineinzugreifen, um daraus beliebige Erklärungsmodelle zu spinnen, ergibt sich für einen schlauen Philosophen, der damit seine eigenen Interessen verfolgt, eigentlich immer. Fehlt nur in sämtlichen Fällen, die Traub dort vorführt, der Zusammenhang mit Steiners Grundlegungswerk, das er schon 2011 bis zum Abwinken nicht verstanden hat, und offenbar auch gar nicht gewillt ist, aus diesem Sumpf der Verständnislosigkeit irgendwie zu entkommen. Insofern ist auch der von ihm abgelieferte fragmentierte Zusammenschnitt irgendwelcher gesellschaftlicher Zeitsymptome, Seelenmodelle und Steineraussagen, einem Kaleidoskop zusammengewürfelter Werkfragmente und historischer Vermutungen zur Rolle der Psychologie, aus denen dann persönliche Erklärungsmodelle gesogen werden, für das Verständnis der Quellenlage und Steiners erkenntniswissenschaftliche Werkentwicklung weitestgehend unbrauchbar. So geht man vor, wenn man das, ohne viel werksbezogenen Sachverstand, in ganz relativierender Weise wie alles andere auch, nur zum unverbindlichen Denkmodell erklären will. Zumal angesichts der Tatsache, dass Steiner im Hinblick auf die Rolle und Entwicklung seiner Erkenntnistheorie ganz unzweideutig ist. Dies alles aber wird auch von Traub weitestgehend ignoriert. Zielführend ist das nicht. Mir scheint diese Art des Umgangs mit Steiner und seinem Werk eher eine Art akademisch / philosophisches Monopoly zu sein, das auch besser in den Kategorien irgend einer Spieltheorie zu beschreiben wäre. Und paßt daher zu dem akademischen Gedöns, das in diesem Band über die angeblichen Quellen der Anthroposophie abgeliefert wird, nicht wie der Faust in die Studierstube, sondern wie die Faust aufs Auge. Wie man auf solchen Fundamenten von Steiners «philosophischen Quellen» überhaupt nur substantiiert reden kann, das bleibt wohl das Geheimnis der dort vertretenen Verfasser. Des weiteren, wenn wie bei Sijmons (S. 261 ff) langatmig nur bestätigt wird, was wir von Steiner persönlich schon in GA-73a, S. 501 f, hören können, daß nämlich Husserl nie eine Quelle Steiners war, dann kann man das noch irgendwie akzeptieren, auch wenn er Steiners eigene und klare Auskunft in dieser Frage schlicht ignoriert oder auch nicht kannte. Wie überhaupt Steiner auch in Sijmons Beitrag kaum etwas zu sagen hat. Wieder so ein Quellenforscher, der sich nicht um Quellen kümmert, sondern um Nicht-Quellen, ohne Steiner groß um dieses Verhältnis weiter zu befragen und näher zu untersuchen, was ihn denn von seiner Nicht-Quelle Husserl unterscheidet, weil das den Leser natürlich sehr interessiert hätte. Zumal ein anderer Phänomenologe, Max Scheler, in Steiners Lebensgang (GA-28, S. 441 f) in sehr vorteilhaften Farben beleuchtet wird, desgleichen auch im Vortragszyklus Fachwissenschaften und Anthroposophie von 1921, in GA-73a wiederholt als sehr aufgeschlossener Wissenschaftler geschildert. Und gleichwohl ebendort, S. 503 als jemand, der als geistvoller Mensch einen so unverständlichen Zug zum Katholizismus habe: „Warum katholisiert er so furchtbar stark? Warum sucht er die Anlehnung an den alten Katholizismus? Das ist etwas, was mir doch zeigt, daß diese Philosophen Brentanoschüler sind.“ Steiners sparsamer Auftritt und Stillschweigen bei Sijmons ist denn ebenfalls ziemlich krass geraten. So, als habe man Steiner bei den angeblichen «Quellenforschern» ausdrücklich zu langen Schweigeminuten vergattert. Das ist in all seiner Schweigsamkeit dennoch ausgesprochen sprechend. Aber Wagemanns Artikel über Witzenmanns Weg zu den philosophischen Quellen der Anthroposophie (S. 303 ff) hat, wie schon das Titelbild, schlicht und grundsätzlich das Thema der ganzen Aufsatzsammlung verfehlt. Das ist nur noch ein vollkommen mißglückter, pseudo-wissenschaftlicher Kokolores. Wie aus einer akademischen Käserei geliefert. Was ihm wohl selbst klar war, weswegen er sich einleitend (S. 303-305) um eine schräge Begründung ganz eigener Art bemüht, die ihm wohl die wenigsten interessierten Leser abnehmen werden, die hoffen, näheres über Steiners Quellen zu erfahren. Witzenmann dort einzubauen wird eigentlich nur noch verständlich, wenn man die Aufsatzsammlung gleich in ganz unsachgemäßer Weise mit einer Werbekampagne für Witzenmann verknüpft. Anders ergibt das keinen rechten Sinn. Entweder aber schreibt man über Steiners Quellen oder über die seiner Anhänger und Rezipienten und deren Verständnis der Sache. Hüh und Hott gleichzeitig geht da nicht. Schon gar nicht wenn es im Titel auch noch groß angekündigt wird und unter akademischen Fahnen aufmarschiert. Das kann mit noch so krampfhaft bemühten Argumenten niemand mehr einer Leserschaft verkaufen, die noch solide bei Verstand ist. Denn die Frage wäre ja zudem, warum man unter den zahllosen und durchaus namhaften anthroposophischen Steinerrezipienten, die literarisch zu Steiner hervorgetreten sind wie Walter Johannes Stein, Carl Unger und viele, viele andere, deren Zahl hier gar nicht zu benennen ist, ausgerechnet einen einzigen auswählt, der bloß dem Aufsatzverfasser Wagemann und dem Herausgeber Schieren geistig nahe steht, und alle anderen weg läßt. Wie kommt diese willkürliche Selektion zustande? Von zweien (Schieren und Wagemann), die bislang nicht einmal als ausgewiesene Spezialisten für Steiners Grundlagen in Erscheinung traten, sondern sogar laut öffentlichen Bekundungen aus den eigenen Reihen hauptsächlich als Anhänger Witzenmanns. Und in dieser Rolle nicht einmal wissen, wie Steiners Grundlagen und Witzenmanns Rezeption dessen überhaupt beschaffen waren, wie wir von Wagemann oben (siehe S. oben 44 ff) jüngst anläßlich der Übersetzung von Witzenmanns Strukturphänomenologie neuerlich gehört haben. Der da von einem «Forschungsdesiderat» sprach: „However, a comprehensive comparison of Witzenmann’s approach with Steiner would go beyond the scope of this introduction and hence remains one of the research desiderata of the future.“ Soll sagen: «Keine Ahnung wie das war! - Das wäre in Zukunft noch zu klären.» Daß diese erklärtermaßen nichtsahnende Anhängerschaft Witzenmanns nun ausgerechnet Witzenmann in einem Quellenband zu Steiners nächster und weiter zurückliegender historischer / philosophischer Verwandtschaft unterbringen will, entzieht sich jeder rationalen Nachvollziehbarkeit. Denn Witzenmann konnte prinzipiell und historisch keine Quelle für Steiner sein. Dafür kam er schlicht zu spät. Und darüber hinaus müßte man zwecks Vergleich eines einzelnen Steinerrezipienten mit Steiner erst einmal Steiner selber kennen, was, wie sie ebenfalls selbst sagen, aber nicht der Fall ist, um so einen Vergleich überhaupt anzustellen. Das, Witzenmanns Verhältnis zu Steiner, sei nämlich noch ein Forschungsdesiderat, so hörten wir dazu nicht nur von Wagemann. Wie man sieht, weiß man dort nicht wirklich Bescheid über Steiners Grundlagen, seine Anthroposophie und Witzenmanns Verhältnis dazu. Was also hat jetzt Witzenmann in diesem Sammelband über Steiners philosophische Quellen verloren? - Rein gar nichts! Das sagt schon der gesunde Menschenverstand. Was uns da präsentiert wird ist also gedanklicher Krampf und Propaganda, und kann noch nicht einmal durch vorliegenden Sachverstand der Mitwirkenden rechtfertigt werden, sondern lediglich durch die ganz subjektive Hingezogenheit einiger zu Witzenmann, die noch nicht einmal von ihnen selbst mit rationalen Gründen aus der Anthroposophie und Grundlagenkenntnissen zu Steiner zu legitimieren ist. Das spottet schlicht jeder Beschreibung. - Da hat doch offenbar jemand Interessenskonflikte zwischen ernsthafter Wissenschaft auf der einen Seite, und seinen ganz subjektiven philosophischen Privatvorlieben für Witzenmann auf der anderen, die mit einer Erforschung von Steiners wissenschaftlichen Quellen überhaupt nichts zu tun haben. Die Steinerforschung indes gerät dabei unter die Räder der Privatinteressen von Witzenmanns ahnungslosen Anhängern. Wer als Anthroposoph seine Wissenschaft, die Anthroposophie und ihren Ruf gründlich ruinieren und zu einer akademischen Kasperbude verkommen lassen will, der geht mit aller Aussicht auf Erfolg genau so vor und läßt sie zum Witzenmann-Werbe- und Verkaufsevent verfallen. Koscher ist das nicht, und beschädigt öffentlich nicht nur den Herausgeber selbst, sondern auch noch die wissenschaftliche Seriosität der übrigen Beteiligten an diesem Sammelband, die sich als Referenten darin wiederfinden und so etwas mit sich veranstalten lassen. Fassen wir ein wenig zusammen: Man kann Steiners spätere philosophiegeschichtliche Blicke in die idealistische Vergangenheit mit ihren Vorläufern nicht zum Beleg für Steiners philosophische Quellen erklären, wenn Steiner davon in seinem Begründungswerk nachweislich nie Gebrauch gemacht hat. Abgesehen von einer recht unspezifischen Goetheschen Ideenlehre, von der er sich erklärtermaßen auch noch unabhängig machte, wie in Wahrheit und Wissenschaft oder der Philosophie der Freiheit. So ist denn auch bei Steiner von anderen zeitgenössischen Idealisten nicht zu Begründungszwecken die Rede, denn die, - exemplarisch etwa Fichte, Schelling und Hegel, - «stehen ohne Fundament da», wie es in der Vorrede von Wahrheit und Wissenschaft (hier S. 4) heißt. Zur eigenen erkenntniswissenschaftlichen Fundamentbildung schien das dem naturwissenschaftlich geprägten Empiristen Steiner alles nicht geeignet. 17. Über Steiners immanent-psychologische Quelle Johannes Volkelt und dessen Unsichtbarkeit bei den angeblichen Quellenforschern der Alanushochschule. Als Quelle für diese erkenntniswissenschaftliche Fundierung kommen sie nicht infrage, oder allenfalls als gedankliches Gegenlager für Steiners eigene klärende Gedankenbildung. Wohingegen wiederum ein Johannes Volkelt als maßgebliche Quelle des «Naturwissenschaftlers» Steiner nirgendwo bei unseren versammelten Quellenforschern aus der Alanushochschule erscheint. Das interessierte keinen von den honorigen Quellengeistern. Dafür aber Rudolf Steiner umso mehr. Was in gewisser Weise tief blicken läßt, denn die Frage nach Steiners Quellen und ihrer Bewertung ist vom Verständnis der Steinerschen Grundlagenforschung nicht zu trennen. Wer sich dort nicht auskennt, der wird also auch in der Quellenfrage nicht allzutief blicken. Denn Volkelt wurde von Steiner so plakativ als Schlüsselquelle für seine Grundlagenforschung behandelt, daß er einem wissenschaftlich orientierten Geist mit Quellenfragen eigentlich nicht entgehen kann, sofern der Quellenforscher sich eben überhaupt für Steiners Grundlagen und ihre Quellen interessiert. Da wir Volkelt nämlich aus Steiners Grundlinien... über die «reine Erfahrung des Denkens» (S. 32 ff) bereits gut kennen. Und nicht nur das. Steiner nennt Volkelts Erkenntnistheorie in den Grundlinien … (Kap. 6, S. 38) „die bedeutendste Leistung der Gegenwart auf diesem Gebiete“, und in GA-1, S. 146 Volkelts Kant-Schrift von 1879, Kants Erkenntnistheorie nach ihren Grundprinzipien analysiert» eine, „die zu dem Besten gehört, was die neuere Philosophie hervorgebracht hat.“ Spart zwar in allen Fällen nicht mit Kritik an ihm, aber Volkelt war gleichwohl eine derart wesentliche und sichtbare Wurzel für Steiners frühe psychologisch / erfahrungswissenschaftlich orientierte, erkenntnistheoretische Forschung und ihren Fortschritt, so daß Steiner sich in Wahrheit und Wissenschaft (Einleitung S. 6) auch noch ausdrücklich für Volkelts maßgebliche Vorarbeit bedankt mit den Worten: „Die folgenden Erörterungen haben die Aufgabe, durch eine auf die letzten Elemente zurückgehende Analyse des Erkenntnisaktes das Erkenntnisproblem richtig zu formulieren und den Weg zu einer Lösung desselben anzugeben. Sie zeigen durch eine Kritik der auf Kantischem Gedankengange fußenden Erkenntnistheorien, dass von diesem Standpunkte aus niemals eine Lösung der einschlägigen Fragen möglich sein wird. Dabei ist allerdings anzuerkennen, dass ohne die grundlegenden Vorarbeiten Volkelts ... mit ihren gründlichen Untersuchungen über den Erfahrungsbegriff die präzise Fassung des Begriffes des «Gegebenen», wie wir sie versuchen, sehr erschwert worden wäre.“ Halten wir uns vor Augen: Das sagt Steiner in einer Frühschrift von 1892 / 93, und in der Originaldissertation steht es mit Blick auf Volkelt ganz genauso, gleich mit als Allererstes in der Einleitung auf S. 1. Dort noch ohne die vorangehende schärfere Abgrenzung von Goethe, sondern nur mit dem nachfolgenden Hinweis auf S. 2 versehen, dass er (Steiner) in seinen Grundlinien … einen anderen Weg beschritten habe als in der Dissertation. Die klare Abgrenzung von Goethe mit dem Hinweis versehen, dass sein „Gedankengebäude eine in sich selbst begründete Ganzheit ist, die nicht aus der Goetheschen Weltanschauung abgeleitet zu werden braucht“, erfolgte weit entschiedener in der leicht veränderten Buchausgabe der Dissertation, - Wahrheit und Wissenschaft, - die er selbst zeitgleich für die breite Öffentlichkeit vorgesehen hat, und auf die er später auch immer wieder zurück kommt. Er schreibt das demnach in einem erkenntniswissenschaftlichen Begründungswerk, das er selbst Jahre später in der Schrift Von Seelenrätseln auf S. 58 als „meine für meine ganze Weltanschauung grundlegende Schrift «Wahrheit und Wissenschaft»“ hervorhebt. Ähnlich und ganz regelmäßig wiederholt sich diese Hervorhebung von Wahrheit und Wissenschaft neben den anderen als «Grundlegungswerken» auch in anderen Zusammenhängen anthroposophischer Natur. Das will etwas heißen. Man achte weiter darauf, wie viel zeitgenössische oder sachlich verbundene Literatur Steiner in seinem Literaturverzeichnis von Wahrheit und Wissenschaft ebenfalls anführt, die er mehr oder weniger ja auch verwendet hat. Da hat es schon eine ganz besondere Qualität, wenn er Volkelt so ausdrücklich unter Hinweis auf dessen hilfreiche Vorarbeit allen anderen voranstellt und extra platziert. Was gut zu dem Urteil über den «bedeutenden Erkenntnistheoretiker Volkelt» paßt, den er an anderer Stelle hervorhebt. - Er steht laut öffentlicher Eigenerklärung in der für meine «ganze Weltanschauung grundlegenden Schrift» Wahrheit und Wissenschaft in gewisser Weise auf Volkelts Schultern in der Form von Volkelts hochkarätiger Vorarbeit um den Erfahrungsbegriff. Den naturwissenschaftlich orientierten Idealisten Eduard von Hartmann wiederum hat Steiner derart geschätzt, dass er ihm die Schrift Wahrheit und Wissenschaft (hier S. 3) sogar widmet. Er schätzt ihn in seinen naturwissenschaftlich-idealistischen Intentionen aus kritischer Distanz, wie wir vorhin sahen. Aber er baut nie wirklich auf ihm auf im methodisch konstruktiven Sinne. Das aber ist bei Johannes Volkelt der Fall, der ihm mit seiner empiristisch / psychologisch orientierten Erfahrungsanalyse entscheidende Denkmöglichkeiten für eine voraussetzungslose Erkenntnistheorie an die Hand gab, die er ausdrücklich auch noch in Wahrheit und Wissenschaft erwähnt und herausstellt. Niemand muß sich daher über Volkelts plakativen Auftritt schon in Steiners Grundlinien … von 1886 wundern. Bleibt wieder anzumerken, dass von Scholastik und Aristoteles in diesem von Goethe unabhängigen Begründungswerk Wahrheit und Wissenschaft so wenig die Rede ist wie in der Philosophie der Freiheit – nämlich gar nicht. Das ist also eine sehr weitreichende Anerkenntnis Steiners für Volkelts Beitrag zumal zur Beobachtung des Denkens, wenn man sich vorstellt, welche außerordentliche Bedeutung diese Beobachtung des Denkens in Steiners Grundschriften, für die Freiheitsforschung, die Forschung über die Leibfreiheit des Denkens, und damit auch für die Entwicklung der Geistesforschung insgesamt und des anthroposophischen Schulungsweges hat. Wie auch aus Steiners Rechtfertigungsvortrag von 1921 hervorgeht. Ohne den «bedeutenden Erkenntnistheoretiker» Volkelt und dessen entscheidende Vorarbeit wäre er damit wohl so weit nicht gekommen, so könnte man Steiners anerkennenden Hinweis auf Volkelts Beitrag in Wahrheit und Wissenschaft auch lesen. Der dort ja eingebunden ist in seine «Unabhängigkeitserklärung» gegenüber Goethe, die am Ende der Vorrede (hier S. 6) stand, der sein Hinweis auf Volkelts fruchtbare Zuarbeit für diese Unabhängigkeit gleich in der Einleitung (hier S. 7) folgt. Das eine, – die gedankliche Unabhängigkeit von Goethe, - hatte mit dem anderen, - Volkelts fruchtbringender Vorarbeit, - natürlich sehr viel zu tun. Was letztlich auch nur der wissenschaftlichen Redlichkeit Steiners Ausdruck verleiht, wenn er auf solche entscheidenden Helfer in einem akademisch orientierten Buch hinweist. Volkelt war für ihn enorm hilfreich bei der Entwicklung seines eigenen und von Goethe unabhängigen Weges bei der Grundlagenforschung zu dem, woraus später seine Anthroposophie den eigenen späteren Worten zufolge geworden ist. Daß solche prominenten Hinweise Steiners auf Volkelt nicht einmal in Hartmut Traubs umfangreichem Buch von 2011 wahrgenommen wurden, spricht für sich. Wo er sich über Steiners Begriff des «unmittelbar Gegebenen» ab S. 53 seitenlang und verständnislos buchstäblich die Haare raufte, ohne irgend einen Blick auf Steiners hervorgehobenen Volkelthinweis zu werfen und dem nachzugehen. Was offenbar auch danach nicht geschehen ist, denn in seinem Artikel des Sammelbandes ist davon immer noch nichts sichtbar geworden. So viel zur Qualität dieser Art von akademischer Quellenforschung. 18. Volkelt versus Fichte in Steiners Begründungsschriften Also: Einen besseren Unterstützer als Volkelt gab es zu dieser Frage der Grundlegung offensichtlich nicht, denn andere tauchen dort mit einer derartigen Würdigung und so ausdrücklicher Referenz nicht auf, wenn man einmal vom Literaturverzeichnis absieht. Auch Fichte wurde eine derartige und anerkennende Wertschätzung nicht zuteil, dem er ja in Wahrheit und Wissenschaft (hier S. 46 ff) ein ganzes Kapitel VI gewidmet hat. Im Gegenteil hat Steiner Fichte darin nicht nur in der Vorrede S. 4 vorgehalten, dass Fichte «die Grundlagen fehlen», sondern im späteren Kapitel VI auch, daß «das bloße Aufzeigen des inneren Tuns des Ich nicht ausreichend sei». (Hier S. 48) Deswegen spricht Steiner in diesem Fichte-Kapitel (hier S. 49) auch von einer «verfehlten Gestalt von Fichtes Wissenschaftslehre». Sei noch anzumerken, dass der Begriff des «Gegebenen» auch in diesem Zusammenhang eine besondere Rolle spielt, mit dem sich Hartmut Traub in seinem Buch von 2011 verzweifelt abmühte, ohne der Klarheit irgendwie nahe zu kommen. Während der für Hartmut Traub scheinbar gänzlich unbekannte Johannes Volkelt laut Steiner wesentlich dazu beigetragen hat, erkenntnistheoretisch die empirische Position Steiners auch gegenüber Fichte zu klären. Im Fichtekapitel Steiners ist nämlich ebenfalls viel vom «Gegebenen» die Rede. Das ist also auch ein Effekt von Volkelts fruchtbarer Vorarbeit, wie Steiner ausdrücklich in Wahrheit und Wissenschaft vorausschickt. Von all dem weiß Traub bis heute wohl gar nichts, und ist dem auch nie weiter nachgegangen bei seiner Odyssee durch irgend welche Seelenmodelle und gesellschaftlichen Zeitsymptome. Bis hin zur thematisch abgehängten Universalienfrage. Alles vollkommen zusammenhanglos, wo man nirgendwo einen roten Faden erkennt. Und schon gar keinen, der zu Steiners Grundlagen führt, wo er überhaupt erst geknüpft wird. Auf Fichte ruhen ja seitens der Anthroposophen viele Interessen, die vorrangig mit esoterischen Sachverhalten zusammen hängen. Daß und wie weit der Fichtekenner Hartmut Traub da als «Anthroposoph» involviert ist, kann ich nicht sagen. Da schätze ich, dass das eher nicht der Fall ist, spielt aber auch für die Klärung von Sachfragen um Fichte nicht die entscheidende Rolle. Bei den Anthroposophen aber hat das Interesse noch einen ganz anderen Anlass. Um Steiners Fichterezeption gab es nämlich noch einen ganz besonderen forschungsrelevanten Hintergrund, der eigentlich mehr indirekt etwas mit erkenntnistheoretischen Fragen zu tun hatte, und von Steiner extrem selten in dieser offenen und öffentlichen Form erwähnt wurde. (Näheres dazu auch in der nachfolgenden Quelle.) Das war nämlich Steiners Begegnung mit dem Wiener Kräutersammler Felix Koguzki, der ihn laut Steiners autobiographischer Darstellung in einem Vortrag von 1913 mit einem von Steiner namentlich nicht genannten Unbekannten zusammenbrachte. Näheres dazu können Sie hier auf S. 17 ff nachlesen. Alternativ auch hier derselbe Vortrag aus den Beiträgen zur Dornacher Gesamtausgabe. Hören wir einmal in den Vortrag hinein. - Auf S. 18 berichtet Steiner dazu folgendes: „Mein Felix war gewissermaßen nur der Vorherverkünder einer anderen Persönlichkeit, die sich eines Mittels bediente, um in der Seele des Knaben, der ja in der spirituellen Welt darinnenstand, die regulären, systematischen Dinge anzuregen, mit denen man bekannt sein muß in der spirituellen Welt. Es bediente sich jene Persönlichkeit, die nun wieder so fremd wie möglich allem Klerikalismus gegenüberstand und damit selbstverständlich gar nichts zu tun hatte, eigentlich der Werke Fichtes, um gewisse Betrachtungen daran anzuknüpfen, aus denen sich Dinge ergaben, in welchen doch die Keime zu der «Geheimwissenschaft» gesucht werden könnten, die der Mann, der aus dem Knaben geworden ist, später schrieb. Und manches, aus dem die «Geheimwissenschaft» geworden ist, wurde damals in Anknüpfung an Fichtes Sätze erörtert.“ Das sind wohl mit die entscheidenden Sätze in diesem Vortrag. Deswegen noch einmal im Wortlaut: „Es bediente sich jene Persönlichkeit, die nun wieder so fremd wie möglich allem Klerikalismus gegenüberstand und damit selbstverständlich gar nichts zu tun hatte, eigentlich der Werke Fichtes, um gewisse Betrachtungen daran anzuknüpfen, aus denen sich Dinge ergaben, in welchen doch die Keime zu der «Geheimwissenschaft» gesucht werden könnten, die der Mann, der aus dem Knaben geworden ist, später schrieb. Und manches, aus dem die «Geheimwissenschaft» geworden ist, wurde damals in Anknüpfung an Fichtes Sätze erörtert.“ Was hilft uns das jetzt zum Verständnis von Steiners Grundlagenforschung? Zunächst einmal, möchte man beinahe sagen, so gut wie nichts! Einzelheiten der Forschung können wir dem Vortrag nämlich keine entnehmen. Dazu ist die Auskunft Steiners viel zu vage. Das einzige was wir diesem sehr frühen Wiener Impuls durch Steiners unbekannten Inspirator sicher entnehmen könnten, ist die faktische Existenz von Steiners Grundlegungswerken. Das heißt: der erkenntniswissenschaftlichen Frühschriften Steiners. Deren ausdrückliche Aufgabe es in Steiners Augen war, die Grundlagen für Steiners spätere Anthroposophie zu legen. Was ja gut zu den von Steiner berichteten Gesprächen passte. Daß nämlich durch seine Forschung die nachfolgende Anthroposophie sich entwickelt hat. Diese jahrelange Grundlagenforschung, so darf man dann nämlich begründet vermuten, ist auch das direkte Resultat dieser von Steiner berichteten Besprechung. Dummerweise aber interessiert sich für Steiners Grundlagenforschung kaum einer von den Steinerapologeten und Steinererklärern aus dem Sammelband der Alanushochschule. Also: Wir wissen nicht näher, was da inhaltlich in Wien gesprochen wurde. Und selbst wenn wir das wüßten, wären wir angehalten Steiners wirkliches Vorgehen in den Frühschriften mit den Einzelheiten dieser Anregungen zu vergleichen, die wir aber im Detail nicht kennen. Was uns folglich bleibt, ist lediglich die begründete Annahme, dass Steiners erkenntniswissenschaftliche Frühschriften maßgeblich auch durch diese frühen Gespräche mit impulsiert wurden. Wenn man also wissen will, was dort behandelt wurde, dann sollte man sich Steiners Frühschriften näher ansehen, denn die wären dann auch ein wesentliches Resultat dieser Impulsierung. - Punkt! Damit ist die Sache eigentlich schon vom Tisch. Weitgehend. Und für den erkenntniswissenschaftlich orientierten Leser. Der «Anthroposoph» ohne Begründungsinteressen hingegen wird sich womöglich in endlosen und fruchtlosen Spekulationen darüber verlieren, was da wohl besprochen worden sein mag und Geheimnisse wittern. Gräbt dann uferlos in seinen Spekulationen und ist schließlich froh, wenn er bildlich gesprochen ein paar Regenwürmer findet. Dabei könnte er das faktische Resulat dieser Besprechung direkt aus Steiners Frühwerken ablesen. Es waren nämlich Steiners Grundlegungsschriften! Laut Steiners ständig wiederholter eigener Auskunft. Das wäre sozusagen die handlungslogische Linie. Die Klammer, welche von den genannten Wiener Besprechungen direkt zur Anthroposophie führt. Gut möglich, und sogar sehr wahrscheinlich dann auch, dass die Ausgangslage der Gespräche über Fichte auch die Gefahr im Fichteschen Denken zum Anlaß hatte, über die «innere Tathandlung» in das subjektivistische Herausspinnen der Welt aus dem Ich abzugleiten. In einen absoluten «Illusionismus der inneren Tathandlung». Gewissermaßen in eine idealistische Variante des radikalen Konstruktivismus. Das würde sich jedenfalls nahtlos auch in Steiners Permanenzkritik an Fichte in sämtlichen Begründungsschriften einfügen. Die innere Tathandlung allein garantiert aber noch längst keine objektive Erkenntnis – so lautet Steiners Vorwurf nicht nur in Kapitel VI von Wahrheit und Wissenschaft, sondern regelmäßig auch in den restlichen Frühschriften gegenüber Fichte. Das ist es, was in den Frühschriften besonders markant von Steiner kritisch an Fichtes Tathandlung, und zwar in allen drei Grundlegungsschriften thematisiert wird. Daß wiederum Fichte wie Schelling und Hegel «ohne Grundlagen dasteht», schreibt Steiner in Wahrheit und Wissenschaft ausdrücklich schon gleich auf S. 4 in der Vorrede zu ersten Auflage. Wie gesagt wissen wir aus den Gesprächsinhalten mit Steiners frühem Inspirator nichts Näheres über die Einzelheiten bezüglich Fichte. Wir können also nur entsprechende Vermutungen dazu anstellen, auf der Grundlage dessen was der frühe Steiner dazu in seinem Begründungswerk wirklich vorgelegt hat. Das aber signalisiert ganz unmißverständlich die Grenzen dessen, was er von Fichte hätte übernehmen können. Dessen Subjektivismus jedenfalls nicht. Und ein erkenntniswissenschaftliches Fundament schon gar nicht, denn das sprach Steiner Fichte im Verbund mit Schelling und Hegel schon gleich in der Vorrede zu Wahrheit und Wissenschaft rundheraus ab. Wenn wir Steiners Vorgehen des Frühwerkes betrachten, und Steiners Hinweise auf den unbekannten Impulsator, und diesen als inspirierende Quelle ernst nehmen, dann müssen wir uns mit diesem Frühwerk befassen, von dem Steiner fast unablässig darlegt, dass es die Grundlage seiner späteren Anthroposophie ist. Und folglich auch das Resultat dieser Besprechung in der Wiener Frühzeit, wenn man Steiners Vortragshinweis ernst nimmt: Das, was Steiner sozusagen als Forschungskonsequenz daraus für sich selbst gezogen hat. Das wäre ein Resultat davon. - Was wir beispielsweise noch wissen, ist Steiners intensives Fichtestudium in der Wiener Frühzeit, worüber er in seinem Lebensgang (hier, GA-28, S. 51 ff) ausführlicher berichtet. Hier in der jüngeren Ausgabe der GA-28 von 2000 auf S. 51 ff. Danach scheint sich Steiner bereits vor der Begegnung mit seinem Inspirator näher mit Fichte beschäftigt zu haben. Und was er damit tat, schreibt er in seinem Lebensgang (hier S. 50 f). So dass sein anonymer Gesprächspartner auch auf einen jungen Steiner traf, dem die Werke Fichtes und Kants nicht fremd waren. Wie weit sich dieses Fichtestudium dann in Steiners Frühwerk niedergeschlagen hat, das kann man beispielsweise seinem Fichtekapitel in Wahrheit und Wissenschaft entnehmen. Im übrigen findet sich dort wenig über Fichte, wenn man von Steiners kurzer kritischer Bemerkung dazu im Psychologiekapitel der Grundlinien … und später der Fichtekritik in der Philosophie der Freiheit absieht. Affirmatives zu Fichte hat sich im Grundlegungswerk also relativ sehr wenig erhalten. Und wenn, wie in Wahrheit und Wissenschaft, dann nicht ohne die maßgebliche Korrektur, dass beispielsweise «das Ich in Fichtes Tathandlung nicht irgend etwas setzt, sondern das Erkennen». (Siehe GA-3, Kap. VI, speziell hier S. 51 f). In sämtlichen Grundschriften überwiegt die entschiedene Kritik an Fichte, und nicht die affirmative Zustimmung. Für den Erkenntnistheoretiker Steiner liegt die entscheidende Tathandlung des Ich in diesem Fichte-Kapitel wiederholt darin, «die Idee des Erkennens zu verwirklichen» (siehe etwa hier S. 52 f). In diese Richtung wird Fichte korrigiert. Oder wenn wir es nicht nur kritisch nehmen wollen: präzisiert. Im Lebensgang (GA-28; hier S. 51 f) heißt es etwa zu Steiners frühen Wiener Fichtestudien: „Mir kam es damals darauf an, das lebendige Weben der menschlichen Seele in der Form eines strengen Gedankenbildes auszudrücken. Meine Bemühungen um naturwissenschaftliche Begriffe hatten mich schließlich dazu gebracht, in der Tätigkeit des menschlichen «Ich» den einzig möglichen Ausgangspunkt für eine wahre Erkenntnis zu sehen. Wenn das Ich tätig ist und diese Tätigkeit selbst anschaut, so hat man ein Geistiges in aller Unmittelbarkeit im Bewußtsein, so sagte ich mir. Ich meinte, man müsse nun nur, was man so anschaut, in klaren, überschaubaren Begriffen ausdrücken. Um dazu den Weg zu finden, hielt ich mich an Fichtes «Wissenschaftslehre». Aber ich hatte doch meine eigenen Ansichten. Und so nahm ich denn die «Wissenschaftslehre» Seite für Seite vor und schrieb sie um. Es entstand ein langes Manuskript.“ Das von Steiner genannte Manuskript zu Fichtes Wissenschaftslehre hat sich in Teilen erhalten. Es wird in den Beiträgen Nr. 30 zur Gesamtausgabe behandelt und findet sich dort auf S. 26 ff. Zu Fichtes «Tathandlung und tätigem Ich» siehe dort S. 31 ff. Wie die Herausgeber der Beiträge auf S. 34 schreiben, stammt Steiners Manuskript aus dem Jahre 1879. Aus einer Zeit, als der Schüler Steiner laut Christoph Lindenbergs Chronik, S. 48 f die Schule gerade verlassen hatte und sich zwecks Studium nach Wien begab. Eins der philosophischen Bücher, die er laut Selbstdarstellung dort bei seinem ersten Besuch in Wien kaufte, war der erste Entwurf von Fichtes «Wissenschaftslehre». Interessant ist Steiners Bemerkung im Manuskript in den Beiträgen auf S. 33 gegenüber Fichte, daß von einer «Tätigkeit als solcher» zu sprechen, keinen Sinn habe. Denn die Tätigkeit müsse einen Inhalt haben. Dasselbe Argument wird er nachfolgend rund 8 Jahre später, 1887 auch gegen Eduard von Hartmann vorbringen in der Auseinandersetzung um Idee und Wille in GA-1, Dornach 1987, hier S. 197. Auch dort richtet Steiner seine Kritik (diesmal gegen Hartmann) dahin, «von einem bloßen Wollen zu sprechen sei unstatthaft». Denn das Wollen müsse stets einen Inhalt haben, andernfalls habe man es nur mit einem leeren Drängen zu tun. Der menschliche Wille, so Steiner dort weiter, sei aber die «Idee selbst, diese als Kraft aufgefaßt». Erinnert sei in diesem Zusammenhang weiter auch an Steiners spätere Behandlung einer Gedankenmeditation, die zum Erleben einer «geistigen Willenswirklichkeit» führt GA-35, S. 276 f. Es gibt auch in dieser speziellen Frage eine klare Kontinuität von Steiners frühem Idealismus zur Methode des späteren Schulungsweges des Anthroposophen Steiner. Das Erkennen wird auch von Steiner selbstredend als «Tathandlung» betrachtet. Aber eine innere Tathandlung allein und isoliert für sich genommen ist für ihn nicht zureichend, um erkenntnistheoretische Fundamente zu legen. Denn das innere Tun kann sowohl in ein ganz und gar subjektivistisches Konstruieren einer philosophischen Phantasiewelt einmünden. – Was er zu wiederholten Malen Fichte in den Frühschriften vorhielt. Oder aber die Tathandlung kann als «Realisierung der Idee des Erkennens» in eine echte Erkenntnishandlung einmünden, die alles andere als subjektivistische Wirklichkeitskonstruktionen und -Illusionen erzeugt. Sondern als tätige Synthese von Wahrnehmung und Begriff, die ihrerseits vom erkennenden Subjekt nicht geschaffen, sondern ihm «gegeben» sind. Wo der Begriff seinersseits ebenso unabhängig wie die sinnliche Wahrnehmung, als tätige geistige Wahrnehmung vorliegt. Als «intellektuelle Anschauung», wie es in Wahrheit und Wissenschaft (hier S. 37) noch hieß – das heißt: Als «übersinnliche Wahrnehmung». Als solche Tathandlung mit objektivem Resultat und Erkenntnissen verstand Steiner das Handeln des Erkennens. «Das Ich setzt das Erkennen». Das Erkennen muß vom «Ich» als Synthesehandlung gewollt und verwirklicht werden. Alles andere als nur eine konstruktive innere Tathandlung oder nur das «Ich». Weit davon entfernt, die Welt aus dem Ich heraus zu erfinden. Während laut Fichtekapitel in Wahrheit und Wissenschaft die Gefahr bei Fichte ganz offenkundig sei, die ganze Welt illusionär aus dem Ich herauszuspinnen. Was bereits den Grundlinien … abzulesen ist, wo er im Kapitel 9 auch den Subjektivismus Fichtes zu widerlegen meint. Im Psychologiekapitel 18 neuerlich in Verbindung mit der seelischen Beobachtung, wo es etwa heißt: „Fichte sprach dem Menschen nur insofern eine Existenz zu, als er sie selbst in sich setzt. Mit andern Worten: die menschliche Persönlichkeit hat nur jene Merkmale, Eigenschaften, Fähigkeiten usw., die sie sich vermöge der Einsicht in ihr Wesen selbst zuschreibt. Eine menschliche Fähigkeit, von der der Mensch nichts wüßte, erkennte er nicht als die seinige an, er legte sie einem ihm Fremden bei. Wenn Fichte vermeinte, auf diese Wahrheit die ganze Wissenschaft des Universums begründen zu können, so war das ein Irrtum. Sie ist dazu bestimmt, das oberste Prinzip der Psychologie zu werden. Sie bestimmt die Methode derselben. Wenn der Geist eine Eigenschaft nur insofern besitzt, als er sich sie selbst beilegt, so ist die psychologische Methode das Vertiefen des Geistes in seine eigene Tätigkeit. Selbsterfassung ist also hier die Methode.“ So Steiner dort gleich nach der Feststellung, «daß die Psychologie die erste Wissenschaft sei, wo es der Geist mit sich selbst zu tun habe.» - Übrigens auch eine Perspektive, warum Steiner ein so mächtiges Interesse an den Arbeiten des «immanent-psychologisch» vorgehenden Erkenntnistheoretikers Volkelt zeigte. Der kam nämlich mit seiner «immanent psychologischen» Erkenntnistheorie, - dem Verständnis Volkelts nach eine voraussetzungslose psychologische Erkenntnistheorie, - bei dem von Steiner gemeinten «psychologischen Selbsterfassen» dem wirklichen und wirkenden Geist methodisch am allernächsten unter seinen philosophischen Zeitgenossen. Weit, weit näher kam er ihm damit als Fichte. Wiederum in der Philosophie der Freiheit machte Steiner Fichtes Absturz in den Subjektivismus zum Thema (hier S. 18; und S. 56 ff). Deswegen spricht er vorangehend in Wahrheit und Wissenschaft bereits von der «ganz verfehlten Form», die Fichtes Wissenschaftslehre angenommen habe. - So also, wie es aussieht, das könnte man sehr begründet vor dem Hintergrund der Wiener Gespräche mit Steiners Quelle, seinem unbekannten Inspirator, sagen, galt Steiners Behandlung Fichtes in weitem Umfang der Gefahr, in den fruchtlosen Illusionismus einer Ich-Schöpfung zu verfallen. In eine selbsttäuschende luziferische Aufblähung des «Ich», zum Weltenschöpfer, wenn man es aus dem anthroposophischem Gesichtswinkel betrachtet. Das jedenfalls zeigt durchgängig Steiners kritische Behandlung Fichtes in den Frühschriften, die ihrerseits wiederum von der Erfahrungsanalyse Volkelts geprägt ist, wie man dort lesen kann, und wie Steiner es in seiner Einleitung zu Wahrheit und Wissenschaft auch vorausschickt. Das «Ich» allerdings ist für Steiner nicht sein eigener Schöpfer. Sondern Schöpfer des Ich ist das reine Denken, - so ist es auch auf S. 102 im Aufsatz Philosophie und Anthroposophie zu lesen, von dem Hartmut Traub im Sammelband der Alanushochschule spricht. So steht es analog auch in der Zweitauflage der Philosophie der Freiheit, im achten und neunten Kapitel. 19. Fichtes Tathandlung und Volkelts immanent-psychologische Erkenntnistheorie in Steiners Grundlagen. Die Allgegenwart von «Humes Problem» in Steiners Grundlagenforschung sowie im damaligen philosophischen empiristischen Zeitgeist: Kausalitätsforschung mit psychologischen Mitteln Wohingegen Fichtes «innere Tathandlung» als solche Steiner natürlich nahe stand. Ebenso wie das von Fichte angesprochene «innere Sinnesorgan», und die von Fichte vertretene Auffassung, „dass eine Grundlegung aller Wissenschaften nur in einer Theorie des Bewusstseins bestehen könne“, wie es im Fichtekapitel von Wahrheit und Wissenschaft (hier S. 46) heißt. Insgesamt können Sie Fichtes von Steiner adaptierte und modifizierte innere Tathandlung bei Steiner überall dort ansiedeln, wo das Ich innerlich tätig ist. Und wo diese innere Tathandlung auch als solche erlebt wird. So etwa bei Steiners «allerwichtigster Beobachtung, die der Mensch machen kann» aus dem drittten Kapitel der Philosophie der Freiheit. Ferner als Steiners «oberstes Ziel der Psychologie», wo es darauf ankommt, den Menschen als einen Tätigen zu begreifen, wie es in den Grundlinien im Psychologiekapitel heißt. Wiederum können Sie sie ansiedeln beim «Prozeß, durch den Begriffe und Ideen erst gewonnen werden» aus der Philosophie der Freiheit. Ferner bei der «intellektuellen Anschauung» aus Wahrheit und Wissenschaft. Desgleichen beim «intuitiv erlebten Denken» aus der Philosophie der Freiheit. Überhaupt bei jedem Denk- und Erkenntnisprozeß, bei dem laut Philosophie der Freiheit «eine Wahrnehmung in die Wirklichkeit erkennend hinein gestellt wird». - Dazu gehört auch die Beobachtung des Denkens. Schließlich und endlich können Sie diese erlebte innere Tathandlung ansiedeln bei der Lösung des Kausalitätsproblems von Kant und Hume. Als einen «erlebten Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem», der vom menschlichen Ich beim Erkennen als tätig erwirkter Prozeß durchlaufen wird, und damit bei dessen Beobachtung auch «als Weltgeschehen durchschaut» wird, wie es in Goethes Weltanschauung heißt. (Hier in der Erstauflage von 1897, S. 69 f; und hier in der GA-6 von 1990, S. 84 f.) Das Weltgeschehen wiederum «durchschaut» man nur, wenn der Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem klar, und nicht im höchsten Maße zweifelhaft ist wie bei Kant und Hume. Womit Fichte über seine innere Tathandlung als Kritiker und Nachfolger Kants zusammen mit dem «Aristoteliker» Steiner, Dilthey und Volkelt, sowie zahllosen anderen Zeitgenossen in jenen philosophischen Strom gehörte, der auf dem Wege war, das von Hume und Kant (besonders aufschlußreich hier S. 6 ff etablierte) «Fundamentalproblem von Kausalität und Welterkenntnis» auf dem Wege der «inneren Beobachtung», und mit der Frage nach «innerer Kausalität» zu lösen. Wozu natürlich eine unmittelbar zu erlebende «innere Tathandlung», zumal des Denkens und Erkennens, empirisch und philosophisch wie geschaffen ist, das näher zu untersuchen. Als Gegenstand und Objekt der empirischen Beobachtung, und nicht nur als ihr weitgehend unbekanntes «inneres Werkzeug der Erkenntnis», um es einmal so zu sagen. 20. Edith Stein über «Humes Problem» und psychologische Kausalitätsforschung Von diesem Problem Humes und Kants und seiner Lösung auf dem Wege einer Untersuchung der «inneren Kausalität» schreibt die Husserlschülerin und dessen Freiburger Assistentin Edith Stein in ihrem Habilitationsentwurf über Psychische Kausalität, - (hier im Edith Stein Archiv, in der Einleitung, und vor dem Hintergrund der Phänomenologie des frühen Husserl), - dass «dieses Problem Humes und Kants in fast unübersehbarer Fülle aus den erkenntniswissenschaftlichen Untersuchungen der Jahrhundertwende direkt oder mittelbar herausleuchte». (Alternativ im Jahrbuch für Philosophie und phänomenologische Forschung, Bd. 5, Halle, 1922, Einleitung, S. 2.) Wobei sich Edith Steins eigener Mentor und Lehrer Husserl, für den schon Freiheitsfragen kein zentrales Kernthema waren wie bei Rudolf Steiner, sich auch für dieses naturwissenschaftliche Fundamental-Thema seiner Assistentin definitiv nicht interessierte, weswegen sie ihre Assistentenstellung bei ihm bald darauf quittierte. Und später vom jüdischen zum christlichen Glauben übertrat und Karmeliterin wurde. Was angesichts Steiners Arnheimer Vortrag über das Zusammenwirken von Aristotelikern und Platonikern reichlich Stoff zum Nachdenken gibt. (Siehe ausführlichere Einzelheiten dazu hier, Kapitel 13.3b, auf derzeit S. 536 ff.) Aber hören wir Edith Stein selbst zur Frage der inneren Kausalität, so wie sie einleitend das komplexe Problem kurz umriß: „Eine fast unübersehbare Literatur liegt bereits vor, die sich mit dem Thema der psychischen Kausalität beschäftigt. Begreiflicherweise, da mit diesem Problem höchste philosophische Fragen metaphysische und erkenntnis- bzw. wissenschaftstheoretische verknüpft sind. [ ] In dem alten Streit zwischen Determinismus und Indeterminismus taucht die Frage auf, ob das menschliche Seelenleben ganz oder doch einem Teil seines Bestandes nach dem großen Kausalzusammenhang der Natur eingeordnet ist. Das Problem wird allerdings nicht immer so gestellt. Mancherlei und recht Verschiedenes geht unter den Titeln »Freiheit« und »Notwendigkeit« durcheinander: Bald handelt es sich um die Abhängigkeit des Willens von der theoretischen Vernunft, bald um die Abhängigkeit des menschlichen vom göttlichen Willen, bald um die allgemeine Kausalgesetzlichkeit. In der neueren Literatur jedoch dreht es sich im wesentlichen um die letzte Frage. Freilich ist auch diese keineswegs eindeutig. Einmal betrifft sie das Problem, so wie wir es hier stellten, die Einordnung des Psychischen in den einen Zusammenhang der Natur: Dann tritt sofort in den Mittelpunkt die Untersuchung der Zusammenhänge zwischen Psychischem und Physischem, und zwar zumeist in der historischen Form der Auseinandersetzung zwischen psychophysischem Parallelismus und Wechselwirkungstheorie. Daneben und meist im Zusammenhang mit dieser Streitfrage wird das andere Problem erörtert, ob vielleicht das Psychische seinen eigenen, der Gesetzlichkeit der physischen Natur analogen Notwendigkeitszusammenhang hat. Im Sinne der alten Psychologie sind es dann die Assoziationsprinzipien, die als Naturgesetze aufgefaßt werden; in neuerer Zeit hört man öfters die Motivation als »Kausalität des Psychischen« bezeichnen (dies besonders, wo es sich um die Frage der »Notwendigkeit« des historischen Geschehens handelt). Ohne Zweifel ist in den vielen Untersuchungen, die diesen Problemen gewidmet wurden, vieles Wertvolle herausgestellt worden. Wenn wir in den folgenden Betrachtungen trotzdem nicht an diese Untersuchungen anknüpfen, sondern ganz von vorn beginnen und einen neuen Zugang suchen, so hat das seine guten Gründe. Eine systematische Klärung der psychischen Kausalität ist ausgeschlossen, solange man nicht wenigstens einige Klarheit darüber hat, was das »Psychische« und was »Kausalität« ist. Daran fehlt es aber in der vorliegenden Literatur noch völlig." Wenn Sie Edith Stein folgen, dann war das Thema «psychische Kausalität» zur Zeit der damaligen Jahrhundertwende ein nahezu flächendeckender philosophischer Forschungsgegenstand. Wobei der größte Teil der «jüngeren» Forschungsliteratur der Frage der Abhängigkeit des Menschen von der Kausalgesetzlichkeit der Natur gewidmet war. Also genau dort, wo Steiner sich laut Philosophie der Freiheit von der übergreifenden Problemstellung her selbst ansiedelt. Wenn Sie als Leser in Steiners Frühschriften hineinschauen, dann werden Sie auf Anhieb und fast mühelos die thematische Verbindung zu dieser knappen Kennzeichnung Edith Steins auffinden. Schauen Sie sich dazu nur die Leitfrage des 1. Kapitels der Philosophie der Freiheit an: “Ist der Mensch in seinem Denken und Handeln ein geistig freies Wesen oder steht er unter dem Zwange einer rein naturgesetzlichen ehernen Notwendigkeit? Auf wenige Fragen ist so viel Scharfsinn gewendet worden als auf diese. Die Idee der Freiheit des menschlichen Willens hat warme Anhänger wie hartnäckige Gegner in reicher Zahl gefunden. Es gibt Menschen, die in ihrem sittlichen Pathos jeden für einen beschränkten Geist erklären, der eine so offenkundige Tatsache wie die Freiheit zu leugnen vermag. Ihnen stehen andere gegenüber, die darin den Gipfel der Unwissenschaftlichkeit erblicken, wenn jemand die Gesetzmäßigkeit der Natur auf dem Gebiete des menschlichen Handelns und Denkens unterbrochen glaubt. Ein und dasselbe Ding wird hier gleich oft für das kostbarste Gut der Menschheit wie für die ärgste Illusion erklärt. Unendliche Spitzfindigkeit wurde aufgewendet, um zu erklären, wie sich die menschliche Freiheit mit dem Wirken in der Natur, der doch auch der Mensch angehört, verträgt.“ - Auf einen Blick können Sie hier erkennen, wo Steiner mit seiner Frage anzusiedeln ist. Laut Edith Stein bei der «Mehrheit jener Zeitgenossen, die der Frage nachgehen, wie weit der menschliche Wille in die allgemeine Kausalgesetzlichkeit der Natur einzuordnen ist oder nicht». - Bei diesen «zahlreichen und mehrheitlichen jüngeren Untersuchungen» (Edith Stein) zur psychischen Kausalität siedelt sich nach eigenen Worten Steiner mit seiner Leitfrage ganz unverkennbar selbst an. Und macht von der Antwort auf die Frage: «Ist der Mensch in seinem Denken und Handeln ein geistig freies Wesen oder steht er unter dem Zwange einer rein naturgesetzlichen ehernen Notwendigkeit? Und: Wie sich die menschliche Freiheit mit dem Wirken in der Natur … verträgt» seine ganze Freiheitsphilosophie abhängig. Insofern ist es nur konsequent, wenn er dann am Ende von Kapitel Zwei und in Anlehnung an Goethes Hymnus «Die Natur» nach dem Wirkenden der Natur im eigenen Inneren fragt. Damit folgt er ganz derselben Linie, wie sie Edith Stein für die umfangreiche «innere» Kausalitätsforschung ihrer Zeit kennzeichnet. Mit einer vorsichtigen Anlehnung an den Idealismus Goethes im Fall Steiners. Und der nachfolgenden «allerwichtigsten Beobachtung, die der Mensch machen kann» im Folgekapitel Drei. Wenn Sie darüber hinaus noch Edith Steins anschliessender historischer Behandlung des Kausalitätsproblems folgen, dann wird es Ihnen damit genau so ergehen: Sie können fast auf Anhieb die verschiedenen Zusammenhänge mit Steiners Frühschriften erkennen. Edith Stein schreibt in der Einleitung weiter: „Der Kausalbegriff hat sich noch heute nicht von dem Schlage erholt, den ihm Humes vernichtende Kritik versetzte (trotz des skeptischen Widersinns in seiner Methode, die auf Grund einer kausalen Betrachtung den Kausalbegriff auflöst). Der Geist der Humeschen Kritik ist in allen modernen Behandlungen des Problems durchzuspüren – trotz Kant und der »endgültigen Lösung«, die man ihm zuzuschreiben pflegt. Und das ist gar kein Wunder. Denn was Hume suchte und schließlich als unauffindbar zu erweisen glaubte – das Phänomen der Kausalität –, das hat auch Kant nicht aufgezeigt. Er teilt vielmehr offenbar in diesem Punkte Humes Ansicht und folgert aus der Unaufweisbarkeit der Kausalität, die er anerkennt, die Notwendigkeit, die Untersuchung auf einem ganz anderen Boden fortzuführen. Er deduziert Kausalität als eine der Bedingungen der Möglichkeit einer exakten Naturwissenschaft, er zeigt, daß Natur im Sinne der Naturwissenschaft ohne Kausalität nicht denkbar ist. Das ist ein unanfechtbares Ergebnis, aber es ist keine Erledigung des Kausalproblems und keine befriedigende Antwort auf Humes Frage. Hume kann nur auf seinem eigenen Boden überwunden werden oder richtiger: auf dem Boden, auf dem er seine Betrachtung durchzuführen suchte, den er selbst aber nicht genügend methodisch zu sichern vermochte.“ 21. Der «Kant-Überwinder» Steiner im Forschungsverband um das empirische Begründungsproblem der Naturwissenschaft Rudolf Steiner, Fichte, Volkelt, Wilhelm Dilthey und Edith Stein sind nur fünf prominentere Beispiele für diese Sachlage, welche das Denken dieser Zeit in hohem Maße prägte. Nämlich das «empirische Begründungsproblem der Naturwissenschaft schlechthin», wenn man Edith Stein, Wilhelm Dilthey, Rudolf Steiner, Johannes Volkelt und all den anderen folgt, die dem nachgingen. Verständlich ist es daher, dass jemand, der «Kant überwinden» will, wie Rudolf Steiner in Wahrheit und Wissenschaft (Vorrede von 1892) betont, auch keine Mühe scheut, das Kausalitätsproblem von Kant und Hume zu lösen, denn das ist die Voraussetzung zu Kants Überwindung. Andernfalls würde aus Steiners Befreiung von Kant nichts werden. Folglich wird er den selben Weg beschreiten wie Edith Stein und viele andere damals, um es auf dem Wege der inneren Beobachtung zu bewältigen. So war es bei Steiner auch. Denn einleuchtend ist angesichts dessen ebenso, dass «innere Tathandlungen», die der Mensch beim Erkennen, Denken und Vorstellen selbst unmittelbar erlebt, eine außerordentlich große empirische / erkenntniswissenschaftliche Rolle spielen müssen bei der Lösung dieses Kant / Humeschen Problems. Wie es bei Fichte, Volkelt, Steiner, Wilhelm Dilthey und allen anderen der Fall war. So auch beim denkpsychologischen Zeitgenossen Oswald Külpe, der darüber, über diese innere Aktivität und ihre psychologisch / philosophische Bedeutung, in einem längeren Artikel Über die moderne Psychologie des Denkens (S. 297 ff, speziell S. 310 ff) schrieb. Wo es mit besonderer kritischer Stoßrichtung gegen die veraltete Assoziationspsychologie und ihre wirklichkeitsfremden chemischen Analogien des Denkens auf S. 309 ff heißt: „Es ist bezeichnend, daß eines der ersten Ergebnisse unserer Denkpsychologie negativ war: die von dem bisherigen Begriffsmaterial der experimentellen Psychologie zur Verfügung gestellten Termini der Empfindung, des Gefühls, der Vorstellung und ihrer Verbindungen gestatten nicht, die intellektuellen Prozesse zu fassen und zu bestimmen. Aber auch der neue, durch die Beobachtung der Tatsachen aufgezwungene, mehr eine Umschreibung als eine Beschreibung ermöglichende Begriff der Bewußtseinslage reichte dafür nicht aus. Schon die Untersuchung primitiver Leistungen des Denkens zeigte alsbald, daß auch Unanschauliches gewußt werden kann, daß die Selbstbeobachtung ungleich der Naturbeobachtung wahrzunehmen, als vorhanden und in bestimmter Beschaffenheit ausgeprägt festzustellen vermag, was weder farbig noch tönend, was weder bildhaft noch gefühlsmäßig gegeben ist. Die Bedeutungen abstrakter und allgemeiner Ausdrücke sind auch dann im Bewußtsein nachweisbar, wenn sich außer den Worten nichts Anschauliches entdecken läßt, und werden selbst ohne Worte oder andere Zeichen erlebt und vergegenwärtigt. Der neue Begriff der Bewußtheit brachte diese Tatsachen zum Ausdruck. So wurde das starre Schema der bisher allein anerkannten Elemente des Seelenlebens in einer wichtigen Richtung erweitert. [ ] Die experimentelle Psychologie ist damit vor neue Erfahrungen gestellt, die nach allen Seiten große Perspektiven eröffnen. Zu den unanschaulichen Tatbeständen gehören nicht nur gewußte, gemeinte, gedachte Gegenstände mit ihren Beschaffenheiten und Beziehungen, sondern auch Sachverhalte, die sich in Urteilen ausdrücken lassen, und die mannigfachen Betätigungen, die Akte oder Funktionen, mit denen wir zu den gegebenen Bewußtseinsinhalten Stellung nehmen, sie ordnen und bestimmen, sie anerkennen oder verwerfen. Konnte man sich auf Grund der Empfindungs und Vorstellungslehre eine Mosaikstruktur des Seelenlebens und eine automatische Gesetzmäßigkeit im Kommen und Gehen der Bewußtseinselemente zurechtlegen, so war jetzt einer solchen Vereinfachung und Anlehnung an chemische Analogien der Boden entzogen. Nur noch als künstliche Abstraktionen, als willkürlich herausgelöste und verselbständigte Bestandteile konnten die anschaulich gegebenen Inhalte gelten. Innerhalb eines vollen Bewußtseins aber wurden auch sie zu Teilerscheinungen, von Auffassungseinflüssen verschiedener Art abhängig und in einen Zusammenhang geistiger Prozesse gestellt, der ihnen erst Sinn und Wert für das erlebende Subjekt verlieh. So wenig das Wahrnehmen als ein bloßes Haben von Empfindungen charakterisiert werden konnte, so wenig war das Denken als ein assoziativer Ablauf von Vorstellungen zu begreifen. Die Assoziationspsychologie, wie sie von Hume begründet worden war, hatte ihre Alleinherrschaft eingebüßt. [ ] Die Unabhängigkeit der Gedanken von den Zeichen, in denen wir sie ausdrücken, ebenso wie die eigentümlichen, freien, von den Gesetzen der Vorstellungsassoziation nicht beeinflußten Beziehungen, die sie miteinander eingehen, haben uns die Selbständigkeit der Gedanken als einer besonderen Klasse von Bewußtseinsinhalten dargetan. Damit aber erweitert sich nun auch das Gebiet der Selbstbeobachtung in beträchtlichem Umfange. Nicht nur das Anschauliche, Sinnfällige und dessen Beschaffenheiten und Färbungen gehören zu unserem Seelenleben, sondern auch das Gedachte, Gewußte, an dem wir keine Farbe oder Gestalt, keine Annehmlichkeit oder Unannehmlichkeit wahrnehmen können. Wir wissen, wie schon die alltägliche Erfahrung lehrt, daß wir über eine große Spontaneität im Suchen, Aufnehmen und Erfassen von Gegenständen, in der Beschäftigung mit ihnen, in der Wirkung auf sie verfügen. Auch von dieser Aktivität der Seele hatte die Psychologie bisher nur wenig Notiz genommen. F. A. Lange hatte das Wort von der wissenschaftlichen Psychologie ohne Seele geprägt, in der die Empfindungen und Vorstellungen mit ihren Gefühlstönen die alleinigen Bewußtseinsinhalte seien und die Psychologie darüber zu wachen habe, daß sich keine mystischen Kräfte wie etwa ein Ich in diese psychologische Welt einschlichen. Man dürfte exakterweise nur noch sagen: es denkt, nicht aber: ich denke, und das Spiel solchen Denkens bestand in nichts anderem, als in dem durch Assoziationsgesetze geregelten Kommen und Gehen der Vorstellungen. Es gibt noch heute Psychologen, die sich über diesen Standpunkt nicht erhoben haben. Ihnen gilt der Vorwurf, daß ihre Psychologie wirklichkeitsfremd ist, sich in einer abstrakten Region bewegt, den Zugang zu der vollen Erfahrung weder sucht noch findet. Sie sind es, die den Vertretern der Geisteswissenschaft, die allenthalben nach psychologischer Begründung verlangen, Steine statt des Brotes bieten, und die auch der den Anschluß an die Psychologie erstrebenden Biologie nicht zu raten und zu helfen wissen. Wahrlich ein eigentümliches Schauspiel, daß diejenigen, die ex professo ausgehen, das Seelenleben zu erforschen und zu erkennen, an dessen Außenwerken stehen bleiben und sich mit dem Hallerschen Spruche trösten: ins Innre der Natur dringt kein erschaffner Geist.“ [Hervorhebung MM; in Külpes Original von 1912 heißt es „Wahrlich“. In Bühlers späterer Ausgabe von 1922 ist offensichtlich ein Fehler unterlaufen, so dass dort „Wahrscheinlich“ steht. Was allerdings an dieser Stelle keinen rechten Sinn ergibt. Bei Paul Ziche, 1999, S. 53 ist es ebenfalls korrekt mit „Wahrlich“ aufgenommen worden.] Erstmals veröffentlicht wurde dieser Bericht von Külpe im Jahre 1912 in, Internationale Monatsschrift für Wissenschaft, Kunst und Technik, 6, 1912, Sp. 1069-1110. Zum sinnlichkeitsfreien / anschauungslosen Denken siehe dort die Spalten 1084 ff. Wie der Leser bereits an diesem kurzen zitierten Ausschnitt erkennen kann, ging es Külpe nicht nur um die Unanschaulichkeit und Eigenständigkeit der Gedanken, sondern auch wesentlich darum, die mechanistischen Vorstellungen vom Seelenleben und zumal des Denkens und Urteilens empirisch zu korrigieren, die von einer veralteten Assoziationspsychologie Humes und seiner Nachfolger nach dem Modell eines automatisch verlaufenden Chemismus des Seelenlebens ausgebildet worden waren. Die als veraltete, aber einflußreiche mechanistische Psychologie auch wenig Interesse an der direkten Erforschung der seelischen Tatsachen zeigte, und jede Eigenaktivität des Menschen im Bewußtsein kategorisch leugnete. Obwohl, wie Külpe schreibt, diese Eigenaktivität jeder gewöhnlichen vorwissenschaftlichen Selbstbeobachtung schon ohne weiteres zugänglich war. Wie wir es analog dazu auch von Steiner in Wahrheit und Wissenschaft im Kapitel Vier und öfter annähernd 20 Jahre vor Külpe, und noch früher 1886 in Steiner Grundlinien unter dem Stichwort «Erlebter Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem» bereits lesen können. Die natürliche Verbindung von Psychologie, Erkenntnistheorie, Naturwissenschaft, Kausalitätsfragen und Platonismus / Universalienrealismus liegt, wie man an solchen Darstellungen sieht, einfach auf der Hand. Was bei Steiner bereits im Zusammenhang mit der Frage von Ursache und Wirkung in seiner kurzen Kontroverse mit Eduard von Hartmann von 1887 angelegt ist in den Einleitungen in Goethes Naturwissenschaftliche Schriften, (GA-1, hier S. 197), wonach «Wille die Idee selbst sei, diese als Kraft aufgefaßt». (In der Kürschnerausgabe von Bd 34, 1887, auf S. XLV). Wie gesagt: dies von Steiner gegen Hartmann mit idealistischer Betonung so ausgeführt vor dem Hintergrund der Frage nach dem Zusammenhang von Ursache und Wirkung. Dem später (1920, in GA-202, S. 202 ff), zwar aus dem anthroposophischen Gesichtswinkel, aber mit Blick auf die Neuauflage der Philosophie der Freiheit der Hinweis folgte, «das reine Denken der Philosophie der Freiheit sei ebensogut als reiner Wille zu verstehen». 22. Bedeutung der Kausalität für die naturwissenschaftliche Welterklärung: Beispiel Hume Warum wiederum die sichere Klärung von Humes und Kants Problem der Kausalität damals (und heute nach wie vor) eine so große Bedeutung für die Welterklärung hat, können Sie auch sehr anschaulich einer Schrift von Alois Riehl aus dem Jahre 1908 entnehmen, mit der wir ergänzend die von Edith Stein illustrierte Sachlage kurz beleuchten. Der dort auf S. 119 f über David Humes Einschätzung der Kausalität schreibt: „... alle Folgerungen von Tatsachen gründen sich, es sei näher oder ferner, unmittelbar oder mittelbar, auf die Beziehung von Ursache und Wirkung. Alle Erfahrungsschlüsse sind kausale Schlüsse; die Kausalität ist nicht bloss das oberste, sie ist das einzige Prinzip der Erkenntnis von Tatsachen, das einzige Prinzip der Erfahrung. Die Erfahrung prüfen heisst mithin die Kausalität prüfen, und darum steht bei Hume die Prüfung des ursächlichen Verhältnisses im Mittelpunkt der Kritik der Erfahrung. [...] Kausalität ist die einzige Form, Begriffe mit Tatsachen zu verbinden, der einzige Weg, der über blosse Begriffe hinausführt zu Erfahrung und Wirklichkeit. Die Wissenschaft gebraucht den Kausalsatz als Voraussetzung; sie muss ihn als zugestanden, als erwiesen ansehen, denn er ist für sie ein methodischer Satz, der ihr Verfahren leitet, die Anweisung, Gesetze der Dinge zu suchen; daher seiner allgemeinen Form nach vielmehr ein Gesetz der Erforschung der Natur, als unmittelbar ein Gesetz der Natur selbst. [Hervorhebung, MM] Alle wissenschaftliche Erwartung und Voraussicht gründet sich auf diesen Satz, ebenso aber auch alle Klugheit und Berechnung des gewöhnlichen Lebens.“ (Alois Riehl, Der philosophische Kritizismus, Bd. 1, Leipzig 1908, S. 119 f.) Dahinter steht, wie Riehl nachfolgend noch ausführt, natürlich auch eine wohlbekannte Tatsache der Philosophie und Wissenschaftstheorie. Nämlich der «Satz vom Grund» und vom «ausgeschlossenen Dritten». Insofern ist sehr erhellend, mit Blick auf das Kausalproblem die damalige Zeitlage um Steiner dargelegt zu bekommen. Die zentrale Frage der Naturerklärung und der Orientierung in der Wirklichkeit ist die nach den darin vorhandenen Wirksamkeiten und ihren Zusammenhängen, den Ursache-Wirkungs-Beziehungen. Wobei der Kantianer Riehl auch implizit das Dilemma des Kantianismus eingebunden hat, insofern das Kausalgesetz als ein bloss regulatives Gesetz zur Erforschung der Natur galt, und weniger als eines der Natur selbst. Letzteres wussten nämlich die Kantianer und Anhänger Humes gar nicht: Nämlich ob das Kausalgesetz überhaupt ein Naturgesetz war. Also machten sie aus dieser Not eine Tugend. Und, weil sie nichts anderes in Aussicht hatten, schrieben sie der Natur schlechterdings vor, dass sie sich gefälligst nach dem Kausalgesetz zu richten habe, - ob es nun galt oder nicht. Kants berühmte «Kopernikanische Wende» aus der Kritik der reinen Vernunft. Und damit machte man in den Augen Steiners laut Kapitel 14 der Grundlinien den «Dogmatismus» zum beherrschen Prinzip der Wissenschaft, - und nicht das Erfahrungsprinzip. Mehr noch: Sie machten damit die ganze Naturforschung zur rein subjektiven Projektion von Dogmatikern, die nicht wussten, wie sie der Natur erkennend anders beikommen sollten, als damit, ihr Vorschriften zu machen wie sie zu sein habe. Das zudem in einer Zeit, in welcher der Materialismus, der auf solche halbseidenen Prinzipen setzte, sich anschickte, auf derart unausgegorenen Grundlagen die ganze Welt zu erobern und sich zu unterwerfen. Als Resultat eines subjektivistisch-dogmatischen Kantianismus (und Humeismus), den Steiner zu überwinden trachtete. Das sind die zwei Seiten der Naturerklärung: Die regelmäßige und umfassende Anwendung des Prinzips von Ursache und Wirkung auf sämtliche Erscheinung der Erfahrungs-Wirklichkeit. Dem im scharfen Kontrast die andere Seite gegenüber steht: Nämlich für das Prinzip von Ursache und Wirkung in der Erfahrung keine empirische Begründung finden zu können. Was sich in der von Riehl zitierten Passage bereits unmissverständlich andeutet in Worten wie: „Die Wissenschaft gebraucht den Kausalsatz als Voraussetzung; sie muss ihn als zugestanden, als erwiesen ansehen, denn er ist für sie ein methodischer Satz, der ihr Verfahren leitet, die Anweisung, Gesetze der Dinge zu suchen; daher seiner allgemeinen Form nach vielmehr ein Gesetz der Erforschung der Natur, als unmittelbar ein Gesetz der Natur selbst.“ Die Wissenschaft baute nach Riehls Worten permanent bei der Naturforschung auf einem vorausgesetzten Kausalprinzip als «methodischer Anweisung» auf, obwohl es für sie und die Wissenschaftsphilosophen höchst ungewiß war, ob es überhaupt galt, weil sie keinen empirisch sicheren Beleg dafür nennen konnten. Deswegen bezeichnet Riehl den Kausalsatz als einen «bloß methodischen Satz, der mehr für die Erforschung der Natur gelte, als für die Natur selbst.» - Ein lediglich «regelndes» / regulatives Prinzip für die Naturforschung. Aber ohne Anspruch auf gesicherte Geltung in der Natur. In erster Linie also pragmatisch / pragmatistisch zu nehmen, und nicht mit dem Anspruch versehen, sich der Natur tiefgründig aufklärend und sie verstehend zuzuwenden. Und, - das scheint mir jetzt besonders wichtig für das Steinerverständnis zu sein: - Damit in dieser Form auch keine ernstzunehmende Basis für eine gründliche Freiheitsforschung, die nach der Abhängigkeit des menschlichen Denkens und Handelns von der Naturkausalität fragt. Denn mit einem derart windigen, bloß regulativen Prinzip, kann natürlich niemand arbeiten, der seriös und gehaltvoll empirisch nach der Abhängigkeit des menschlichen Denkens und Handelns von der Naturkausalität und den Naturnotwendigkeiten fragt, und das empirische Fundament für alles Erkennen sucht. Wer also nach dem «naturwissenschaftlich Sicheren» fragt, wie Steiner in seinen Frühschriften, und noch einmal besonders betont in der Eigenaussage in GA-255b auf S. 295 ff, der kann mit einem so fadenscheinigen regulativen Kausalitätsprinzip als «Vorschrift zur Naturforschung» (Riehl) gewiss nichts anfangen. - Was aber bezeichnenderweise nicht nur für Steiner galt, daß er sich damit nicht abfinden wollte. Sondern laut Edith Stein galt das für «unübersehbar viele Publikationen dazu», die sich in dieser Zeit dem Kausalitätsproblem widmeten. Wozu neben Steiner auch Volkelt oder Dilthey und zahllose andere gehörten, um nur diese wenigen hier stellvertretend zu nennen. Diese Lage war also für die Naturwissenschaft und aus aus der Sicht ernsthafter Philosophen und Naturwissenschaftler ein ungeheures Dilemma: Nämlich ihre vom Kausalprinzip geleitete Naturforschung faktisch ebenso auf einem bloßen dogmatischen Glauben gründen zu müssen wie andere ihren vorwissenschaftlichen Glauben an Gott und jenseitige Geister. Denn wo man etwas «sachlich nie erreichen kann» wie im Fall des Zusammenhangs von Wirkendem und Bewirktem bei Kant und Hume, da tritt an die Stelle des sachlich begründeten Wissens der wissenschaftlich unbegründete Glaube. Deswegen sprach Steiner in diesem Fall im Kapitel 14 der Grundlinien mit Blick auf Kant vom «Dogmatismus» der Offenbarung und der Erfahrung, «die an die Sache nie herankommen». Besonders klar und übersichtlich wiederum zusammengefaßt wird Humes Stellung zum seiner (Humes) Meinung nach unlösbaren Kausalitätsproblem von Steiners Zeitgenossen Robert Reininger in dessen Schrift Locke, Berkeley, Hume von 1922 auf S. 168 – 170. Dort heißt es resümierend auf S. 169 f zu Humes Auffassung: „Demonstrativ erkennbar oder a priori beweisbar sind also weder der Kausalsatz noch die einzelnen Kausalurteile. Der Begriff der «Notwendigkeit», den sie enthalten, hat also mit der logischen Denknotwendigkeit nichts zu tun. Ebensowenig sind sie aber auch intuitiv oder durch unmittelbare Erfahrung einzusehen. Die Notwendigkeit, welche beide von der kausalen Verbindung aussagen, beruht letzten Grundes auf der Annahme einer Kraft, welche, der «Ursache» innewohnend und von ihr ausgehend, das Auftreten der «Wirkung» genannten Erscheinung erzwingt. Empirisch gerechtfertigt wäre diese Annahme aber nur dann, wenn es gelänge, in der Reihe der Perzeptionen eine Impression aufzuzeigen, als deren Kopie diese Idee einer Wirksamkeit (efficacy), eines treibenden Agens (agency), einer Macht (power), Kraft (force), Energie (energy), objektiven Notwendigkeit (necessity), inneren Verknüpfung (connexion) oder eines schöpferischen Vermögens (productive quality) angesehen werden könnte. Denn da die genannten Ausdrücke ungefähr synonym sind, würde sich jede Erklärung im Zirkel bewegen, welche einen von ihnen durch einen anderen erläutern wollte. Eine Impression der «Kraft» oder des „Wirkens" findet sich nun in der äußeren Erfahrung nirgends. Die Wahrnehmung zeigt uns immer nur die mit gewisser Regelmäßigkeit sich wiederholende räumlich-zeitliche Berührung bestimmter Phänomene, aber niemals das Band, das sie miteinander verknüpft. Wenn wir die Hand einer Flamme nähern, so folgt auf deren Berührung die Empfindung der Hitze; wenn eine bewegte Kugel auf eine ruhende aufstößt, folgt die Bewegung der letzteren; das ist alles, was uns die Beobachtung zeigt. Niemals aber nehmen wir wahr; wie es die eine Erscheinung anfängt, die andere hervorzurufen oder ihr Auftreten zu erzwingen. Nur das regelmäßige Verbundensein (conjunction) zweier Erscheinungen ist Sache der Erfahrung, nicht die Notwendigkeit ihrer Verknüpfung (connexion). Aber auch die innere Wahrnehmung bietet keine direkte Impression dieser Art. Denn auch jenes Kraft- oder Willensgefühl, das wir erleben, wenn wir eine Bewegung unseres Leibes auszuführen beabsichtigen, oder jenes Gefühl der Anstrengung (nisus) bei Überwindung von Widerständen sind kein Urbild der Kraft in dem hier gemeinten Sinne. Sollten sie das sein, so müßten wir unmittelbar wahrnehmen, wie unser Wille es anfängt, den Arm zu bewegen, d. h. wir müßten die Impression seiner kausalen Wirksamkeit besitzen. Nichts ist aber dunkler und geheimnisvoller als der Zusammenhang von Seele und Leib, und auch die Herrschaft des Willens über unseren Geist ist um nichts begreiflicher. Daher mußten auch noch alle Naturphilosophen zugeben, daß das letzte Wesen der wirkenden Naturkräfte uns vollkommen verborgen bleibt. «Wir haben also keinen Eindruck», so schließt Hume diese Untersuchung, «der irgend etwas von Kraft oder Wirksamkeit in sich schlösse; wir haben also keine Vorstellung von Kraft.» Da aber jene «Notwendigkeit» des Geschehens, welche das Kausalprinzip behauptet, an der Vorstellung einer Kraft hängt, welche das Erfolgen der Wirkung erzwingt, so fällt auch sie dahin: «Notwendigkeit» ist weder demonstrativ noch intuitiv, und folglich gar nicht zu begründen. Damit kommt auch unser Vertrauen in die Gleichmäßigkeit des Naturlaufs ins Wanken; denn da unser Wissen von ihm nur so weit reicht wie unsere bisherige Erfahrung, ist auch unsere Voraussetzung der Wiederkehr des Gleichen unter gleichen Umständen ihrer Grundlage beraubt. Das Ergebnis ist also, daß sich das Kausalprinzip erkenntnistheoretisch nicht legitimieren läßt. Die Assoziation nach Ursache und Wirkung wird damit nicht unterbunden, denn in ihr unterliegen wir einem psychologischen Zwange. Wir wissen aber nun, daß es sich auch hier nur um eine Täuschung der Einbildungskraft handeln kann, und daß daher allen «Erklärungen» und Voraussagen, welche sich auf dieses Prinzip stützen, selbst jede bindende Kraft abgeht". Damit, lieber Leser haben Sie einen Eindruck davon, wie es um die kausale Naturerklärung und ihre Grundlagen damals stand. Anspruch und Wirklichkeit, der Kontrast zwischen Erklärungsnormalität, Erklärungsnotwendigkeit und Begründungsdefizit könnte größer kaum sein: Das laut Hume «oberste und einzige empirische Erklärungsprinzip der Welt» (Riehl) stellt sich, salopp gesagt, aus der Sicht Humes als empirische Luftbuchung heraus, weil es keinerlei erfahrungswissenschaftliche Begründung dafür gibt, wie Hume und mit ihm Kant glaubten. Wie Sie bei Kant in der Vorrede seiner Prolegomena (S. 6 ff) ebenfalls nachlesen können: Daß es nämlich für Kant, und zwar in ausdrücklicher Übereinstimmung und in Anlehnung an David Hume, der ihn erst «aus seinem dogmatischen Schlummer weckte», keinerlei empirische Begründung für die Geltung des Kausalitätsprinzips gibt. Deswegen greift Kant in seiner Not zur Metaphysik, wie auch Edith Stein vorhin feststellte: Entwickelte aus rein metaphysischen Überlegungen heraus ein Kausalitätsprinzip, von dem gar nicht klar war, ob es in der «Wirklichkeit» überhaupt Bestand habe. Machte stattdessen auf der Basis von Humes Kausalitätsproblem laut Prolegomena (hier S. 7) in seiner Kritik der reinen Vernunft die Kausalschlüsse zum Musterfall von metaphysischen Vernunftschlüssen überhaupt: Ohne irgend eine empirische Legitimation. Danach fragte bis auf die kritischen Zeitgenossen auch niemand mehr, sondern gab sich mit dem scheinbar Unvermeidlichen ab. Nämlich für die Wirklichkeit kein gültiges Erklärungsprinzip auf empirischem Wege finden zu können. Vor diesem Hintergrund wiederum ist auch Kants «kopernikanische Wende» aus der Kritik der reinen Vernunft verständlich, dahingehend: wenn man der Natur die Gesetze schon nicht ablesen kann, man sie ihr dann eben vorschreiben muß. (Siehe Vorrede zur Kritik der reinen Vernunft, 2. Auflage, hier S. 10). Es herrschte wissenschaftlicher Begründungsnotstand und subjektive Willkür in Reinkultur, wie man daran sieht. Mit nachfolgendem Irrealismus in der Naturerklärung. So wie es Steiner schon in den Grundlinen im Kapitel 14 (hier S. 80 ff) feststellte. So, wie er es auch in den Rätseln der Philosophie für diese und seine eigene Zeit kennzeichnet: «Die Welt als Illusion». Was er unter dem Topos «Flucht aus der Natur» aber auch zum Ende des zweiten Kapitels der Philosophie der Freiheit bereits angesprochen hatte. Etwas «naturwissenschaftlich Sicheres», das als stabile Erkenntnis aus den Erfahrungswissenschaften hervorgeht, um noch einmal einen Ausdruck Steiners aus seinem erwähnten Vortrag vom 25. Mai 1921 an dieser Stelle zu verwenden, gibt es aus der Sicht Humes und Kants definitiv und grundsätzlich nicht. Wenn wir also so etwas annehmen wie ein Kausalprinzip, dann unterliegen wir nach Hume und dessen «Assoziationsprinzip» lediglich einem psychologischen Denkzwang und sonst nichts. Was sich bis zu Steiners Zeitgenossen Theodor Ziehen erhalten hatte, dem das Denken des Menschen ebenso von den assoziativen Naturnotwendigkeiten erzwungen war wie das Handeln. Dem als ausdrücklichem Anhänger Kants und Humes sowie der britischen Assoziationspsychologie die «Ehre» zukam, in Steiners Philosophie der Freiheit im dritten Kapitel als Stellverteter für diese Positionen und mit Literaturhinweis auf dessen Leitfaden der physiologischen Psychologie kurz genannt zu werden. Neben Herbert Spencer, ebenfalls ein namhafter zeitgenössischer Vertreter dieses Assoziationismus, im Kapitel IV. Für Eduard von Hartmann galt übrigens ebenfalls die Assoziationspsychologie als empirische Grundlage seiner psychologischen Überzeugungen. Vor diesem Hintergrund ist leicht vorstellbar, welcher Wandel dort einsetzte, als mit Külpes Würzburger Schule erstmals mit empirischen Mitteln die zwangsorientierte Assoziationspsychologie des Denkens und Handelns in ihre Schranken gewiesen wurde. Für die Naturwissenschaft ist es einerseits und gelinde gesagt natürlich eine höchst blamable, oder doch zumindest überaus frustrierende Sachlage, weil sie mit metaphysisch / dogmatischen Fundamenten nämlich nicht mehr Ernst zu nehmen wäre. Mit ihren angeblich objektiven Welterklärungen auf metaphysischer und dogmatischer kausalphilosophischer Grundlage nach dem Modell Kants und Humes, nebst physikalistischer Erklärung des menschlichen Erkenntnisvermögens als Zwangsveranstaltung von psychologischen Naturnotwendigkeiten, die man in Wirklichkeit und bei näherer Betrachtung gar nicht kennt. - Niemand würde mehr einer solchen Wissenschaft folgen, der um solche Begründungs-Verhältnisse weiß und kein philosophischer und naturwissenschaftlicher Bruder Leichtfuß ist. Eine Einschätzung, die übrigens auch der Philosoph Karl Popper des öfteren in seinen Werken teilt. Weil, wie Popper schreibt, mit den derart physikalistischen oder psychologistischen Unterstellungen das logisch verankerte menschliche Erkenntnisvermögen einem primitiven und begründungsunfähigen Psychologismus / Physikalismus geopfert wird. Fällt aber das logisch verankerte menschliche Erkenntnisvermögen weg, dann laut Popper auch jedes Erkennen einschließlich des damit scheinbegründeten Psychologismus / Physikalismus. (Siehe etwa, Popper / Eccles, Das Ich und sein Gehirn, München 1982, S. 105 ff; sowie Karl R. Popper, Objektive Erkenntnis, Hamburg 1984, S. 232 ff.) Ein psychologisch / physikalistisch postulierter «Mechanismus des Seelenlebens» ist mit den Prinzipien des Erkennens schlechterdings unvereinbar. 23. Kants philosophische Verbindung zu David Hume laut Kants eigenen Worten In der Vorrede zu seinen Prolegomena stützt sich Kant besonders prägnant, und wie bereits weiter oben erwähnt, ganz ausdrücklich auf David Hume. So etwa heißt es hier auf S. 6 f: „Ich gestehe frei: die Erinnerung des DAVID HUME war eben dasjenige, was mir vor vielen Jahren zuerst den dogmatischen Schlummer unterbrach, und meinen Untersuchungen im Felde der spekulativen Philosophie eine ganz andre Richtung gab. Ich war weit entfernt, ihm in Ansehung seiner Folgerungen Gehör zu geben, die bloß daher rührten, weil er sich seine Aufgabe nicht im Ganzen vorstellte, sondern nur auf einen Teil derselben fiel, der, ohne das Ganze in Betracht zu ziehen, keine Auskunft geben kann. Wenn man von einem gegründeten, obzwar nicht ausgeführten Gedanken anfängt, den uns ein anderer hinterlassen, so kann man wohl hoffen, es bei fortgesetztem Nachdenken weiter zu bringen, als der scharfsinnige Mann kam, dem man den ersten Funken dieses Lichts zu verdanken hatte. [] Ich versuchte also zuerst, ob sich nicht HUMES Einwurf allgemein vorstellen ließe, und fand bald: daß der Begriff der Verknüpfung von Ursache und Wirkung bei weitem nicht der einzige sei, durch den der Verstand a priori sich Verknüpfungen der Dinge denkt, vielmehr, daß Metaphysik ganz und gar daraus bestehe.“ Das Prinzip von Ursache und Wirkung wird bei Kant zum Musterfall für metaphysische Vernunftschlüsse überhaupt, hinter denen kein Funken an Empirie steckt, weil es auch für Kant auf empirischem Wege keine Lösung bzw sicheren Beleg dafür gibt. Sondern alles ist nur ausgedacht. Eine verheerende Perspektive für die Naturwissenschaft. Daß angesichts dessen viele wache Zeitgenossen neben Steiner auf die Barrikaden gingen und den Blick auf der Suche nach Alternativen nach Innen wandten, versteht sich von selbst. So ist auch Steiners Suche nach den wirkenden Kräften der Natur im eigenen Inneren zu verstehen, die er am Ende des zweiten Kapitels der Philosophie der Freiheit ankündigt. Mit der begleitenden Feststellung versehen: «Wir können die Natur außer uns nur finden, wenn wir sie in uns erst kennen.» Was aber bereits im Kapitel 14 der Grundlinien fast acht Jahre zuvor ausgesprochen war. 24. Steiners Kant-Überwindung durch die Lösung von Humes Problem Die «Überwindung» Kants, die Steiner in der Vorrede von Wahrheit und Wissenschaft gleich eingangs zum Programm erhebt, war folglich nur möglich unter der Voraussetzung, den Humeschen Skeptizismus mit zu «überwinden», und dessen Kausalitätsproblem zu lösen. Von Hume spricht Kant über weite Strecken in seinen Prolegomena nicht nur beiläufig, sondern dessen «namentliche Anwesenheit» zieht sich von Anfang bis Ende durch die gesamte Schrift hin. Da die metaphysische Verstiegenheit Kants in der Wissenschaftsphilosophie und Naturerklärung, - Kants eigenen Worten zufolge, - eben fundamental auf Humes Problem von Ursache und Wirkung basierte, wie er in den Prolegomena offenbart. Diese Beziehungen der beiden Skeptiker waren also im Prinzip ziemlich trivial, wenngleich ausgesprochen grundlegend und folgenreich für das Verständnis der Wirklichkeit. Andererseits war Steiner neben vielen anderen Zeitgenossen seit Anbeginn nicht nur Naturwissenschaftler, sondern auch erklärter Anhänger einer Psychologie der Bewußtseinsakte, die wie keine andere das Potential in sich birgt, die Kausalitätsfrage auf dem Wege der inneren Beobachtung zu beantworten. Zumal, wenn sie jenen «inneren Prozess energisch empirisch beobachtet, durch den Begriffe und Ideen respektive Erkenntnisse erst gewonnen werden», um noch einmal an Steiners Abgrenzung zu Hegel aus der Philosophie der Freiheit zu erinnern. Die Prolegomena Kants, wo die Beziehungen Kants zu Hume besonders prominent zum Ausdruck kommen, waren Steiner gleichfalls bekannt, da er auf sie in Wahrheit und Wissenschaft im Kapitel II explizit Bezug nimmt. Wie er sich im Kapitel V. von Wahrheit und Wissenschaft (hier S. 42) auch ausdrücklich gegen Humes «Gewohnheitstheorie der Kausalerklärung» ausspricht. Was ja in der nachfolgenden Philosophie der Freiheit im Kapitel Vier (hier S. 38 f) mit Blick auf den Hume-Anhänger Herbert Spencer noch einmal stattfindet. In Steiners Literaturverzeichnis zu Wahrheit und Wissenschaft wiederum werden speziell zu Hume noch erwähnt Alexius Meinong, Hume-Studien, Wien 1877, (hier auch noch in der Ausgabe von 1882 zu bekommen). Ferner der oben genannte Band von Alois Riehl, Der philosophische Kritizismus, allerdings der Band 2 in einer früheren Wiener Ausgabe von 1887; hier auch als Pdf zum Download. Schließlich führt Steiner noch an, F. H. Jacobi, David Hume über den Glauben. Oder Idealismus und Realismus, Breslau 1787. (Speziell zu Hume siehe bei letzterem S. 104 ff.) Es lohnt sich übrigens auch, Autoren aus Steiners Literaturliste in Augenschein zu nehmen, die sich ausdrücklich mit Logik befassen. Wie etwa den damals sehr namhaften und einflußreichen Logiker Christoph Sigwart, der sich vielfach in seinem Buch Logik, Bd. II, Tübingen 1878, mit psychologischen Fragen, denen der Kausalität, und sehr ausführlich mit der Induktion befaßt. Seinerseits allerdings (S. 567 ff) wenig zuversichtlich war, daß man dem «Denkwillen» in der ethischen Forschung jemals empirisch erfolgreich auf die Spur kommen würde. Denn, wie er 1878 schrieb: „Soll sich aber unser Denken auf unser Wollen selbst richten, so ist Object des Denkens, was zugleich das letzte Subject desselben ist, und wir befinden uns in einem Cirkel, aus dem heraus uns kein Sprung retten kann. Das Denkenwollen bleibt auch in dem ethischen Gebiete letzte, nicht weiter aufzulösende Voraussetzung alles wissenschaftlichen Strebens, und alle Reflexion auf unsere eigene Willensthätigkeit kann zuletzt nur sich klar machen, dass das Wollen niemals in seinem ganzen Umfang als Object herausgestellt werden kann.“ - Nun, Sigwart konnte 1878 ebenso wenig zwischen der reinen Erfahrung des Denkens und seiner Beobachtung unterscheiden wie rund sieben Jahrzehnte später Herbert Witzenmann, und noch später Witzenmanns verstiegene Anhänger. Während die institutionalisierte empirische Psychologie des Denkens, die das unterscheiden konnte, - die Würzburger Schule Oswald Külpes, - damals auch von Sigwart noch rund 25 Jahre entfernt in der Zukunft lag. Obwohl die Psychologie des Denkens bei Steiner unter Volkelts Einfluß und mit den selben Unterscheidungsmitteln schon 1886 (hier Kapitel 4 ff) längst öffentlich und ergebnisorientiert thematisiert wurde. Beziehungsweise seit 1886 ganz konkret dort erkenntniswissenschaftlich zum Einsatz kam, und nicht nur als theoretische Möglichkeit einer derartigen künftigen Wissenschaft behandelt wurde. 25. Von der Psychologie des tätigen Geistes zum Universalienrealismus Steiners «Psychologie», jene „erste Wissenschaft, in der es der Geist mit sich selbst zu tun hat“, wie Steiner im Psychologiekapitel 18 der Grundlinien (hier S. 119) schrieb, kam in diesem Buch längst schon, beginnend mit Kapitel 4 erkenntniswissenschaftlich zur Anwendung. Oder besser gesagt: Wurde dort in einer erkenntniswissenschaftlichen Variante betrieben. Denn die Psychologie gründet in derselben Erkenntniswissenschaft wie die Naturwissenschaft mit ihrer Frage nach der Kausalität. Daß in diesem Zusammenhang wiederum der von Steiner hoch geschätzte Johannes Volkelt im Kapitel 5 (hier S. 32) ausführlich zu Wort kommt, ist keineswegs ein Zufall. Denn der «immanent psychologisch» operierende Volkelt beteiligte sich als Erkenntniswissenschaftler nicht nur im Spätwerk, sondern bereits in dieser frühen Zeit rege an der Etablierung einer Psychologie der inneren Beobachtung und des Denkens. Was bei der psychologischen Orientierung seiner Erkenntnistheorie natürlich auf der Hand liegt. In der Kombination von Erkenntniswissenschaft, Psychologie und naturwissenschaftlicher Grundlagenforschung war er ein geradezu idealer Anreger für Rudolf Steiner. Wurde dabei aber nicht nur von Steiner, sondern auch von den namhaften Psychologen dieser Zeit aufmerksam / kritisch rezipiert. So etwa von Wilhelm Wundt, - (in Reaktion auf Volkelts Aufsatz Psychologische Streitfragen ausführlich beantwortet mit Selbstbeobachtung und innere Wahrnehmung), - oder vom Denkpsychologen der Würzburger Schule (Narziß Ach, Über die Willenstätigkeit und das Denken, Leipzig 1905). Während auf Narziß Ach wiederum maßgeblich die Etablierung der experimentell denkpsychologischen Forschungsmethode der Würzburger Schule zurückzuführen ist. (Siehe zu Volkelts besonderer Bedeutung auch Paul Ziche, Introspektion, 1999 in seiner Einleitung S. 14, Anmerkung 21. Zu Ach ebd., S. 20.) Volkelts Einfluß in dieser Zeit war nicht zu überschätzen, und sein Interesse an der (denk)-psychologischen Entwicklung dieser Zeit enorm. Deswegen erklärt sich auch Volkelts an Carl Stumpf angelehnte Bemerkung von 1906 (Die Quellen der menschlichen Gewißheit, München 1906, hier S. 77, Anm. 1), «es könne nicht etwas erkenntnistheoretisch wahr und psychologisch falsch sein». Auch wenn er selbst erst 1918, S. 140 ff in jene bemerkenswert große Nähe zu den Resultaten kam, die Steiner bereits 1886 mit seiner eigenen maßgeblichen Unterstützung veröffentlicht hatte. Auf jeden Fall wird für den Leser anhand dieser knappen exemplarischen Literaturauswahl bereits sichtbar, worum es auch Steiner mit seiner Kant-Überwindung ging und wie reichhaltig seinerzeit an diesen Fragen gearbeitet wurde. Steiner ging es bei seinen überwindenden Kant-Ambitionen nicht nur um den Nachweis der übersinnlichen Wahrnehmung (intellektuellen Anschauung) im reinen Denken. Auch nicht nur um den Nachweis der Leibfreiheit dieses reinen Denkens. Sondern nicht minder, - und sogar vorrangig zwecks Brückenbau von den Naturwissenschaften zum Geistigen, - um das Auffinden des «naturwissenschaftlich Sicheren», wie er später (1921, GA-255b, hier S. 295 ff) berichtete. Nicht zuletzt aus systematischen Gründen der Problemstellung. Denn von der «Leibfreiheit», der «intellektuellen Anschauung», oder der Freiheit des Denkens und Handelns gar, läßt sich schlecht begründet reden, wenn man gar nicht weiß, wie es um die zweifelhafte, weil laut Kant und Hume nicht empirisch nachweisbare, Naturkausalität bestellt ist. Wo sich die Kausalitätsbehauptung «auf etwas stützt, was man sachlich nie erreichen kann», wie es Steiner bereits 1886 im Kapitel 14, S. 52 f, quasi mit einem argumentativen Knockout gegen Kants Kausalitätsdogmatismus vorbrachte. Denn wer über die kausalen Zusammenhänge empirisch grundsätzlich nichts Belastbares zu wissen versichert wie Kant und Hume, der kann auch keine behaupten – auch nicht mit metaphysischen Begründungen. Sondern der spinnt, - «dogmatisch», wie Steiner sagt, - ins Blaue hinein. Empirisch beantworten muß man das Kausalitätsproblem folglich und ganz zwangsläufig, wenn man aus freiheitsphilosophischen Gründen unbedingt sicher, - und nicht nur metaphysisch / spekulativ und vermutungsweise, - wissen will und muß, ob man der Naturkausalität im eigenen Denken und Handeln permanent ausgeliefert ist oder nicht, wie Steiner gleich mit der Leitfrage im ersten Kapitel der Philosophie der Freiheit zum Ausdruck bringt. Eine Leitfrage, die angesichts des windigen erkenntniswissenschaftlichen Status von Naturkausalität bei Kant und Hume gar nicht seriös zu beantworten wäre. Deswegen sind Steiners Vorhaltungen im Kapitel 14 von 1886 gegen Kants Dogmatismus zugleich mit der nachvollziehbaren Forderung versehen: „auch die Erfahrung muß innerhalb des Denkens nicht nur nach der Seite ihrer Erscheinung, sondern als Wirkendes erkannt werden.“ Das alles gilt natürlich und mit Vorrang auch für den Universalienrealisten Steiner in dieser frühen Zeit. Denn wer nach wirkendem Geist respektive wirkenden Ideen empirisch / induktiv sucht, der braucht zuallererst einen klaren empirischen Beleg von Wirksamkeitszusammenhängen, andernfall spinnt er zusammen mit Kant und Hume, sowie später dem «Anthroposophen» Witzenmann und seinem Anhang ins Blaue hinein über Dinge, «die er sachlich nie erreichen kann». Letzteres war unübersehbar nicht nur bei Kant und Hume, sondern etwa auch beim «spekulativen» Idealisten Eduard von Hartmann der Fall. (Siehe dazu weiter unten.) Deswegen ist es verständlich, daß sich Steiner ausahmslos in sämtlichen Frühschriften auf den sicheren Wirksamkeitszusammenhang im erlebten Denken und Erkennen beruft. - Ich betone ausdrücklich: In ausnahmslos allen erkenntniswissenschaftlichen Frühschriften ist das der Fall. Einschließlich Goethes Weltanschauung von 1897, S. 69 ff. Deswegen auch spricht Steiner bereits 1886 in den Grundlinien ein Kapitel nach dem Dogmatismus-Exkurs von Kap 14 rückblickend dann im fünfzehnten vom «erlebten Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem» im eigenen Denken. Womit er in Verbindung mit der vorangehenden Kantkritik und mit höflicheren Worten zum Ausdruck bringt: «Das menschliche Denken und Erkennen wird unmittelbar im Prozeß als Wirkendes und Bewirktes erlebt. Es aber ohne jeden inneren Erfahrungsbeleg stattdessen nur von «außerhalb» als kausales Produkt von Naturwirksamkeit zu erklären, ist angesichts dieser sicheren inneren Erfahrungstatsache und angesichts des dubiosen Status von Naturkausalität seit Kant und Hume nichts weiter als eine verantwortungslose philosophische Windbeutelei.» Man muß sich also im Interesse der eigenen Problemstellung und Forschungsziele hinsichtlich der menschlichen Freiheit, - und das ist in sämtlichen Frühschriften Steiners gut nachweisbar der Fall, - zunächst darum bemühen, «Humes Problem» und dasjenige Kants ebenfalls zu bewältigen. Denn davon wiederum hängt auch der Nachweis des leibfreien reinen Denkens und der menschlichen Freiheit ab. - Es ist das, was Steiner im dritten Kapitel der Philosophie der Freiheit «die allerwichtigste Beobachtung» nennt, die man machen kann. Die wiederum betrifft ausdrücklich «den Prozeß, durch den Begriffe und Ideen erst gewonnen werden»: „Für jeden aber, der die Fähigkeit hat, das Denken zu beobachten - und bei gutem Willen hat sie jeder normal organisierte Mensch —, ist diese Beobachtung die allerwichtigste, die er machen kann. Denn er beobachtet etwas, dessen Hervorbringer er selbst ist; er sieht sich nicht einem zunächst fremden Gegenstande, sondern seiner eigenen Tätigkeit gegenüber. Er weiß, wie das zustande kommt, was er beobachtet. Er durchschaut die Verhältnisse und Beziehungen. Es ist ein fester Punkt gewonnen, von dem aus man mit begründeter Hoffnung nach der Erklärung der übrigen Welterscheinungen suchen kann.“ (Hier, S. 29) Er durchschaut in diesem Fall eben nicht nur die begrifflichen Beziehungen, sondern auch die ursächlichen, - die Verhältnisse zwischen der eigenen inneren Tätigkeit und dem Zustandekommen des Denkergebnisses. Darauf kommt es Steiner an dieser Stelle an. Derselbe Hinweis auf das durchschaute Weltgeschehen (Wirkendes und Bewirktes) bei der Beobachtung des Denkens findet sich dann nachfolgend, drei Jahre später noch einmal ganz besonders eindringlich formuliert auf S. 69 f in Goethes Weltanschauung von 1897. Schon an den wenigen exemplarischen Beispielen aus Steiners Literaturliste von Wahrheit und Wissenschaft läßt sich wiederum unschwer erkennen, wie virulent die Kausalitätsfrage damals war. In der akademischen Literatur wurde sie regelmäßig auch im Philosophie-Jargon als eine Grundfrage von «Relationen» bezeichnet. Wobei «Relationen» nichts anderes sind als ein «Verhältnis» oder eine «Beziehung» von A zu B, und im Falle der Kausalität eben das der Ursache zu ihrer Wirkung und umgekehrt. Wenn Steiner seinerseits schon in den Grundlinien… (hier S. 56) für sich in Anspruch nimmt: den «Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem beim Denken unmittelbar zu erleben», dann haben sie einen höchst wichtigen – den «allerwichtigsten» laut Philosophie der Freiheit, - empirischen Spezialfall einer solchen «Relation» oder «Beziehung» behandelt, und laut Steiner in der unmittelbaren Erfahrung vorliegen: Steiners «archimedischer Hebel der Welterklärung» ist daran verankert. Bei etwas, was sich auch auf der Erfahrungsebene «selbst trägt». Dasselbe ist in Wahrheit und Wissenschaft, in der Philosophie der Freiheit und nachfolgend beim «durchschauten Weltgeschehen bei der Beobachtung des Denkens» aus Goethes Weltanschauung von 1897 der Fall. Da haben Sie überall den selben «erlebten Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem» wie in den Grundlinien bereits. Eine der empiristischen Hauptfragen in der Auseinandersetzung mit Kant und Hume war es seinerzeit, - so auch bei Johannes Volkelt in Erfahrung und Denken, 1886, S. 81 ff, wo er Kausalität, Gesetzmäßigkeit und Regelmäßigkeit als einige Beispiele nennt, - ob solche «Beziehungen» oder «Relationen» bereits Gegenstand der unmittelbaren empirischen Erfahrung sein können, oder aber nicht. Oder lediglich zur bloßen Erfahrung «abstrakt hinzugedacht» werden, während sie in Wirklichkeit in der faktischen Erfahrung gar nicht vorhanden sind. Im besonderen Falle der Kausalität dahingehend, ob die «Verursachungstatsache» und ihre Verbindung zum dadurch Bewirkten eine unmittelbare Erfahrung sein könne oder aber nicht. Im Jargon der Philosophie geht es damit um den ontologischen Status von Relationen. Ob sie in der realen Wirklichkeit empirisch gegeben sind, oder nur als abstrakt gedachte, quasi virtuelle Entitäten. Ob Sie einen faktischen ursächlichen Zusammenhang erleben, wie etwa beim Denken und Erkennen, oder ob Sie einen faktischen ursächlichen Zusammenhang lediglich aus metaphysischen Gründen und Überlegungen vermuten wie Kant, aber nicht in der Realität erleben und belegen können, das macht einen enormen Unterschied. Gleich dem von Wissen und Glauben. Im letzteren Fall glauben Sie etwas, «was Sie sachlich nie erreichen können», wie Steiner im Kapitel 14 der Grundlinien dem Kausalitätsdogmatismus Kants und seiner Zeitgenossen vorhält. Ebenso verhält es sich mit Steiners Universalienrealismus, den er ohne spezifische Anbindung an die Klassiker des Platonismus, sondern in Anlehnung an Goethes individuellen Platonismus in den Frühschriften vertritt. So etwa findet sich von Steiner nicht nur im Kapitel 8 (hier S. 47) der Grundlinien… die Auffassung vertreten, daß die «menschliche Denktätigkeit der tätige Gedankengehalt der Welt» sei. Das ist natürlich universalienrealistisch gedacht. Zur selben Zeit in der kurzen Kontroverse mit Eduard von Hartmann im Band 34 der Kürschner-Ausgabe von Goethes naturwissenschaftlichen Schriften die Ansicht von Steiner vertreten, der «menschliche Wille sei die Idee selbst, diese als Kraft aufgefaßt». (Hier S. XLIV f, wo übrigens schon in der Titelzeile der jeweiligen Seiten auf diesen Zusammenhang von Kraft, Wille und Idee hingewiesen wird, was ja in der späteren Dornacher GA-1 dann nicht mehr der Fall ist.) Analog hat es Steiner (1897) auch in Goethes Weltanschauung (hier S. 69 f) formuliert: „Bei der Beobachtung des Denkens durchschaut der Mensch das Weltgeschehen. Er hat hier nicht nach einer Idee dieses Geschehens zu forschen; denn dieses Geschehen ist die Idee selbst.“ Empirische Beobachtung des Denkens wird dort als empirische Ideenforschung verstanden. In all diesen Fällen geht es um Wirksamkeitszusammenhänge. - Der Leser möge sich bei dieser Gelegenheit an Steiners Bemerkung aus der GA-1 (Dornach 1987, S. 126; und in der Kürschner Originalausgabe von 1887 S. IV f) erinnern, wonach auch die «Idee der induktiven Methode zugänglich sei». Es ist aber auch das, was Steiner auf einen Mitgliedervortrag von 1908 zurückgehend, im Autoreferat Philosophie und Anthroposophie in Anlehnung an Aristoteles und Fichte kurz verhandelt: Die Idee vom «dreifachen Ich» (hier GA-35, S. 101 ff). Die nämlich baut ebenfalls auf der Tatsache auf, daß die Tathandlung beim erkennenden reinen Denken des Ich nicht nur gedacht, sondern auch, laut S. 98 ff als Aktualität erlebt wird. Sonst gäbe es das «dreifache Ich» dort nicht, jedenfalls keins, das in empirischer Wirksamkeit befindlich und unmittelbar wahrgenommmen ist. Im letzteren Fall der Unwahrnehmbarkeit der Wirksamkeit hätten Sie dann dasselbe Problem wie Kant mit der Kausalität: insofern Sie damit einen empirischen Zusammenhang behaupten, den Sie «sachlich nie erreichen können». Das gilt im Falle des Universalienrealismus dann auch für das tätige Ich im reinen Denken. Zum Beispiel, wenn Sie an Witzenmanns «Erzeugungsproblem» und seine «Paradoxie der Selbstgebung» glauben. Da ist`s dann sozusagen vorbei mit der Universaliendenkerei und dem «dreifachen Ich», weil Sie die eigene Aktivität auch bei Witzenmanns konfusen Steinerinterpretationen nur noch behaupten, aber sachlich nie erreichen können. Nun schreibt aber Steiner (S. 100 ff) in diesem Autoreferat: „Das Abbild dieser reinen Aktualität findet sich nun im Menschen selbst, wenn er aus dem reinen Denken heraus zu dem Begriff des «Ich» kommt. Da ist er im Ich bei etwas, was Fichte als Tathandlung bezeichnet. Er kommt in seinem Innern zu etwas, das, indem es in Aktualität lebt, zugleich mit dieser Aktualität seine Materie mit hervorbringt. Wenn wir das Ich im reinen Gedanken fassen, dann sind wir in einem Zentrum, wo das reine Denken zugleich essentiell sein materielles Wesen hervorbringt. Wenn Sie das Ich im Denken fassen, so ist ein dreifaches Ich vorhanden: ein reines Ich, das zu den Uni versalien «ante rem» gehört, ein Ich, in dem Sie drinnen sind, das zu den Universalien «in re» gehört, und ein Ich, das Sie begreifen, das zu den Universalien «post rem» gehört. Aber noch etwas ganz Besonderes ist hier: für das Ich verhält es sich so, daß, wenn man sich zum wirklichen Erfassen des Ich aufschwingt, diese drei «Ichs» zusammenfallen. Das Ich lebt in sich, indem es seinen reinen Begriff hervorbringt und im Begriff als Realität leben kann. …“ Wenn Sie also etwas tiefer graben, dann sehen Sie hier natürlich auch die Verbindung zum Universalienrealismus und zum Universalienstreit dahingehend: Ob Begriffe und Ideen nur abstrakte Hilfskonzepte für die Welterklärung darstellen, oder aber faktisch wirkende Kräfte in der realen Wirklichkeit sind. Die universalienrealistische Sichtweise nimmt Steiner nicht erst 1908, sondern bereits im Kapitel 8 der Grundlinien ein mit dem Hinweis von hier, S. 47: „daß die Tätigkeit unseres Geistes zugleich die Erscheinung dieses Faktors ist. Es ist eine und dieselbe Sache von zwei Seiten betrachtet. Diese Sache ist der Gedankengehalt der Welt. Das eine Mal erscheint er als Tätigkeit unseres Bewußtseins, das andere Mal als unmittelbare Erscheinung einer in sich vollendeten Gesetzmäßigkeit, ein in sich bestimmter ideeller Inhalt.“ - Der «Gedankengehalt der Welt» erscheint wirksam in Gestalt der eigenen Denktätigkeit. 26. «Psychologie» in den Grundlinien, «seelische Beobachtung» in der Philosophie der Freiheit und ihre methodische Grundlage der «betrachtenden Gegenüberstellung» Jetzt erinnern Sie sich noch einmal an unseren Hinweis von oben, dass laut Steiners Psychologiekapitel 18 der Grundlinien «die Psychologie die erste Wissenschaft sei, in der es der Geist mit sich selbst zu tun hat.» «Der Geist», so Steiner, «stehe sich da betrachtend selbst gegenüber.» Wie gesagt: «Seelische Beobachtung» in Form der «betrachtenden Gegenüberstellung», wie sie die spätere Philosophie der Freiheit ebenfalls für sich ausdrücklich ebenfalls in Anspruch nimmt, in diesem letzteren Fall ohne die ausdrückliche Anbindung an den Idealismus: Speziell im dritten Kapitel im Zusammenhang mit der «allerwichtigsten Beobachtung» thematisiert, findet sie bereits 1886 bei Steiner in den Grundlinien statt. Sogar wortwörtlich im Kapitel 4, hier S. 26, wo es heißt: „Eine genauere Erwägung wird aber hier jeden Zweifel schwinden lassen, daß auch unsere inneren Zustände in derselben Form in den Horizont unseres Bewußtseins eintreten wie die Dinge und Tatsachen der Außenwelt. Ein Gefühl drängt sich mir ebenso auf wie ein Lichteindruck. Daß ich es in nähere Beziehung zu meiner eigenen Persönlichkeit bringe, ist in dieser Hinsicht ohne Belang. Wir müssen noch weiter gehen. Auch das Denken selbst erscheint uns zunächst als Erfahrungssache. Schon indem wir forschend an unser Denken herantreten, setzen wir es uns gegenüber, stellen wir uns seine erste Gestalt als von einem uns Unbekannten kommend vor. Das kann nicht anders sein. Unser Denken ist, besonders wenn man seine Form als individuelle Tätigkeit innerhalb unseres Bewußtseins ins Auge faßt, Betrachtung, d. h. Es richtet den Blick nach außen, auf ein Gegenüberstehendes. Dabei bleibt es zunächst als Tätigkeit stehen. Es würde ins Leere, ins Nichts blicken, wenn sich ihm nicht etwas gegenüberstellte. Dieser Form des Gegenüberstellens muß sich alles fügen, was Gegenstand unseres Wissens werden soll. Wir sind unvermögend, uns über diese Form zu erheben. Sollen wir an dem Denken ein Mittel gewinnen, tiefer in die Welt einzudringen, dann muß es selbst zuerst Erfahrung werden. Wir müssen das Denken innerhalb der Erfahrungstatsachen selbst als eine solche aufsuchen.“ «Betrachtende Gegenüberstellung» nennt Steiner die hier angewandte Methode. Es ist exakt jene Methode, auf der er auch im Psychologiekapitel 18 aufbaut. Wo «der Geist sich betrachtend selbst gegenüber steht.» So steht es 1886 auch schon da auf S. 11 f, und noch ganz ohne den späteren Anmerkungshinweis auf S. 137 von 1924 auf die spätere Anthroposophie. Das Denken, so lautet durchgängig Steiners methodischer Hinweis, stellt sich den Erfahrungen zwecks Erkenntnis gegenüber. Via «seelischer Beobachtung» (Philosophie der Freiheit) respektive «Psychologie» (Grundlinien). Und macht dabei auch keine Ausnahme in diesen Frühschriften, wenn es um die Erkenntnis des Denkens selbst geht. In der Philosophie der Freiheit nennt Steiner die betrachtende Gegenüberstellung des eigenen Denkens im dritten Kapitel (hier S. 25) «eine Art Ausnahmezustand». Was nichts anderes bedeutet, als den Erfahrungen des Denkens via seelischer Beobachtung erkennend nachzugehen, indem man sie sich betrachtend gegenüberstellt. Wobei die «betrachtende Tätigkeit» des Denkens wiederum eine unmittelbar erlebte Leistung dieses Denkens ist. Nun ist aber die Tätigkeit des Denkens aus der idealistischen Sichtweise der Grundlinien laut Kapitel 8 der «tätige Gedankengehalt der Welt». Und sofern man sie als Willensleistung betrachtet wie Steiner, - Sie erinnern sich an GA-01, hier S. 197: «Wille ist die Idee selbst, diese als Kraft aufgefaßt», - eine kraftende Tätigkeit der Idee / die Tätigkeit einer kraftenden Idee. Folglich sieht sich Steiner veranlaßt, da es um den «tätigen Gedankengehalt der Welt» geht, schon im Kapitel 15 der Grundlinien (hier S. 86) darauf hinzuweisen: „Wir erinnern uns, warum eigentlich das Denken in unmittelbarer Erfahrung bereits sein Wesen enthält. Weil wir innerhalb, nicht außerhalb jenes Prozesses stehen, der aus den einzelnen Gedankenelementen Gedankenverbindungen schafft. Dadurch ist uns nicht allein der vollendete Prozeß, das Bewirkte gegeben, sondern das Wirkende.“ - Diese Auskunft über den erlebten Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem beim erlebten Denken und seiner Tätigkeit ist demnach nichts anderes als ein Resultat der «seelischen Beobachtung». In den Grundlinien heißt es noch «Psychologie». Heute würde man eher sagen: der «introspektiven Forschung». Resultat dieser «seelischen Beobachtung» respektive «Psychologie» ist laut Goethes Weltanschauung S. 69 f, dass bei dieser Beobachtung / psychologischen Untersuchung das «Weltgehehen durchschaut» werde. Und nicht nur das. Sondern das «Geschehen der Beobachtung des Denkens sei die Idee selbst». (Unverändert in der letzten Auflage dieser Schrift. Hier in der Dornacher Ausgabe von 1963 auf S. 57; und hier in der Ausgabe von 1990 auf S. 85 f). Wobei aus diesem Gesichtswinkel vom Denken als «tätigem Gedankengehalt der Welt», natürlich auch dessen tätige Beobachtung als tätiger Gedankengehalt der Welt zu betrachten ist. Das «Geschehen» ist entsprechend aus der idealistischen Sicht des frühen Steiner «die Idee». Was einleuchtend ist, da das tätige Denken bereits in den Grundlinien als tätiger Gedankengehalt der Welt verstanden wird. Insofern ist es klar, dass nicht nur das tätige Denken, sondern auch die tätige Beobachtung dieses Denkens, - was ja beides ein geschehendes Denken ist, - als «Idee» betrachtet wird. Das alles läßt sich zurückverfolgen bis in die Grundlinien von 1886. Ausdrücke wie «Psychologie» oder «seelische Beobachtung» sind zunächst ja rein technische Ausdrücke für die Methode. Ausdrücke, die sich im Verlauf der Jahre auch bei Steiner etwas gewandelt haben. Wie ja Steiners Psychologie-Begriff aus den Grundlinien sich als technischer Ausdruck der Methode in der Philosophie der Freiheit von 1918 zu «seelische Beobachtung» sprachlich gewandelt hat. Obwohl es in beiden Fällen methodisch um die selbe Sache geht: Nämlich sich den Erfahrungen (des Denkens) betrachtend gegenüberzustellen. Im letzteren Fall ist der Ausdruck der «betrachtenden Gegenüberstellung», - und das ist ja das kennzeichnende methodische Merkmal in beiden Fällen, - aus den Grundlinien auch in der Philosophie der Freiheit beibehalten worden. Dieser «betrachtenden Gegenüberstellung» können Sie in jedem denkpsychologischen Labor nachgehen. Aber selbstverständlich auch unabhängig davon und allein, indem Sie Ihr eigenes Denken beobachten. Und dann, wie wir weiter oben darlegten, mit den entsprechenden Problemstellen zur Naturkausalität in Verbindung bringen müssen, wie es auch bei Steiner im Kapitel 14 vorher in den Grundlinien der Fall war. Es sei deswegen noch einmal an Steiners Schrift Von Seelenrätseln (GA-21) erinnert, wo er am Ende (hier, S. 170 f) den eindringlichen «Wunsch eines jeden Anthroposophen» äußert, «in einem psychologischen Laboratorium zu arbeiten, um dort beste Grundlagen für die anthroposophische Weltanschauung zu legen». Was ja nur eine Weiterführung von Steiners begründendem Frühwerk ist. Mit psychologischen Labor-Mitteln, die es in den 1880er und nachfolgenden Jahren noch nicht gab. Sondern erst ab dem Ende der 1890er Jahre. Wie wir weiter oben bereits sahen, können Sie aus solchen Perspektiven heraus auch Steiners Behandlung vom «dreifachen Ich» (GA-35, hier S. 100 ff) im Zusammenhang mit dem Universalienrealismus, Fichte und Aristoteles näher in Augenschein nehmen, wie wir es oben (Kap. 16, S. 137 ff S. 151 ff) im Zusammenhang mit Hartmut Traubs kurzer Behandlung dieser Thematik erläuterten. Dieses «Dreifache Ich» erleben Sie natürlich nur, wenn Sie auch eine unmittelbare Wahrnehmung Ihrer eigenen Denkaktivität haben, und damit einen empirischen Zugang zu Ihrer Denkaktivität, - dem Wirkenden, - haben. Ist das nicht der Fall, dann stehen Sie nicht nur wie Witzenmann vor seinem «Erzeugungsproblem», sondern auch wie Kant und Hume vor demselben Problem, daß Sie etwas ursächlich verbinden wollen, was Sie sachlich nie erreichen können. In diesem Fall könnten Sie auch nur darüber spekulieren, was Ihre Denktätigkeit mit dem Universalienproblem zu tun haben mag, ohne darin zu einer empirischen Entscheidung zu gelangen, wie es Witzenmann und seinen Schülern ergangen ist. Wer per se nichts Wirkendes in der Welt empirisch sicher findet, der findet selbstredend auch keine wirkenden Universalien respektive wirkenden Geist. Ebenso wenig findet er dann seine eigene, freie Denkwirksamkeit und sein tätiges «Ich». Bei Steiner sind in den Frühschriften alle diesbezüglich relevanten Sichtweisen vertreten: nämlich die rein naturwissenschaftliche, die psychologische, die universalienrealistische und damit mit allen stets zusammenhängend die freiheitsphilosophische. Für jede dieser Einzelperspektiven war es notwendig, eine sichere Antwort auf die Frage nach den Wirksamkeiten der Welt zu bekommen. Eine Frage, die Kant und Hume bekanntlich einhellig verneinten, und damit sowohl der Naturwissenschaft, als auch der Ethik / Freiheitsphilosophie, aber auch dem Universalienrealismus ihren begründenden empirischen Boden entzogen. Mit der Folge, dass ein großer Teil der damaligen Kritiker Kants wie Edith Stein sich der inneren Erfahrung zuwandten, auf der Suche nach solchen unmittelbar erlebten Verbindungen von Ursache und Wirkung. Im besonderen Spezialfall der «inneren» Kausalität: Ob die «Tätigkeit» des Denkens und Erkennens ein unmittelbarer Gegenstand der «reinen Erfahrung» sein könne, wie es bei Steiner seit 1886 in Anlehnung an Johannes Volkelt heißt. Dieses Thema zieht sich ohne Unterbrechung durch sämtliche Frühschriften Steiners. Und in sämtlichen Frühschriften mit der ausdrücklichen Bejahung dieser Tatsache versehen: Nämlich das «Wirkende» der eigenen Denkaktivität unmittelbar zu erleben. Und dadurch in diesem Fall den Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem in der unmittelbaren Erfahrung vorliegen zu haben. Steiner löst also das Kausalitätsproblem exemplarisch anhand der unmittelbar erlebten Denk- und Erkenntnistätigkeit, wie er seit 1886 schreibt. Während sein empiristischer Inspirator Johannes Volkelt ihm erst 1918 in der Schrift Gewißheit und Wahrheit (S. 140 ff) darin folgte, wo er ein regelrechtes Plädoyer für die innere Kausalitätsforschung und ihre Resultate hält. Am Rande gesagt, war diese Schrift übrigens nach Volkelts eigener Einschätzung im Vorwort sein erkenntnistheoretisches Hauptwerk, bzw. genauer: die «endgültige Gestalt seiner Erkenntnistheorie». Den Ausdruck «Wirkendes und Bewirktes» aus Steiners Grundlinien (Kap. 15, hier S. 86) finden Sie übrigens ebenfalls beim Logiker Sigwart 1878 (hier S. 132 ff), der das vor dem Hintergrund der Kausalitätsproblematik auch mit Aristoteles in Verbindung bringt, und in seiner Schrift recht ausführlich im Zusammenhang auch mit psychologischen Fragen behandelt. Der Ausdruck war in dieser Zeit also nicht ungewöhnlich in der führenden akademischen Literatur. Anhand der Literaturliste Steiners aus Wahrheit und Wissenschaft könnte der Leser, wenn er nur wollte, schon mehrere Dutzend und weit mehr anspruchsvolle akademische Arbeiten zu Steiners philosophischen Quellen aus seiner eigenen Zeit verfassen, deren Vorhandensein und Einfluß nachweislich in seinen eigenen Frühschriften dokumentiert ist. 27. Steiners frühe Grundlagenforschung im damaligen empiristisch philosophischen Mainstream Gleichzeitig wird auch in dieser von Steiner verwendeten Literatur sichtbar, wie sehr solche Fragen damals wiederum mit der Psychologie in Verbindung gebracht wurden, was ja bei dem von Steiner besonders herausgestellten, - und damals ebenfalls sehr namhaften, - Johannes Volkelt klar, unmissverständlich und paradigmatisch (1886, S. 80 ff) der Fall war. Wenn der frühe Steiner als Naturwissenschaftler daher vorrangig auf der erkenntniswissenschaftlichen Suche nach dem «naturwissenschaftlich Sicheren» war, wie er selbst von sich sagt, und nach einem «archimedischen Hebel der Welterklärung» und den «wirkenden Kräften der Natur im eigenen Inneren» fahndete wie in der Philosophie der Freiheit, dann ist das bei einem «Kant- und Hume-Überwinder» wiederum im höchsten Maße nicht aus seiner angeblichen philosophischen Isolation und Verstiegenheit, sondern aus der naturwissenschaftlichen Zeitlage und ihren wissenschaftsphilosophischen / erkenntniswissenschaftlichen Verhältnissen heraus mehr als verständlich. Diese Problemstellung gehörte seinerzeit zu einer ausgesprochen empiristisch-philosophischen Mainstream-Forschung. Nicht nur bei Steiner, sondern bei vielen anderen Zeitgenossen nicht minder, wie wir auch von Edith Stein hören. Es war jene zeitgenössische Forschung, in der Steiner stand, auch diejenige, mit der er sich in Wahrheit und Wissenschaft ausdrücklich auch von Goethe unabhängig machte. Für diese Art Forschung nämlich war Goethe (1749-1832) fast 100 Jahre zu früh gekommen, um sie aufgreifen zu können. Ebenso verständlich ist es, wenn die solcherart mit Steiner Suchenden die sicheren Wirksamkeitszusammenhänge dort zuallererst erwarten, wo sie ihnen am nächsten liegen, nämlich im eigenen Inneren. So hörten wir es von Edith Stein, so hören wir es von Johannes Volkelt, so hören wir es auch von Wilhelm Dilthey zu dieser Zeit. Und so hören wir es von Steiner viele Jahre vor Edith Stein bereits in den Grundlinien von 1886, und 15 Jahre danach noch einmal einmal sehr kraftvoll gegenüber Wilhelm Wundt ausgesprochen im Aufsatz Moderne Seelenforschung aus dem Jahre 1901 (GA-30 Dornach 1989, S. 465), wo er gegen Wilhelm Wundt gerichtet schreibt: „Es ist unbedingt richtig, daß die Selbstbeobachtung eine reiche Quelle von Irrtümern ist. Aber ebenso zweifellos ist es, daß uns nichts intimer, unmittelbarer bekannt ist als gerade unser eigenes Innere. Was wir auch sonst beobachten mögen: es bleibt uns ein Äußeres. Wir können nicht in seinen Kern dringen. Im Kreise unserer seelischen Erscheinungen stehen wir mitten drinnen. Sie stehen uns also nahe wie nichts anderes in der Welt. Sollte das nicht zugleich die Ursache davon sein, daß wir bei der Beobachtung dieser Erscheinungen so vielen Fehlern ausgesetzt sind? Objektivität und Unbefangenheit ist dem Nahen gegenüber gewiß schwieriger als dem Entfernten gegenüber. Weil die Selbstbeobachtung etwas so Unmittelbares ist, darum wird sie wohl auch eine schwierige sein. Und es wäre wohl möglich, daß eine ausreichende Selbstbeobachtung nur derjenige üben könnte, der wohlgeschult von andern Beobachtungsfeldern kommt.“ 28. Die Nähe der seelischen Erscheinungen und die Kluft zwischen innerer und äußerer Beobachtung «Alles andere bleibt uns ein Äußeres, in dessen Kern wir nicht eindringen können.» Und damit hochgradig hypothetisch mit Blick auf die Verursachungszusammenhänge. Von einer anderen Seite betrachtet: „Hypothesen, überall nur Hypothesen!“ So können Sie es wiederum im Kontrast, oder besser gesagt ergänzend dazu von der äußerlichen, kausalerklärenden Seite bei Wilhelm Dilthey in dessen Vortrag, Ideen über eine beschreibende und zergliedernde Psychologie, von 1894 auf S. 1313 lesen. Mit Diltheys kritischem Blick auf die üblichen Versuche, das menschliche Seelenleben dem äußerlichen Kausalzusammenhang der Natur nur hypothesenbasiert einzugliedern, rein spekulativ und ohne jegliche empirische Gewißheit. Dilthey nennt diese Art von Psychologie (S. 1309) die «erklärende Psychologie», die er folgendermaßen charakterisiert: „Die erklärende Psychologie, welche gegenwärtig ein so grosses Maass von Arbeit und Interesse in Anspruch nimmt, stellt einen Causalzusammenhang auf, welcher alle Erscheinungen des Seelenlebens begreiflich zu machen beansprucht. Sie will die Constitution der seelischen Welt nach ihren Bestandtheilen, Kräften und Gesetzen genau so erklären, wie die Physik und Chemie die der Körperwelt erklärt. Besonders klare Repraesentanten dieser erklärenden Psychologie sind die Associationspsychologen, Herbart, Spencer, Taine, die verschiedenen Formen von Materialismus.“ Die erklärende Psychologie unterstellt nach dem Muster und unter Berufung auf die Naturwissenschaft hypothetisch einen Kausalzusammenhang im Seelenleben auch dort, wo er nicht unmittelbar gegeben ist. (S. 1312 f) Das ist das wohl entscheidende Kennzeichen dieser «erklärenden» Psychologie für Dilthey: Die hypothesenbasierte Kausalerklärung des Seelenlebens, wo sich kein empirischer Anhalt in Form eines unmittelbar erlebten ursächlichen Zusammenhangs dafür findet. (Was sich freilich auf weit mehr Felder der Psychologie wie Tiefenpsychologie und Psychoanalyse nebst ihren verschiedensten Derivaten ausdehnen läßt. Denn auch dort wird regelmäßig auf ursächliche Zusammenhänge geschlossen, die in der Erfahrung nie unmittelbar vorliegen. Und infolgedessen auch nie wirklich zu belegen sind, sondern stets durch ein unabschließbares Hypothesengeflecht auch anders erklärt werden könnten.) Während (S. 1313 f) das faktische Seelenleben, wie Dilthey vorträgt, umittelbar in seinem Zusammenhang erlebt vorliegt, und die wissenschaftliche Beschreibung dessen nicht unbedingt der Hypothesen bedürftig sei: „Hieraus ergiebt sich für die Naturwissenschaften, dass in ihnen nur durch ergänzende Schlüsse, vermittelst einer Verbindung von Hypothesen, ein Zusammenhang der Natur gegeben ist. Für die Geisteswissenschaften folgt dagegen, dass in ihnen der Zusammenhang des Seelenlebens als ein ursprünglich gegebener überall zu Grunde liegt. Die Natur erklären wir, das Seelenleben verstehen wir. Denn in der inneren Erfahrung sind auch die Vorgänge des Erwirkens, die Verbindungen der Functionen als einzelner Glieder des Seelenlebens zu einem Ganzen gegeben. Der erlebte Zusammenhang ist hier das Erste, das Distinguiren der einzelnen Glieder desselben ist das Nachkommende.“ Das ist die entscheidende Differenz der «beschreibenden» respektive «verstehenden» Psychologie zur hypothesenbasierten kausal «erklärenden». Bei der «beschreibenden» Psychologie liegt der Zusammenhang laut Dilthey unmittelbar erlebt vor, während ein solcher bei der «erklärenden» Psychologie nur hypothetisch unterstellt wird. Und zwar ohne einen einzigen unmittelbaren Erfahrungsbeleg. Deswegen die Unabschließbarkeit der Hypothesenbildung bei dieser Form der kausalerklärenden Psychologie. Oder, um in Anlehnung an Steiners Ausdrucksweise diese Sachlage zu kennzeichnen: Hier wird ein ursächlicher Zusammenhang behauptet / konstruiert, der mit dieser hypothesenbasierten Methode sachlich nie zu erreichen ist. Das wiederum paßt exakt in Steiners Vorhaltungen an die «dogmatischen» Kausalerklärer im 14. Kapitel der Grundlinien. Diltheys Nähe zu Steiner liegt auf der Hand. Wie wir ja auch von Steiner in Wahrheit und Wissenschaft (hier S. 37) zeitnah (1892) zu lesen bekommen, daß das Hervorbringen von Begriffen «unmittelbar gegeben sein müsse, und nicht etwa Schlußfolgerungen zu seiner Erkenntnis zu bemühen seien». - Auch hier wird bei der inneren Beobachtung / Erkenntnis des Denkens die Freiheit von Hypothesen als gesichert vorausgesetzt. Es wird kein hypothetischer Schluß auf den Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem zugrunde gelegt, sondern dieser wird ausdrücklich ausgeschlossen. Denn der Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem ist unmittelbar gegeben. Entsprechend gilt für Steiner in Wahrheit und Wissenschaft (Kap. V, hier S. 40) auch als Methode die beschreibende Wissenschaft des Denkens wie sie analog bei Dilthey die bevorzugte Methode der Psychologie überhaupt war. „Die Beschreibung des Denkens ist zugleich die Wissenschaft des Denkens.“ So Steiner. Was in der Philosophie der Freiheit mit ihrer «allerwichtigsten Beobachtung» ausdrücklich noch einmal der Fall ist, wie auch wenige Jahre später (1897) dann in Goethes Weltanschauung. Man stelle sich auch einen «archimedischen Hebel und Fundament der Welterklärung» aus lauter nebelhaften kausalerklärenden Hypothesen bestehend vor, wie sie von Dilthey im Vortrag kritisiert werden. Auch anhand Diltheys umfangreichem Vortrag von 1894 ließe sich ein sehr fruchtbringender Vergleich mit Steiners erkenntniswissenschaftlich / psychologischen Positionen der frühen Begründungsschriften erstellen. Für die elaborierte Methode des späteren «Anthroposophen» Steiner gilt das freilich nur innerhalb gewisser Grenzen. Denn für die tiefergehende Beobachtung der Seele reicht die gewöhnliche psychologische Wissenschaft nicht aus, sondern bedarf einer erheblichen Vertiefung, wie der Leser exemplarisch (hier, GA-18, Skizzenhafter Ausblick, S. 694 ff) und (hier, GA-35, S. 269 ff) von Steiner erläutert bekommt. Aber was Dilthey in seinem Berliner Vortrag ebenso wie Steiner in seinem obigen Artikel gegenüber Wundt geltend machte, - die Nähe der seelischen Erscheinungen, - das galt Steiner als Empiristen mit Blick auf Kausalitätsfragen ebenso gegenüber Hume und Kant in der Erkenntniswissenschaft. Erkenntniswissenschaftliche Gewißheit gibt es nur in der inneren Beobachtung. Indes der von beiden inkriminierte Blick von außen nach innen, - wie bei Dilthey so auch bei Steiner, da sind sich beide einig, und deswegen liegt darin ein hoch bemerkenswerter Vergleichspunkt, - aus nichts als Hypothesen besteht. Weil nämlich zwischen der äußeren Beobachtung und der inneren, so speziell Steiner in der Philosophie der Freiheit (Kap. IV, hier S. 52) ein unüberbrückbarer Abgrund klafft: „Ich bin in der Lage, die Vorgänge in meinem Organismus bis zu den Prozessen in meinem Gehirne zu verfolgen, wenn auch meine Annahmen immer hypothetischer werden, je mehr ich mich den zentralen Vorgängen des Gehirnes nähere. Der Weg der äußeren Beobachtung hört mit dem Vorgange in meinem Gehirne auf, und zwar mit jenem, den ich wahrnehmen würde, wenn ich mit physikalischen, chemischen usw. Hilfsmitteln und Methoden das Gehirn behandeln könnte. Der Weg der inneren Beobachtung fängt mit der Empfindung an und reicht bis zum Aufbau der Dinge aus dem Empfindungsmaterial. Beim Übergang von dem Hirnprozeß zur Empfindung ist der Beobachtungsweg unterbrochen.“ So Steiner dort das grundsätzliche Erkenntnisproblem der Verbindung von äußerer und innerer Beobachtung skizzierend. Beschränkt in diesem Fall auf physiologische Erklärungen. Bei Dilthey heißt es entsprechend auf S. 1312: „So sind wir, wenn wir eine volle Causalerkenntniss herstellen wollen, in einen Nebel von Hypothesen gebannt, für welche die Möglichkeit ihrer Erprobung an den psychischen Thatsachen gar nicht in Aussicht steht.“ Und weiter: „Eine Hypothese solcher Art ist die Lehre von dem Parallelismus der Nervenvorgänge und der geistigen Vorgänge, nach welcher auch die mächtigsten, geistigen Thatsachen nur Begleiterscheinungen unseres körperlichen Lebens sind. Eine solche Hypothese ist die Zurückführung aller Bewusstseins Erscheinungen auf atomartig vorgestellte Elemente, welche in gesetzlichen Verhältnissen auf einander wirken. Eine solche Hypothese ist die mit dem Anspruch der Causalerklärung auftretende Construction aller seelischen Erscheinungen durch die beiden Classen der Empfindungen und der Gefühle, wodurch dann das in unserem Bewusstsein und unserer Lebensführung so mächtig auftretende Wollen zu einem secundären Schein wird. Durch blosse Hypothesen werden die höheren Seelenvorgänge auf die Association zurückgeführt. Durch blosse Hypothesen wird aus psychischen Elementen und den Processen zwischen ihnen das Selbstbewusstsein abgeleitet. Nur Hypothesen besitzen wir über die verursachenden Vorgänge, durch welche der erworbene, seelische Zusammenhang beständig unsere bewussten Processe des Schliessens und Wollens so mächtig und räthselhaft beeinflusst. Hypothesen, überall nur Hypothesen! Und zwar nicht als untergeordnete Bestandtheile, welche einzeln dem wissenschaftlichen Gedankengang eingeordnet sind. Solche sind ja, wie wir sahen, unvermeidlich. Vielmehr Hypothesen, welche als Elemente der psychologischen Causalerklärung die Ableitung aller seelischen Erscheinungen ermöglichen und an ihnen sich bewähren sollen.“ Außer Modellvorstellungen und unabschliessbaren Hypothesen ist laut Dilthey mit diesen Mitteln nichts zu finden. Das war wie gesagt 1894. Indes die systematische Beobachtung des Denkens, wie sie in Steiners Grundlinien von 1886 in einer Frühform behandelt wird, in ihrer institutionalisierten Gestalt erst mit beginnendem 20. Jahrhundert in Külpes Würzburger Institut Fahrt aufnahm. Übrigens mit Külpe von einem erprobten Assistenten aus dem Institut Wilhelm Wundts, der mit der Vernachlässigung des Seelenlebens in diesem Wundtschen Institut höchst unzufrieden war, wie er in seinem Beitrag in den Göttingischen gelehrten Anzeigen von 1907, S. 595 – 608 darlegte. Ich habe laut Steiner gar kein Recht über eine Außenbeobachtung Eins zu Eins auf die Vorgänge im Inneren zu schließen. (Analoges läßt sich aus Diltheys Vortrag ablesen.) Denn ich finde aus der Außenperspektive, und mit «Hebeln und Schrauben» bewaffnet, dort keine Gedanken, Willensprozesse und Gefühle, sondern lediglich physiologische Korrelate. Deren ursächliche Verbindung zu den seelischen Vorgängen im höchsten Maße undurchsichtig ist, «weil ich an die Sache von außen ja nie herankomme», um dieses Argument Steiners aus dem 14. Kapitel der Grundlinien noch einmal aufzunehmen. «Beim Übergang vom Hirnprozeß zur Empfindung ist der Beobachtungsweg unterbrochen.» Das gilt heute wie gestern. Da hilft auch der empfindlichste Tomograph oder ein noch raffinierteres bildgebendes Verfahren nicht weiter. Siehe zu diesem Dilemma der physiologischen Seelenerklärer auch Steiner in GA-21, S. 150 ff im Ergänzungskapitel Die physischen und die geistigen Abhängigkeiten der Menschen-Wesenheit. Ich kann niemals von außen unmittelbar in meine eigene Empfindungs- und Gedankenwelt schauen. Oder in die eines anderen. Sondern nur von innen und bei mir selbst. Auf den «Verursacher» meiner oder fremder Gedankenwelt kann ich von außen schon gar nicht unmittelbar schauen, weil «der Beobachtungsweg dorthin eben unterbrochen» ist. Man kann von außen nur auf gewisse Zusammenhänge hypothetisch schließen. Doch den wirklichen Verursacher sieht man mit diesem Verfahren nie, weil man ihn sachlich auf diesem Wege von außen eben nie erreichen kann. Auch wenn uns das die KI-Forschung oder Neurobiologie heute oft und oft unterschieben will, wenn sie irgend welchen physiologischen Spuren dieser Aktivität mit gewissen Erfolgen nachgeht, und das Ganze dann in ihr materialistisches Konzept vom «denkenden Gehirn» einfügt. Damit dann ganz pragmatisch utilitaristisch und ohne jeden erkenntniswissenschaftlichen Tiefgang materialistisch die Welt erklärt, weil es ihr nur um Nutzanwendungen geht. Meinetwegen um Nutzanwendungen massenpsychologischer, pharmakologischer oder medizintechnischer, militärischer und sonstiger Art, aber nicht um Welt- und Menschenverständnis. Womit ich mich auch an Alexander Unzicker anlehne, der sich, - mit Blick auf die Naturwissenschaften und die Unterschiede der europäischen und amerikanischen Denkkultur, sowie die Verflechtungen von Politik und Wissenschaft, - im Juni 22 zusammen mit Dirk Pohlmann dieser Frage angenommen hatte: Die einen suchen vorrangig nach Nutzanwendungen und die anderen nach tiefgründiger Erkenntnis. Das ist eine schwerwiegende kulturelle Differenz zwischen Europa und den USA, die in jeder Beziehung zu bedenken ist. Um erfolgreich ein Haus zu bauen, dazu benötige ich kein Wissen, das den ganzen Kosmos physikalisch erklärt. Nutzanwendungen können auch hoch funktional und dauerhaft sein, - denken Sie an den mittelalterlichen Kathedralenbau, - ohne von den wirklichen Ursachen ihres Funktionierens das Tiefgründigste an physikalischer Naturerkenntnis vorrätig zu haben, - was ja ohnehin nie der Fall ist, «weil die Zukunft der Naturwissenschaft keiner kennt», um mit Popper zu argumentieren. Der erkenntniswissenschaftliche oder neurowissenschaftliche Utilitarismus und Pragmatismus funktioniert auch ohne abgründiges letzterklärendes Naturwissen, funktioniert ohne jede Ethik und auch ganz ohne jede Freiheitsforschung. Es sei denn, ich habe im letzteren Fall auch noch ein «unterirdisches» Motiv dafür, warum ich den Menschen das möglicherweise vorhandene Wissen um ihre Freiheitsfähigkeit mit allen Mitteln vorenthalten will. Und dann jede (wissenschaftliche) Aufklärung darüber nach Kräften sabotiere. Man muß sich schon mit «Mut seiner eigenen Vernunft bedienen», (Kant) wenn man zwecks Aufklärung solchen Saboteuren der Freiheit entkommen will. Öffentlich verbreitetes Wissen um die Freiheitsveranlagung des Menschen und die dafür sprechenden Gründe brauche ich auf der anderen Seite als materialistischer / sozialistischer / neoliberaler oder gar kirchlich verankerter Sozialingenieur und Machthaber nämlich nicht, wenn es mir lediglich um die problemlose und effektive Steuerung der kritischen Bevölkerungsmassen geht. Die funktioniert auch ohne dieses Wissen. Ich werde mich, falls ich als neoliberaler oder totalitärer «Sozialingenieur» dennoch darüber verfüge, aber auch hüten, solches freiheitsrelevantes Wissen preiszugeben und weiträumig in der Bevölkerung zu verbreiten. Denn wer gibt schon freiwillig seine auf Lügen und Halbwahrheiten gebaute Macht ab, indem er unter den Menschen im großen Stil die Aufklärung über ihre Freiheitsfähigkeit öffentlich macht? - Diese Genossenschaft der machtbeflissenen freiheitswissenschaftlichen Gegenaufklärer hat inzwischen viele Helfer. Selbst dort bisweilen, wo man sie zunächst überhaupt nicht erwartet. Mit Halbwahrheiten und ausgekochten Lügen können Sie inzwischen ganz utilitaristisch nicht nur die Wissenschaft, speziell neben der Klimawissenschaft die Pharmakologie und Medizin, sowie über willige Mitmacher die Politik ganzer Staatenverbünde beherrschen. Wie im letzteren Fall die Firma Pfizer inzwischen von Woche zu Woche mehr demonstriert, je mehr von den sieben «Jahrzehnte lang geheim zu haltenden» Schauerlichkeiten dort vorzeitig durch die freigeklagten Forschungsunterlagen zu den Covid-Impfstoffen offenbar werden. Aber nicht nur das ist möglich, sondern Sie können bis zu einem gewissen Umfang auch die ganze Welt damit beherrschen. Auch wenn das «zynisch und nicht moralisch ist. Aber es funktioniert», wie George Friedman in seiner unvergleichlich sarkastischen Chicagoer Rede von 2015 (Minute 59 ff) darlegte. Damit hat er dann wohl eine der verwerflichsten Formen des Utilitarismus und Pragmatismus offen gelegt. Nämlich jene, die völlig frei von spirituellen, ethischen, moralischen und menschlichen Skrupeln, sondern lediglich von der Gier nach Macht getrieben ist, und aus purer Gewalt, Lügen und Täuschen besteht. Und zum Zwecke dieses Machtzieles ganze Völker und Erdteile auf der Grundlage von Betrug, Erpressung, Täuschung und Massenmord in Schutt und Asche legt, wie es Friedman «als Insider» in diesem Zusammenhang von der anglo-amerikanischen Geo-Politik berichtet. Wie gut das «funktioniert», das erleben wir zur Zeit in der Globalkrise seit 2020 sehr eingehend in dem mit Leichen gepflasterten End-Kampf um die anglo-amerikanische Weltherrschaft und den Folgen der inszenierten «Plandemie». Wo die westlichen «Menschen- und Erdenretter und angeblichen Freiheitsenthusiasten» inzwischen seit über einem Jahr dabei sind das riesige Atomkraftwerk von Saporoschje in die Luft zu jagen und die Demokratie in der Ukraine so lange abzuschaffen, «bis der Krieg gegen Russland gewonnen» ist. Während die Welt unterdessen mit Hilfe der WHO und Globalmilliardären zu einem totalitären Freiluftgefängnis und Impfzwang mit Mengele- Experimentalimpfstoffen umgeformt wird. Der Mensch hat «frei von allen gesellschaftlichen, kulturellen und religiösen Bindungen zu funktionieren wie eine Maschine», - so etwa der Gründer und erste Generalsekretär der WHO, Brock Chisholm. - Was alles zugleich der Beweis für das geltende Gegenteil von Friedmans geopolitischem Enthusiasmus und amoralischer Glaubensüberzeugung ist: Sie funktioniert in ihrer unethischen Machtphilosophie, gebaut auf wahrheitsferner, nur pragmatistischer Menschen- und Lebensverachtung nicht! Sondern ist nichts anderes als ein satanisches Konzept des Todes und der Machtgier, das so lange «funktioniert», bis schließlich die gesamte Menschheit mitsamt der Erde dabei auf der Strecke blieb. Was uns Rudolf Steiner bereits am 30. Juli 1918 in weiser Voraussicht hier, GA-181, S. 404 ff angekündigt hat, dahingehend, dass der «Amerikanismus und der Goetheanismus völlig unvereinbar seien. Und der Amerikanismus der Welt den Tod bringt». Siehe auch ergänzend dazu Steiner im Dreigliederungskurs am 2. Januar 1921 in GA-338, S. 236 - 242 über den «Enthusiasmus des Lügens» in Kirchen, Presse und Politik. Innenpolitisch möchte man das bisweilen etwas ergänzen lassen durch einen, der «aus der Zukunft kommt». Das Lügen und Täuschen ist inzwischen zur gesteuerten Allzweckwaffe in Kirchen, Politik, Medien und regelmäßig sogar der «angesehenen» Wissenschaft geworden. Das sind ja Tatsachen, die heute teilweise von Steiners eigenen Leuten massiv hintertrieben werden, selbst dann, wenn das alles vor ihren eigenen Augen geschieht. Aber wie oben bereits gesagt: Die Genossenschaft der machtbeflissenen freiheitswissenschaftlichen Gegenaufklärer hat inzwischen viele Helfer. Selbst dort bisweilen, wo man sie zunächst überhaupt nicht erwartet. Es ist also sehr wahrscheinlich, daß dieselbe westliche Eugeniker- und Reset-Mischpoke, die gerade die ganze Menschheit über Politik und Medizin mit Biowaffen und Lockdown traktiert, und mit dem anderen Arm gegen den angeblich menschengemachten Klimawandel antobt, gleichzeitig mit ihrem neuerlichen Barbarossa-Zug nach Osten die Welt mit Bedacht in einen totalen Vernichtungskrieg, und trotz aller Klimaklebenden, Windmüllernden und AkW-Abschaltenden in die (globale) radioaktive Verseuchung stürzt. Inzwischen (Stand 05. 07. 23) nimmt das alles über die zunehmenden Angriffe auf das AkW Saporoschje immer bedrohlichere Ausmaße an. Mit der radioaktiven Verstrahlung der Erde haben die grün-eugenischen Welt- und angeblichen Freiheitsretter also kein Problem, so lange es nur den Zielen ihrer Machtgier förderlich ist. Es ist also hochgradig wahrscheinlich, dass diese Rettungs-Mischpoke mit Rettung von Erde und Menschheit und ihrem «Wohlergehen in Freiheit» nicht viel am sprichwörtlichen Hut hat. Sondern im Gegenteil: Eher auf multidimensionalen Ebenen dem satanischen Erfolgskonzept des Herrn Friedman bis in den allgemeinen Untergang folgt. Mit einem Bild vom Tier-Maschinenmenschen als Leitmotiv, wo man als globaler «Führer» dann die «nutzlosen Esser» (Harari) über UNO und WHO, Militär, Medizin, «Weltregierung» und inszenierte Hungerkatastropen nach Belieben an- und ausknipsen kann. Wobei der zerstörerischen Fantasie einschließlich inszenierter Klimakatastrophen keine Grenzen mehr gesetzt sind. Diese Dinge hängen über die naturwissenschaftliche Grundlagenforschung / Erkenntniswissenschaft und darauf aufbauender Ethik vom «freien», im Gegensatz zum bloß «mechanistisch getriebenen» Menschen schon auch eng mit einander zusammen. Man darf die von außen beobachteten «Spuren» des Denkens, Erkennens und Seelenlebens nicht mit dem wirkenden Original verwechseln. Was zu Beginn des neunten Kapitels von Steiner bereits in der Philosophie der Freiheit im Prinzip dargelegt, und damit perspektivisch auch für die Gegenwart vorweg genommen worden ist. Die prinzipiellen Verhältnisse von Innen- und Außenbeobachtung sind ja heute nicht anders geworden, als sie damals waren. Doch nicht nur Steiner sah das zumal bei seinem Anspruch nach «erkenntniswissenschaftlicher Voraussetzungslsosigkeit» so, bei der hoch zweifelhaften naturwissenschaftlichen Ausgangslage nach Wirksamkeitszusammenhängen zuallererst im eigenen Inneren zu suchen, sondern ein großer Teil seiner wissenschaftlichen Zeitgenossen sah das ebenfalls so. Johannes Volkelt bestätigte diese Tatsache ausdrücklich noch einmal in der letzten Fassung seiner eigenen Erkenntnistheorie von 1918 auf S. 141 ff. Und Wilhelm Dilthey, - um nur auf diesen prominenten Zeitgenossen noch einmal in dieser Frage hinzuweisen, - bereits in seinem Berliner Vortrag von 1894 speziell auf den Seiten 1313 ff. Steiner untersuchte diese naturwissenschaftlichen Gewissheiten zuallererst beim unmittelbar erlebten Denken und Erkennen – und zwar in der naturwissenschaftlich angemessenen Form von Wirksamkeitszusammenhängen. Und um das noch einmal hervorzuheben: Denen er die Unabhängigkeit der begrifflichen Inhalte von dieser Tätigkeit gleichberechtigt an die Seite stellte. Denn bekanntlich suchte Steiner nicht nur in der Philosophie der Freiheit «mehr, als nur Ich». Sondern man kann das bereits in den Grundlinien im Kapitel 8 ff lesen. Was er, wie wir oben sahen, aber auch im gesamten begründenden Frühwerk gegenüber Fichte geltend machte. Das alles ist in seinen sämtlichen Frühschriften leicht nachzulesen. Programmatisch besonders unmissverständlich formuliert als «Suche nach den wirkenden Naturkräften im eigenen Inneren, um dort auch mehr zu finden als bloß Ich» am Ende des zweiten Kapitels der Philosophie der Freiheit mit ihreren seelischen Beobachtungsresultaten nach naturwissenschaftlicher Methode. Aber wahrlich nicht nur dort: „Es kann nur ihr eigenes Wirken sein, das auch in uns lebt. … Wir wollen keine Spekulationen anstellen über die Wechselwirkung von Natur und Geist. Wir wollen aber hinuntersteigen in die Tiefen unseres eigenen Wesens, um da jene Elemente zu finden, die wir herübergerettet haben bei unserer Flucht aus der Natur. Die Erforschung unseres Wesens muß uns die Lösung des Rätsels bringen. Wir müssen an einen Punkt kommen, wo wir uns sagen können: Hier sind wir nicht mehr bloß «Ich», hier liegt etwas, was mehr als «Ich» ist.“ 29. Von der Assoziationspsychologie Humes zur modernen Psychologie des Denkens Kommen wir jetzt auf spezielle denkpsychologische Fragestellungen zu sprechen, die hier eine wesentliche Rolle spielten. Die andere maßgebliche Tatsache in der Grundlagen- und Freiheitsforschung dieser Zeit war nämlich wie gesagt die, daß man damals im Gefolge Humes von einem «psychologischen Zwang durch Assoziation» sprach, der uns angeblich nötigt, die Geschehnisse nach Ursache und Wirkung zu ordnen, weil wir gar nicht anders können. Ein beim Denken und Erkennen frei agierendes «Ich» existiert für diese Psychologie der Assoziation nicht, sondern galt lediglich als Täuschung. Menschliche Freiheit im Denken und Handeln gab es infolgedessen schon gar nicht, wie es seinerzeit auch von Eduard von Hartmann behauptet wurde. Eine Vorstellung der mentalen Zwangsereignisse, die aus einer alten, mechanistischen britischen Assoziations-Psychologie stammte, der David Hume bereits anhing. Die Philosophie der Unfreiheit hatte damals viele Vertreter. Auch aus der Region des Idealismus, wie etwa an Eduard von Hartmann exemplarisch sichtbar wird, der dazu eine Allianz mit den Zwangsvorstellungen der Assoziationspsychologie eingegangen war. So schreibt Wilhelm Dilthey in seiner Einleitung in die Geisteswissenschaften. Bd 1, Leipzig und Berlin 1922, S. 377 über die Genese dieser Assoziations-Psychologie: „David Hume, welcher über zwei Generationen nach Spinoza dessen Werk fortsetzte, verhält sich zu Newton genau so wie Spinoza zu Galilei und Descartes. Seine Assoziationstheorie ist ein Versuch, nach dem Vorbild der Gravitationslehre Gesetze des Aneinanderhaftens von Vorstellungen zu entwerfen. «Die Astronomen», so erklärt er, «hatten sich lange begnügt, aus den sichtbaren Erscheinungen die wahren Bewegungen, die wahre Ordnung und Größe der Himmelskörper zu beweisen, bis sich endlich ein Philosoph erhob, welcher durch ein glückliches Nachdenken auch die Gesetze und Kräfte bestimmt zu haben scheint, durch welche der Lauf der Planeten beherrscht und geleitet wird. Das gleiche ist auf anderen Gebieten der Natur vollbracht worden. Und man hat keinen Grund, an einem gleichen Erfolg bei den Untersuchungen der Kräfte und der Einrichtung der Seele zu verzweifeln, wenn dieselben mit gleicher Fähigkeit und Vorsicht angestellt werden. Es ist wahrscheinlich, daß die eine Kraft und der eine Vorgang in der Seele von dem andern abhängt.» […] So begann die erklärende Psychologie in der Unterordnung der geistigen Tatsachen unter den mechanischen Naturzusammenhang, und diese Unterordnung wirkte bis in die Gegenwart.“ - So weit Dilthey über Humes Überlegungen zur Etablierung einer mechanistischen Assoziationspsychologie, die sich laut Dilthey von der Gravitationslehre Newtons impulsieren ließ und als solche bis in seine eigene Zeit fortwirkte. Modernere Zeitgenossen würden sich da eher an elektrophysiologischen Erscheinungen orientieren, die zu Humes Zeiten noch nicht bekannt waren. (Siehe ausführlicher zur Entwicklung der Assoziationspsychologie, George Humphrey, Thinking, An Introduction To Its Experimental Psychology,Oxford 1951, S. 1-29.) Das war die «alte Assoziationspsychologie», von der Edith Stein oben sprach. Deren Erklärungsansatz zur Unterordnung der geistigen Tatsachen unter den mechanischen Naturzusammenhang führte, wie Dilthey schrieb. Insofern ist es nicht überraschend, wenn Steiner in der Philosophie der Freiheit gleich drei zeitgenössische Hauptvertreter dieser Assoziationspsychologie behandelt. Nämlich Herbert Spencer, Eduard von Hartmann und den Hume- und Kant-Anhänger Theodor Ziehen, wenn auch den letzeren eher beiläufig zu Beginn des dritten Kapitels der Philosophie der Freiheit. Oder vielleicht treffender formuliert: als zeitgenössisches Gegenlager / Kontrapunkt in Gestalt der mechanistischen Assoziationsspsychologie zu seiner eigenen Auffassung, die er im Kontrast dazu im dritten Kapitel der Philosophie der Freiheit vorstellt. Besonders klar hervor tritt diese mechanistische / assoziationstheoretische Gegenposition beim physiologischen Psychologen Ziehen in Sätzen wie: «Unser Handeln ist necessitiert wie unser Denken» (Ziehen, 1893, S. 208 f). Abgesehen von Eduard von Hartmann, etwa Das Unbewußte vom Standpunkt der Physiologie und Descendenztheorie, 2. Aufl, Berlin 1877, wonach hier, S. 137 f gilt: „Die Ideenassociation ist die allgemeingültige, ewig unersetzliche Urform, in welcher jeder Vorstellungsprocess verläuft, … .“; oder abgesehen auch von Theodor Ziehen, - kamen deren typische Vertreter maßgeblich, wie etwa der einflußreiche Herbert Spencer, aus dem angelsächsischen Sprachraum. Weswegen der physiologische Psychologe Theodor Ziehen in dem von Steiner in der Philosophie der Freiheit genannten Leitfaden der physiologischen Psychologie, Leipzig 1893 (Vorwort) den Leser davon unterrichtete, daß er sich «eng an die Assoziationspsychologie der Engländer anlehne». Während Steiner mit seiner Beobachtung des Denkens, in der Philosophie der Freiheit und früher, zusammen mit anderen Psychologen des Denkens wie der nachfolgenden Würzburger Schule Oswald Külpes zu ganz anderen Resultaten gelangte als die Assoziationspsychologen der britischen Schule. Siehe Karl Bühler dazu hier. Und hier. Demgegenüber diese britische Schule wiederum mit ihren «assoziativen Zwangsvorstellungen» erkenntniswissenschaftlich über Theodor Ziehen den Totalitarismus der Marxisten und Sozialisten beflügelte, wie Steiner in späteren Vorträgen berichtete (siehe etwa GA-174b, S. 300 ff). Zu Begriffen wie Ethik, Willen, Verantwortung und Freiheit kommt diese mechanistische Psychologie nicht. Siehe relativ ausführlich auch George Humphrey 1951, S. 1-29, der dort den Werdegang der Assoziationspsychologie von ihren Ursprüngen bis zu ihren modernen mechanistischen Ablegern des 20. Jahrhunderts wie etwa Pawlows Reflexologie und den Behaviourismus skizziert. Den seinerzeit bekannten deutschen Assoziationspsychologen Theodor Ziehen führt Steiner im dritten Kapitel der Philosophie der Freiheit eingangs an (hier S. 22). Steiners «Rebhuhnreplik» an den damals wirkmächtigen Anhänger der Assoziationspsychologie Herbert Spencer dürfte auch vielen bekannt sein, die sich mit der Philosophie der Freiheit und ihrem vierten Kapitel beschäftigen. Humes Theorie der «Gewöhnung als Ursache unseres Kausalitätsglaubens» und Grundlage auch des naturwissenschaftlichen Kausalitätsglaubens, hat er bereits in Wahrheit und Wissenschaft (hier S. 41f) ablehnend gestreift. Mit Steiner wiederum stellten zahlreiche andere, wie Volkelt oder Bühler und Külpeschule, in dieser psychologischen Umbruchzeit der Jahrhundertwende die Psychologie des Denkens auf eine ganz andere Grundlage, wie auch der Brite George Humphrey in den 1950er Jahren ausführlich dokumentierte. Womit sie auch die Assoziationspsychologie für die Bewertung der Denk- und Erkenntnisvorgänge obsolet machten. Weswegen Edith Stein in ihrem Vorwort von der «veralteten Assoziationspsychologie» sprach. Woran der Leser erkennen kann, wie sehr durch eine gewandelte psychologische Methode der Beobachtung des Denkens, die im Gegensatz zu ihrem mechanistischen Vorläufer einen unmittelbaren Empiriebezug an den konkreten Vorgängen des Denkens hatte, das naturwissenschaftliche Grundlagenverständnis ebenso betroffen ist wie das nach der menschlichen Freiheit. Oder das nach einem «induktiven Zugang zu den Ideen», um mit Rudolf Steiner in GA-1, S. 128 zu sprechen. Allein dadurch, weil die psychologische Beobachtungsmethode des Denkens jetzt Möglichkeiten der sachlichen Bewertung von Denk- und Erkenntnisprozessen als aktive und beobachtbare innere Handlungen an die Hand bekam, die einer mächtigen angelsächsischen Schule bis dahin nicht zur Verfügung standen. Das alles hatte substantielle Folgen, wie Volkelt 1918, S. 141 in der laut Vorwort «endgültigen Fassung» seiner Erkenntnistheorie schrieb. Dahingehend, daß die Entdeckungen der neueren Psychologie des Denkens und der Bewußtseinsakte „für die Ausgestaltung der Psychologie, der Ethik, der Metaphysik nicht nur wichtig, sondern geradezu entscheidend" sind. - Halten Sie das, lieber Leser, einmal vergleichend neben Steiners «allerwichtigste Beobachtung» aus dem dritten Kapitel der Philosophie der Freiheit. Daraus können Sie eine fruchtbare und lange Studienarbeit zu Steiners zeitgenössischen Quellen verfassen. 30. Sozialphilosophische Folgen einer unzureichenden Kausalitätsforschung Man muß nämlich weiter hinzufügen: Nicht nur für die Psychologie, Ethik und Metaphysik «geradezu entscheidend», sondern damit auch für die Bewertung des Kausalitätsproblems, wie es bei Volkelt 1918 schon auf diesen Seiten mit genannt wurde. Was auch auf der Hand liegt, da das Kausalitätsproblem wegen seiner Bedeutung in der Freiheitsfrage sachlich von der Ethik ja nicht zu trennen ist. Denn es macht eben einen großen Unterschied, ob das erkennende Denken frei, oder eine mechanistisch / psychologische Zwangsveranstaltung von Naturkausalität ist. Und die angebliche Freiheit nur ein Oberflächen- und Täuschungseffekt durch unbekannte und tiefer liegende Ursachenzusammenhänge ist, wie es damals fast regelmäßig, und sogar von den Idealisten wie Eduard von Hartmann erklärt wurde. So daß vor dem Hintergrund der Ethik zu konstatieren ist, daß ein mechanistisches Zwangsdenken notwendigerweise wie bei Theodor Ziehen oder Herbert Spencer auch zu einer totalitären politisch-gesellschaftlichen Ethik führen muß, weil es einen freien Menschen nach der damals mechanistischen britischen Assoziations-Doktrin grundsätzlich nicht geben konnte. Totalitäre Ideologien wie etwa der Sozialdarwinismus und seine eugenischen Ableger wie bei Herbert Spencer, desgleichen Ziehens Impulse auf den Marxismus basieren auf solchen mechanistischen Erklärungen des menschlichen Denkens und Handelns. So daß leicht nachvollziehbar ist, wenn auf dieser philosophisch / naturwissenschaftlichen Grundlage organisierte Staaten zum Totalitarismus tendieren, weil die bestimmenden Eliten dort nur das staatsphilosophisch umsetzen, was ihnen eine mechanistische Wissenschaft vom unfreien Tier-Maschinen-Menschen als Steilvorlage zu einer enthumanisierten Staatsethik zur Verfügung stellt. Was nicht erst seit heute und gestern auch für die sogenannte «westliche Wertegemeinschaft» gilt, die derzeit in erschreckendem Ausmaß zu einem vollständig autoritären und enthumanisierten Orwell-System von Gulag-Maschinenstaaten geformt wird. Wo demnächst im Mai 23 / inzwischen über den deutschen Bundestag möglicherweise eine neue Art von «medizinischem Ermächtigungsgesetz» zur despotischen Herrschaft einer hochkorrupten WHO-Spitze über das leibliche und seelische Wohl aller Deutschen führt. Hochgradig privatorganisierter und finanzierter Mengele-Totalitarismus bis hin zur umfassenden zwangsweisen Anwendung von als Impfstoffen getarnten Biowaffen auf die ganze Bevölkerung. Mit nachfolgender Übersterblichkeit und massenhaften Schädigungen der Betroffenen. Letztlich auch nur ein tyrannisch verlogener Herrschaftspragmatismus, der alles andere zum Ziel hat, nur nicht die menschliche Gesundheit und menschliches Wohlergehen in Freiheit. Auch das ist «zynisch und nicht moralisch, aber es funktioniert». Ganz pragmatisch mit Bevölkerungssteuerung auf der Grundlage von Massenpsychologie, politischen / juristischen / sozialen Druckmitteln und einem umfassenden Gebräu von Lügen und Täuschung. Quasi eine medizinisch organisierte faschistische Mengele-Weltherrschaft unter Führung der westlichen «Wertegemeinschaft» und Globalmilliardären, bei maßgeblicher deutscher Beteiligung auf allen Ebenen von Finanzierung, Forschung und Umsetzung. Bis hin zum Großrosstäuscher des Drosten-Tests. Von denselben Bundestagsparteien nun vor allem beschlossen, die sich vorher schon nicht genug ereifern konnten für eine massenhafte Zwangsimpfung der ganzen Bevölkerung mit folgenschwersten Biowaffen. Mit nachfolgendem Massensterben und millionenfachem Elend, wie wir es in den zurückliegenden zwei Jahren auf analogen Wegen, und in Deutschland angeschoben unter Merkel&Co, bereits erlebt haben. Das alles demnächst in einer globalistischen Variante, wie es das bis dahin in dieser Form und mit den modernen technischen Möglichkeiten zum Völkermord und genetischer Manipulation nicht einmal in der schlimmsten Naziherrschaft gab. Die übrigens auch nur ein Anhänger und Kind der damaligen westlichen Wertegemeinschaft unter der Führung Groß-Britanniens und der USA war, und von dort her ähnlich «als gute Nazis» installiert wurde, wie Jahrzehnte später «die guten Nazis» (Willy Wimmer) in der Ukraine. Die heute wiederum von den schwarzrotgelbgrünen Neonazis und ihren gleichgesinnt faschistoiden Natopartnern hofiert werden. Zum ungeheuren Schaden der ukrainischen Bevölkerung, die infolgedessen laut Robert F. Kennedy bisher allein 300000 tote Soldaten zu beklagen hat, wobei seit Nennung dieser Zahlen fast wöchentlich tausende hinzu kommen. Als Kanonenfutter für einen menschenverachtenden «Wertewesten». Wo demnächst dann auch noch hochgradige Verseuchung durch die Uranmunition der Briten zu erwarten sind. Ferner gesprengte Atomkraftwerke und ein völlig verwüstetes Land, wenn nicht gar ganzer Erdteile, die dem Erdboden gleichgemacht werden. Das alles steht am Ende des von Friedmann so beißend beschworenen Kalküls einer westlichen Todeskultur der Macht, das angeblich «so gut funktioniert». In Wirklichkeit aber nichts anderes ist als Innen- und Außenpolitik als gelebter Satanismus einer alles zerstörenden Machtgier von sinistren, angeblichen «Eliten», die sich weltweit als materialistische Sozialingenieure und Massenmörder gerieren. Demgegenüber nur ein freies Denken auch Grundlage einer freien Gesellschaft und des freien Menschen sein kann. Während sein monströses Gegenteil inzwischen in voller Takelage zum Maschinenmenschen des Herrn Schwab segelt, wie es seit Jahren auch mit all seinem globalen Vernichtungswillen groß angekündigt wird. Was inzwischen unter dem Deckmäntelchen von Gesundheits-, Klimawandel- und Umweltschutzpolitik die angeblichen «Demokratien» des Westens heimsucht. Auch mit den Mitteln einer Mengelemedizin. Mit direkt an der Naziwurzel- und tradition anknüpfender Eugenik, - einem Nazi-Skelett, das laut Guardian «bei den Linken am lautesten klappert», - und flächendeckendem Biowaffeneinsatz als angeblichem Impfstoff. Alles in allem wieder direkt zurück in ein modernes Analogon zur Nazizeit mit den Mitteln einer einzigartigen Allianz von Linksfaschismus, Globalmilliardären, Pharmaindustrie, monströsen Kapitalgesellschaften, Biowaffenforschung, von angeblichen «Anthroposophen» mit finanzierter (Frieder Sprich, S. 27) totalitärer WHO mit ihren involvierten medizinischen Lügenbaronen und westlichen Kriegstreibern. Wo der heruntergekommene alte Adel dann auch nicht abseits steht, und auf seine neue bevölkerungsbereinigende und eugenische Chance wartet, an der er kräftig mitwirkte. Und das deutsche Fernsehen ist mitsamt der Mainstreampresse auch hier wie selbstverständlich mit von der Partie. In unserer heutigen Gegenwart ist der Leser damit direkter Zeitzeuge und unmittelbarer leibhaftiger Beobachter dieser Verhältnisse. Sieht und erlebt inzwischen auch ganz ungeschönt mit sämtlichen leiblichen, seelischen und geistigen Fasern und Folgen, wohin das eine und das andere gesellschaftlich zu führen vermag: In den menschenverachtenden und -vernichtenden Nazi-Maschinenfaschismus des Herrn Schwab und seiner intellektuellen Zuträger nebst totalitären politischen Anhängern und Statthaltern in den überwiegend westlichen Regierungen, und inzwischen sogar der christlichen Kirchen. Oder aber in eine geistig freie und menschenwürdige Gesellschaft. Das alles hängt naturwissenschaftlich, psychologisch und philosophisch maßgeblich auch an solchen Fragen, wie sie von Volkelt, Steiner und zahllosen anderen zur Kausalität im menschlichen Inneren damals untersucht wurden. Und ohne derartige Forschung wird es auch in Zukunft nicht gehen. Dazu muß man eines noch bedenken: Ein großer Teil des Widerstandes gegen diesen materialistischen Weltfaschismus besteht aus Menschen, von denen ich zumindest hierzulande feststellen mußte, dass sie dieser Entwicklung auf der Erkenntnisebene außer einem allgemeinen Unbehagen und einem sicheren Unrechtsgefühl intellektuell nicht viel entgegen zu setzen haben. Denn diejenigen, welche aufbegehren, bestehen in vielen Fällen aus religiös entwurzelten Agnostikern, Materialisten und Menschen, die von solchen grundlegenden Menschheitsfragen zur Freiheit keinerlei Lösungsvorstellungen haben. Um sich aus der Umklammerung eines faschistoiden Materialismus wirklich nachhaltig zu befreien, dazu gehört aber weit mehr, als nur ein empfindliches Unrechtsbewußtsein. Das Letzere hier eher als Nebenbemerkung mit Selbstverständlichkeiten, die jedem klar sein dürften. Volkelt, der die junge Psychologie des Denkens damals mit hoher Aufmerksamkeit verfolgte, spricht 1918 ausdrücklich von den erlebten Denkvorgängen, die „für die Ausgestaltung der Psychologie, der Ethik, der Metaphysik nicht nur wichtig, sondern geradezu entscheidend" sind. Auch das ein Hinweis darauf, wie sehr die Psychologie des Denkens, Freiheitsphilosophie und naturwissenschaftliche Grundlagen miteinander verwoben sind. Weswegen für Steiner die menschliche Freiheit in jenem «intuitiven Denken wurzelt, durch das eine jegliche Wahrnehmung in die Wirklichkeit erkennend hinein gestellt wird», wie es in der Philosophie der Freiheit (hier S. 179 ff) heißt. Das aber ist auch ein Denken, das von den leiblichen Organen unabhängig ist. Und infolgedessen als Denken die leiblich seelische Organisation des Menschen in ihrer Wirksamkeit beobachtbar zurückdrängt, wie Steiner eingangs des neunten Kapitels der Philosophie der Freiheit ausführt. Die «zurückdrängende wesenhafte Wirksamkeit» des Denkens entfaltet sich demzufolge auch im physischen Bereich der menschlichen Leibesorganisation und in seiner seelischen Organisation. Was als solches schon jede Menge tiefschürfender Fragen im Zusammenhang mit der Natur-Kausalität aufwirft. Die als Leitfrage auch gleich zu Beginn im ersten Kapitel der Philosophie der Freiheit gestellt wird: „Ist der Mensch in seinem Denken und Handeln ein geistig freies Wesen oder steht er unter dem Zwange einer rein naturgesetzlichen ehernen Notwendigkeit?“ 31. Ungenügende Quellenforschung an der Alanushochschule zu Steiners Empirismus der Grundlagen Wie Sie im obigen Zitat von Reininger wiederum lesen, ist die «innere Beobachtung» zwecks Klärung der Kausalitätsproblematik bei Hume durchaus zulässig. War bei ihm selbst aber nicht von Erfolg gekrönt, denn dafür kam er schlicht viel zu früh. Mit Humes Ansicht und der Gefolgschaft Kants in der ablehnenden Haltung Humes gegenüber der Kausalerklärung, können Sie wiederum die philosophische Unruhe verstehen, die sich infolge dieses Resümees des großen Umwälzers Kant und seines Ideengebers Hume verbreitete. Und warum es Steiner so sehr darauf ankam, Kant zu überwinden. Insofern ist es natürlich auch kein Zufall, wenn Steiner gleich nach dem Kapitel 14 der Grundlinien rückblickend die Bemerkung platziert: „Wir erinnern uns, warum eigentlich das Denken in unmittelbarer Erfahrung bereits sein Wesen enthält. Weil wir innerhalb, nicht außerhalb jenes Prozesses stehen, der aus den einzelnen Gedankenelementen Gedankenverbindungen schafft. Dadurch ist uns nicht allein der vollendete Prozeß, das Bewirkte gegeben, sondern das Wirkende.“ - Wer die Situation um den empirischen Erklärungsnotstand der Zeit im Blick hat, wie Steiner ihn im Kapitel 14 der Grundlinien … kurz skizziert, dem fällt es leicht, Steiners Rückblick im Folgekapitel 15 auch auf das von Steiner angesprochene Problem mit den beiden Dogmatismen zu beziehen und Steiner in der von Edith Stein skizzierten Strömung jener Zeit anzusiedeln, die auf dem Wege war das Problem Kants und Humes zu lösen. Der Leser wird sich infolgedessen auch in keiner Weise darüber wundern, wenn er in Steiners Literaturverzeichnis zu Wahrheit und Wissenschaft neben vielem anderem thematisch Verbundenem auf S. 10 auch den Artikel von Ernst Laas genannt findet, über Die Kausalität des Ich. (Hier im Original der Zeitschrift für wissenschaftliche Philosophie, 1880 in drei Teilen zu studieren. Und hier bei Wilhelm Humerez.) Auf der einen Seite endete als Folge des ungelösten «Humeschen Problems» jede empirische Erkenntnis laut Kant irgendwo im Nirgendwo des Dinges an Sich – ohne jeden ernsthaften Anspruch, das Wesen der Wirklichkeit zu erfassen. So daß an Humes Problem mit der Induktion sogar das deutsche Fernsehen heute noch herumrätselt, freilich ohne den empirischen Hintergründen und Argumenten Humes in Einzelheiten näher nachzugehen. Und, wie es heute allgemein und inzwischen sogar bei den Anthroposophen weithin üblich geworden ist, das erlebte Denk- und Erkenntnisgeschehen wie überhaupt die inneren Tatsachen, - anders als Hume das zumindest noch ansatzweise tat, und Steiner besonders regelmäßig und tiefgründig, - aus dieser Rechnung und dem Angebot der experimentellen Möglichkeiten an Klärungen um das Kausalitätsproblem streicht. So daß deutsches Fernsehen und viele akademisch orientierte Anthroposophen sich sachlich und vom Niveau her inzwischen weit näher stehen als anthroposophische Autoren zu Rudolf Steiner. Wie auch das Beispiel des Sammelbandes aus der Alanushochschule zeigt. Wo zu solchen Fragen nicht einmal ein winziges und bescheidenes Lichtlein in der Quellenangelegenheit glimmt. Nach annähernd 130 Jahren Philosophie der Freiheit und noch mehr Jahren der Grundlagenforschung Steiners. Während an der Universität Witten-Herdecke inzwischen Forschungspreise für Steiners erkenntniswissenschaftliche Gegner ausgelobt werden, die der Überzeugung entschiedenen Ausdruck verleihen, dass das menschliche Denken nie als ein Tun erlebt werde. Was sich in beunruhigender Nähe zu Witzenmann bewegt. Siehe dazu auch Volkelt 1918, S. 141, Anmerkung 1. Desgleichen ausführlicher hier auf derzeit S. 331 ff. Daß bei manchem Anthroposophen wirklich kein Lichtlein glimmt, das naturwissenschaftliche Grundlegungsproblem von Hume und Kant betreffend, davon kann der Leser sich unmittelbar überzeugen im Sammelband der Alanushochschule über Die philosophischen Quellen der Anthroposophie, anhand des Beitrages von Jost Schieren, S. 71 ff. Schieren spricht dort unter anderem auf S. 71 ff über Steiners Schrift Wahrheit und Wissenschaft. Was eigentlich ein sehr löblicher Aspekt seiner Abhandlung wäre. Des weiteren behandelt er dort S. 74 ff den Ausdruck «intellektuelle Anschauung», von dem in Steiners Schrift mit Blick auf Kant ja auch die Rede ist. So weit so gut also, möchte man fast meinen, wenn man die näheren Zusammenhänge nicht kennt. Was Schieren dabei freilich vollständig übergeht, ist die Tatsache, daß Steiner an der genannten Stelle im vierten Kapitel von Wahrheit und Wissenschaft (hier S. 37) die «intellektuelle Anschauung» zwingend mit der erlebten Tätigkeit des Hervorbringens von Begriffen und Ideen verknüpft. So daß natürlich die Frage aufkommt: Warum unterschlägt Schieren hier dem Leser einen essentiellen Bestandteil der von Steiner ausgesprochenen Eigenschaften der «intellektuellen Anschauung», indem er sie einfach weg läßt? Und dem Leser damit ausgerechnet auch noch jenen Kernbestandteil vorenthält, den sein Lehrer Witzenmann auch schon 40 Jahre lang in Permanenz bei den restlichen Frühschriften Steiners unter den Tisch fallen ließ, obwohl sie dort ebenfalls nicht zu übersehen waren! Dazu weiteres nach dem folgenden Abschnitt. 32. Synthese von Wahrnehmung und Begriff und seelische versus introspektive Beobachtung Wiederum in der Schrift Wahrheit und Wissenschaft ist aus dem entsprechenden Kontext klar und deutlich zu entnehmen, dass die «unmittelbare Gegebenheit des Hervorbringens von Begriffen» nur als innere Erfahrung sprich: «Introspektion» zu verstehen ist. Und soweit dies begrifflich durchdrungen und geklärt wird, als «innere oder introspektive Beobachtung». Immerhin gibt es in Steiners Grundlinien Kap. 7, hier S. 40, bereits den Ausdruck «innerer Sinn» für das «Wahrnehmungsvermögen der inneren Erlebnisse». (Ein Ausdruck, der übrigens schon bei Kant gebräuchlich war. Siehe dazu Kurt Eislers Kant-Lexikon.) Erkenntnis aber besteht bei Steiner stets aus der Durchdringung von Wahrnehmungen, gleich welcher Art, mit Begriffen. Was er in der Zweitauflage der Grundlinien in den Anmerkungen der Neuauflage von 1924 zu S. 27 eigens noch einmal dargelegt hat. Schauen wir noch einmal darauf, was er 1924 (hier auf S. 137 f) unter dem Stichwort «Diese unsere erste Tätigkeit ...reine Erfahrung» in diesen Anmerkungen schreibt: „Man sieht aus der ganzen Haltung dieser Erkenntnistheorie, daß es bei ihren Auseinandersetzungen darauf ankommt, eine Antwort auf die Frage zu gewinnen: was ist Erkenntnis? Um dieses Ziel zu erreichen, wird zunächst die Welt der sinnlichen Anschauung einerseits und die gedankliche Durchdringung andrerseits ins Auge gefaßt. Und es wird nachgewiesen, daß im Durchdringen der beiden die wahre Wirklichkeit des Sinnenseins sich offenbart. Damit ist die Frage: «Was ist Erkennen?» dem Prinzipe nach beantwortet. Diese Antwort wird keine andere dadurch, daß die Frage ausgedehnt wird auf die Anschauung des Geistigen.“ Wie wir weiter oben bereits besprachen, wird diese Sachlage auch vertiefend behandelt speziell im längeren Zusatz zum Kapitel VII der Zweitauflage der Philosophie der Freiheit mit ihrem erweiterten Wahrnehmungsbegriff, dahingehend, daß „alles sinnlich und geistig an den Menschen Herantretende als Wahrnehmung aufgefaßt wird, bevor es von dem tätig erarbeiteten Begriff erfaßt ist.“ (hier, S. 94) Hat man nun «innere Wahrnehmungen durch den inneren Sinn», dann muß man sie mit entsprechenden Begriffen zwecks Erkenntnis durchdringen. Und für die nach außen orientierten Sinne und deren Wahrnehmungen gilt analoges. Einen anderen Weg als den, (innere) Erfahrungen zwecks Erkenntnis mit Begriffen zu durchdringen, gibt es für Steiner auch bei der «seelischen Beobachtung» nicht. Das zumindest sollte man von einem akademischen Interpreten, der aus den Reihen der Anthroposophie stammt, als bekannt voraussetzten. Im Falle des Denkens und seiner Beobachtung gilt dasselbe, wie wir hier wiederholt schon darlegten. Wobei hier eine Besonderheit darin besteht, die Tätigkeit des Denkens selbst anhand der Erfahrungen des Denkens zu betrachten. Wofür Steiner, wie wir schon darlegten, nicht nur in den Grundlinien… sondern auch in der Philosophie der Freiheit den Ausdruck «gegenüberstellende Betrachtung» verwendet. Mit dem Ziele der Begriffsbildung respektive Erkenntnis des Denkens. Wobei, wie wir ebenfalls erläuterten, die begriffsbildende gegenüberstellende Betrachtung zwecks Erkenntnis des erfahrenen Denkens ihrerseits eine erlebte aktive Leistung des erkennenden Denkens ist. Ich sage das ausdrücklich noch einmal, damit es hier nicht in Vergessenheit gerät. - Es wird dabei also nicht nur das vergangene Denken betrachtet, sondern der Betrachtungsvorgang ist seinerseits ein aktiver Tätigkeitsprozess des erkennenden Denkens / Individuums. Was bei Steiner dann unter dem Stichwort «Zusammenfallen von Wahrnehmung und Begriff» eingangs im Kapitel IX der Philosophie der Freiheit eine nähere Beleuchtung findet. Und später in dieser Schrift (hier S. 180 f) unter dem Ausdruck «intuitiv erlebtes Denkens» als spezifische Denkleistung gekennzeichnet wird, dahingehend, dieses intuitiv erlebte Denken sei «eine Wahrnehmung, in welcher der Wahrnehmende selbst tätig ist. Und eine Selbstbetätigung, die zugleich wahrgenommen wird.» Die Erkenntnis des Denkens anhand der gegenüberstellenden Betrachtung von Erfahrungen / Wahrnehmungen des Denkens findet also statt durch ein intuitiv erlebtes Denken, bei dem Wahrnehmung und Begriff zusammenfallen. - Speziell auch so eine Erkenntnis des Denkens via intuitivem Denken nennt Steiner laut Untertitel der Philosophie der Freiheit «seelische Beobachtung». Wobei sich dieses wiederum weitestgehend mit den Intentionen des Psychologiekapitels 18. der Grundlinien deckt. Wonach (hier, S. 119) die Psychologie nicht nur «die erste Wissenschaft sei, wo es der Geist mit sich selbst zu tun hat.» Methodisch dahingehend gekennzeichnet: „Der Geist steht sich betrachtend selbst gegenüber.“ Und ferner (S. 119 f): «dass eine wahrhafte Psychologie nur zu gewinnen sei, wenn man auf die Beschaffenheit des Geistes als eines Tätigen eingeht». Das alles wiederholt sich bis einschließlich der gegenüberstellenden Betrachtung des Denkens im sogenannten «Ausnahmezustand» im dritten Kapitel bei den «seelischen Beobachtungen» der Philosophie der Freiheit. So daß die «seelische Beobachtung nach naturwissenschaftlicher Methode» dieser Schrift schon ihr methodisches Vorbild in den Grundlinien inklusive des dortigen Psychologiekapitels hat. 1894 und 1918 alles nichts Neues, sondern seit mindestens 1886 schon von Steiner so dargelegt. Und 1918 dann in der Zweitauflage als «Seelische Beobachtungsresultate nach naturwissenschaftlicher Methode» im Untertitel extra noch einmal hervorgehoben. (Hier eine jüngere Ausgabe von 1995) Während 1894 nur die «Beobachtungs-Resultate nach naturwissenschaftlicher Methode» diese Stelle besetzten, obwohl sich inhaltlich bis auf allerlei Ergänzungen und Klarstellungen am Inhalt wenig änderte. - Und zumal am Erkenntnisprozedere der seelischen Beobachtung ändert sich in diesen Frühschriften nichts. Sie müssen zwecks Erkenntnis innere Wahrnehmungen stets mit Begriffen durchdringen. Etwas anderes gibt es da nicht. Nennt man diese Methode der seelischen oder inneren Beobachtung «Introspektion» oder «introspektive Beobachtung» respektive «innere Beobachtung» oder gern auch mit Steiner «seelische Beobachtung» wie Steiner in der Philosophie der Freiheit, im Kontrast zur äußeren Beobachtung, so ist mit diesem technischen Ausdruck alles gesagt, was für die Erkenntnis der Innenwelt infrage kommt. Man kann andere Ausdrücke dafür wählen, wenn man will und falls einem das sinnvoll erscheint. Aber der Name bleibt für das grundsätzliche Prozedere vollkommen belanglos. Denn das Erkenntnisvorgehen besteht stets in der Durchdringung von Wahrnehmungen mit Begriffen. Das ist der basale Vergleichspunkt. Über die Ausdrücke für das innere Erkenntnis-Prozedere und ihre Angemessenheit kann man streiten. Über das von Steiner gemeinte Grund-Prozedere der Verbindung von Wahrnehmung und Begriff aber nicht. Denn das ist in seinen Frühschriften unmissverständlich dargelegt, und wie wir in den Grundlinien sehen, 1924 ausdrücklich noch einmal bestätigt und klargestellt worden. Man kann sich also nicht einfach hinstellen wie Herr Schieren, und ohne jeden Beleg behaupten, Steiners seelische Beobachtung sei keine Introspektion. Ohne einen einzigen klärenden Satz dazu gesagt zu haben, was Herr Schieren denn selbst darunter versteht. Und was vor allem in seinen Augen Steiner damit gemeint haben könnte. Er meint doch nicht etwa eine behaviouristische Verhaltensbeobachtung damit. Was also ist eine «nicht-introspektive seelische Beobachtung» für Herrn Schieren? - Und was soll sie für Rudolf Steiner sein? - Und zwar im Kontext der Steinerschen Erkenntniswissenschaft. Wo also bleiben die diesbezüglichen Belege des Herrn Schieren in all dem Nebel, den er da mit leeren Worten produziert! - (Siehe zum Ausdruck «Introspektion» auch ausführlicher Paul Ziche, a.a.O. in den ersten drei Kapiteln. Weitere Ergänzungen auch hier.) Die begriffliche Durchdringung innerer Wahrnehmungen zwecks Erkenntnis gilt für Steiner in jedem Fall. Deswegen kann seine «seelische Beobachtung» der frühen Begründungsschriften im Prinzip keine andere sein als die irgend eines anderen introspektiven Beobachters. Sei es eines Einzelnen für sich allein, oder meinetwegen der Würzburger Schule Külpes, die dasselbe tat. Nämlich innere Wahrnehmungen durch gegenüberstellende Betrachtung mit Begriffen durchdrang, um zu einem empirisch substantiierten Begriff des Denkens zu kommen. Das, diese methodische Vergleichbarkeit, ist ja auch einer der Gründe dafür, warum es Steiner 1917 zwecks Grundlagenforschung in ein psychologisches Laboratorium zog, wie er in GA-21, S. 170 f schrieb. Abgesehen davon, daß die Würzburger bei ihrer gegenüberstellend betrachtenden seelischen Beobachtung des Denkens arbeitsteilig vorgingen, ist das Prozedere in allen Fällen im Grundsatz gleich und besteht in der gedanklichen Durchdringung innerer Wahrnehmungen. (Im Fall der Würzburger von berichteten inneren Wahrnehmungen von Denkvorgängen.) Fehlerhaftes, das aus solchen inneren Beobachtungsprojekten stammt, kann lediglich noch zwei Haupt-Quellen haben: Nämlich unzulängliche Wahrnehmungen (nebst deren unzulänglicher Wiedergabe in Berichten), und unzulängliche Begriffe bei der nachfolgenden Analyse. Im ersten Fall hat man Pech, wenn man entweder selbst unerfahren ist, oder in der Introspektion unerfahrene Versuchspersonen verwendet, die nichts Aufschlußreiches zu berichten wissen, weil sie das nie geübt haben oder nicht sensibel genug sind. Und im zweiten Fall, wenn das Niveau der gedanklichen Duchdringung innerer Erlebnisse schlicht mangelhaft ist, weil der «Versuchsleiter» oder der fachliche Analytiker solcher Berichte unzureichenden Sachverstand oder ein hoch mangelhaftes Denkvermögen mitbringt, und deswegen entscheidende Tatsachen übersieht oder falsch deutet. (Siehe dazu etwa den Fall des William James und angedeutet auch von Ernst Mach, der von Steiner in GA-21 auf den Seiten 16 ff in Verknüpfung mit Franz Brentano erläutert wird.) Letzteres, die Rolle des Wahrnehmungs- und Analyse-Niveaus, ist übrigens einer der Gründe, warum Steiner im Zusammenhang mit seinem Wunsch nach einem psychologischen Laboratorium so sehr einen Menschen vom Format und Scharfsinn eines Franz Brentano hervorhebt, und nicht einen x-beliebigen Versuchsleiter. Die Beobachtungs- und Analysequalitäten der beteiligten Personen sind natürlich extrem wichtig. Folglich schreibt Steiner in diesem Kontext mit Brentano auf S. 170 f: „Auf einem ganz anderen Felde als diese Forderung nach bequemen Experimentalbeweisen für die anthroposophischen Wahrheiten liegt, was Brentano wollte, indem er immer wieder darnach strebte, in einem psychologischen Laboratorium arbeiten zu können. Die Sehnsucht, ein solches zur Verfügung zu haben, tritt in seinen Schriften oft zutage. Die Umstände haben tragisch in sein Leben eingegriffen, die ihm ein solches versagt haben. Er würde gerade durch seine Stellung zu den psychologischen Fragen Wichtigstes durch ein solches Laboratorium geleistet haben. Will man nämlich die beste Grundlage schaffen zu anthropologisch-psychologischen Ergebnissen, die bis an die «Erkenntnis-Grenzorte» gehen, an denen sich Anthropologie mit Anthroposophie treffen muß, so kann dieses durch ein psychologisches Laboratorium geschehen, wie ein solches Brentano in Gedanken vorgeschwebt hat.“ - Wohlgemerkt: Es handelt sich hier um eine Grundlagenforschung, die bis zu jenen «Erkenntnis-Grenzorten» geht, an denen sich «Anthropologie mit Anthroposophie treffen muß». Das sind jene, die Steiner in derselben Schrift (GA-21) speziell im Kapitel Anthropologie und Anthroposophie als «Treffpunkt» / «gemeinsames Forschungsgebiet» bezeichnet. Wo auch eine sachliche Verständigung zwischen Anthropologie und Anthroposophie problemlos möglich ist. Wie man unschwer daran und an den übrigen Kapiteln von GA-21 erkennt, ist Steiners eigene Grundlagenforschung der Frühschriften, - und manches natürlich auch der späteren Sinneslehre und darüber hinaus im Umfeld von Denk-Psychologie und Psychologie der Logik, - an diesem «gemeinsamen Forschungsgebiet» anzusiedeln. So daß die Gesamtheit von Steiners Grundlagenforschung zur «Leibfreiheit des Denkens» dort selbstredend hingehört. Die laut Vortragsauskunft aus GA-255b, S. 300 ff überhaupt die Voraussetzung zur Entwicklung eines anthroposophischen Schulungsweges war, der auf dieser in den Frühschriften nachgewiesenen Leibfreiheit des Denkens aufbaut. Nennt man die erkennende Auseinandersetzung mit inneren Wahrnehmungen «innere Beobachtung» oder «Introspektion», respektive «introspektive Erkenntnis» oder «seelische Beobachtung», so ist dieser Ausdruck durchaus angemessen. Auf den Namen kommt es doch nicht an, sondern lediglich auf die Tatsache der Erkenntnis innerer Erfahrungsgegebenheiten. Anders als auf diesem empirischen Wege der Introspektion oder inneren Beobachtung sind erlebte Denkprozesse / Denkakte und ihre empirische Erkenntnis nicht zu haben. Und erst recht gilt das von Steiners weiter entwickelter Methode, die auf der Introspektion (seelischer Beobachtung) der Grundschriften erklärtermaßen erst aufbaut, wie Steiner nicht nur 1921 auf den Seiten 299 f ausführlich erklärt. Sie entfernt sich ja nicht etwa vollständig davon, sondern vertieft sie nur erheblich, wie auch hier in GA-35, S. 269 ff übersichtlich nachzulesen ist. Sie vertieft die Grundfähigkeiten, um dann weiter darauf aufbauend nicht nur eine «Seelenwelt», sondern auch eine «geistige Außenwelt» zu finden und zu erforschen. Aber es bleibt innere Beobachtung und wurzelt darin methodisch. Was Steiner ebenfalls in der Schrift Von Seelenrätseln (GA-21), speziell im Kapitel Anthropologie und Anthroposophie (hier, S. 10 ff) und entsprechenden Ergänzungskapiteln noch einmal dargelegt hat. Die «seelische Beobachtung» der begründenden Frühschriften wiederum operiert, - um das ausdrücklich noch einmal zu wiederholen, - auf jenem laut Steiner «gemeinsamen Gebiet», auf dem sich «Anthropologie und Anthroposophie nicht etwa nur treffen können», sondern sogar treffen müssen, wie Steiner dort ausführt. Das ist auch die Voraussetzung dafür, daß Steiners frühe Begründungsschriften überhaupt verstanden werden konnten: Weil sie nämlich an ein gebildetes Lesepublikum adressiert waren, das, - anders als heute, - mit solchen Tatsachen damals mehr oder weniger vertraut war. Die Namen Volkelt, Brentano, Kant, Dilthey, von Hartmann etc. waren in dieser Zeit allgemein bekannt. Regelmäßig auch Teil der seinerzeitigen Gymnasialbildung. Ebenso wie die Fachprobleme, die sie behandelten. Steiners «seelische Beobachtung» der Frühschriften ist also absolut nichts Exotisches und Ungewöhnliches, sondern kann von jedem Beobachter durchgeführt werden, der sich auf diesem gemeinsamen Forschungsgebiet bewegt. So etwa die Külpeschule in seiner Zeit. Ebenso die restliche introspektive Forschung, wenn sie solchen Fragen der Erkenntniswissenschaften gezielt nachgeht. Der weitere «Weg ins Innere der Seele» muß dann auf einem besonderen Übungswege speziell erarbeitet und verstärkt werden. Es reicht nicht mehr aus, «nur nach dem Inneren zu schauen», wie Steiner in GA-18 (hier S. 603 ff) schreibt. Sondern das Innenleben bedarf dazu einer besonderen Übungsbehandlung, die auch keineswegs exotisch oder gar abwegig ist. Aber wir reden zusammen mit Herrn Schieren jetzt nicht davon, sondern von Steiners frühem Begründungswerk. Und, - das ist hier eine starke Vermutung meinerseits, - es liegt bei Schieren wie bereits bei Witzenmann und zahllosen anderen, eine heillose Konfundierung von Steiners Begründungswerk mit der späteren Anthroposophie vor. Zu dem noch manches andere an Verwirrung wie der sattsam bekannte Antipsychologismus der Philosophie dazu kommt. Denken Sie dazu nur an die von Schierens Lehrer Witzenmann in die Welt hinausgeblasene «Unerinnerbarkeit von Allgemeinbegriffen» in seinem Buch Goethes universalästhetischer Impuls, Kapitel 12, Das Entgegenwärtigungsgesetz. Unerinnerbarkeit allgemeiner Begriffe, S. 366 ff, und öfter auch in anderen Publikationen Witzenmanns, was wir weiter oben schon behandelten. Dieser Unsinn einschließlich «Entgegenwärtigungsgesetz» findet sich bis in Witzenmanns Strukturphänomenologie, und basiert auf einem missverstandenen und nie weiter recherchierten Begriff von «Beobachtung des Denkens». Aus solchem unbrauchbaren Interpretations-Abraum baute Witzenmann regelrechte philosophische Türme und Blendwerke auf. Doch seine unwissenden Schüler, nicht ahnend was ihnen da an wertlosem Aushub vor die Tür geladen wurde, machten in vielen Fällen auch keinerlei Anstalten, dem durch eigene Steinerforschung klärend und prüfend nachzugehen. Sie verzichteten einfach in all ihrer Naivität auf solche Forschung und Prüfung und übernahmen diesen ganzen Humbug in aller Vertrauensseligkeit. Die von Witzenmann behauptete «Unerinnerbarkeit von Allgemeinbegriffen» wiederum findet ihr bzw. ein (mögliches) Vorbild in Steiners esoterischer Forschung, wo sie auch ihren guten Sinn hat. Ist aber vollkommen abwegig, sobald man dabei an Allgemeinbegriffe des gewöhnlichen Bewußtseins denkt, die jederzeit auch laut Steiner erinnerbar sind. Doch Witzenmann generierte auf solchem und analogem interpretativem Widersinn ein eigenes philosophisches System, das seine Schüler heute buchstäblich nachbeten. Während laut Steiner lediglich die übersinnlichen Geistwahrnehmungen nicht erinnerbar sind, wie er auch GA-21 im Subkapitel 4. auf S. 142 f verdeutlicht. Weil die nämlich keine Verbindung mit der menschlichen physischen Leiblichkeit eingehen wie die normalbewußten Begriffe oder Vorstellungen. Siehe dazu auch GA-35, Dornach 1984, die Abhandlung von 1916, Die Erkenntnis vom Zustand zwischen dem Tode und einer neuen Geburt, S. 278: "Begriffe, Ideen kann man gedächtnismäßig behalten; die geistige Wirklichkeit muß immer neu erlebt werden." Das ist nur ein einzelnes Beispiel für viele andere. Die verheerenden Konfusionen von späterer Anthroposophie und ihren Begründungsschriften durch Witzenmann und seine Schüler, die ihn darin regelmäßig unbekümmert nachäfften, ohne sich dazu mit Steiner selbst hinreichend zu befassen, reichen inzwischen bis in die historisch kritische Steiner-Ausgabe in Gestalt von Eckart Förster, wie ich ausführlicher hier, S. 1231 ff, und desgleichen auf S. 1054 ff + Anmerkung 306 auf S. 1201 f. am Beispiel Lorenzo Ravaglis und Günther Röscherts dargelegt habe. Ähnlich wie bei Witzenmann, Teichmann, Förster und all den anderen anderen scheint es auch bei Schieren in dieser Frage der Steinerschen Begründungsschriften wie in einem einzigen Tohuwabohu der hermeneutischen Konfusionen zuzugehen. So daß Herr Schieren auch noch seinem Leser nahezubringen versucht, dass Steiners elaborierte «Methode der Bewußtseinsphänomenologie keine Introspektion» sein soll. Aber auch das ist natürlich abwegig, wenn man sich Steiners «Weg ins Innere der menschlichen Seele» anschaut, wie er ihn in GA-18 im Skizzenhaften Ausblick dargelegt hat. Es ist lediglich eine erhebliche, systematische Vertiefung und Verstärkung dessen, was jede Seele bei der inneren Beobachtung schon kann und mitbringt. Sei es das Denken, Fühlen oder Wollen betreffend. Wenn und weil das gewöhnliche begriffliche / reine Denken bereits leibfrei ist, dadurch ist es laut Steiner möglich, diese Leibfreiheit auf andere menschliche Seelenvermögen zu übertragen. Und das muß speziell jahrelang dann geübt werden. Das erstere kann man alles. Das weitere muß anhand dieser Grundfertigkeiten «heranerzogen werden wie beim Kind», um Steiners diesbezügliche Bemerkung von 1921, GA-255b, S. 623 noch einmal aufzunehmen. Ohne die maßgebliche Vertiefung vorhandener Grundfertigkeiten wie dem Denken in allgemeinen Begriffen kommt man nicht weiter, und ohne diese Grundanlagen des «Hellsehens» im begrifflichen Denken kommt man nach Nirgendwo auf dem anthroposophischen Übungsweg, wie Steiner nicht nur mit den Ausdrücken «intellektuelle Anschauung» und «intuitives» Denken in den Begründungsschriften bereits deutlich machte. Sondern auch in mancherlei Vorträgen wie etwa in Helsingfors, (GA-146, S. 32 ff) berichtete. Während von Herrn Schieren leeres Stroh geboten wird, wenn seine Auffassung auch noch als völlig unbelegte Behauptung daher kommt. Wie Sie sehen hat auch Herr Schieren eine ausgesprochene Abneigung gegen die innere Beobachtung, die sogenannte «Introspektion», kann aber kein einziges klärendes Wort dazu beisteuern, sondern lediglich etwas behaupten. Auch ein mittelbarer Ertrag Witzenmanns und Resultat einer langjährigen hartnäckigen Forschungsverweigerung bezüglich Steiners eigenen Grundlagen. Nichts als hohle Rabulistik und leeres Wortgeklingel. Mit solchen «anthroposophischen» Akademikern ist wahrlich kein Blumentopf zu gewinnen. Daß es den Anthroposophen und ihrer Bewegung derzeit nicht besonders gut geht, darüber muß man sich bei dieser «Forschungsbegeisterung» von Witzenmanns akademischen Anhängern nicht wundern, die sich herzlich wenig um Steiners eigene Begründungsschriften scheren. Zu denen nicht nur die Philosophie der Freiheit gehört, sondern der ganze große Rest der frühen Begründungsschriften ebenso, einschließlich den Einleitungen in Goethes Naturwissenschaftliche Schriften. Deswegen ist es ja immerhin bereits ein Hoffnungsschimmer, wenn Herr Schieren sich überhaupt mit Wahrheit und Wissenschaft befaßt. 33. Erlebte Denktätigkeit in Wahrheit und Wissenschaft Bleiben wir deswegen bei der «intellektuellen Anschauung» aus dieser Schrift. So heißt es bei Steiner in Wahrheit und Wissenschaft (hier S. 37): „Wir müssen uns vollständig klar darüber sein, dass wir dieses Hervorbringen in aller Unmittelbarkeit wieder gegeben haben müssen. Es dürfen nicht etwa Schlussfolgerungen nötig sein, um dasselbe zu erkennen. Daraus geht schon hervor, dass die Sinnesqualitäten nicht unserer Forderung genügen. Denn von dem Umstande, dass diese nicht ohne unsere Tätigkeit entstehen, wissen wir nicht unmittelbar, sondern nur durch physikalische und physiologische Erwägungen. Wohl aber wissen wir unmittelbar, dass Begriffe und Ideen immer erst im Erkenntnisakt und durch diesen in die Sphäre des Unmittelbar-Gegebenen eintreten. Daher täuscht sich auch kein Mensch über diesen Charakter der Begriffe und Ideen. Man kann eine Halluzination wohl für ein von außen Gegebenes halten, aber man wird niemals von seinen Begriffen glauben, dass sie ohne eigene Denkarbeit uns gegeben werden. Ein Wahnsinniger hält nur Dinge und Verhältnisse, die mit Prädikaten der «Wirklichkeit» ausgestattet sind, für real, obgleich sie es faktisch nicht sind; nie aber wird er von seinen Begriffen und Ideen sagen, dass sie ohne eigene Tätigkeit in die Welt des Gegebenen eintreten. Alles andere in unserem Weltbilde trägt eben einen solchen Charakter, dass es gegeben werden muss, wenn wir es erleben wollen, nur bei Begriffen und Ideen tritt noch das Umgekehrte ein: wir müssen sie hervorbringen, wenn wir sie erleben wollen. Nur die Begriffe und Ideen sind uns in der Form gegeben, die man die intellektuelle Anschauung genannt hat. Kant und die neueren an ihn anknüpfenden Philosophen sprechen dieses Vermögen dem Menschen vollständig ab, weil alles Denken sich nur auf Gegenstände beziehe und aus sich selbst absolut nichts hervorbringe. In der intellektuellen Anschauung muss mit der Denkform zugleich der Inhalt mitgegeben sein. Ist dies aber nicht bei den reinen Begriffen und Ideen wirklich der Fall?“ Es ist reichlich seltsam, wie Schieren in seiner Abhandlung ab S. 74 f den hier behandelten, unmittelbar erlebten und von Steiner zwingend auch eingeforderten Tätigkeitsaspekt der «intellektuellen Anschauung», - die «unmittelbare Gegebenheit des Hervorbringens», - vollständig außer Acht läßt und sich stattdessen dazu lediglich in wenigen dürren Sätzen äußert. Die ganze Bewußtseinsphänomenologie, an welche Steiner den Ausdruck «intellektuelle Anschauung» knüpft, wird von Schieren nach dem Vorbild Witzenmanns weitestgehend ignoriert. Obwohl Steiner geradezu darum ringt, dem Leser dabei klipp und klar zu machen, wie wichtig ihm diese erlebte Tätigkeit ist, und wie selbstverständlich ihm diese erlebte Tätigkeit ist, wenn sie sogar der Wahnsinnige nicht übersieht. Insbesondere im Hinblick darauf, bei der Verbindung von geistiger Wahrnehmung und erlebter Tätigkeit, haben wir es hier mit einer Schlüsselstelle in Steiners Frühschriften zu tun. Von diesem Nachdruck Steiners ist bei Schieren freilich nirgendwo die Rede. Man hat stattdessen den Eindruck, dass der Professor Schieren wie ein Frühsemester nicht einmal die elementarsten Handgriffe von Textanalyse und Textinterpretation beherrscht, wenn diese entscheidenden Tatsachen des erlebten Hervorbringens keine Beachtung finden. Ohne dieses Tätigkeitserlebnis gibt es nämlich gar keine «intellektuelle Anschauung» für Steiner. Weil die «Denkform» dann eben nicht vorhanden ist, an die Steiner den Ausdruck «intellektuelle Anschauung» bindet. Ein Denken ohne unmittelbares Tätigkeitserlebnis des Hervorbringens ist danach auch keine «intellektuelle Anschauung», sondern vielleicht ein «Gedankenbild» oder ähnliches, wie im dritten Kapitel der Philosophie der Freiheit ausgeführt. Was ja in der Philosophie der Freiheit 1918 dann noch einmal regelrecht zementiert wird; siehe nachfolgend. Schieren aber übergeht vollständig diese ganze Sachlage um die Bedeutung des erlebten Hervorbringens reiner Begriffe und Ideen. - Bleibt anzumerken, dass allein schon angesichts dieser Passage aus Wahrheit und Wissenschaft Witzenmanns «Erzeugungsproblem» aus der Strukturphänomenologie in sich zusammen und zu Staub zerfällt, - so weit man dieses Problem als ein Resultat seiner Steinerinterpretationen betrachtet. Also darf man sich fragen, wer eigentlich der Blicklenker bei Schierens verfehlter Behandlung dieser Textpassage aus Wahrheit und Wissenschaft war, wenn er das jetzt ebenso übersieht wie sein Lehrer Witzenmann schon lebenslang. 34. «Intellektuelle Anschauung» aus Wahrheit und Wissenschaft und «intuitiv erlebtes Denken» in der Philosophie der Freiheit Nun hat Schieren immerhin Wahrheit und Wissenschaft behandelt. Und das wäre ja auch gut so, wenn auch bei weitem nicht hinreichend, weil er eben nur halbe Wahrheiten mit seiner unvollständigkeitsbasierten Methode der Gedankenarchäologie ausgräbt. Während sein Lehrer Witzenmann bei seinen unvollständigkeitsbasierten Ausgrabungen mit ihren ausgehobenen Halbwahrheiten und Fehldeutungen auch diese Schrift nie weiter beachtet hat. Ein weiterer Schritt bei lückenloser Beachtung der Steinerschen Textstelle aus Wahrheit und Wissenschaft wäre dann, das Analogon zur «intellektuellen Anschauung» in Gestalt des «intuitiv erlebten Denkens» aus der Philosophie der Freiheit (hier S. 181) daneben zu stellen, wo es bewußtseinsphänomenologisch um die selbe Sachlage geht wie in Wahrheit und Wissenschaft: Um das unmittelbar erlebte Hervorbringen von Begriffen und Ideen. Insofern das intuitiv erlebte Denken «eine geistige Wahrnehmung ist, in der der Wahrnehmende selbst tätig ist. Und eine Selbstbetätigung, die zugleich wahrgenommen wird.» Davon ist, wie man sieht, schon in Wahrheit und Wissenschaft im Kapitel IV die Rede unter dem Ausdruck «intellektuelle Anschauung». 35. «Intellektuelle Anschauung» / «intuitiv erlebtes Denken» und der erlebte «Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem» Es sei noch einmal daran erinnert, daß die begriffliche Klärung um die «unmittelbare Gegebenheit des Hervorbringens von Begriffen und Ideen» aus dem Kapitel IV direkt auf den Vorarbeiten von Johannes Volkelt aufbaut, worauf Steiner eingangs von Wahrheit und Wissenschaft ausdrücklich hinweist (hier Einleitung S. 7). Nun kann eben der Nachweis der «intellektuellen Anschauung» verschiedene Funktionen erfüllen, je nachdem, worauf man den Akzent legt, wenn man sie als einen erlebten Zusammenhang von Wirkendem (Denktätigkeit) und Bewirktem (Erkenntnis des begrifflichen Inhalts) betrachtet. Die eine Funktion besteht darin, unter Einbeziehung der erlebten Tätigkeit den Charakter der aktiven geistigen Wahrnehmung schon beim rein begrifflichen Denken darzustellen, wie es in Wahrheit und Wissenschaft an der besagten Stelle um die geistige Wahrnehmung, sprich: «intellektuelle Anschauung» geschieht. Der andere Aspekt liegt darin, dass hier Wirkendes und Bewirktes unmittelbar in ihrem Zusammenhang auch erlebt werden. Und infolgedessen das Kausalitätsproblem von Hume und Kant schon auf dieser Ebene des begrifflichen Denkens empirisch zu lösen ist. Wie gesagt: empirisch, und nicht nur theoretisch oder gar metaphysisch wie bei Kants Scheinlösung. Weil man hier einen erlebten Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem unmittelbar auf der Erfahrungsebene vorliegen hat, nach dem Kant und Hume so verzweifelt suchten, aber nicht fanden. Die andere missliche Seite von Schierens Interpretation liegt dann auch darin, dass er infolge ungenügender Werkkenntnis, verbunden mit Unwissenheit über die von Edith Stein angedeutete Sachlage in der philosophisch / naturwissenschaftlichen Forschung ihrer Zeit, eben auch nicht in der Lage ist zu erkennen, dass Steiner das erlebte Hervorbringen von reinen Begriffen auch mit dem empirischen Grundlegungsproblem der Naturwissenschaft unverrückbar verknüpft, wo es ebenfalls hingehört. Angedeutet auch in dieser Passage von Wahrheit und Wissenschaft, wo es allerdings in engster Verknüpfung mit der erlebten inneren Tätigkeit vorrangig um den Nachweis der tätigen geistigen Wahrnehmung geht. Während die andere Seite ganz energisch dargetan wird bereits in den Grundlinien… anhand des erlebten Zusammenhangs von Wirkendem und Bewirktem beim Denken. Und nachfolgend auch in der Philosophie der Freiheit mit ihrem «archimedischen Hebel der Welterklärung». Sowie später dann in Goethes Weltanschauung (hier S. 69 f). In den Grundlinien weit früher bereits unter dem Stichwort «erlebter Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem» im Kapitel 15 rückblickend (hier S. 86), nachdem er im Kapitel 14 das Kausalitätsproblem unter den Aspekten Dogmatismus der Offenbarung und Dogmatismus der Erfahrung mit besonderem Blick auf Kant behandelt hat. (Zu diesen beiden Dogmatismen siehe auch Steiner in den Einleitungen zu Goethes naturwissenschaftlichen Schriften, das Subkapitel 2: Dogmatische und immanente Methode, in GA-01, S. 174 ff) 36. Steiners anthroposophischer Schulungsweg und seine Verwechselung mit Steiners Grundlagenforschung Wie weiter oben bereits gesagt: der Herausgeber des Sammelbandes, Schieren, bewegt sich im wesentlichen immer noch auf demselben Niveau, auf dem er vor rund dreißig Jahren schon als Doktorand unterwegs war, und seither ist nichts Nennenswertes und Neues dazu gekommen. Steiners eigene Erkenntniswissenschaft, - und so war es damals schon bei dem Anhänger Witzenmanns, - interessiert ihn auch heute ersichtlich nicht. In der langen Zwischenzeit hat er den Forschungszug zu Rudolf Steiners Grundlagen komplett verpaßt, und dreht sich infolgedessen unentwegt nur noch im Hamsterrad seiner eigenen Dissertation von damals, weil es ihm schlechterdings in der Zwischenzeit nicht gelungen ist, sich aus Witzenmanns Umklammerung zu befreien und sich zu ernsthafter eigener Forschung über Steiners erkenntniswissenschaftliche Grundlagen aufzuraffen. Sonst hätte er sicherlich mindestens Steiners Psychologie-Kapitel aus Steiners Grundlinien … einbezogen, Steiners Verhältnis zum immanent psychologischen Erkenntnistheoretiker Volkelt, und ebenso Steiners Wunsch nach einem psychologischen Laboratorium für beste Grundlagenforschung. Oder Steiners Philosophie der Freiheit. Doch davon weiß Schieren vermutlich auch nicht sonderlich viel. Und so schreibt er denn auf S. 99, daß Steiner «den Übungsweg», - Frage: welchen?, - «seelische Beobachtung nennt». Eine Frage, die deswegen auf der Hand liegt, weil es einen elaborierten esoterischen Schulungsweg respektive Übungsweg Steiners gibt, dessen erkenntniswissenschaftliche Grundlagen Steiner in seinen Frühschriften laut ständig wiederkehrender Auskunft erst gelegt hat. Wie er nicht nur in GA-10 im Nachwort zum 8. bis 11. Tausend, hier S. 214 ff mit dem Hinweis auf das leibfreie reine Denken andeutet, sondern auch in GA-255b S. 299 ff unmißverständlich darlegt. Während Schieren von Steiners Grundlagenforschung der Frühschriften redet, die also nicht gleichzusetzen ist mit dem daran entwickelten späteren anthroposophischen Forschungsweg, wenn sie diesen als dessen Grundlagenwissenschaft doch erst vorbereitet. (Siehe exemplarisch und ausführlicher zu diesem häufig anzutreffenen Mißverständnis bei Anthroposophen auch hier. Zu Ravagli und Röschert dort derzeit S. 1054 ff, sowie Anmerkung 396, derzeit S. 1201 f. Ferner S. 1231 ff zu Frank Teichmann und Eckart Förster). Steiners grundlagenbildende Forschung ist aber verständlicherweise etwas anderes als dieser daraus entwickelte Übungsweg selbst, der sich daraus später erst ergeben hat. Während auf den esoterischen Ertrag des späteren Anthroposophen Steiners «hinzuschielen» Steiner in der Vorrede zur Philosophie der Freiheit (hier auf S. 5) dem Leser sogar ausdrücklich und sehr markant folgendermaßen abrät: „Wenn jemand verwundert darüber sein sollte, daß man in diesem Buche noch keinen Hinweis findet auf das Gebiet der geistigen Erfahrungswelt, das in späteren Schriften von mir zur Darstellung gekommen ist, so möge er bedenken, daß ich damals eben nicht eine Schilderung geistiger Forschungsergebnisse geben, sondern erst die Grundlage erbauen wollte, auf der solche Ergebnisse ruhen können. Diese «Philosophie der Freiheit» enthält keine solchen speziellen Ergebnisse, eben sowenig als sie spezielle naturwissenschaftliche Ergebnisse enthält; aber was sie enthält, wird derjenige nach meiner Meinung nicht entbehren können, der Sicherheit für solche Erkenntnisse anstrebt. Was in dem Buche gesagt ist, kann auch für manchen Menschen annehmbar sein, der aus irgend welchen ihm geltenden Gründen mit meinen geisteswissenschaftlichen Forschungsergebnissen nichts zu tun haben will. Demjenigen aber, der diese geisteswissenschaftlichen Ergebnisse als etwas betrachten kann, zu dem es ihn hinzieht, dem wird auch wichtig sein können, was hier versucht wurde. Es ist dies: nachzuweisen, wie eine unbefangene Betrachtung, die sich bloß über die beiden gekennzeichneten für alles Erkennen grundlegenden Fragen erstreckt, zu der Anschauung führt, daß der Mensch in einer wahrhaftigen Geistwelt drinnen lebt. In diesem Buche ist erstrebt, eine Erkenntnis des Geistgebietes vor dem Eintritte in die geistige Erfahrung zu rechtfertigen. Und diese Rechtfertigung ist so unternommen, daß man wohl nirgends bei diesen Ausführungen schon auf die später von mir geltend gemachten Erfahrungen hinzuschielen braucht, um, was hier gesagt ist, annehmbar zu finden, wenn man auf die Art dieser Ausführungen selbst eingehen kann oder mag.“ - Das ist zwar unmißverständlich formuliert, aber oftmals bei Anthroposophen hartnäckig unwirksam. Zumal bei solchen, die sich wie die Schüler Witzenmanns „auf die Art dieser Ausführungen“ gar nicht erst einlassen wollen. Aber wahrlich nicht nur diese allein. Die «Schielaugenkrankheit» unter den Steinerinterpreten hat nicht erst seit Witzenmann unter den Anthroposophen Verbreitung gefunden, und findet sich in ihren kuriosen Ablegern von heute sogar bis in die historisch kritische Steiner-Ausgabe von Christian Clement. (Näheres dazu hier auf derzeit S. 1232 ff.) Diese Leute begreifen einfach nicht, dass Steiners frühe Grundlagenforschung nicht dasselbe sein kann wie der spätere Schulungsweg des Anthroposophen Steiner. So dass man sich zum Verständnis von Steiners früher Grundlagenforschung natürlich näher ansehen muß, welche Wege Steiner dazu in dieser frühen Zeit beschritten hat, und womit er sich damals auseinandersetzte und warum. Was für jeden Hermeneutiker eigentlich vollkommen selbstverständlich sein müßte. Wer aber nicht einmal weiß, wer Theodor Ziehen war, und warum Steiner ihn im dritten Kapitel der Philosophie der Freiheit nennt, der ist auch nicht in der Lage das Anliegen Steiners zu begreifen. Dasselbe gilt für Steiners Verhältnis zu Johannes Volkelt, das noch weit mehr über Steiners Anliegen und Methode aussagt. Und Vergleichbares gilt für das Kausalitätsproblem von Hume und Kant, das Steiners gesamtes Frühwerk durchzieht. Das Denken als solches muß im Prinzip niemand üben, denn «das kann er von Natur aus», wie Steiner nicht nur in GA-255b (S. 300 ff) berichtet. Der darauf aufbauende anthroposophische Übungsweg dient der höheren Erkenntnis, und dieser Übungsweg muß allerdings gründlich aus den Grundfertigkeiten des reinen Denkens erst heranerzogen werden, wie Steiner ausführt: “Was sich im reinen Denken äußert, das wird uns Menschen einfach eigen dadurch, daß wir geboren sind; es ist uns in unserem jetzigen Stadium der Menschheitsentwicklung vererbt. Dasjenige, was nach dem Muster dieses reinen Denkens auftreten kann als Imagination, Inspiration, Intuition, das muß ebenso heranerzogen werden durch den erwachsenen Menschen, wie gewisse Fähigkeiten naturgemäß heranerzogen werden beim Kind.“ - Die erkenntniswissenschaftlichen Grundlagen der Frühschriften freilich bereiten das letztere erst vor, und gehen dazu über die Forschung zur Leibfreiheit des Denkens als seiner Grundlage andere Rechtfertigungswege als der daran entwickelte Schulungsweg selbst. Der auf der in den Frühschriften nachgewiesenen Leibfreiheit des Denkens erst aufbaut, wie Steiner berichtet. Und das war, wie Steiner 1921 in Stuttgart ausführt, neben dem Nachweis des «naturwissenschaftlich Sicheren» die Hauptarbeit der Grundlegungsschriften mit ihrem «Brückenbau». Wer jetzt nur unerläutert von einem «Übungsweg seelische Beobachtung» der Frühschriften spricht, der hat das Rechtfertigungsanliegen dieser Frühschriften und deren Wege überhaupt nicht verstanden, und stellt stattdessen die gesamte Begündungslogik Steiners auf den Kopf, indem er in nicht mehr zu begreifender Weise die spätere Anthroposophie mit ihrer empirischen Begründung vermengt, wie wir an anderer Stelle, S. 1231 ff und ebendort S. 1054 ff ausführlicher darlegten. Zertrümmert damit aber zugleich das gesamte Rechtfertigungsanliegen Steiners auch für jeden Außenstehenden, der dann meint, Steiners für ihn schon unverständliche Anthroposophie müsse zum Verständnis der Frühschriften auch immer schon vorausgesetzt werden. Womit ihm überhaupt jeder logische, werkgenetische und problemgeschichtliche Faden des wissenschaftlichen Verstehens abgeschnitten wird. Denn dieser Faden ergibt sich überhaupt erst aus einem gründlichen Studium der Frühschriften, und den dort dargelegten Intentionen, Methodendarlegungen und Sachauseinandersetzungen Steiners. Wer aber bereits mit «seelischer Beobachtung zwecks Suche nach dem Wirkenden der Natur im eigenen Inneren» (Kap. II der Philosophie der Freiheit), nichts anzufangen weiß, der steht auf verlorenem Posten. Ein Gleiches gilt für Steiners dortige Bemerkung, «daß man die äußere Natur erst finden kann, wenn man sie in seinem Inneren bereits kennt.» Was ja mit dem Vorangehenden direkt zusammen hängt. Zu all dem wird man von den (akademischen) Steinererklärern in der Regel wenig bis gar nichts hören. Beispiele gibt es dafür mehr als genug. Daß sich jemand also «auf die Art der Darstellung einlassen mag», das ist fast nie der Fall. Zumal bei akademischen Interpreten, aber weiß Gott nicht nur dort, fast durchgängig. Man muß sich nur Personen wie Traub und ähnlich gelagerte «Steinerforscher» und deren dauerhaftes intellektuelles Sperrfeuer ansehen, um die ganze Folge-Dimension dieses Begründungs-Tohuwabohus zu begreifen, das da von Steiners eigenen verständnislosen «Anhängern» einschließlich Witzenmann und dessen Schülern losgetreten wurde. Die mit ihrem Sperrfeuer demjenigen Traubs in nichts nachstehen, auch wenn es aus einer ganz anderen Richtung kommt. Auf den frühen Steiner und dessen Begründungsschriften überhaupt einlassen wollen sie sich allesamt nicht. Bis auf die wenigen vorhandenen rühmlichen Ausnahmen, die es gottlob auch immer gibt. Die vorbereitenden Rechtfertigungswege zum reinen Denken und seiner Leibesunabhängigkeit basieren allerdings ebenfalls empirisch auf innerer Beobachtung, auf «Introspektion», um diesen heute geläufigen Ausdruck zu verwenden. Denn wie will man sonst das «leibfreie Denken» nachweisen, wenn man es nie konkret und empirisch introspektiv untersucht hat? Sei es für sich allein. Oder arbeitsteilig wie etwa die Würzburger Schule Oswald Külpes? Insofern ist es auch ganz erwartungsgemäß, wenn Steiner 1917 in der Schrift Von Seelenrätseln so ein psychologisches Laboratorium vorschwebte als «Ort zur besten anthroposophischen Grundlagenforschung», was es 1886 und auch bei Erstabfassung der Philosophie der Freiheit in dieser Form noch nicht gab. Abgesehen von Wilhelm Wundts psychologischem Institut von 1879, wo man freilich anderen Dingen nachging als der Beobachtung des Denkens. (Siehe dazu ausführlicher hier, Kap. 12, S. 341 ff.) Die «Vorbereitung» respektive Grundlagenforschung zum späteren anthroposophischen Übungsweg findet also statt auf dem Wege der inneren Beobachtung, wie man unschwer an Steiners sämtlichen Frühschriften sieht. Daß dem so ist, und in sämtlichen Frühschriften Steiners «innere Beobachtung» stattfindet, läßt sich an allen Frühschriften Steiners vollkommen problemlos zeigen. So daß infolgedessen die «seelische Beobachtung» bereits für ausnahmslos alle erkenntniswissenschaftlichen Frühschriften Steiners gilt. Für die Philosophie der Freiheit sogar wörtlich im Titel. Aber angefangen bereits mit den Grundlinien… und ihrem Prinzip der «reinen Erfahrung», was in der reinen Erfahrung des Denkens und seiner Beobachtung dort gewissermaßen gipfelt. Wenn man denn nur einmal hinsehen wollte. Von ihrer «immanent psychologischen» Methode von Schieren etwas zu hören, wäre daher für den Leser sehr begrüßenswert und ausgesprochen zielführend gewesen, wo es doch um die «seelische Beobachtung» geht, die sich in den Grundlinien bereits von Kapitel 4 an, und nachfolgend in sämtlichen Kernkapiteln findet. Das alles aber findet bei Schieren nicht statt. Bei Schieren wird anstelle von Klarheit dafür auf S. 100 allerlei «intuitiv durchdrungen», von dem man auch nicht weiß, was er damit meint, und wie er das mit Steiner verbinden will. Während auf S. 100 angeblich Steiners «phänomenologische Methode keine Introspektion» sein soll. - Ja was ist sie dann? Und was will Steiner überhaupt in einem psychologischen Laboratorium, um dort beste Grundlagen zu legen, wie er in der Schrift Von Seelenrätseln (GA-21, S. 170 f) so eindringlich vorbringt? - Nun, wie wir daran exemplarisch sehen, liegt bei einem Spitzenanhänger Witzenmanns eine katastrophale Vernachlässigung und nachfolgende Unkenntnis von Steiners frühen Forschungswegen vor. Das führt bei ihm groteskerweise bis zur regelrechten Bataille gegen Steiners eigene psychologische Grundlagen. Das alles bei Schieren nur, um einer Chimäre Witzenmanns blind zu folgen, ohne jemals Steiners eigenem frühen Forschungsweg klärend nachgegangen zu sein. Dieses tumultarische Prozedere von Unwissenheit, Interesselosigkeit und Kampf gegen Steiner und seine psychologisch philosophischen Fundamente und Intentionen läuft seit vielen, vielen Jahren wie der Mechanismus eines Uhrwerks bei diesem Anhang Witzenmanns ab. Einem Uhrwerk, das vor allem in den 1970er und 80er Jahren aufgezogen wurde, wie wir nachfolgend noch sehen werden. 37. Wie man die anthroposophische Grundlagenforschung blind durch die «Leitexegese» Witzenmanns ersetzte Überwiegend ein wenig zielführendes Tohuwabohu, das Schieren in solchen leeren Zeilen aus-, und womit er seinen Leser einwickelt. Aber nichts irgendwie Erhellendes, das dem Verständnis aufhelfen könnte. Es ist unbelegte, reine Verkündigungsphilosophie eines Spitzenvertreters der Witzenmannschule, der es noch nicht einmal für nötig hält, leere Behauptungen dieser Art in einem akademischen Sammelband durch entsprechende Belege an Steiners eigenen Früh-Texten zu erhärten. Er schafft es rundweg nicht, sich selbst aus der intellektuellen Umklammerung Witzenmanns herauszuwickeln, deren nachweislicher Gefangener und glühender Anhänger er als Student und Doktorand schon war. In dessen Dissertation Anschauende Urteilskraft der «Statist» Steiner gar nicht vorkam, nur in sparsamsten Anmerkungen vertreten, und mit gerade einmal drei Schriften und ohne die Philosophie der Freiheit im Literaturverzeichnis; wo Witzenmann dagegen schon damals (1998) mit achten seine Aufwartung in Schierens Literaturverzeichnis der Dissertation machte. Unter anderem mit der Strukturphänomenologie. Da muß niemand lange rätseln, wo bei Schieren heute noch die Prioritäten liegen. Bei Steiners Werk und insbesondere bei dessen Grundlagen jedenfalls nicht. Darüber weiß Schieren kaum etwas Brauchbares. Der Professor Schieren hat schlicht keine Sachkenntnis von Steiners eigener Grundlagenforschung, und nimmt seine Leser diesbezüglich ständig auf den Arm und führt sie hinter die Fichte. Heute, nach mehr als zwei Jahrzehnten seit Schierens Dissertation, hat sich augenfällig immer noch nicht viel gewandelt. Warum das so ist, darüber möchte man lange rätseln, ist aber eigentlich gar nicht notwendig, denn dafür gibt es eine recht plausible Erklärung: Die Anhänger Witzenmanns haben sich bereits vor mehreren Jahrzehnten, zum großen Teil als blutjunge und gänzlich unbedarfte akademische Adepten ganz offiziell darauf verständigt, Witzenmanns Interpretationen in den Rang einer Leitexegese für Rudolf Steiners Werk zu erheben, und fortan das Werk Witzenmanns zu verbreiten. In der Zwischenzeit haben sie über Steiners Grundlagen nichts gelernt und nichts geforscht. So dass sie wie Schieren weitestgehend ahnungslos in dieser Angelegenheit sind. Und das führen sie heute noch so fort und ihre Leser hinters Licht, wie man an diesem Sammelband sieht. Über die Hintergründe zu dieser skurrilen Entwicklung sei dem Leser sehr der zweite Band der umfangreichen Witzenmann-Biographie (2013) von Klaus Hartmann empfohlen. Einem Insider der ersten Stunde. Da kann er sehr viel erfahren von den zahllosen personellen Verflechtungen und Wirksamkeiten seit den 1970er und 1980er Jahren. Wo Witzenmanns Werk Intuition und Beobachtung, wie Hartmann auf S. 535 f schreibt, neben mancherlei Beiträgen aus der Zeitschrift Die Drei begann, Einfluß auf die Universitäten zu nehmen. Damals auch maßgeblich über die philosophische Schnittstelle zu Witzenmann, den Philosophen Lothar Uhdert von der Universität Bochum. Den ich selbst noch kennen gelernt hatte auf meiner Suche nach Arbeitsanregungen für meine damalige Dissertation. Der mir mit Blick auf Steiners Frühwerk freilich auch keine überzeugende Vorstellung zu präsentieren vermochte, da er es selbst nicht verstand. Auf dieser Grundlage dann wie seine Schüler anfällig war für Witzenmann, den er damals schon promotete. Egal welche Fragen ich ihm zu Steiners Grundlagen stellte, es lief ins Leere. Und mit Psychologie und seelischer Beobachtung in Steiners Frühschriften wußte er schlicht nichts anzufangen. Während ich mit Witzenmann, den Uhdert damals emsig bewarb, - in einem seiner voll besetzten Seminare zu Witzenmanns Strukturphänomenologie war ich in dieser Zeit selbst einmal zu Gast, - meinerseits auch in den Jahren danach nichts anzufangen wußte, da sein verfehlter Interpretationsansatz zu Steiners Grundschriften ins Nirgendwo des «Erzeugungsproblems» der Strukturphänomenologie lief. Ferner in die bizarre «erkenntnistheoretische Grundfrage: Wie aus Unbeobachtbarem Erinnerungen werden können?» (Goethes universalästhetischer Impuls, dort S. 386 und öfter), und in die (ebendort S. 334 ff / S. 397) formulierte, und noch weit abstrusere «Erinnerungskunde als erkenntniswissenschaftlicher Fundamentalwissenschaft». Einen vollendeten Unsinn, den er aus einem mißverstandenen Steiner herzuleiten suchte. Aber nie zu Steiners Intentionen der Frühschriften und zu dessen empirischer Beobachtung des Denkens kam, wie sich für mich dann vor allem seit den 1990er Jahren begann klar abzuzeichen. Von Steiners Frühwerk verstand Witzenmann ungefähr so viel wie seine eigenen damaligen und heutigen akademischen Adepten. Nämlich bis auf marginale Einsichten in die Synthese von Wahrnehmung und Begriff, die ich selbst von ihm noch in Bochum zu dieser Zeit gehört hatte, kaum etwas Ernstzunehmendes. Und schon gar nichts, was man als Doktorand mit Gewinn für die eigene Forschung hätte nutzen können, um Steiners Frühwerk zu verstehen, wie man heute noch an Schieren und seinen Mitstreitern sieht. Näheres zu dieser Zeit der Genese von Witzenmanns Anhängerschaft und zu Witzenmanns «Grundwerk» Strukturphänomenologie bei Hartmann auf S. 560 ff. Diese gern zitierte und wirkmächtige Fehlinterpretation Steiners durch Witzenmann fand dann ihren Weg in die Universitäten, unter anderem auch in das Literaturverzeichnis von Schierens eigener Dissertation. Und wahrscheinlich auch in Schierens Kopf, wo sie dann nachfolgend ihr Unwesen und ihre Blüten trieb. Denn Steiner spricht weder in in seinen Frühschriften noch sonst jemals wie Schieren von einer «phänomenologischen Methode» als Gegensatz zur «Introspektion» (innere Erfahrung und Beobachtung). Während Schierens «Phänomenologie» wiederum das Stichwort für Witzenmanns verfehlte Strukturphänomenologie ist, die als hermeneutischer Rohrkrepierer Witzenmanns methodisch definitiv nichts mit Steiners Methode der «seelischen Beobachtung» zu tun hat, weil es bei Witzenmann die «reine Erfahrung» (Grundlinien) repektive die «unmittelbare Gegebenheit» (Wahrheit und Wissenschaft) der Denktätigkeit schlechterdings nicht gibt. Insbesondere darauf, auf dem angeblichen «Erzeugungsproblem», baut der Unsinn der Strukturphänomenologie mit ihrer vermeintlich phänomenologischen Methode erklärtermaßen ja auf. Während die «seelische Beobachtung» Steiners ihrerseits bei Steiner seit 1886 gut nachlesbar auf der «reinen Erfahrung» der Aktivität des Denkens und seiner erkennenden Beobachtung in Form von «gegenüberstellender Betrachtung, oder Beobachtung, respektive seelischer Beobachtung» aufbaut, wie es dann im Untertitel der Philosophie der Freiheit hieß. Das alles ist sehr gut nachvollziehbar und plakativ in allen drei Frühschriften Steiners dargelegt. Und auf Volkelt als prominenten Zuarbeiter dieser «vorzüglichen» Methode weist Steiner nicht nur in den Grundlinien (hier S. 32), sondern auch sechs bis sieben Jahre später in Wahrheit und Wissenschaft (hier S. 7) sogar eigens und ausdrücklich noch einmal hin, wie wir sahen. Mit Witzenmann abstruser Strukturphänomenologie, ihrem «Erzeugungsproblem» und ihrer «Paradoxie der Selbstgebung» als methodischem Urknall und philosophischem Urschrei hat das alles nichts zu tun. Die enge und unkritische Verschmelzung mit dem Werk Witzenmanns ging laut Hartmann, Bd. 2, S. 610 ff, bis hin zur Gründung des Gideon Spicker Vereins, dessen eine „Hauptaufgabe“ unter verschiedenen anderen Aufgaben um die Anthroposophie war, „zur Erarbeitung und Verbreitung des Werkes Herbert Witzenmanns beizutragen“ (Klaus Hartmann, S. 612). Denn: „Die Begründer des [Gideon Spicker, MM] Vereins erblicken in Herbert Witzenmanns Werk einen zeitgemäßen, an Rudolf Steiners ursprünglichen Impuls anknüpfenden Beitrag …“ (Hartmann S. 612) Damals waren das übrigens lauter erkenntniswissenschaftlich nichtsahnende Menschen um Witzenmann, die solches «erblickten». Und sich in all ihrer wissenschaftlichen Unerfahrenheit mit Steiners Grundlagen, - und noch weit weniger Verständnis vom Verhältnis dieser Grundlagenforschung zur Anthroposophie Steiners, - zu solchen überbordenden Bewertungen Witzenmanns und zu derartigen Zielen verstiegen. Anstatt lautstark zur Aufarbeitung von Steiners eigenen Schriften aufzurufen und sich dessen gründliche Erschließung vorzunehmen. Weil das allein konsequent und wissenschaftlich vermittelbar wäre. So aber, wie es dann kam, ist es auch verständlich, warum ein Johannes Wagemann nach eigener Aussage vier ganze Jahre nebst reichlich Humankapazität und Finanzmittel auf die englische Übersetzung von Witzenmanns Strukturphänomenologie verschwendete, ohne etwas Brauchbares von Steiners eigenen Grundlagen zu verstehen, wie er selbst in dieser Übersetzung sagt. Anstelle der Erarbeitung von Steiners eigenen Grundlagen also ungeheuer viel Zeit und reichlich Ressourcen sinnlos mit Witzenmanns Übersetzung verbrannte. Unter dem Beifall seiner Mäzene, zu denen neben der anthroposophischen Gesellschaft Deutschlands auch die Bochumer GLS-Bank gehörte, wie er schreibt: „The financial resources for this work were generously provided by the research funding of the Anthroposophical Society in Germany (ASG) and by the GLS Treuhand Foundation ...“ (Wagemann, S. XI). Die anthroposophische Gesellschaft in Deutschland verfügt inzwischen offensichtlich über derart reichhaltige Finanzmittel, so dass sie diese für derart aberwitzige Zwecke ganz unbesehen einäschern kann. Siehe dazu ausführlicher oben im Kapitel 13. Rational ist diese Erhebung von Witzenmanns Interpretationen über Steiners Werk und Frühwerk absolut nicht nachvollziehbar. Schon gar nicht wenn, wie ich damals selbst in Teilen authentisch miterlebt habe, ein unbedarftes akademisches «Jungvolk» ohne viel Erfahrung mit Steiners Frühwerk als eine treibende Kraft dahinter steht wie heute die heilige Greta als sein Prophet hinter dem menschengemachten Klimawandel. Der ganze Hype um Witzenmann baute damals wesentlich auf der Unerfahrenheit seiner ahnungslosen, vielfach jugendlichen, aber hoch motivierten Anhänger auf, das ist eine bemerkenswerte Parallele zur heutigen «Klimaapokalypse», die wesentlich ebenso von der Dummheit und wissenschaftlichen Naivität motiviert-ahnungsloser Menschen öffentlich vorangetrieben wird, - wie damals der Witzenmannhype von den ahnungslosen Jüngern Witzenmanns. Vergleichbares aber findet, wie der Leser sieht, noch heute in dem Sammelband der Alanus-Hochschule ganz unverblümt statt. Wo sich die damaligen Anhänger Witzenmanns inzwischen mit diesem Witzenmann-Verbreitungs-Auftrag von damals als Textgenerierer in einem akademischen Sammelband einfinden, ohne Steiners eigenes Werk jemals gründlich erarbeitet zu haben, wie wir von Wagemann weiter oben (derzeit etwa S. 45) ganz explizit hörten: „However, a comprehensive comparison of Witzenmann’s approach with Steiner would go beyond the scope of this introduction and hence remains one of the research desiderata of the future.“ So erklärt es Wagemann ganz frei heraus und in aller Öffentlichkeit als Übersetzer von Witzenmanns Strukturphänomenologie seinen Lesern: «Daß die Anhänger Witzenmanns von Steiners Frühwerk keine Ahnung haben. Weil sie sich noch nie ernsthaft damit befasst haben.» Bei Schierens Beitrag im Sammelband der Alanushochschule haben wir das direkt sichtbar vor Augen. Das gilt übrigens für Witzenmanns ausführlichen Biographen Klaus Hartmann nicht minder, der uns zwar ein auskunftsreiches, opulentes zweibändiges Werk über Witzenmanns Biographie vorlegte, aber als Anhänger Witzenmanns von Steiners Begründungsschriften etwa so viel und so wenig versteht wie die Witzenmannanhänger der Alanushochschule. Und dem Leser auf den Seiten 608 ff von Band 2 eine abenteuerliche Sicht über das Kausalitätsprinzip präsentiert, ohne die leiseste Vorstellung davon zu offenbaren, wie es um die fragwürdige Grundlegung dieses Prinzips in der Ära Kants stand. Wo Steiner sich persönlich neben vielen anderen Zeitgenossen damals um seine empirsche Begründung (um das «naturwissenschaftlich Sichere») ausdauernd erst einmal bemühte, indem er dem erlebten Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem bei den Aktivitäten des Bewußtseins nachging. Steiner wollte das Kausalitätsprinzip also nicht etwa «abschaffen», wie Hartmann auf S. 608 f zu verstehen gibt. Sondern Steiner wollte es, wie viele andere damals auch, in seinem Geltungsbereich überhaupt erst einmal empirisch solide nachweisen, und dabei zugleich aufzeigen, wo das physikalistische Prinzip der Naturkausalität gilt, und wo es nicht mehr gilt. Wie es auch seiner Leitfrage aus dem ersten Kapitel der Philosophie der Freiheit entspricht. Wie er es später in einem Vortrag in Stuttgart am 5. Septemer 1921 (GA-78, Dornach 1986, S. 142 f) ausführlicher und unter Hinweis auf die Philosophie der Freiheit mit dem Geltungsbereich des materialistischen Kausalitätsprinzips, beziehungsweise etwas komplexer: mit dem Energieerhaltungssatz erläutert hat: Es muß „die Materie sich zurückziehen im Organismus und Platz machen dem Denken, dem Vorstellen; dann sieht dieses Denken, dieses Vorstellen, die Möglichkeit seiner Entfaltung im Menschen.“ Das kann der Leser auch im neunten Kapitel der Philosophie der Freiheit studieren unter dem Stichwort «Zurückdrängung der leiblich seelischen Organisation durch das Denken.» Was als Sachverhalt natürlich auch einen Verursachungszusammenhang darstellt, wenn das Denken die leibliche und seelische Organisation «zurückdrängt». Das erweiterte Kausalitätsprinzip gilt, wie Steiner 1921 ausführte, auf dem physikalischen und chemischen Felde. Aber nicht als Kausalverursacher für das Denken und Erkennen. Sondern es ist das Denken, das die Materie nebst übriger seelischer Organisation dort durch seine eigene Wirksamkeit zurückdrängt. So steht es in der Philosophie der Freiheit, während der Vortrag noch deutlich darüber hinausgeht. Eine solche Abklärung über den Geltungsbereich der Kausalität ist für jede Freiheitsphilosophie auch unerläßlich, die von naturwissenschaftlichem Boden ausgeht wie bei Steiner. Steiner aber zu unterstellen, er habe stattdessen «das Kausalitätsprinzip abschaffen wollen», ist schlicht abwegig. Von all den Hintergründen darum hatte neben seinen Schülern wie Hartmann auch Witzenmann keinen Sachverstand. Eine einzige Dunkelzone um diese damalige naturwissenschaftliche Problemlage mit der Kausalitätsfrage tut sich da bei Witzenmann und seinen Schülern auf. Die selbe Kenntnislosigkeit in dieser Frage der Kausalität wie bei Klaus Hartmann erleben wir an der skurrilen Aufmachung und den Texten der Witzenmannanhänger in diesem Sammelband, zu denen neben Wagemann auch Schieren und Da Veiga gehörten. Die Abhängigkeit und gedankenlose Unterwerfung der «Erblickenden» unter Witzenmanns Steinerexegesen mündete, wie Hartmann auf Seite 610 ff deutlich ausspricht, als seine Quelle in einen offen verkündeten Beschluß, Witzenmanns «Interpretationen» zur quasi offiziell gültigen Steinerexegese zu salben, und fortan Witzenmanns Werk zu verbreiten. Und zwar, ohne dass die «Erblickenden» von Steiners Originalwerk der Grundlegung selbst irgend etwas nennenswert Verwendungsfähiges wußten. (Und vielfach bis heute eben nicht wissen.) Wie ich übrigens aus eigener und teils jahrelanger Kenntnis solcher Teilhaber zu sagen weiß. So ein Beschluß entspricht also faktisch einer «Blicklenkung aus dem hohlen Bauch heraus». Oder einer Indoktrination, wie es heute bei den unwissenden Greta-Jüngern und Klimaklebern der Fall ist. Denen die Witzenmannanhänger in ihrer obskuren Geisteshaltung allemal näher stehen als dem naturwissenschaftlichen, spirituellen und politischen Aufklärer Rudolf Steiner. Daß es für diese dubiose Denkweise auch ein entsprechendes Sponsoring gibt wie bei den Klimaklebern, das wissen wir von Wagemann persönlich, der (S. XI ff) neben der GLS-Bank und der anthroposophischen Gesellschaft Deutschlands noch weitere Sponsoren für seine abstruse Übersetzungsarbeit an der Strukturphänomenologie anführt. Siehe weiter oben S. 51 ff. Die Analogie mit den derzeitigen Erscheinungen von Klimafanatismus ahnungsloser junger Menschen liegt also ernstlich auf der Hand. Denn so wurde auch damals analog in den 1970er und 80er Jahren aus einer komplett darin unwissenden Anhängerschaft Witzenmanns eine Art Gläubigengemeinschaft geformt wie heute die ahnungslosen Klimakleber und Thunberg-Jünger: Man ersetzte fortan weitgehend die Steinerforschung durch Glauben an die Wahrheiten Witzenmanns, und unter Verzicht auf jede seriöse Steinerforschung. Typisches Sektierertum eben, wie es bereits Steiner seinen eigenen Anhängern oft und oft attestiert hatte. So daß es dort auch mit Blick auf das Kausalitätsproblem und Steiners Behandlung dessen seit Jahrzehnten gewaltig klemmt, ohne irgend ein Licht am Ende des Tunnels. So ist es über weite Strecken heute noch, und erklärt auch die schräge und jede seriöse Wissenschaft karikierende Aufmachung des Sammelbandes aus der Alanushochschule. Da bleibt mit wenig Hoffnung auf Einlösung der Absichtserklärung nur mit Wagemann zu konstatieren: «However, a comprehensive comparison of Witzenmann’s approach with Steiner ... remains one of the research desiderata of the future.» So wie es derzeit aussieht, wird wohl auch in 200 Jahren nichts Brauchbares bei den Witzenmannjüngern herausgekommen sein, wenn schon nach 70 Jahren Witzenmann-Ära bei seinen Anhängern nachweislich nichts dabei heraus kam. Und das soll wohl auch so sein, ist man inzwischen angesichts der sich anbahnenden Verhältnisse geneigt zu konstatieren. Alles zurückgehend auf eine Entwicklung und Beschlußlage der 1970er und 80er Jahre. - Cui bono also? Steiner und seinem spirituellen Impuls mit der Anthroposophie nützt das alles nichts. Sondern vor allem der Gegenseite, die seit geraumer Zeit über Globalmilliardärskumpane wie Soros, Gates (siehe Frieder Sprich, hier S. 27 ff) & Co, (siehe Barkhoff hier, S. 63) dabei ist, auch die anthroposophische Bewegung und ihren Impuls mit ihren inzwischen tief dort hineinlangenden Tentakeln aufzumischen und zu ruinieren. Allerlei salbungsvolle und literarisch garnierte Worte, wie bei Witzenmann schon, aber kaum Verständnis für Steiners Anliegen und methodisches Vorgehen auch bei Schieren. Selbst dort, wo Schieren Steiners seelische Beobachtung anfaßt, ist nichts von Steiners persönlicher Einschätzung dieser seelischen Beobachtung zu sehen. Auch wenn Steiner 1917 mit der Schrift Von Seelenrätseln (GA-21) ein eingehenderes Buch vorgelegt hat, wo die anthroposophische Grundlagenforschung ausdrücklich am «Treffpunkt von Anthropologie und Anthroposophie» angesiedelt wird, und auf S. 170 f der ausdrückliche Wunsch nach einem psychologischen Laboratorium geäußert wird, ist nichts von dem bei Schieren haften geblieben. Auch da muß man eher vermuten, daß ihm das völlig unbekannt ist. Eine Terra incognita. Da ist also schlicht nicht viel zu erwarten. So viel sagt uns an dieser Stelle die anthroposophische Rezeption von Steiners Bemühungen um eine empirische Grundlegung der Naturwissenschaft: Beim Herausgeber des Sammelbandes (Schieren) ist davon nichts zu sehen. Beim Rest der Co-Autoren braucht man sich dann auch nicht mehr die Augen zu reiben, wenn es dort kaum anders aussieht. Sie alle stochern in demselben Sumpf der Ignoranz gegenüber Steiners naturwissenschaftlichem Anliegen in der Erkenntniswissenschaft. Sind darin wie Schieren mit Blindheit geschlagen, und tummeln sich stattdessen überwiegend auf Nebenschauplätzen. «Grundlagenforschung» zu Steiners Frühwerk jedenfalls ist das nicht. Und die ist auch gar nicht ernsthaft gewollt. Diesen Eindruck kann man nur gewinnen, wenn man sich das hilflose und verquere intellektuelle Gestrampel in diesem Sammelband anschaut. So verhält es sich auch bei Da Veigas Beitrag über Steiners Verhältnis zu Fichte auf den Seiten 105 ff des Sammelbandes. Mit Blick auf naturwissenschaftliche Begründungsfragen und deren empirische Behandlung durch Steiner ist der Essay Da Veigas vollkommen leer und unproduktiv. Allein schon der Umstand, daß Steiner seine Philosophie der Freiheit als «seelische Beobachtungsresultate nach naturwissenschaftlicher Methode» untertitelte, hat bei Da Veiga augenfällig keinerlei Spuren hinterlassen. Dasselbe läßt sich von Steiners Grundlinien sagen, die nicht nur eine psychologische Methode der «reinen Erfahrung» behandeln und ausdrücklich auch erkenntniswissenschaftlich anwenden, sondern diese Verhältnisse auch noch in ihrem Psychologiekapitel 18 lang und breit darstellen, und in den Anmerkungen zur Zweitauflage (hier S. 142) zudem noch um die Anthroposophie erweitern. Man fragt sich ernstlich, welche Frühschriften Steiners Da Veiga eigentlich studiert haben will, wenn von all dem nichts bei ihm haften geblieben ist. Von all dem ist nach mehr als dreißig «Forschungsjahren» bei Da Veiga rein gar nichts angelangt: «Der Beginn von Steiners schriftstellerischem Wirken am Ende des 19. Jahrhunderts», so schreibt nämlich Da Veiga auf S. 106, «liege eindeutig in der Philosophie.» - Nun, das ist schlicht nicht wahr! Oder wenn wir etwas umsichtiger formulieren wollen: Es ist die Tatsache zu berücksichtigen, daß in der damaligen akademischen Philosophie auch die Psychologie enthalten war, was heute nicht mehr der Fall ist. Spricht man nur von «Philosophie» mit Blick auf Steiners Zeit, ohne diese sehr anderen damaligen Verhältnisse zu würdigen, dann klärt man für den Leser diese Sachlage nicht. Und verfehlt sowohl die historischen Umstände als auch Steiners eigene Selbsteinschätzung aus GA-255b, S. 296, wonach er seinen Weg aus der Naturwissenschaft heraus genommen habe: „Dieser Ursprung und Ausgangspunkt [der Anthroposophie, MM] liegt durchaus in der naturwissenschaftlichen Weltanschauung der neueren Zeit. Wer die ja etwas lange Reihe meiner Schriften durchgeht, der wird sehen können, daß mein Ausgangspunkt nie in irgendwelchen religiösen Problemen liegt, wenn auch selbstverständlich Anthroposophie ihrem Wesen nach, wie wir sehen werden, an das religiöse Empfinden und an religiöse Anschauungen heranführen muß. Der Ausgangspunkt waren nicht religiöse Anschauungen, der Ausgangspunkt war die naturwissenschaftliche Weltanschauung, in welche ich in jungen Jahren hineingewachsen bin.“ So Steiner dort auf S. 296 zu seiner Ausgangslage. Und weiter (S. 297), dass er nicht eher zu spirituellen Fragen habe öffentlich Stellung beziehen können, bevor es ihm nicht gelungen war, eine Brücke von den Naturwissenschaften zum Spirituellen über das «naturwissenschaftlich Sichere» zu finden. Genannt werden von Steiner in diesem Zusammenhang mit der Brückensuche die Einleitungen in Goethes naturwissenschaftliche Schriften, Wahrheit und Wissenschaft und die Philosophie der Freiheit. So ist es nicht nur im Stuttgarter Vortrag vom 25. Mai 1921 (GA-255b, S. 295 ff) zu lesen. Sondern, und was für den kritischen Bearbeiter seiner Frühschriften natürlich noch überzeugender ist als lediglich eine vereinzelte späte Vortragseinschätzung Steiners: das deckt sich auch mit Steiners Werdegang als Student der Naturwissenschaften und nachfolgender Herausgabe von Goethes naturwissenschaftlichen Schriften. Das deckt sich vor allem auch mit dem Inhalt seiner Begründungsschriften in diesen Jahren. Daß Rudolf Steiner im zweiten Kapitel der Philosophie der Freiheit das «Wirkende der Natur im eigenen Inneren» aufsucht, «weil die Natur im Äußeren erst zu finden ist, wenn man sie in seinem Inneren bereits kennt», das scheint indessen niemandem unter seinen akademischen Interpreten jemals in die Hände gekommen zu sein. Geschweige denn, dass es jemand aus der anthroposophischen Professorenschaft und ihrem intellektuellen Umfeld für bare Münze genommen hätte. Da denkt sich also Herr Da Veiga nach 130 Jahren, das sei alles bloß Philosophie, was bei Steiner in Wirklichkeit als Naturwissenschaft gemeint ist. Allerdings als «innere Naturwissenschaft» mit philosophisch ausgesprochen relevanten Erträgen. Bis hin zur «allerwichtigsten Beobachtung, die der Mensch machen kann», wie wir aus der Philosophie der Freiheit (hier S. 29) wissen. Und bis hin zu der Tatsache, daß «die Wesenheit des Denkens die leiblich seelische Organisation zurückdrängt», wie es im neunten Kapitel der Philosophie der Freiheit (hier S. 102 f) heißt. Relevanter und dringlicher für die Naturwissenschaft könnten die Verhältnisse kaum werden, und auch von Steiner kaum in dieser Frühschrift dargestellt werden. Das aber interessiert den anthroposophisch-akademischen Steinerforscher und Schüler Witzenmanns, Professor Da Veiga, heute augenfällig so viel wie der berühmte Sack Reis, der gerade in China umfällt. Das ist leider nicht nur bei Da Veiga so. Sondern dieser prominente Sack Reis erfreut sich bei den «Anthroposophen» seit längerem schon außerordentlich großer Beliebtheit, und ist in schönster Regelmäßigkeit bei ihnen im Umlauf. Überhaupt so etwas wie das Kernmerkmal heutiger anthroposophischer Mainstream-Steinerforschung. Man könnte gegenwärtige akademische Anthroposophen regelrecht anhand dieses Kennzeichens dahingehend identifizieren, dass sie davon, - von Steiners empirischen Lösungsbemühungen um Humes und Kants Problem der Kausalität, - bei ihrer Steiner-Recherche mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit rein gar nichts wissen und davon rein gar nichts verstehen. Und es sie auch rein gar nicht interessiert. Nicht nur in Peter Heussers eigener Habilitationsschrift respektive ihrer nachfolgenden Buchausgabe Anthroposophie und Wissenschaft ist das ebenfalls so, sondern auch in dem von Heusser und Weinzirl herausgegebenen Sammelband von 2013, Rudolf Steiner. Seine Bedeutung für Wissenschaft und Leben heute. Näheres zu letzterem Sammelband hier, derzeit S. 1190 ff. Die philosophischen Interpreten Steiners, - sie mögen aus der Anthroposophie kommen oder auch nicht, sie mögen aus der Medizin kommen wie Peter Heusser, aus der Philosophie oder Pädagogik wie Schieren und Da Veiga, - sind in der Regel einfach nicht mehr in der Lage solche empiristischen Zusammenhänge zu erkennen, die sich in jener Zeit um das naturwissenschaftliche Begründungsproblem von Kant und Hume rankten. Bei diesen empiristischen Lösungsbemühungen ist aber auch der «innere Naturwissenschaftler» Steiner anzusiedeln. Nicht zuletzt, weil er sich dort auch ganz unverkennbar selbst ansiedelt. Das haben wir weiter oben schon etwas ausführlicher besprochen. Was er zudem in der Schrift Von Seelenrätseln (hier S. 29-33) ausdrücklich noch einmal in den Worten von der «Philosophie über den Menschen» dargelegt hat. Die ein Ausdruck und zusammenfließendes Resultat der «anthropologischen» und der «anthroposophischen» empirischen Forschung sei. Das freilich war nicht erst eine späte Einsicht und Umdeutung des «Anthroposophen» Steiner. Sondern das läßt sich ganz unzweideutig auch aus seinem Frühwerk schon so ablesen. Beginnend etwa mit einer erkenntniswissenschaftlichen Suche nach den wirkenden Kräften der Natur im Menscheninneren, wie in Kapitel II. der Philosophie der Freiheit. Wobei die hier angewendete «immanent psychologische» Methode in hohem Maße auch aus dem empiristischen Werkzeugkasten von Johannes Volkelt stammt, wie Steiner in Wahrheit und Wissenschaft in aller Öffentlichkeit vorausschickt. Wie man es in den immanent psychologisch gehaltenen Grundlinien methodisch ebenfalls vorgeführt bekommt und sogar wortwörtlich nachlesen kann, weil Volkelt mit seiner «vorzüglichen Methode» dort (S. 31) persönlich eine ganze Seite lang zu Wort kommt. Im Kapitel 14 der Grundlinien wird dieser innere Empirismus Steiners dann in höchst plakativer Weise mit dem Kausalitätsproblem Kants kontrastiert. Das bereits 1886. - Steiners Philosophie des freien Menschen ist ein Resultat von «innerer Naturforschung» und nicht lediglich die rationalistische Gedankenkonstruktion eines Philosophen namens Steiner, der irgendwo unter den idealistischen Systemphilosophen seiner und der vorangehenden Zeit anzusiedeln wäre. Während die (vor allem auch die akademischen) Deutungsstrategen unter den «Anthroposophen», wie man auch an den Sammelbänden (Alanushochschule sowie Heusser / Weinzirl) wieder sieht, von all den naturwissenschaftlichen Begründungs-Intentionen Steiners und ihren Resultaten schlicht keinerlei Kenntnis haben. In dem Augenblick, wo ein erkenntnistheoretischer Forscher wie Steiner sich beobachtend den Prozess seines Denkens und Erkennens vornimmt, ist er kein Metaphysiker oder abstrakter Erkenntnistheoretiker mehr, sondern Empirist. Erfahrungswissenschaftler. Das aber gilt bei Steiner über sämtliche Frühschriften hinweg. Gegenüber dieser Form des «inneren Empirismus» hatte sich bei den Philosophen der Jahrhundertwende allerdings vielfach ein ausgesprochener Widerstand eingebürgert, wie Johannes Volkelt 1918 in seiner Schrift Gewißheit und Wahrheit auf der Seite 38 f schrieb: „Dem Sprödetun gegen die Metaphysik hat sich heutigen Tages das Sprödetun gegen die Psychologie hinzugesellt. Für die philosophische Literatur der Gegenwart ist die Furcht vor dem Verdacht des Psychologismus geradezu charakteristisch. Auf Schritt und Tritt begegnet man Versicherungen von der Art: das Gesagte sei beileibe nicht psychologisch zu verstehen; aus dem Ergebnis dürfe um keinen Preis eine psychologische Folgerung gezogen werden; die Psychologie habe schlechtweg nichts dreinzureden; die Psychologie sei so recht die Verderberin der Problemstellungen. Angesichts der ängstlich geflissentlichen Abwehr des Verdachtes, auf den Bahnen der bösen Psychologie zu wandeln, ist es oft schwer nicht spöttisch gestimmt zu werden. Manchmal ist es, als fürchte der junge philosophische Schriftsteller sich bloßzustellen, wenn er der Psychologie nicht ihre Untergeordnetheit und Nebensächlichkeit zu fühlen gebe.“ - So schreibt Volkelt 1918 zur anwachsenden Aversion der Philosophen gegenüber der empirischen Psychologie in der Erkenntniswissenschaft, die damals in weitem Umfang auch Psychologie der inneren Beobachtung war. Wie etwa in Külpes Würzburger Institut der Denkpsychologie. Oder wie man besonders exemplarisch auch Diltheys 1894er Kennzeichnung der Erkennnistheorie als «Psychologie in Bewegung» entnehmen kann; (hier S. 1320 ff / respektive hier besser lesbar bei Wilhelm Humerez). Wo Dilthey dazu ausführt: „Der seelische Zusammenhang bildet den Untergrund des Erkenntnissprocesses, und der Erkenntnissprocess kann sonach nur in diesem seelischen Zusammenhang studirt und nach seinem Vermögen bestimmt werden. Nun sahen wir aber darin schon den methodischen Vorzug der Psychologie, dass ihr unmittelbar, lebendig, als erlebte Realität der seelische Zusammenhang gegeben ist. Das Erlebniss desselben liegt allem Auffassen der geistigen, geschichtlichen und gesellschaftlichen Thatsachen zu Grunde. Minder oder mehr aufgeklärt, zergliedert, erforscht. Die Geschichte der Wissenschaften des Geistes hat eben diesen erlebten Zusammenhang zu ihrer Grundlage, und sie erhebt ihn schrittweise zu klarerem Bewusstsein. Von hier aus kann nun auch das Problem des Verhältnisses der Erkenntnisstheorie zur Psychologie aufgelöst werden. In dem lebendigen Bewusstsein und der allgemeingültigen Beschreibung dieses seelischen Zusammenhangs ist die Grundlage der Erkenntnisstheorie enthalten. Einer vollendeten, durchgeführten Psychologie bedarf die Erkenntnisstheorie nicht, aber alle durchgeführte Psychologie ist doch nur die wissenschaftliche Vollendung dessen, was auch den Untergrund der Erkenntnisstheorie bildet. Erkenntnisstheorie ist Psychologie in Bewegung, und zwar sich nach einem bestimmten Ziele bewegend. In der Selbstbesinnung, welche den ganzen unverstümmelten Befund seelischen Lebens umfasst, hat sie ihre Grundlage: Allgemeingültigkeit, Wahrheit, Wirklichkeit werden von diesem Befund aus erst nach ihrem Sinn bestimmt.“ So erklärte es Dilthey 1894 in seinem Vortrag vor der preussischen Akademie der Wissenschaften. Man schaue sich an, was Steiner analog im Psychologiekapitel 18 der Grundlinien… 1886 dazu schrieb und in ihrer Zweitauflage auch noch auf die Anthroposophie hin erweiterte. Die Philosophie der Freiheit schließlich handelt als erkenntniswissenschaftliche Grundlegung 1918 ausdrücklich immer noch von «seelischen Beobachtungsresultaten». Dem aber versuchten damals einflußreiche Philosophen mit großem Eifer, wie Volkelt 1918 ironisierend konstatiert, endgültig den Garaus zu machen. Sogar Franz Brentano hängte man seinerzeit das ehrenrührige Etikett des «Psychologismus» an, wie Brentano 1911 in seiner Schrift Von der Klassifikation der psychischen Phänomene S. 165 ff im Kapitel XI., Vom Psychologismus, empört schreibt. Alles in allem ein Angriff mit einigem Erfolg, wie Volkelt darlegte, und wie man an den verlorenen philosophischen Steiner-Erklärern von heute immer noch sieht, die sich da im Sammelband der Alanushochschule verdichteten. Da kommt dann noch hinzu, daß der Inaugurator einer «Paradoxie der Selbstgebung», Witzenmann, nicht nur beim Antipsychologisten und Phänomenologen Husserl studiert hatte, sondern von dem auch dermaßen beeindruckt war, so dass er ihm mit der «Strukturphänomenologie» und ihrem abstrusen «Erzeugungsproblem» auch gleich noch ein literarisches Denkmal gesetzt hat. Und heute verkaufen Witzenmanns Anhänger dann Witzenmanns pseudopsychologischen Etikettenschwindel und hermeneutischen Interpretations-Widersinn als «seelische Beobachtung, die keine Introspektion» sei, wie wir von Schieren hörten. Nun, wenn das unwissende anthroposophische «Fußvolk» oftmals Steiners eigene Gegner bejubelt, so ist das nicht neu. War auch zu Steiners Zeit schon bekannt. Für die sogenannten Akademiker unter den Anthroposophen gilt aber kaum anderes. Zumal beim Anhang Witzenmanns. Ich selbst wüßte auch mehr als ein Lied aus den vergangenen annähernd drei Jahrzehnten davon zu singen, wie sehr sich angebliche Anthroposophen aus dem Husserlschen und Witzenmannschen Umfeld und darüber hinaus entrüsteten, wenn man ihnen die psychologische Beobachtung des Denkens zum Verständnis der Steinerschen Grundlagen nahelegte. Während Steiner wie gesagt persönlich in der Schrift Von Seelenrätseln den eindringlichen Wunsch nach einem psychologischen Laboratorium aussprach, um dort «beste Grundlagen» zu legen. Einen Wunsch, den er dort bezeichnenderweise «bei jedem» ansiedelte, «der auf dem anthroposophischen Gesichtspunkt steht»: „Jeder, der auf dem anthroposophischen Gesichtspunkt steht, sehnt sich ebenso wie Brentano, in einem echten psychologischen Laboratorium arbeiten zu können, was durch die heute noch gegen die Anthroposophie herrschenden Vorurteile unmöglich ist.“ So Steiner hier auf S. 171. Das spricht sicherlich für sich selbst. Die Philosophen, das dokumentiert Johannes Volkelt 1918, begannen sich mit den ersten Dezennien des 20. Jahrhunderts schlichtweg zu weigern, bei erkenntniswissenschaftlichen Problemstellungen, - auch den Denkprozess selbst betreffend, - psychologische Untersuchungen zur Klärung heranzuziehen. Deswegen sind die Philosophen auch als «Anthroposophen» heute fast in der Regel die Allerletzten, von denen man sachhaltige und zielführende Aufklärung über Steiners Grundlagen erhält, - nach etwa 40 Jahren engerem Umgang mit der Steinerforschung erlaube ich mir das inzwischen zu sagen. Das gilt auch für alle Beteiligten am Sammelband der Alanushochschule. Denn die damals aufgebauten Widerstände wirken auch im Umfeld der Anthroposophie und anderen philosophieorientierten Bearbeitern von Steiners Frühwerk bis auf den Tag ganz massiv nach, da ihnen die Psychologie zudem auch vollkommen sachfremd geworden ist. Insofern ist es verständlich, wenn Hartmut Traub bereits in seinem umfangreichen Buch von 2011 keinen blassen Schimmer erkennen ließ über die methodische psychologische Beobachtung des Denkens, wie wir weiter oben schon angedeutet haben. Steiners Grundlinien hat er dort bis auf eine schmale Anmerkung 262 auf S. 426 weitestgehend links liegen gelassen. Wo in dem ganzen opulenten Band Traubs auch nichts zu lesen ist über jene unübersehbaren Verhältnisse in der Philosophie, wie sie von Edith Stein um die psychologische Begründung des Empirismus ihrer und der Steinerzeit geschildert wurden. An der seinerzeit aufkommenden Aversion der Philosophen gegen die Psychologie hat sich bis heute wenig geändert, so viel demonstriert Traub selbst. Wenn man sich dazu auch noch Traubs flache Psychologiebemerkungen im Sammelband der Alanushochschule anschaut, wo zur Psychologie lediglich einige für das Verständnis völlig wertlose Banalitäten abgeliefert werden, anstatt die erkenntniswissenschaftliche Begründungsperspektive der seelischen Beobachtung ins Auge zu fassen, dann bleibt nur das Fazit: Der Mann hat weder von der Entwicklung der empirischen Psychologie noch von ihrem Verhältnis zu naturwissenschaftlichen und empiristischen Begründungsfragen irgend welche ernst zu nehmenden Kenntnisse. Und erst recht nicht von Steiners erkenntniswissenschaftlichem Anliegen respektive innerem Empirismus. Sondern Traub bewegt sich bei seinen diesbezüglichen Auslassungen zur Rolle der Psychologie weitgehend auf dem Niveau eines intellektuellen Hohlraumverwalters. Der im wesentlichen wieder einmal mit derartigen Leerstellen angetreten ist, um Steiner von der «hohen Warte» der Philosophie aus zu diskreditieren, wie es bereits 2011 der Fall war. Ohne eine Vorstellung davon zu haben, was der Mann in seinem Frühwerk eigentlich bezweckte, und welche Rolle die seelische Beobachtung in erkenntniswissenschaftlichen Begründungsfragen nicht nur bei Steiner damals spielte. Auch bei der kleinen Prise Universalienrealismus, die Traub dabei ganz zusammenhanglos zur Würze mit eingefädelt hat. Ganz schlechte Voraussetzungen für einen Philosophen, um auf so einer Grundlage zielführende Interpretationen zu Steiners Frühwerk abzuliefern. Und nur ein weiterer Beleg neben zahllosen anderen dafür, dass man in den seltensten Fällen erfolgreich moderne Philosophen fragen kann, wenn es um Aufklärung über Steiners Grundlagen geht. Da hilft auch ein Fichtekenner nicht weiter, weil die heutigen Philosophen inzwischen von fast allem abgeschnitten sind, was zum Verständnis des frühen Steiner nötig wäre. Damit meine ich noch nicht einmal Steiners anthroposophischen Impuls, sondern lediglich den empiristischen in seinen Frühschriften. Mit der Folge, daß Traub mit den anderen Fehlsichtigen gemeinsam eine Blindenkonferenz über die Farbe abhält. Der gesamte Sammelband der Alanushochschule ist nur der Ausdruck einer derart dort organisierten Blinden-Tagung, wo man sich akademisch über die Farbe austauscht. Mit reichhaltigen Facetten der Blindheit, wie sie bei einem naturwissenschaftlichen / erkenntniswissenschaftlichen Begründungsthema aus dem späten neunzehnten Jahrhundert heute bei Gegenwartsphilosophen eben möglich sind. Bis hin zu geistiger Freibeuterei und Kaperung einer wissenschaftlich etikettierten Veranstaltung um Steiners philosophische Quellen für ausschließliche Privatinteressen: Von den ahnungslosen Anhängern Witzenmanns mißbraucht und ausgeplündert als Werbebühne für den hermeneutischen Kokolores des Herbert Witzenmann. Die komplette Unkenntnis über Steiners empiristische und psychologische Intentionen in seinem Frühwerk und deren Einbettung im damaligen Forschungsgeschehen um die erkenntniswissenschaftliche Grundlegung des Empirismus, war und ist eben auch ein ernstes Rezeptionsproblem von Anthroposophen, wie man an Da Veiga sieht. Wenn Da Veiga schreibt, Steiners schriftstellerisches Wirken am Ende des 19. Jahrhunderts sei eindeutig in der Philosophie anzusiedeln, dann hat er schlicht kein Wissen von diesen Tatsachen, die sich empirisch psychologisch und naturwissenschaftlich in der Steinerzeit um Kants Begründungsproblem rankten, und als empirische Forschung auch in Steiners Grundlagenwerken überall den Schwerpunkt bilden. Daher liegt Da Veiga auch mit seiner Einschätzung, Steiners schriftstellerisches Wirken in der Frühzeit liege eindeutig in der Philosophie, und das ohne jede weitere Aufklärung über die Einbettung der Psychologie in die Philosophie, gründlich neben der Spur. Er betreibt damit Blindenforschung über eine Farbe, welche er nie zu Gesicht bekommen hat. Denn Steiner war eben von Anbeginn an Empirist, auch des Denkens, wie sich schon aus den Grundlinien ganz unzweideutig entnehmen läßt. Wenn man Steiners erkenntnispsychologische Behandlung des Erkenntnisproblems, eingeschlossen die Frage nach dem Wirkenden im Denken und dem naturwissenschaftlich Sicheren, aus dieser Zeit betrachtet, dann muß man entsprechend eben auch die Tatsache berücksichtigen, dass die Philosophie der frühen Steinerzeit noch die Psychologie, - auch die empirische, - einschloss, und nicht die Philosophie von heute war, wo die Fakultäten seit den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts getrennt sind. Das wird man seinem Leser selbstredend auch zur Orientierung vermitteln, wenn man diese Verhältnisse kennt. Was aus heutiger Sicht separiert ist, nämlich innere Naturwissenschaft / Psychologie und Philosophie, das war damals eine akademische Einheit. Führte allerdings damals bereits zu massiven Streitereien um die Besetzung von philosophischen Lehrstühlen durch Experimentalpsychologen, die zwar formell Philosophen waren, aber faktisch eben Psychologen mit einem für die meisten Philosophen sehr entlegenen Aufgabenbereich. (Siehe dazu auch hier, die Kapitel 13.1.e ff.) Heute weiß kaum ein sogenannter Philosoph noch allzu viel Substantiiertes über die Umstände damals zu berichten. Deswegen wird man von heutigen Philosophen auch nur in den allerseltensten Fällen sachhaltige Aufklärung über die frühen erkenntniswissenschaftlichen Intentionen Rudolf Steiners erhalten. Und noch weit weniger über den Stand und die Einzelheiten der damaligen Psychologie, wie wir es geradezu schlagend bei Hartmut Traub beobachtet haben. Von all dem aber ist auch bei Da Veiga kein Wort zu hören. Weder von der Naturwissenschaft, noch von der Psychologie, noch von der Verbindung beider beim erkenntniswissenschaftlichen Lösungsversuch, das Grundlagenproblem der Naturwissenschaft empirisch zu überwinden, indem man das «naturwissenschaftlich Sichere im eigenen Inneren» sucht und findet. Stattdessen fallen Steiners naturwissenschaftliche und psychologische Intentionen samt und sonders einschließlich der Psychologie des Denkens bei Da Veiga unter den Tisch. Was sich nicht nur bei ihm heute beobachten läßt. Andererseits ist die Ironie bei Volkelt nachvollziehbar, denn er war auch ein aufmerksamer Beobachter der jungen Denkpsychologie in den frühen Jahren des 20. Jahrhunderts, die es in Steiners Frühzeit so, in einer institutionalisierten Form, noch nicht gab, sondern in Deutschland erst mit der Würzburger Schule Oswald Külpes in Würzburg ab 1896 und vor allem kurz nach der Jahrhundertwende ihren Anfang nahm. Zudem ist aus diesem Grund auch Steiners Wunsch nach einem psychologischen Laboratorium verständlich, den er erst 1917 in der Schrift Von Seelenrätseln (GA-21) so eindringlich auf den Seiten 170 f zum Ausdruck brachte. Zum Verständnis der naturwissenschaftlichen Intentionen in Steiners Frühwerk ist Da Veigas Abhandlung weitestgehend unbrauchbar. Wie gehabt! Über seine inzwischen längst obsolete Dissertation, Wirklichkeit und Freiheit, Die Bedeutung Johann Gottlieb Fichtes für das philosophische Denken Rudolf Steiners, Gideon Spicker Verlag, Dornach 1990, ist Da Veiga damit keinen Schritt hinausgekommen. Ganz im Gegenteil: Vor annähernd 30 Jahren hat er immerhin noch, wenn auch auf der Grundlage von Witzenmanns Fehlinterpretationen, die Beobachtung des Denkens behandelt, und ist damit ganz zwangsläufig unter Witzenmanns Anleitung gescheitert, wie wir im Kapitel 6. 5 dieser Studie schon vor rund 18 Jahren hier darlegten; - wenn man noch weiter zurück geht, dann bereits in Ravaglis Jahrbuch für anthroposophische Kritik, von 1999 auf den Seiten 83 ff. Von der Beobachtung des Denkens ist in Da Veigas Beitrag zum Sammelband jetzt schon gar nicht mehr die Rede. Es scheint also eher rückwärts zu gehen anstatt vorwärts. Was er dann auf den Seiten 116 ff über Steiners Verhältnis zu Fichte schreibt, bleibt ohne alle naturwissenschaftlichen und psychologischen Implikationen. So dass auch die Tatsache des Steinerschen Hinausgehens über Fichtes «Tathandlung» mit Hilfe des immanent psychologischen Erkenntnistheoretikers Johannes Volkelt, der erkenntniswissenschaftlich am selben Grundlegungsproblem der Naturwissenschaften arbeitete wie Steiner, schon gar keine Rede mehr ist. Steiners Grundlegung einer Naturwissenschaft über das «naturwissenschaftlich Sichere» existiert auch bei Da Veiga schlechterdings nicht. Nach rund dreissig Jahren, so weit liegt Da Veigas Dissertation jetzt zurück, ist beim Professor Da Veiga außer Leerlaufsignalen, dem Rückfahrleuchter und allerlei leeren akademischen Intellektualismen nichts Nennenswertes sichtbar geworden. Das ist, wie auch bei Schieren nicht zuletzt auch ein höchst fragwürdiger Erfolg der Schule Witzenmanns, aus der er zusammen mit Schieren und nachfolgend Wagemann stammt. Wie man sieht, liegt diese beklagenswerte Sachlage nicht an Steiner, sondern am mangelhaften Forschungswillen seiner Bearbeiter, die sich als Schüler und Anhänger Witzenmanns irgendwo im akademischen Nebel eingegraben haben, und dort dann als «akademische Professoren» überwiegend verhungerte hermeneutische Pirouetten drehen, die mit Steiners empiristischem Forschungsanliegen kaum etwas bis rein gar nichts zu tun haben. Insofern hat Da Veiga vielleicht sogar recht mit seiner titelgebenden Fichte-These von S. 105: „Was für eine Philosophie man wähle, hängt davon ab, was man für ein Mensch werden will …“ Das mag so sein. Und gilt womöglich auch für die Steiner-Forschung. So, wie es bislang aussieht, scheint die aber den Löffel in akademischen Teilen längst abgegeben zu haben, wie der Volksmund so sagt. Und ist zumindest bei den Witzenmannanhängern, wie sie selbst berichten, und so weit wir es dem Sammelband aus der Alanushochschule entnehmen konnten, nicht mehr ernstlich nachweisbar. Sondern zeigt sich nur noch, wenn nicht mausetot, dann doch in einem Zustand hochgradiger geistiger Agonie. Bis hin zum ungenierten, öffentlichen Mißbrauch angeblicher akademischer Steinerforschung als Werbeveranstaltung für den Interpretations-Unsinn Witzenmanns. Womit offensichtlich wird, dass es hier nicht mehr um die Wahrheit und Steinerforschung, sondern um Interessenvertretung geht. Wenn nicht gar um die immer offensichtlicher werdende Anbiederung an den (Global) Faschismus, der Deutschland zunehmend seit Jahren im Würgegriff hat, wie Herbert Ludwig in einem Beitrag im Europäer Juni 2023 (Jg 27 / Nr. 08), S. 7 ff zu bedenken gibt. Bleibt zu dieser Frage noch einmal orientierungshalber anzumerken, daß von Witzenmanns Fehlinterpretationen kein Weg zu Steiners Geist-Erkenntnis führt. Und ebenso keiner zur Begründung der menschlichen Freiheit. 38. Warum ein «induktiver» / empiristischer Weg zu den Ideen für die moderne Freiheitsphilosophie? So weit noch einmal zur derzeitigen desolaten Steinerrezeption an der Alanushochschule. Auf der anderen Seite wiederum können Sie als Leser verstehen, warum so zahlreiche Zeitgenossen neben Johannes Volkelt oder Edith Stein und Rudolf Steiner versuchten, das Kausalproblem auf dem Wege der «inneren Beobachtung» zu lösen. Darin hätten sie sich ohne weiteres auf Hume selbst berufen können. Denn aus Humes eigener Sicht war das vollkommen legitim, auch wenn er persönlich darin noch scheiterte, wie Reininger in der oben (S. 165) zitierten Passage durchblicken läßt. Denn für Hume galt: „Nichts ist aber dunkler und geheimnisvoller als der Zusammenhang von Seele und Leib, und auch die Herrschaft des Willens über unseren Geist ist um nichts begreiflicher. Daher mußten auch noch alle Naturphilosophen zugeben, daß das letzte Wesen der wirkenden Naturkräfte uns vollkommen verborgen bleibt.“ Das war von Hume (1711-1776) geschrieben in einer Zeit, als die empirische Psychologie als Kind des 19. Jahrhunderts noch weit in der Zukunft lag. Am Ende dieses 19. Jahrhunderts und zu Beginn des 20igsten sah die Lage in dieser Frage vollkommen anders aus. «Hume kann nur auf seinem eigenen Boden überwunden werden», schrieb deswegen Edith Stein auf S. 3 der Einleitung ihres Habilitationsentwurfes. Dazu gehörte laut Hume nicht nur der Empirismus im allgemeinen, sondern auch die innere Beobachtung. Deswegen geht es in der Studie von Edith Stein um «psychische Kausalität». Für Wilhelm Dilthey war die Erkenntnistheorie aus solchen und anderen Gründen, ähnlich wie bei Volkelt, auch eine «Psychologie in Bewegung», wie er 1894 in einem Vortrag über beschreibende und zergliedernde Psychologie auf S. 1321 darlegte. Der Weg der inneren Beobachtung zur Lösung des Problems von Kant und Hume war der Weg, den Edith Stein neben zahllosen anderen Forschern einschließlich Rudolf Steiner damals zu beschreiten versuchte. Der ganz spezielle Weg Steiners dazu war jener der Beobachtung des Denkens und Erkennens, wo ihm Volkelt dann 1918 auch am nächsten kam. Was bei Steiner bereits in den 1880 Jahren galt. Nämlich, daß «ein erkennendes Wesen nicht unfrei sein kann»: „Wir besitzen in unserem Erkennen die Macht, die Gesetzlichkeit der Naturdinge aus ihnen loszulösen und sollten dennoch die willenlosen Sklaven dieser Gesetze sein? Die Naturdinge sind unfrei, weil sie die Gesetze nicht erkennen, weil sie, ohne von ihnen zu wissen, durch sie beherrscht werden. Wer sollte sie uns aufdrängen, da wir sie geistig durchdringen? Ein erkennendes Wesen kann nicht unfrei sein.“ - Dies schrieb er der Dichterin M. E. delle Grazie schon 1886 in einem Sendschreiben über Die Natur und unsere Ideale. (GA-30, S. 236 ff) Erkenntnis, so Steiner in diesem Sendschreiben, wird von den Menschen aktiv erwirkt. Was er so erkennend erwirkt, das kann niemals das Resultat einer blinden und bewußtlosen Naturnotwendigkeit sein. Steiner macht die Freiheit des Menschen schon in dieser Zeit grundsätzlich an der Tatsache des aktiven menschlichen Erkennens fest. Was auch in der Philosophie der Freiheit bis in ihre Zweitauflage von 1918 so bleiben wird. Mit all dem im Hintergrund können Sie schließlich auch nachvollziehen, was Steiner annähernd zeitgleich (1886) im Kapitel 14 der Grundlinien … mit Blick auf Kant und auf das Prinzip von Ursache und Wirkung darlegte. Und begreiflich finden können Sie damit auch, welche Bedeutung wiederum die unmittelbar erlebte Aktivität und Produktivität des menschlichen Denkens und Erkennens «als empirische Verursachungs-Tatsache» zur Lösung dieses Problems von Hume und Kant beizusteuern hat. - Nur als empirische Tatsache eines Verursachungszusammenhangs. - Bzw. eines «erlebten und durchschauten Zusammenhangs von Wirkendem und Bewirktem» im Denken und Erkennen. Sowie des Weltgeschehens, wie es 1897 auch in Goethes Weltanschauung (hier S. 69 f) hieß. Denn das menschliche Denken und Erkennen wird von Steiner stets auch als «Weltgeschehen» betrachtet. Verständlich auch, warum daraus wiederum bei Steiner schon drei Jahre zuvor (1894) in der Philosophie der Freiheit (im vierten Kapitel, S. 42; und 1918 im dritten Kapitel hier S. 29) die «allerwichtigste Beobachtung geworden war, die der Mensch machen kann». Schließlich und endlich kann Ihnen daran auch deutlich werden, warum Steiner in seinem Vortrag vom 25. Mai 1921 in GA 255b, S. 298 rückblickend darauf hinweist, dass es ihm vor allen Dingen in den Frühschriften darauf angekommen sei, zunächst das «naturwissenschaftlich Sichere» zu finden. Wobei es letztlich also um die Frage geht, ob es überhaupt eine sichere empirische Erklärung der Welterscheinungen gibt oder aber nicht. Denn diese Perspektive hatte sich unter dem Einfluß von Hume und Kant buchstäblich in Nebel ausgelöst. Begreiflich ist es demzufolge auch, wenn Johannes Volkelt in seiner Schrift Gewißheit und Wahrheit von 1918, S. 141 f von den inneren Erlebnissen des Denkens schreibt: „Hier wird an gewissen Stellen meines Bewußtseinsverlaufes Abhängigkeit in der Tat unmittelbar erlebt. Ich fühle mich als tätig, als freitätig, als schöpferisch. Ich weiß mich als Akte hervorbringend, als meinen Bewußtseinsverlauf leitend, als mein Wollen bestimmend, als meine Gedanken ordnend. [...] Und zweifellos sind diese Erlebnisse für die Ausgestaltung der Psychologie, der Ethik, der Metaphysik nicht nur wichtig, sondern geradezu entscheidend.“ Mit dieser Problemstellung also war der empirisch / psychologische, aristotelische Erkenntniswissenschaftler und naturwissenschaftliche Platonist Steiner keineswegs damals allein. Sondern in einen enormen Strom von seinerzeit auch sehr namhaften Forschern wie etwa Dilthey oder Volkelt eingebunden, die sich allesamt auf diesen Sachgebieten und mit dieser Aufgabe im Hintergrund trafen. Und bemühte sich mit all den anderen zusammen um die entsprechenden empirischen Lösungswege des fundamentalen «Welterklärungs-Problems» von Hume und Kant. Für den Fall, dass diese empirischen Verhältnisse um die Kausalität nicht geklärt werden, ist es in einer naturwissenschaftlich geprägten Zeit nämlich auch um den Universalienrealismus schlecht bestellt. Und erst recht um eine Philosophie der Freiheit. Das beste Beispiel dafür war der Idealist Eduard von Hartmann, der bei aller Neigung zum Idealismus, zur Naturwissenschaft und zum Universalienrealismus, der festen Überzeugung war, dass es Freiheit des Handelns schlechterdings nicht gäbe, sondern allenfalls als illusionäre Vorstellung. Wovon bereits im ersten Kapitel der Philosophie der Freiheit die Rede ist. Daß ferner, so Hartmann, (innere) Wirksamkeiten respektive deren Zusammenhang mit dem Bewirkten sich schlechterdings der unmittelbaren Erfahrung entzögen. - Idealismus und Universalienrealismus für sich allein genommen garantieren eben in der Gegenwart keine Freiheit des Menschen, sondern es bleibt bei ungeklärter Sachlage immer noch die Denkmöglichkeit Hartmanns bestehen, dass der Mensch einer Freiheitsillusion anhänge wie der fallende Stein, welcher glaubt, das Fallen basiere auf seinem eigenen Entschluß. Sie können mit dem Universalienrealismus / Idealismus für sich genommen und im Hintergrund also auch im Determinismus des Denkens und Handelns enden. Quasi in geistiger Zwangsherrschaft mit dauerhaft angeschlossenem Täuschungs-Festival, wo Sie, wie bei Hartmann, nicht einmal wissen, was in Ihrem Denken, Urteilen und in Ihren Motivationsprozessen überhaupt vorgeht. So werden wir es weiter unten im Kapitel 42. auch noch vom Nihilisten Nietzsche präsentiert bekommen. Dasselbe aber auch vom Idealisten Eduard von Hartmann. Besonders markant noch 1901, S. 30 vorgebracht. Und annähernd zwei Jahrzehnte zuvor folgendes, hier in Eduard von Hartmann, Phänomenologie des sittlichen Bewußtseins, 1879, S. 475 f. Wo es heißt: „Als den eigentlichen Grund für die Unmöglichkeit, die Frage, ob der Wille determinirt sei oder nicht, durch das unmittelbare Zeugniss des Bewusstseins zu entscheiden, haben wir also die Unbewusstheit des Motivationsprocesses erkannt (vgl. Ph. d. Unb. I S. 226-228). Diese Unbewusstheit der Vorgänge, aus denen das Wollen hervorgeht, muss nun aber auch als das wichtigste Hilfsmittel für das Zustandekommen der Selbsttäuschung der indeterministischen Freiheit anerkannt werden. Das Gefühl der Selbstthätigkeit heim Handeln ist überall ebenso instinctiv gegeben, wie das Selbstgefühl des Individuums überhaupt; das Wollen, der innere Repräsentant der That, erscheint zweifellos als ein selbstgesetztes. Auf der andern Seite fehlt jedes Bewusstsein über die Art und Weise der Setzung des Wollens, und das eigentlich Setzende, der Charakter, bleibt noch weit mehr als der Motivationsprocess für die innere Selbstwahrnehmung auf ewig in die Nacht des Unbewussten versenkt. Was Wunder, wenn da das Selbstgefühl zu dem voreiligen Fehlschuss gelangt, dass das selbstgesetzte Wollen, dessen ursächliche Genesis sich dem Bewusstsein entzieht, ein unmittelbar gesetztes, d. h. ohne solche causale Vermittelung gesetztes oder freies sei! Dies scheint mir die letzte und tiefste Wurzel des indeterministischen Vorurtheils zu sein, [...] und alle sonstigen Verwechselungen mit anderen Formen der Freiheit so wie die angeführten Willensinteressen an dieser Selbsttäuschung können im Vergleich zu jener als secundäre Momente gelten. Hier liegt jener Grund der Freiheitsillusion, der ebenso für den fallenden Stein gelten würde, wenn er Bewusstsein hätte, wie für den wollenden Menschen." Kurz referriert von Steiner auch im ersten Kapitel der Philosophie der Freiheit, hier S. 10 f. 39. Analogie zwischen Schuldschein-Idealismus und Schuldschein-Materialismus Auch der damals vielgelesene und einflußreiche Eduard von Hartmann beruft sich hier auf eine «unbekannte causale / ursächliche Genesis», die er bei aller kompletten Unbekanntheit weil «Unbewusstheit» dennoch als «gegeben» voraussetzt, ohne sie erklärtermaßen aber jemals empirisch nachweisen zu können. Daß es der «Charakter» ist, auf den es bei Entscheidungsprozessen ankommt, weil er angeblich das «Setzende» sei, das kann er natürlich auch alles nicht wissen, da er das samt und und sonders seiner eigenen philosophischen Einstellung zufolge empirisch nicht belegen kann. Eine empirisch also vollkommen leere Argumentation in Richtung menschlicher Unfreiheit und Wirkursachen. Mit diesem leeren Einwand wiederum wird ein angeblich «instinktiv gegebenes» Freiheitsgefühl bzw. das «zweifellos als selbstgesetztes erscheinende Wollen» einfach so vom Tisch gefegt, ohne für seine Negation auch nur einen einzigen stichhaltigen erfahrungswissenschaftlichen Beleg zu haben. Das ist eine sehr denkwürdige, und nicht nur aus heutiger Sicht verwegene Argumentationsweise bei Eduard von Hartmann: Etwas, was erfahrungsseitig immerhin zugestandenermaßen erlebt wird, - nämlich das «Empfinden eines freien Handelns, und ein selbstgesetzt erscheinendes Wollen», - argumentativ gegen etwas auszuwechseln, - durch eine kausale Genesis, - wofür es selbst aus Hartmanns eigener Sicht niemals den geringsten empirischen Beleg geben kann. Die also als «kausale Ursache» noch nicht einmal «erscheint» wie das «selbstgesetzte Wollen», sondern laut Hartmann definitiv nicht erfahrungswissenschaftlich nachweisbar ist. Während das erstere als «selbstgesetztes Wollen» doch immerhin einen empirischen Erscheinungsstatus hat, der gegebenenfalls noch weiter zu klären wäre. Etwa dahingehend, wo und wie eigentlich die Entscheidungs- und Motivationsprozesse des selbstgesetzten Wollens stattfinden. Was ja eine Schlüsselarbeit in Steiners Philosophie der Freiheit darstellt. Nämlich danach zu fragen und empirisch zu klären, wo die Handlungsmotive im einzelnen herstammen, die wir unseren Handlungen zugrunde legen. Und vor allem danach zu fragen wie sie zustande kommen. Es ist eine der Kernfragen der Philosophie der Freiheit gleich in ihrem ersten Kapitel, die das ganze Kapitel programmatisch und problematisierend durchzieht. Und dann am Ende des Kapitels (hier S. 14 f) auf die Frage nach dem «Ursprung des Denkens» führt: „Daß eine Handlung nicht frei sein kann, von der der Täter nicht weiß, warum er sie vollbringt, ist ganz selbstverständlich. Wie verhält es sich aber mit einer solchen, von deren Gründen gewußt wird? Das führt uns auf die Frage: welches ist der Ursprung und die Bedeutung des Denkens? Denn ohne die Erkenntnis der denkenden Betätigung der Seele ist ein Begriff des Wissens von etwas, also auch von einer Handlung nicht möglich. Wenn wir erkennen, was Denken im allgemeinen bedeutet, dann wird es auch leicht sein, klar darüber zu werden, was für eine Rolle das Denken beim menschlichen Handeln spielt. ... Wir mögen die Sache anfassen wie wir wollen: immer klarer muß es werden, daß die Frage nach dem Wesen des menschlichen Handelns die andere voraussetzt nach dem Ursprunge des Denkens. Ich wende mich daher zunächst dieser Frage zu.“ - Bei Steiner geht es freiheitsphilosophisch primär erst einmal darum, zu klären, welche Rolle das Denken bei unseren Handlungen spielt. Denn wenn ich nicht weiß warum ich handle, und zwischen unbewussten und bewussten Handlungsmotiven nicht unterscheiden kann, dann kann ich auch nicht beurteilen, ob diese Handlung frei ist oder nicht. Dazu aber muß man den Vorgang der denkenden Motivbildung untersuchen. Das ist forschungskonzeptionell relativ einfach zu verstehen, weil auf der Hand liegend. Wohingegen beim Idealisten Eduard von Hartmann schon der ganze Motivationsprozeß dauerhaft unsichtbar bleiben muß, wie er in seiner Phänomenologie des sittlichen Bewußtseins (S. 475 f) schrieb. Wonach ich gar nicht wissen kann, wie ich zu meinen Handlungsentschlüssen komme. Woran man sieht: Der Mann hatte seinerzeit ein riesiges Problem mit der Erkenntnis des eigenen Denkens und entsprechend mit der Erkenntnis der Motivbildung. So dass er nicht einmal wußte, wie seine eigenen, als Handlungsmotive wirkenden Denk-Entschlüsse zustande kamen. Solches für gänzlich unmöglich hielt, und jede Motivbildung dauerhaft ins Unbewußte verlagerte. - Mit der weiteren Folge, dass bei Hartmann das auf der Erfahrungsebene immerhin nachweislich auch für ihn Vorhandene «selbstgesetzt scheinende Wollen» ganz unbekümmert durch eine «niemals nachweisbare Ursache» ersetzt wird, die «auf ewig in der Nacht des Unbewußten verborgen bleibt». Letzteres, die empirische Unnachweisbarkeit von Kausalität / Ursächlichkeit im Denken und Handeln, war sogar ein Standardargument bei von Hartmann bis in das frühe 20. Jahrhundert hinein. Denn mit Blick auf die empirische Erfahrung, so betont Hartmann ausdrücklich noch 1901, „Moderne Psychologie, Leipzig 1901 auf S. 30: "Ursächlicher Zusammenhang zwischen je zwei Bewusstseinsinhalten ist niemals unmittelbar gegeben, sondern, so weit er besteht, allemal durch nicht bewusste (sei es materielle, sei es unbewusstpsychische) Zwischenglieder vermittelt. Die unmittelbaren Ursachen des jeweilig gegebenen Bewusstseinsinhaltes liegen jenseits des Bewusstseins, und ebenso die Gesetze, nach denen diese ausserbewussten Ursachen wirken. Jeder Versuch, den Bewusstseinsinhalt und seine Veränderungen nach Ursachen und Gesetzen zu erklären, muss auf das ausserbewusste Gebiet übergreifen, das der unmittelbaren Erfahrung verschlossen ist und nur hypothetisch erschlossen werden kann." - Siehe ausführlicher in dieser Frage zu Steiner und Hartmann auch hier, S. 88 ff. Wenn man das ins Konkrete der Erkenntniswissenschaft wendet, dann bedeutet das so viel wie: Auch zwischen dem Erkenntniswillen bzw. dem Erkenntnisentschluß, der Erkenntnisaktivität und dem Erkenntnis-Resultat gibt es keinerlei wahrnehmbaren ursächlichen Zusammenhang. Weil ich erstens nicht weiß, wie mein Erkenntnismotiv zustande kommt. Und ich zweitens nicht weiss, wie mein Erkenntnisprozess konkret im inneren verläuft. Und ich daher drittens auch nicht weiss, wie mein Erkenntnisresultat überhaupt zustande kam. Weil, - wie Hartmann das ganz generalisierend in diesem Kapitel von 1901 beurteilte: - Zwischen der Bewußtseinstatsache «A» und der Bewußtseinstatsache «B» grundsätzlich kein erfahrbarer ursächlicher Zusammenhang existiert. Da ist auch jede sichere ursächliche Verbindung vom Erkennenden über den Erkenntnisprozess hin zum Ergebnis seiner inneren Erkenntnishandlung ganz und gar ausgeschlossen. Die Menschen leben demzufolge laut Hartmann in einer merkwürdigen Traumwelt, in der sie weder sicher wissen können, was geschieht, noch gar warum etwas geschieht. Nicht einmal in und von ihrem eigenen Erkenntnisprozess wissen sie das laut Hartmann. Das war übrigens auch der Standpunkt Johannes Volkelts noch in seiner Frühschrift Erfahrung und Denken von 1886, Kap 3, S. 83 - S. 103, die er allerdings in seinem Spätwerk von 1918, Gewißheit und Wahrheit, dann aufgegeben hat, wie der Leser auf den dortigen Seiten 140 ff nachlesen kann. Der Kontrast zwischen Volkelts diesbezüglicher Auffassung von 1886 und der von 1918 ist angesichts der Problemstellung und ihrer Lösung wirklich gewaltig. Während Steiner, der sich unübersehbar an Volkelts Konzept der «reinen Erfahrung» anlehnte, und Volkelts diesbezügliche Bedeutung für ihn in Wahrheit und Wissenschaft in der Einleitung (hier S. 7) eigens hervorgehoben hat, nun, Steiner folgte ihm in der Negation des erlebten Ursachenzusammenhangs beim Denken und Erkennen schon 1886 nicht und später auch nicht. Sondern es war genau umgekehrt: Volkelt glich sich mit drei Jahrzehnten Verzögerung darin der Überzeugung Steiners an. Bei aller Wertschätzung und Bevorzugung von Volkelts «reiner Erfahrung» des Denkens bereits in den Grundlinien und in Wahrheit und Wissenschaft: Es existiert bei Steiner stets und im Gegensatz zum frühen Volkelt beim Denken und Erkennen der erlebte ursächliche Zusammenhang von «Wirkendem und Bewirktem» - der zwischen erlebter aktiver innerer Denktätigkeit und ihrem Resultat. Gerade auch in der «reinen Denkerfahrung» der Grundschrift von 1886. Beginnend dort etwa mit Kapitel 8, Das Denken als höhere Erfahrung innerhalb der Erfahrung. Desgleichen in allen nachfolgenden Frühschriften. Ganz im Gegensatz zu Volkelt seinerzeit. Das zu wissen ist für das Verständnis der fundierenden Frühwerke Steiners elementar wichtig. Bei Steiner ist der erlebte Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem beim Denken und Erkennen von geradezu archetypischer Relevanz in seinen sämtlichen begründenden Frühschriften. Während Volkelt und Hartmann in dieser Frage nach dem Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem im Prinzip seinerzeit noch ganz kantianistisch dachten, und einen erfahrenen Ursachenzusammenhang in den reinen Tatsachen des Bewußtseins verneinten. Ganz «kantianistisch gedacht» von Volkelt und Hartmann, denn auch bei Kant war laut Prolegomena, Vorrede mit ihrem «Humeschen Erweckungserlebnis» der Kausalschluß lediglich ein «metaphysischer Vernunftschluss», und empirisch niemals zu begründen, weil als Verursachungszusammenhang niemals zu erfahren. Somit eine wahrlich hoffnungslose erfahrungswissenschaftliche Ausgangslage zur Klärung des Freiheitsproblems bereits bei Kant & Co. Und dasselbe dann auch bei Eduard von Hartmann. - Freilich nicht nur bei Hartmann und Kant et al. Sondern nebenbei gesagt gilt dieses Kennzeichen der freiheitsphilosophischen Leere und empirischen Aussichtslosigkeit auch für Herbert Witzenmann mit seinem «Erzeugungsproblem» in der Strukturphänomenologie und anderswo. Womit sich Witzenmann infolge seiner verhängnisvollen Fehlinterpretationen von Steiners Begründungsschriften seit 1948 mit seinem Anhang faktisch auf die Seite der freiheitsphilosophisch Auswegslosen um Hume, Kant, Eduard von Hartmann und vergleichbarer Skeptiker / Metaphysiker / Philosophen gestellt hat, «die an die Sache nie herankommen», um mit Steiners Grundlinien Kap. 14 zu sprechen. Was seinen Anhängern indessen aus verständlichen Gründen bis heute nicht klar zu sein scheint, denn Steiners eigen Begründungsschriften interessieren sie seit vielen Jahren kaum noch. Während es letztinstanzlich bei Steiners freiheitsphilosophischen Grundlagen um die empirische Frage geht, ob ich mein eigenes Erkennen auf dem Erfahrungswege erkennen kann. Was in seiner philosophisch / psychologischen Zuspitzung in der erfahrungswissenschaftlichen Erkenntnis des eigenen Denkens gipfelt. Was Steiner entsprechend in der Philosophie der Freiheit im Kapitel III den «archimedischen Hebel der Welterklärung» und die «allerwichtigste Beobachtung nennt, die der Mensch machen kann». Während der Materialist / Physikalist von damals und heute davon überzeugt ist, dass das erkennende Denken durch nichts anderes zu erklären ist als durch äußerliche, materialistische «Spukerscheinungen» der Kausalität im Gehirn und andere paralogische Träumereien. Bleibt erst noch einmal ausdrücklich zu resümieren: Der erlebte «Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem» beim menschlichen Denken und Erkennen, wie Steiner das bereits in den Grundlinien von 1886 (hier, S. 86) ausführte, und für sich als erkenntniswissenschaftliche Überzeugung durchgängig in allen Frühschriften in Anspruch nahm, war bei Eduard von Hartmann ganz und gar ausgeschlossen. Und zwar für alle Zukunft. - Siehe weiter zum Thema auch Hartmanns Moderne Psychologie, S. 23 f. - Jetzt ist es natürlich fatal für einen Empiristen, als naturwissenschaftlich orientierter Idealist, der Hartmann war, sich auf Wirk-Ursachen im menschlichen Seelenleben zu berufen, die niemals in der Erfahrung gegeben sein konnten. Und von den angenommenen ursächlich wirkenden / ideellen Kräften niemals eine empirische Erfahrung haben zu können. Letztlich wie gesagt eine analoge Situation wie bei Kant und Hume. Die Behauptungen und Erwartungen über das seelische Verursachungsverhältnis stützen sich im Falle Hartmanns ebenfalls auf etwas, «was sie sachlich nie erreichen können», um neuerlich mit Steiners Grundlinien, (hier S. 82) zu sprechen. So dass die fundierende Untermauerung dieser seelischen Verursachungs-Sicht Hartmanns aus lauter empirischen Leerstellen und zweifelhaften Versprechungen auf eine eventuell irgendwie akzeptable «Hypothesenbildung» einer höchst ungewissen Zukunft bestand. Darin ist Hartmanns hilflos-leere Erklärungs-Sicht, wenn man sie auf das Denken und Erkennen als konkrete seelisch geistige Vorgänge bezieht, wiederum vergleichbar dem von Popper / Eccles inkriminierten «Schuldschein-Physikalismus» des materialistischen Denkens von heute. (Karl R. Popper, John C. Eccles, Das Ich und sein Gehirn, München, 1982, S. 130 ff; ebd. S. 105 ff.) Laut dem das materialistische Denken sich in lauter behaupteten Glaubens- und Erwartungs-Leerheiten erschöpft. Genauer, (Popper und Eccles S. 130): als «versprechender Materialismus» aus leeren Versprechungen auf die Zukunft bestand. Dahingehend «dass sich eventuell in Zukunft etwas herausstellen könnte», wie es dort (S. 132) von der verwegenen Hoffung dieses «Schuldscheinphysikalismus» berichtet wird. Der zwar über die physikalistisch determinierte Leib-Seele-Geist-Verbindung nichts Sicheres weiß und auch schon früher nichts wußte, aber ungeachtet dessen energisch behauptet, in irgend einer Zukunft eventuell etwas Verbindliches darüber wissen zu können. Und damit anhaltend schon seit langer Zeit auf wissenschaftlichen Bauernfang geht. Analoges galt aber auch für Eduard von Hartmann. Der, diesmal als bekennender Idealist, mit ähnlich nebulosen, und aus seiner eigenen Sicht sogar prinzipiell uneinlösbarem empirischem Argumentationshintergrund, - ähnlich wiederum dem mechanistisch-physiologischen Assoziationspsychologen Theodor Ziehen (1893, S. 170 f), - alles zur Täuschung erklärte, was bereits im täglichen Bewußtsein als «selbst erwirkend» und «selbst erwirkt» erlebt wird. Und damit auch die menschliche Verantwortung speziell für den physiologischen Psychologen Ziehen (Ziehen, 1893, S. 208 f) auf der Strecke bleibt, wie Steiner 1916 noch einmal ausführlicher anhand von Ziehens Leitfaden der physiologische Psychologie erläutert. Als Folge der Tatsache, dass es für den physiologischen Psychologen Ziehen mit seiner naturwissenschaftlichen Überzeugung auch keinen menschlichen Willen gibt, und ebenso wenig ein menschliches «Ich». - Siehe Steiner ausführlicher zu Theodor Ziehen in GA-166, Notwendigkeit und Freiheit im Weltgeschehen und im menschlichen Handeln, S. 116 - 132, Vortrag Berlin, 08. Februar 1916. [Anmerkung dazu MM: In der GA-166 ist auf den Seiten 116-132 nicht recht deutlich, auf welche Ausgabe von Ziehens Leitfaden der physiologischen Psychologie Steiner sich dort bezieht. Das wird auch in den Hinweisen der Herausgeber auf S. 118 nicht viel deutlicher. Es ist deswegen zu ergänzen, dass die von Steiner 1916 erläuterte Sichtweise Ziehens sich durch sämtliche Auflagen dieser Schrift hinzieht. Angefangen mit der von 1893 auf die Steiner bereits in der Erstausgabe der Philosophie der Freiheit im Kapitel IV, S. 32 verweist. Die letzte mir greifbare Auflage Ziehens von 1920 enthält die entsprechenden und in Teilen fast wortgleichen Passagen auf S. 534 ff.] Es ist gelinde gesagt, - speziell im Fall Hartmanns, aber ebenso geltend auch für den Kantianer und physiologischen Assoziationspsychologen Theodor Ziehen, - natürlich philosophische / naturwissenschaftliche und psychologische Rosstäuscherei. In dieser Richtung hätten es auch Popper / Eccles eingeordnet. So, wie sie auch die leeren Versprechungen des Schuldschein-Materialismus einordneten, der keine Beweise vorlegen kann, sondern lediglich auf seine vielleicht «möglichen» Belege einer ungewissen Zukunft setzt. Vollkommen außer Acht lassend, dass dies ja auch für die Gegenseite gilt. (Vergleichbares läßt sich auch vom Maschinen-Scientismus heutiger Transhumanisten sagen, die mit ähnlich großen Zukunfts-Verheißungen und begründungsseitig mit vollkommen leeren Taschen aufwarten.) Zwischen Hartmanns hypothetischer Verursachungsüberzeugung und ihrer empiristischen Plausibilisierung gibt es definitiv keine akzeptable Verbindung. Was laut Popper / Eccles auch für den «versprechenden Schuldscheinmaterialismus» gilt, der ungedeckte Wechsel auf die Zukunft ausstellt. Es ist vor diesem Hintergrund auch kein Zufall, daß Popper in seinen jungen Jahren ein psychologischer Schüler von Karl Bühler war, wie er S. 141 ausführt. Und von daher wußte, dass es eine beachtliche introspektive Psychologie gab, die auch „überprüfbare objektive Ergebnisse erzielt“, wie er berichtet. Im einzelnen nennt er die Würzburger Schule, Karl Bühler (fortlaufend hier und hier), Otto Selz und und andere Vertreter. An dieser Stelle berührt sich Popper sachlich wiederum mit Johannes Volkelt, der diese Art introspektiver Literatur seinerzeit nicht nur ebenfalls sehr aufmerksam studiert hatte, wie etwa die Würzburger Schule und Richard Hönigswald (siehe hier S. 484 f [August Messer] / [Richard Hönigswald]), sondern der an der Entwicklung und akademischen Etablierung dieser introspektiven Psychologie sogar aktiv beteiligt war. Wie Sie etwa dem Buch von Narziß Ach, Über die Willenstätigkeit und das Denken, Göttingen 1905 entnehmen können. Jedenfalls ist es nicht weiter erstaunlich, wenn Johannes Volkelt, der in seiner Frühzeit aus mancherlei Gründen wie auch Steiner sehr viel Sympathie für Hartmann zeigte, und sich in der Schrift, Das Unbewußte und der Pessimismus, 1873 ausführlicher mit ihm beschäftigte. Ihm aber dort bereits S. 88 f einen «unheilbaren Bruch» zwischen Bewußtem und Unbewußtem attestierte. Sich über kurz oder lang dann mehr oder weniger von ihm abwandte, nachdem er sich 1886 in Erfahrung und Denken doch über weite Strecken zumal in der Frage einer «unerfahrbaren Kausalität» an ihm orientiert hatte. Ihm 1918, S. 141 dann in der für Hartmann und Volkelt geradezu entscheidenden Frage zum «erfahrenen Verursachungszusammenhang», eine kurze kritische, aber unmissverständliche Fußnote widmete. Es war dies jene Frage nach dem erlebten Verursachungszusammenhang, die Volkelt 1886, S. 100 ff noch ganz im Sinne Hartmanns und exakt gegenteilig beantwortete als 1918. Wobei sich Volkelt im vorliegenden Fall (1918) namentlich auf Hartmanns Kategorienlehre von 1896 (dort S. 374, 377 und 396) bezog. Während Hartmann diese seine Position zur Kausalitätsfrage (hier S. 30 f) auch über die Jahrhundertwende hinaus beibehielt. - Siehe dazu gewissermaßen historisch und ergänzend einen etwas allgemeineren Überblicksartikel von Dr. H. Meyer, Kausalität und Identität, im Philosophischen Jahrbuch von 1907, S. 409 ff, zur Frage, Kausalität und Identität in der zeitgenössischen Philosophie. 40. „Man kann nicht zu etwas kommen, was das Denken bewirkt, wenn man den Bereich des Denkens verläßt.“ Und damit wird es jetzt noch etwas spezieller: Insofern das weg-Erklären von empirischen Tatsachen des Denkens und Erkennens in diesem Fall gleichermaßen für den Idealismus Hartmanns, wie aber auch für jeglichen materialistischen, und ebenso für jeden erfahrungsfernen rationalistischen Erklärungsansatz gilt. Die alle von außerhalb mit Erklärungsgründen und Ursachenerklärungen an eine ganz entscheidende Sache, nämlich das faktische menschliche Denken und Erkennen herangehen, das sie nie in seiner Eigenheit näher untersucht haben. Sondern wo stattdessen im Fall des Physikalismus auch noch das eigene Erkenntnisvermögen mechanistisch weg-, und damit zu einer reinen Luftnummer verwandelt wird, wie wir nicht nur im vorangehenden Kap. 39 von Popper (Popper / Eccles, S. 105 ff) hören konnten. Denn es ist nicht möglich, mit rationalen Gründen das Erkenntnisvermögen konsistent zum Blendwerk der Hirnphysik zu degradieren ohne die eigene materialistische Argumentation bezüglich dieser Hirnphysik dabei zwangsläufig gleich mit zu degradieren und zu versenken. Damit wird die zugrundegelegte Hirnphysik wohl oder übel auch nur zur Ausgeburt von hirnphysiologischen Täuschungen. Ich muß meine materialistische / physikalistische Erkenntnistheorie also nur auf sich selbst anwenden, - dann löst sie sich vollständig in Luft auf. Der erkenntniswissenschaftliche Materialist stützt sich auf etwas, was er selbst für Blendwerk halten muss, wenn er wirklich konsequent wäre. Das ist Poppers logische Überzeugung dazu, die, wie er sagt, auch schon eine lange währende Tradition bis in die Griechenzeit hat. Bei Steiner wiederum lesen wir bereits in Wahrheit und Wissenschaft Kap. V (hier S. 41) und im Rückgriff auf Gideon Spicker: „Beim Denken hört alles Beweisen auf. Denn der Beweis setzt bereits das Denken voraus. Man kann wohl ein einzelnes Faktum, nicht aber das Beweisen selbst beweisen. Wir können nur beschreiben, was ein Beweis ist.“ - Deswegen sind bei Steiner im Kapitel IV (hier S. 37) von Wahrheit und Wissenschaft auch keine Schlussfolgerungen erlaubt, um das Hervorbringen des Denkens «mittelbar» von ausserhalb zu «erklären», sondern: „Wir müssen uns vollständig klar darüber sein, daß wir dieses Hervorbringen in aller Unmittelbarkeit wieder gegeben haben müssen. Es dürfen nicht etwa Schlußfolgerungen nötig sein, um dasselbe zu erkennen.“ (Wenn Sie sich einmal Witzenmanns Strukturphänomenologie darauf hin ansehen, dann existieren auch in seiner dortigen Schichtologie wie beim Materialismus oder Psychologismus nur noch «mittelbare», auf Schlußfolgerungen gestützte Erklärunges des Denkens von «ausserhalb des Denkens» – siehe dazu nachfolgend das Kapitel 41.) Der «Beschreibung» des Denkens via Beobachtung sind allerdings in der Tiefe keine Grenzen gesetzt, so lange sie nicht daran geht, wie der Materialismus Kausalerklärungen des Denkens von ausserhalb des Denkens vorzulegen. Denn so eine paralogische Argumentationsweise wie beim Materialismus hebt sich selbst auf. Was auch der eigentliche Kern jedes substantiell begründeten «Antipsychologismus» ist, der in gleicher Weise für den logischen Physikalismus wie für den logischen Biologismus, Evolutionismus oder Analoges gilt. Die also in ihrer Gesamtheit nichts anderes als besondere Varianten der Versuche sind, das erkennende Denken von ausserhalb zu erklären. Wovon der «Psychologismus» im engeren Sinne nur einer von diesen verfehlten Erklärungsansätzen ist. Und der derzeit machtvolle «Physikalismus» / «Materialismus» ein anderer. Und wieder ein anderer einflussreicher der erfahrungsferne «Rationalismus». Sie sind, um es vielleicht mit der Philosophie der Freiheit Kap. III zu fassen: Allesamt Varianten der abwegigen Bemühungen um eine ursächliche Erklärung des erkennenden Denkens von außerhalb des Denkens. Denn der Paralogismus gilt für alle derartigen Erklärungsversuche. So dass der berechtigte «Antipsychologismus» «-physikalismus», «-biologismus», «-rationalismus» etc in dieser Gestalt also mit guten Gründen gegen die psychologische, rationalistische, physikalistische oder biologistische Vereinnahmung und Kausalerklärung des logisch begründeten Erkenntnisvermögens zielt. Man kann indessen das logische Element in jedem Erkennen nicht physikalisch, psychologisch, biologisch oder sprechakttheoretisch ursächlich erklären, ohne die ganze Argumentation selbst aufzuheben. Denn diese lebt ganz und gar vom logischen Element, das bei jeder Erkenntnis immer schon vorausgesetzt wird. Und auf der anderen Seite lebt sie nicht minder vom Erfahrungselement. Denn was nicht in der Erfahrung vorliegt, das kann auch nicht beschrieben, sondern nur hypothetisch / metaphysisch / künstlich konstruiert werden. Logische / metaphysische Deduktionen (siehe nachfolgend) und erfahrungsleere Behauptungen zwecks Erklärung des menschlichen Denkens reichen deswegen für sich allein genommen zum Verständnis des Denkens und Erkennens ebenfalls nicht aus. Und sind daher letzten Endes ebenso abwegig wie der Physikalismus und ein verfehlter Psychologismus auf der anderen Seite. Und damit auch nichts anderes als Erklärungen des Denkens von ausserhalb des Denkens. Bleibt die Frage, warum es bereits seit Kant und zunehmend im Laufe des ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhunderts zu einer ausgesprochen ablehnenden Haltung gegenüber einer seelischen Beobachtung kam, die unter dem diskreditierenden Ausdruck «Psychologismus» alles aus der Philosophie zu verbannen bestrebt war, was sich mit psychologischen Mitteln einer Erkenntnis des Denkens speziell und der Erkenntniswissenschaft allgemein zuwandte. Und letztendlich nur noch sinnlose Außenerklärungen des Denkens zuließ – denn genau das war das Resultat dieses organisierten «Antipsychologismus», der schließlich sogar einen zerstörerischen Weg und paradoxen Nährboden innerhalb der philosophischen Anhängerschaft Rudolf Steiners fand. Siehe ausführlich zum Thema des Psychologismus allgemein auch Willy Moog, Logik, Psychologie und Psychologismus, Halle / a. S., 1919. Online vollständig zu lesen + downloadfähig. Zur Zeit eine Alternative zu Archive.org, das Stand 25. 10. 24, nach einer Cyberattacke einige Zeit offline war und wohl weiterhin von solchen Angriffen bedroht sein wird. Die Frage ist letztendlich, wo der diskreditierende Begriff «Psychologismus» in der Philosophie und Erkenntnistheorie überhaupt eine Berechtigung hat. Und wie er sich historisch entwickelte. Diese Problemstellung durchzieht die gesamte Untersuchung von Moog. Der sich in einer grossen Zahl subtiler Einzeluntersuchungen den verschiedensten Varianten des «unberechtigten» Psychologismus zuwendet, die etwas Logisches ursächlich / von außerhalb zu erklären suchen, dabei aber die Logik immer schon voraussetzen. Und sich damit selbst ad absurdum führen. Behalten wir dabei aber zunächst im Auge: Wer zwecks Erklärung des Denkens nur logisch / metaphysisch operiert ohne die Erfahrungen des Denkens selbst zu berücksichtigen, der erklärt das Denken ebenfalls nur von ausserhalb. Und führt logisch und metaphysisch die ganze Realität ad absurdum, wie (nicht nur) der Kantianismus besonders in seinen vereinseitigten Strömungen lebhaft demonstriert hat. (Siehe nachfolgend.) Es ist letzteres, der Wirklichkeitsverlust eines nur logisch / metaphysischen Vorgehens, - und das auch bei Hegel und beim deutschen Idealismus, - einer der Gründe, warum Steiner laut Kapitel IV der Philosophie der Freiheit (hier S. 38) im Gegensatz zu Hegel nicht abstrakt vom Begriff ausgeht, sondern empirisch vom erlebten Prozess des Denkens. Siehe Steiner dazu ausführlicher in GA-189, Dornach 1980, im achten Vortrag vom 16. März 1919, S. 153 ff. Analog GA-192, Dornach 1991, im elften Vortrag vom 29. Juni 1919, S. 234 ff. - Die aus dem empirischen Vorgehen Steiners folgende Differenz zu Hegel ist in der Tat, wie man dort hört, gewaltig. Und weit grösser als mancher meint, der sich vor allem an den vordergründig affirmativen Aussagen Steiners zu Hegel orientiert. Es ist auch charakteristisch, daß solche mächtigen Hegeldifferenzen von Steiner vor allem besonders klar und unverhüllt ausgesprochen werden in einem Zusammenhang, der sich um die «soziale Dreigliederung» als Gegengewicht zur Entartung des politischen Lebens in Marxismus und Totalitarismus dreht. Wobei letztere, - Totalitarismus und Marxismus, - laut Steiner in der neueren Geistesgeschichte auch beflügelt wurden nicht zuletzt von den irrealen Abstraktionen einer idealistischen Systemphilosophie, die nicht in der Lage war den Weg zum Geist wirklich zu finden und zu beschreiten. Sondern stattdessen in wirklichkeitsfremden Abstraktionen endete. Wo dann zwar vom «Weltgeist» die Rede ist, aber der Geist gar nicht vorkommt. Eine Folge davon war laut Steiner, daß auch das gesellschaftliche Leben von den Abstraktionen der Idealisten nicht wirklichkeitsgemäß erfasst wurde, sondern stattdessen in den Totalitarismus einmündete. So etwa Fichtes «Geschlossener Handelsstaat», den Steiner in GA-189, S. 97 mit dem Leninschen Bolschewismus parallelisiert: „Sehen Sie,“ so trägt er 1919 am 2. März in Dornach vor, „wenn man heute fragt: wer sind denn eigentlich Bolschewisten? - da wird man mit verschiedenen Namen antworten. Nicht wahr, sich überall darbietende Namen sind Lenin, Trotzki. Aber ich will Ihnen einen dritten Bolschewisten nennen, bei dessen Nennung Sie vielleicht ein wenig erstaunt sein werden, der aber doch, ich kann es nicht anders sagen, von einem Gesichtspunkte aus ein echter Bolschewik ist; das ist Johann Gottlieb Fichte. Ich habe Ihnen öfter von Johann Gottlieb Fichte gesprochen, Ihnen auch schon hier versucht, die Lebensgeschichte Johann Gottlieb Fichtes etwas tiefer darzustellen. Wir haben auch einiges von den Hauptgedanken Johann Gottlieb Fichtes uns vor die Seele geführt. Es wird nicht zu leugnen sein, dass Johann Gottlieb Fichte einer der energischsten Denker der neueren Zeit war. Es wird auch nicht zu leugnen sein, daß er ein Idealist im echtesten Sinne des Wortes war. Aber Johann Gottlieb Fichte hat seine sozialistische Anschauung auch ausgesprochen in einer kleinen kompendiösen Schrift, in seinem «Geschlossenen Handelsstaat». Inhaltlich genommen, wenn man darauf sieht, wie sich das in der Wirklichkeit gestalten würde, was Fichte da als eine Art Idealbild sozialer Zustände darstellt, kann man nur sagen: verwirklicht würde dieses soziale Ideal, das Fichte in seinem kompendiösen kleinen Büchelchen «Der geschlossene Handelsstaat» darstellt, verwirklicht würde es sich ausnehmen als Bolschewismus.“ - (Siehe dazu J. G. Fichte, Der geschlossene Handelsstaat. Ein philosophischer Entwurf als Anhang zur Rechtslehre und Probe einer künftig zu liefernden Politik. Leipzig 1800.) - Nun, das mutet krass an. Ist aber nicht untypisch für einen abstrakten Idealismus. Wer da also glaubt, dieser führe direkt zur geistigen und sonstigen menschlichen Freiheit, der irrt gar sehr. Solche Möglichkeiten liegen aber auch bei anderen idealistischen Zeitgenossen vor. Und als ausgewachsene Freiheitsfeindlichkeit haben wir das bereits im Kapitel 38 an Eduard von Hartmanns verbissenem Kampf gegen die menschliche Freiheit gesehen. Der als Idealist dem Menschen eine angebliche «Freiheitsillusion wie beim fallenden Stein» attestierte, «der glaubt das Fallen basiere auf eigenem Entschluss». Wo so ein abstrakter und freiheitsfeindseliger Idealismus dann auch politisch und gesellschaftlich endet, das ist nicht schwer zu erraten. Bei Steiners sozialer Dreigliederung, einem freiem Geistesleben und moralischen Intuitionen ganz sicher nicht. Sondern wie bei Hegel beim monarchischen Preußenstaat mit Zensur und Denkvorschriften oder weit, weit Üblerem (GA-192, S. 236 f): „Derjenige, der heute ein Hegelianer wäre, der den Hegelianismus unter die Menschheit bringen wollte in dieser oder jener Gestalt, der würde verdorrend wirken auf den Fortschritt unserer Kultur. Wer aber die Art der feinen Gedankenbildung Hegels zu seinem innersten Seeleneigentum macht und von da aus den Schritt tut, den Hegel nicht machen konnte: in den Geist hinein, der tut das Richtige, der tut, was im Sinne des Menschheitsfortschritts liegt. Sehen Sie, das ist unsere schwierige Stellung innerhalb der Welt, daß wir am wenigsten zum Beispiel Goetheaner sind, wenn wir Goethe nachbeten, daß wir am meisten Goetheaner sind, wenn wir uns dazu aufschwingen können, zu sagen: Wir müssen alles anders machen, als Goethe es gemacht hat, wenn wir gerade in Goethes Sinn wirken wollen; wir müssen alles anders machen, als Hegel es gemacht und gesagt hat, wenn wir am besten in Hegels Sinn wirken wollen. Die Geschichte macht es uns schon in einer gewissen Weise vor. Für Hegel war der Preußenstaat die allervernünftigste Einrichtung in der Welt, weil der Vernunft in allen Dingen sucht. «Das Wirkliche ist das Vernünftige.» Daher war der Staat, in den er selber als Person eingemündet hat, das Allervernünftigste. Alle Universitäten waren für ihn gut, die mitteleuropäischen Universitäten die Mittelpunkte der Welt, und die Berliner Universität der Mittelpunkt des Mittelpunktes. Das sind durchaus Dinge, die in einer geheimnisvollen Weise mit denjenigen Kräften in der Menschheitsentwickelung zusammenhängen, die ich oftmals so gezeichnet habe, daß man sich ihnen nicht hingeben kann, wenn man bequem seelisch leben will, weil einen diese Kräfte innerlich vor allerlei Klippen und Abgründe führen, vor Übergänge und innere Umwälzungen. Das verkennen diejenigen, die heute am falschen Goetheanismus und Hegelianismus die richtigen messen. Und solche Leute sind heute wahrlich nicht in geringer Anzahl vorhanden. Und man muß sich bewußt werden, wie diese Menschen den wirklichen Menschheitsfortschritt hemmen.“ - So charakterisiert Steiner am 29. Juni 1919 in Stuttgart Hegels politische Vorstellungen, die aus seiner Philosophie entlehnt waren. Und zieht daraus die Konsequenz: «Sie hemmen den Menschheitsfortschritt.» «Lassen den Kulturfortschritt verdorren.» Und: „Wir müssen alles anders machen, als Goethe es gemacht hat, wenn wir gerade in Goethes Sinn wirken wollen; wir müssen alles anders machen, als Hegel es gemacht und gesagt hat, wenn wir am besten in Hegels Sinn wirken wollen.“ Zu Hegels «wirkendem Weltgeist» und seinem innigen Verhältnis zum monarchischen Staat Preußen mit seinen Denkverboten siehe ausführlicher auch Die Rätsel der Philosophie, GA-18, S. 242 ff). Dort referriert Steiner Hegels Philosophie / Staatslehre etwas eingehender folgendermassen: „ … Zu diesen höchsten Erscheinungsformen des Gedankens [siehe vorangehend, in Philosophie, Kunst und Religion, MM] verhalten sich alle anderen menschlichen Lebensäußerungen wie unvollkommene Vorstufen. Aus solchen Vorstufen setzt sich das ganze geschichtliche Leben der Menschheit zusammen. Wer daher den äußeren Hergang der historischen Erscheinungen verfolgt, wird manches finden, das dem reinen Gedanken, der Gegenstand der Vernunft ist, nicht entspricht. Wer aber tiefer blickt, wird sehen, dass in der geschichtlichen Entwickelung doch der vernünftige Gedanke sich verwirklicht. Er verwirklicht sich nur auf eine Art, die in ihrer unmittelbaren Äußerlichkeit ungöttlich erscheint. Man kann daher im ganzen doch sagen: «Alles Wirkliche ist vernünftig.» Und gerade darauf kommt es an, daß sich im Ganzen der Geschichte der Gedanke, der historische Weltgeist verwirkliche. Wo der Mensch handelt, wo er ins tätige Leben eingreift, da ist er ein Glied und kann deshalb auch nur als Glied an der allgemeinen Vernunft teilnehmen. Aus solchen Gedanken fließt auch Hegels Staatslehre. Mit seinem Denken ist der Mensch allein; mit seinen Taten ist er Glied der Gemeinschaft. Die vernünftige Ordnung der Gemeinschaft, der Gedanke, der sie durchdringt, ist der Staat. Die einzelne Individualität als solche ist für Hegel nur insoweit etwas wert, als in ihr die allgemeine Vernunft, der Gedanke erscheint. Denn der Gedanke ist das Wesen der Dinge. Ein Naturprodukt hat es nicht in seiner Macht, den Gedanken in sich in seiner höchsten Form erscheinen zu lassen; der Mensch hat diese Macht. Er wird daher nur seine Bestimmung erreichen, wenn er sich zum Träger des Gedankens macht. Da der Staat der realisierte Gedanke ist, und der einzelne Mensch nur ein Glied innerhalb desselben, so hat der Mensch dem Staate und nicht der Staat dem Menschen zu dienen. «Wenn der Staat mit der bürgerlichen Gesellschaft verwechselt und seine Bestimmung in die Sicherheit und den Schutz des Eigentums und der persönlichen Freiheit gesetzt wird, so ist das Interesse der einzelnen als solcher der letzte Zweck, zu welchem sie vereinigt sind, und es folgt hieraus ebenso, daß es etwas Beliebiges ist, Mitglied des Staates zu sein. Er hat aber ein ganz anderes Verhältnis zum Individuum; indem er objektiver Geist ist, so hat das Individuum selbst nur Objektivität, Wahrheit und Sittlichkeit, als es ein Glied desselben ist. Die Vereinigung als solche ist selbst der wahrhafte Inhalt und Zweck, und die Bestimmung der Individuen ist, ein allgemeines Leben zu führen; ihre weitere besondere Befriedigung, Tätigkeit, Weise des Verhaltens hat dies Substantielle und allgemein Gültige zu seinem Ausgangspunkte und Resultate.» Wie steht es mit der Freiheit innerhalb einer solchen Lebensauffassung? Den Begriff einer Freiheit, welcher der einzelnen menschlichen Persönlichkeit ein unbedingtes Recht zuerkennt, das Ziel und die Bestimmung ihrer Tätigkeit sich selbst zu setzen, läßt Hegel nicht gelten. Denn was sollte es für einen Wert haben, wenn diese einzelne Persönlichkeit ihr Ziel nicht aus der vernünftigen Gedankenwelt nähme, sondern sich nach völliger Willkür entschiede? Das wäre, nach seiner Meinung, gerade die Unfreiheit. Ein solches Individuum entspräche nicht seinem Wesen; es wäre unvollkommen. Ein vollkommenes Individuum kann nur sein Wesen verwirklichen wollen; und das Vermögen, dies zu tun, ist seine Freiheit. Dieses sein Wesen ist aber verkörpert im Staate. Handelt der Mensch im Sinne des Staates, so handelt er demnach frei. «Der Staat, an und für sich, ist das sittliche Ganze, Verwirklichung der Freiheit, und es ist absoluter Zweck der Vernunft, daß die Freiheit wirklich sei. Der Staat ist der Geist, der in der Welt steht und sich in derselben mit Bewußtsein realisiert, während er sich in der Natur nur als das andere seiner, als schlafender Geist verwirklicht . . . Es ist der Gang Gottes in der Welt, daß der Staat ist; sein Grund ist die Gewalt der sich als Wille verwirklichenden Vernunft.» Hegel kommt es nirgends auf die Dinge als solche, sondern stets auf den vernünftigen, gedanklichen Inhalt derselben an. Wie er auf dem Felde der Weltbetrachtung überall die Gedanken suchte, so wollte er auch das Leben vom Gesichtspunkte des Gedankens aus geleitet wissen. Deshalb kämpfte er gegen unbestimmte Staats- und Gesellschaftsideale und warf sich zum Verteidiger des Wirklich-Bestehenden auf. Wer für ein unbestimmtes Ideal in der Zukunft schwärmt, der glaubt, nach Hegels Meinung, daß die allgemeine Vernunft auf ihn gewartet habe, um zu erscheinen. Einem solchen müsse man besonders klarmachen, daß in allem Wirklichen schon Vernunft sei.“ Mit derartigen, abstrakten Ideen über das Verhältnis des Einzelmenschen zum Staat lässt sich ganz idealistisch und im Rückgriff auf den «Weltgeist» jeder staatliche Totalitarismus philosophisch perfekt begründen. Dazu braucht es nicht allzuviel Fantasie. Das endet dann eben nachfolgend auch beim staatlichen Totalitarismus, im Faschismus, im Bolschewismus, in Knechtschaft und in Denkverboten und anderen Dystopien. (Was übrigens bei E. von Hartmann noch zu prüfen wäre, ob und wie weit dem in seiner Gedankenbildung von der menschlichen Unfreiheit ebenfalls so ist.) Wer folglich heute als moderner Zauberlehrling der früheren Idealisten und ihren pragmatischen politischen Kopisten, und zusammen mit Hegel einen abstrakten «Weltgeist first!» herbeibeschwört, der ruft de facto nach einem totalitären Staatswesen. Der muss sich dann auch nicht mehr wundern, wenn man ihm heutzutage in Gestalt einer «Weltregierung» einen globalen Versklavungsfaschismus mit Denkvorschriften, Sozialpunktesystem, mit organisierter Denuntiation, Petzportalen, Wahrheitsministerium und Totalüberwachung einschließlich alljährlicher gentherapeutischer Zwangsinjektionen anliefert. Der ihm dann, mit dem idealistischen Beipackzettel versehen, das sei der «wirkende Weltgeist», schmackhaft gemacht wird. Ganz im Sinne des wirkenden «Weltgeistes», da nämlich «das Wirkliche das Vernünftige sei». Und laut Hegel das Individuum und die individuelle Meinung im Staat nichts gilt, weil das «wider den Weltgeist» ist. - Die Differenz zum ganz gewöhnlichen Despotismus, gleich welcher Coleur, geht damit gegen Null. Idealismus hin oder her: Es endet mit hoher Wahrscheinlichkeit in der Gewaltherrschaft von Orwells 1984. Und wer sich als unwissender anthroposophischer Hegelenthusiast solchen Ideen überläßt und politisch einfordert, der macht sich womöglich aus voller Überzeugung zum Büttel eines dystopischen Regimes. In dem einfältigen Glauben, solche philosophischen Abstraktionen mit ganz konsequenten, aber vollkommen wirklichkeitsfremden und zerstörerischen despotischen Implikationen entsprächen auch Steiners Vorstellungen, weil der regelmäßig auch so anerkennend über Hegel, den Idealismus und den Weltgeist schreibt und spricht. - Dem ist freilich nicht ganz so, wie es manchem vordergründig scheint. Hegels Denken, so schreibt Steiner in Die Rätsel der Philosophie, GA-18, S. 246, galt bei Wohlmeinenden wie Kritikern im frühen 19. Jahrhundert als „Restaurationsphilosophie“. Mit anderen Worten: Als philosophischer Weg zurück in den überwundenen Feudalismus des 17. und 18. Jahrhunderts – in die Zeit vor der französischen Revolution. Wer daher heute immer noch mit Hegel den «Weltgeist first» einfordert, der muss sich zudem ernstlich fragen lassen, ob er nicht von einer analogen «Restauration» träumt. Davon, jetzt auf der globalen Ebene den «Neofeudalismus» als quasi «globale Monarchie» zu errichten. Mit allen Insignien des politisierten Hegelschen «Weltgeistes» versehen, die heutzutage in Form von Totalüberwachung, Reiseverbot, Zwangsimpfung, Wahrheitsministerium, Sozialkreditsystem und 15-Minuten Ghettos so möglich sind. Denn der technische Fortschritt bleibt ja bei Hegels idealer Preußenmonarchie nicht stehen. Von diesen kommenden Bemühungen, in unserer heutigen Zeit den Feudalismus wieder zu errichten, berichtet Steiner auch in seiner Tagebuchnotiz zum Kampf um den russischen Kulturkeim von etwa 1918. Von einer auf Lügen gebauten Restauration berichtet er, zurück in die Zeiten des Feudalismus, die diesmal vorangetrieben wird von den «anglo-amerikanischen Pluto-Autokraten». - Wie dem auch sei: Mit Hegelschen Abstraktionen jedenfalls ist für den Nachweis der realen menschlichen Freiheit nichts gewonnen. Und erst recht nichts für die gesellschaftlich politische Freiheit: „Nun, diese Philosophie Hegels treibt nur auf die höchste Spitze, was auch schon bei Lessing, Herder, namentlich aber bei Goethe lebte. Und das muß insbesondere heute, in der Zeit der Krisis, scharf ins Auge gefaßt werden. Was lebte in diesem deutschen Idealismus? Ja, es lebte zum letztenmal auf, in einer großartigen Weise lebte zum letzten Male auf, was in der Gestalt, wie es dazumal auflebte, in der Menschheit nicht bleiben darf. Der deutsche Idealismus, er muß in einer gewissen Hinsicht betrachtet werden als eine sehr schöne, großartige, gewaltige Abendröte. Und wer sie anders betrachtet denn als eine großartige, gewaltige Abendröte, der betrachtet sie falsch, der betrachtet sie so, daß er sich gegen den Geist des menschlichen Fortschritts versündigt. Das insbesondere wird bei Hegel anschaulich.“ - So viel und einiges mehr sagt Steiner am 29. Juni 1919 in Stuttgart, dazu. (Siehe GA-192, Dornach, 1991, S. 235. Weiteres dazu und zur Philosophie der Freiheit etwa in GA-189, S. 165 ff.) Das hier nur in Parenthese. Dazu Hintergründiges mit Blick auf Steiners Erkenntniswissenschaft später noch im Kapitel 54. Siehe darüber hinaus aus etwas anderer Sicht auch Karl Popper, Die offene Gesellschaft und ihre Feinde, Band II, Falsche Propheten, Hegel, Marx und die Folgen, 8. Auflage, Tübingen 2003. Hier auch online zu lesen. - Ein abstraktes Bekenntnis zum «wirkenden Weltgeist» oder zum Platonismus führt nicht unbedingt zur Anerkennung der menschlichen Freiheit. Weder zur individuellen Freiheit, noch zur gesellschaftlichen. Noch führt es zur Erkenntnis des wirklichen Geistes. Von Steiners Freiheitsphilosophie ist Hegel auch als von Steiner hoch geschätzter Idealist wie andere Idealisten dieser Zeit weit entfernt, wie man solchen Bemerkungen Steiners abliest. Und noch viel abgelegener ist Hegel von Steiners Auffassung einer künftigen Gesellschaft. Desgleichen von der Erkenntnis des wirklichen Geistes, die gar nicht Hegels Thema war, wie Steiner betont. Die Geist-Erkenntnis beginnt bei Steiner bekanntlich und laut Kapitel 18 der Grundlinien mit der Psychologie und bezeichnenderweise nicht mit einer abstrakten Philosophie. Es hat seinen guten Grund, daß Steiner seine Fundamente vor allem legte mit dem Nachweis von der Freiheit des faktischen, erkennenden Denkens, welches wiederum die Basis ist der Freiheit des menschlichen Handelns. Gelegt wurden diese Grundlagen maßgeblich auf dem Wege einer Beobachtung des wirklichen Denkens. Via «seelischer Beobachtung», wie es im Untertitel der Philosophie der Freiheit von 1918 hieß. Seelische Bebachtung am faktischen Denken, um zu klären, «ob dieses Denken und das menschliche Handeln geistig frei sei, oder dem Zwang ein rein naturwissenschaftlichen Notwendigkeit folgt». So die Leitfrage vom ersten Kapitel der Philosophie der Freiheit. Bemerkenswert wiederum an Willy Moog und dessen Schrift Logik, Psychologie und Psychologismus ist für den heutigen Zeitgenossen und vor dem Hintergrund der Philosophie der Freiheit: Moog hat dort auf S. 277 ff keinerlei Einwände gegenüber einer Psychologie des Denkens, etwa der Külpeschule, wo die Geltung des Logischen nicht in paradoxer Weise «psychologistisch» ursächlich und von aussen erklärt wird, wie bei anderen Vertretern dieser Zeit. So schreibt Moog vielmehr ganz affirmativ auf S. 277: „Es darf daher recht wohl eine Psychologie des Denkens und des Erkennens zugelassen werden, und man braucht ihre Ergebnisse nicht als bedeutungslos beiseite zu schieben. Selbst experimentelle Untersuchungen der Denkpsychologie dürfen nicht prinzipiell als unnütz bezeichnet werden (allerdings wird man über den engen Bezirk, wie ihn z. B. die Külpesche Schule bearbeitet, hinauszukommen versuchen müssen). Das psychologisch Gegenständliche am Logischen kann und muß erforscht werden, und es wird dies mit den Methoden der Psychologie geschehen. Dadurch läßt sich das einzelne Logische faktisch gewinnen und feststellen. Nicht das ideale Wesen des Logischen wird dadurch berührt, aber der faktische Bestand von Logischem wird aufgewiesen und bereichert, und gerade das erleichtert dann auch die Abgrenzung des rein Logischen in seiner systematischen Geltung.“ Für die zeitgenössische Auseinandersetzung um den «Psychologismus» ist Moogs Schrift eine ausserordentlich reichhaltige Quelle. Und tendenziell zumindest lässt sich diese Untersuchung als eine Bestätigung von Steiners Auffassung aus der Schrift Von Seelenrätseln (S. 30 ff) auffassen, wo es heisst: „Die Vorstellungen sieht der Anthropologe aus dem menschlichen Organismus entspringen. Indem er dieses beobachtet, muß er in einem gewissen Sinne Halt machen. Einen inneren gesetzmäßigen Zusammenhang des Vorstellens kann er nicht mit der bloßen Anthropologie erfassen. Wie die Anthroposophie am Ende ihres in geistigen Erfahrungen verlaufenden Weges noch hinblickt auf das geistige Wesen des Menschen, insofern dieses durch die Wahrnehmungen der Sinne sich offenbart, so muß die Anthropologie, wenn sie am Ende ihres im Sinnesgebiete verlaufenden Weges ist, hinblicken nach der Art, wie sich der Sinnesmensch vorstellend an den Sinneswahrnehmungen betätigt. Und indem sie dieses beobachtet, findet sie diese Betätigung nicht von den Gesetzen des Leibeslebens, sondern von den Denkgesetzen der Logik getragen. Die Logik aber ist kein Gebiet, das auf dieselbe Art betreten werden kann, wie die anderen Gebiete der Anthropologie. In dem von Logik beherrschten Denken walten Gesetze, die nicht mehr als diejenigen der Leibesorganisation zu kennzeichnen sind. Indem sich der Mensch in ihnen betätigt, offenbart sich in ihm dasselbe Wesen, welches die Anthroposophie am Ende ihres Weges angetroffen hat. Nur sieht der Anthropologe dieses Wesen so, wie es von der Sinnesseite her beleuchtet ist. Er sieht die abgelähmten Vorstellungen und gibt, indem er eine Logik zugesteht, auch das zu, daß in den Vorstellungen Gesetze aus einer Welt walten, die sich mit der sinnlichen wohl zur Einheit zusammenschließt, jedoch mit ihr nicht zusammenfällt.“ - Siehe erweiternd dazu auch Steiner in derselben Schrift im Kapitel Die philosophische Rechtfertigung der Anthroposophie, S. 128 ff seine Ausführungen zum «Wesenhaft-Seelischen». Wer dagegen das logisch bestimmte menschliche Denken durch etwas anderes von außen ursächlich erklärt, wie etwa der Materialismus, oder der Assoziationismus Humes und Lockes oder der «psychische Universalismus» (Moog, etwa S. 4 und S. 48-50 ff), der verfällt einem Paralogismus des Erkennens. Letzteres, die Aufhebung des menschlichen Erkenntnisvermögens, gilt aber auch für den Idealisten Eduard von Hartmann, der seinerseits einen Bund mit der Assoziationspsychologie eingegangen war. (Siehe den Ergänzungsband von 1877, S. 137 ff das Kapitel, Die Abkürzung der Ideenassociation und die Vererbung der Denkformen. Siehe dazu Näheres auch hier, S. 96 - 98.) - Das haben wir auch vom anderen damaligen Vertreter der Assoziationspsychologie – dem physiologischen Psychologen Thedor Ziehen – schon oben im Kapitel 29 zu hören bekommen: Wonach das erkennende menschliche Denken und dessen Handeln eine reine Zwangsveranstaltung ist. «Necessitiert», wie Ziehen das im Jargon seiner Zeit in seinem Leitfaden (hier auf S. 208 f) formulierte. Auch bei Ziehen wird der «Denkzwang» ursächlich von außerhalb des Denkens erklärt, wie auch bei E. von Hartmann bereits. Zur Freiheit des Denkens und Handelns führt auch bei Ziehen kein Weg. Dafür aber direkt in den maschinisierten Bolschewismus und den Sozialismus, wie Steiner in GA-174b, S. 300 ff dazu ausführt. Während Steiner das Logische nicht psychologisch «ursächlich erklärt», sondern in der Schrift Von Seelenrätseln (GA-21, S. 133) anhand der erlebten logischen Denkbetätigung zum Begriff eines «rein Seelischen» kommt. Eines «rein Seelischen», das sich, indem es sich bei der Suche nach Wahrheit an den geistigen Regeln der Logik orientiert, damit auch unabhängig macht vom physisch leiblichen Leben. Denn das Logische kann nichts Leibliches sein. Das Letztere, die Unabhängigkeit vom Leiblichen, geht dann in dieser handgreiflichen Konsequenz sicherlich noch weit über Moogs Untersuchung hinaus, obwohl es dort seiner Möglichkeit nach, und auf der Grundlage seiner Untersuchungen längst mit angelegt sein könnte. Es ist diese Unabhängigkeit des Logischen vom Physischen auch die Grundlage dafür, warum Popper nicht nur den Physikalismus des Erkennens für abstrus hält, sondern konsequenterweise wie auch Steiner an der dogmatischen Gültigkeit des Energieerhaltungssatzes zweifelt. (Das Ich und sein Gehirn, München 1982, S. 640 ff.) Wo für Steiner Vergleichbares gilt, der aber darin (GA-78, Dornach, 1986, S. 141 ff) noch weit über Popper hinausgeht. Popper gab in diesem Zusammenhang neben seinem expliziten Zweifel an der dogmatischen Geltung des Energieerhaltungssatzes auch an anderer Stelle seiner Schrift (Kap. 30; S. 141 f) den allgemeinen Hinweis auf die fruchtbaren denkpsychologischen Untersuchungen der Würzburger Schule, aus deren Umfeld er als Schüler Karl Bühlers kam. Während bei Steiner im Vergleich dazu, in der 1918 erschienenen Zweitauflage der Philosophie der Freiheit (hier S. 102 f) das Ursache-Wirkungsverhältnis zwischen erkennendem Denken und dem Leiblichen, - unter dem Stichwort: «Zurückdrängung der leiblichen und seelischen Organisation durch die Wesenheit des Denkens», - sehr konkret und ebenso konsequent behandelt wurde. Wenn auch bei weitem nicht so detailreich, wie es etwa in den Untersuchungen Bühlers zuging. Der seinerseits im Rahmen seiner psychologischen Studien allerdings das Kausalitätsproblem und die von Steiner skizzierten sehr speziellen Wirkungsverhältnisse nicht eigens und schwerpunktmässig behandelte, obwohl das prinzipiell im Rahmen solcher empirischen Studien natürlich möglich ist. Wohingegen bei Steiner, wenn auch kurz, so doch konsistent und eindeutig, mit Blick auf besagtes Ursache-Wirkungsverhältnis die Beziehungen zwischen dem erkennenden Denken, und dem Leiblich-Seelischen betrachtet werden. - Jene zwischen dem erkennenden Denken, das «auf der Suche nach der Wahrheit» ist, - und der übrigen leiblich seelischen Organisation des Menschen. Allerdings ohne hierbei ausdrücklich wie 1917 in GA-21 an die Logik anzuknüpfen. Und, um das seiner ganz maßgeblichen Bedeutung wegen hier einzufügen – So heißt es an den entsprechenden Stellen des neunten Kapitels: „Nur wenn man sich zu der in der unbefangenen Beobachtung gewonnenen Anerkennung dieser Wahrheit über die intuitive Wesenheit des Denkens hindurchgerungen hat, gelingt es, den Weg frei zu bekommen für eine Anschauung der menschlichen leiblich seelischen Organisation. Man erkennt, daß diese Organisation an dem Wesen des Denkens nichts bewirken kann. Dem scheint zunächst der ganz offenbare Tatbestand zu widersprechen. Das menschliche Denken tritt für die gewöhnliche Erfahrung nur an und durch diese Organisation auf. Dieses Auftreten macht sich so stark geltend, daß es in seiner wahren Bedeutung nur von demjenigen durchschaut werden kann, der erkannt hat, wie im Wesenhaften des Denkens nichts von dieser Organisation mitspielt. Einem solchen wird es dann aber auch nicht mehr entgehen können, wie eigentümlich geartet das Verhältnis der menschlichen Organisation zum Denken ist. Diese bewirkt nämlich nichts an dem Wesenhaften des Denkens, sondern sie weicht, wenn die Tätigkeit des Denkens auftritt, zurück; sie hebt ihre eigene Tätigkeit auf, sie macht einen Platz frei; und an dem freigewordenen Platz tritt das Denken auf. Dem Wesenhaften, das im Denken wirkt, obliegt ein Doppeltes: Erstens drängt es die menschliche Organisation in deren eigener Tätigkeit zurück, und zweitens setzt es sich selbst an deren Stelle. Denn auch das erste, die Zurückdrängung der Leibesorganisation, ist Folge der Denktätigkeit. Und zwar desjenigen Teiles derselben, der das Erscheinen des Denkens vorbereitet. Man ersieht aus diesem, in welchem Sinne das Denken in der Leibesorganisation sein Gegenbild findet. Und wenn man dieses ersieht, wird man nicht mehr die Bedeutung dieses Gegenbildes für das Denken selbst verkennen können. Wer über einen erweichten Boden geht, dessen Fußspuren graben sich in dem Boden ein. Man wird nicht versucht sein, zu sagen, die Fußspurenformen seien von Kräften des Bodens, von unten herauf, getrieben worden. Man wird diesen Kräften keinen Anteil an dem Zustandekommen der Spurenformen zuschreiben. Ebensowenig wird, wer die Wesenheit des Denkens unbefangen beobachtet, den Spuren im Leibesorganismus an dieser Wesenheit einen Anteil zuschreiben, die dadurch entstehen, daß das Denken sein Erscheinen durch den Leib vorbereitet." Steiner trägt hier in der Philosophie der Freiheit keine Esoterik vor, sondern ein Resultat seiner erkenntniswissenschaftlichen Fundamentalforschung zur Freiheitsfrage und darüber hinaus. Denn wie er in der Fußnote am Ende der Seite (in den jüngeren Ausgaben der GA-4 von 1995 auf S. 148) vermerkt, ergibt sich die genannte «Zurückdrängung» bereits einer «unbefangenen Beobachtung des Denkens.» In der älteren Ausgabe von 1958 findet sich dies als Anmerkung 1 am Ende des Kapitels auf S. 121. In der Vorrede von 1918 hören wir ebenfalls, dass er in dieser Schrift kein esoterisches oder sonstiges Spezialwissen vorträgt, sondern lediglich Resultate dieser seiner Grundlagenforschung, die sich um die beiden «Wurzelfragen» vom Eingang der Vorrede von 1918 drehen. Beginnend dann mit der zentralen Leitfrage vom Kapitel 1. um das Problem «geistige Freiheit oder Zwang einer ehernen naturwissenschaftlichen Notwendigkeit». Wir haben es hier im neunten Kapitel folglich mit einer Forschung zu tun, die als «immanent-psychologisch» / «anthropologische» bereits auf der grundlegenden Ebene der Erkenntniswissenschaft anzusiedeln ist. Und direkt der Leitfrage vom Kapitel 1 folgt. Was unzweideutig für den Aspekt der Zurückdrängung im neunten Kapitel gilt. Und inmitten der Problemstellung um die Frage: «geistige Freiheit oder Zwang einer naturgesetzlichen ehernen Notwendigkeit» eine positive Antwort zugunsten der geistigen Freiheit gibt. Damit wiederum – aus der Sicht Poppers – faktisch bereits den dogmatischen Energieerhaltungssatz der Naturwissenschaft aushebelt. - Und um das noch einmal in Erinnerung zu rufen: Es geht Steiner hier nicht um irgendwelche Abstraktionen des Denkens, sondern um seinen realen, erlebten und beobachteten Prozess. Der erlebte Prozess ist gemeint. Was auch der empirische Kern des Popperschen Hinweises auf Logik, Würzburger Schule und Energieerhaltungssatz ist. Wenn Steiner die zitierten Passagen um die «Zurückdrängung» wiederum im zweiten Teil der Schrift platziert, der unter dem Obertitel Die Wirklichkeit der Freiheit angesiedelt ist, so demonstriert auch das nur, daß die «wirkliche Freiheit» auch ein Resultat dieser Zurückdrängung der materiellen Organisation durch den menschlichen Geist ist. Was eben unübersehbar mit der Eingangsfrage vom ersten Kapitel korrespondiert, die da lautet: „Ist der Mensch in seinem Denken und Handeln ein geistig freies Wesen oder steht er unter dem Zwange einer rein naturgesetzlichen ehernen Notwendigkeit?“ - Die aufgezeigte Zurückdrängung aus dem neunten Kapitel verdeutlich somit, wo dieser «Naturnotwendigkeit» durch das zurückdrängende Denken ganz konkret bis in das physisch Leibliche hinein die Grenzen gesetzt werden. Und zwar dergestalt, daß dort «Spuren» hinterlassen werden, welche die Folge sind einer organisierenden geistigen Kraft dieses zurückdrängenden Denkens, welche den menschlichen Leib bis in die materielle Ebene hinein verändert und umgestaltet. - Eine an der physiologischen Psychologie orientierte und kritisch vergleichende Parallelstelle dazu finden Sie in der Schrift Von Seelenrätseln, im Ergänzungskapitel 6., S.150 ff, spezieller dann mit Blick auf das Nerven- und Willensleben S. 156 f. Es ist, um das zu wiederholen, in der Philosophie der Freiheit unzweideutig kein esoterisches Forschungsresultat der höheren Geistesforschung im engeren Sinn, was dort im neunten Kapitel über die Zurückdrängung des Leiblichen durch das Denken ausgesprochen wird, sondern bereits ein Ergebnis seiner wissenschaftlichen Fundierungsforschung, die auch laut GA-21 belegt werden kann mit den anthropologischen Mitteln am «gemeinsamen Treffpunkt» von Anthropologie und Anthroposophie. Wie Steiner ja auch von seinen erweiterten erkenntniswissenschaftlichen Darlegungen in GA-21 betont, daß diese bereits «mit den Mitteln seiner Zeit» ohne weiters zu belegen seien. Es geht auch dabei, - wie in der Schrift Von Seelenrätseln überhaupt, - um eine erweiterte Grundlagenforschung, - so weit dort eben der «gemeinsame Forschungsbereich von Anthropologie und Anthroposophie» behandelt wird. Was zugleich auch gilt für das «rein Seelische», das auf der «Suche nach der Wahrheit» in dem zitierten «zurückdrängend wirksamen» Denken der Philosophie der Freiheit regsam ist. Denn, so Steiner in der Schrift Von Seelenrätseln (S. 133) resümierend: „ … Faßt man den Begriff des im denkenden Suchen nach der Wahrheit lebenden Wollens, so ist dieser Begriff der eines seelisch Wesenhaften. ...“ - Wie gesagt: Auch das ist ein Resultat von Steiners Grundlagenforschung in der Schrift Von Seelenrätseln, die man als Resultat dieser Forschung auf die Philosophie der Freiheit übertragen kann, ohne die letztere zu überdehnen. Weil die Philosophie der Freiheit ja demselben Ziel einer Grundlagenforschung folgt. Mit anderen Worten: Diese «Zurückdrängung» kann also der Leser, wenn er nur will, neben dem «rein Seelischen / wesenhaft Seelischen» exemplarisch und im Zuge dieser Grundlagenforschung auch selbst am eigenen Denken beobachten, ohne dazu auf Steiners höhere Geistesforschung zurückgreifen zu müssen, die ja ihrerseits erst ein Resultat der fundierenden Forschung ist. Wer wiederum zur Ergänzung der erkenntniswissenschaftlichen Verdrängungsperspektive der Philosophie der Freiheit die geistesforscherische Sicht Steiners dazu studieren möchte, dem sei beispielsweise der Vortrag vom 21. September 1921 in Stuttgart sehr empfohlen, (GA-78, S. 132 ff), wo diese Tatsachen eingehender und teils recht drastisch esoterisch / geisteswissenschaftlich geschildert werden. Vom «Auf- und Umbau des Physischen» ist dort die Rede. (S. 141) Bis hin zur «Vernichtung» des Materiellen durch das Denken und Vorstellen (S. 141 ff). So heißt es dort (S. 145 f) weiter: Während „das reine Denken ein Abbauen der Materie ist, überhaupt mit den ertötenden, als Rückentwickelung wirkenden Prozessen zusammenhängt, so kommt man dazu, einzusehen, wie alles, was seelisch-willenshaft auftritt, mit den Aufbauprozessen, mit den Wachstumsprozessen zusammenhängt.“ - Die sachliche Nähe dieser Darstellungen zur Schrift Von Seelenrätseln, welche 1917 erschien, liegt auf der Hand. Da haben Sie in GA-78 gewissermaßen auch wiederum die «geisteswissenschaftliche» Brücke oder Ergänzung zur «erkenntniswissenschaftlichen» Verdrängungsperspektive im neunten Kapitel der Philosophie der Freiheit. Übrigens wird von Steiner in GA 78 auf S. 141 f ausdrücklich auch der Hinweis gegeben auf seine «Philosophie der Freiheit», wo man sich «eine gewisse empirische Vorstellung vom Denken verschaffen kann». Nur eben noch keine höhere geisteswissenschaftliche, die überhaupt erst eine wirkliche, tiefere Einsicht in die Wesenheit des Denkens ermögliche. Im neunten Kapitel der Philosophie der Freiheit kann sich der Leser mit Blick auf die zurückdrängende Kraft des Denkens also «eine gewisse empirische Vorstellung vom Denken» verschaffen, die er mit eigenen Mitteln und zur persönlichen Klärung der Freiheitsfrage auch überprüfen kann. Dazu braucht er, um es noch einmal zu betonen, keine höhere, esoterische Geistesforschung. Zusammengefasst: Man kann problemlos und ohne die Tatsachen zu verbiegen das «rein Seelische in seiner Suche nach Wahrheit», von dem in der Schrift Von Seelenrätseln die Rede ist, mit der Zurückdrängungsperspektive im neunten Kapitel der Philosophie der Freiheit in eine sachliche Beziehung bringen. Und von der skizzierten «Zurückdrängung» nicht nur lesen, sondern diese selbst auch beobachten. - Es ist übrigens, da der Nachweis des «rein Seelischen» mit rein erkenntniswissenschaftlichen empirischen Untersuchungen begründet wird, die nicht mit den Erfordernissen der Logik kollidieren, auch ein «rein Seelisches», das in seiner Begründungsdignität weit ab liegt von allen sonstigen psychologischen, tiefenpsychologischen oder psychoanalytischen Konzeptionen des «Seelischen». Und geradezu unendlich weit entfernt ist von Kants «psychologieloser» (Riehl) Erkenntniswissenschaft oder von der Black Box Psychologie des Behaviourismus, die lange Zeit in den USA und Europa tonangebend war. Die lediglich hypothesenbasiert sind, und über ein erkenntnistheoretisches Fundament nicht verfügen, das von einer direkten Beobachtung des Denkens und Erkennens seinen Ausgang nimmt, die «für alles Erkennen gilt». Wie Steiner dies in der Vorrede von 1918 zur Philosophie der Freiheit (hier S. 4) betont. Das von Steiner herausgearbeitete «rein Seelische» geht seinerseits direkt hervor aus den ganz zentralen Erkenntnisfragen, sofern sie empirisch, und nicht etwa rationalistisch oder materialistisch etc beantwortet werden. Insofern gehört auch dessen Begründung als etwas, das sich bei der Suche nach der Wahrheit vom Leibe unabhängig macht, indem es sich an den nichtleiblichen, sondern geistigen Gesetzen der Logik orientiert, zu jenem «gemeinsamen Forschungsfeld, an dem sich Anthropologie und Anthroposophie» laut der Schrift Von Seelenrätseln «treffen» (GA-21, Kap. Anthropologie und Anthroposophie, S. 12). Deswegen wird in dieser Schrift ja auch einiger Raum diesem «rein, bzw wesenhaft Seelischen» gewidmet. Und, um jetzt ergänzend noch einmal darauf hinzuweisen: In Steiners Stuttgarter Rechtfertigungsvortrag vom 25. Mai 1921 in GA-255b, S. 298 ff betont er mit grossem Nachdruck, dem Nachweis der leiblichen Unabhängigkeit des reinen Denkens vom menschlichen Leibesleben sei zu wesentlichen Teilen die Forschung seiner frühen Begründungsschriften gewidmet gewesen: „Wer nun meine «Philosophie der Freiheit» durchliest, wird finden, wie diese Wege zur Ergründung der Natur des menschlichen Denkens gesucht worden sind. Und für mich stellte es sich heraus, daß nur derjenige das menschliche Denken richtig verstehen könne, welcher in den höchsten Äußerungen dieses Denkens etwas sieht, das sich unabhängig von unserer Körperlichkeit, von unserer leiblichen Organisation vollzieht. Und ich glaube, es gelang mir nachzuweisen, daß die Vorgänge des reinen Denkens im Menschen sich unabhängig von den leiblichen Vorgängen vollziehen. In den leiblichen Vorgängen walten Naturnotwendigkeiten. Was aus diesen leiblichen Vorgängen hervorgeht an trüben Instinkten, an Willensimpulsen und so weiter, es ist in einer gewissen Beziehung naturnotwendig bestimmt. Was der Mensch in seinem Denken vollzieht, von dem stellt sich zuletzt doch heraus, daß es ein Vorgang ist, der unabhängig von der physischen Organisation des Menschen abläuft. Und ich glaube, daß sich mir durch diese «Philosophie der Freiheit» nichts Geringeres ergeben hat als die übersinnliche Natur des menschlichen Denkens. Und hatte man diese übersinnliche Natur des menschlichen Denkens erkannt, dann war damit der Beweis geliefert, daß der Mensch im gewöhnlichsten Alltagsleben, wenn er sich nur erhebt zum wirklichen Denken, durch das er durch nichts anderes als durch die Motive des Denkens selbst bestimmt wird, daß er dann ein übersinnliches Element in diesem Denken vor sich hat. Richtet er sich dann im Leben nach diesem Denken, entwickelt er sich so, wird er so erzogen, daß er über die Motive seiner physischen Organisation, über Triebe, Emotionen, Instinkte hinaus Motive des reinen Denkens seinen Handlungen zugrunde legt, dann darf er ein freies Wesen genannt werden. Den Zusammenhang zwischen dem übersinnlich reinen Denken und der Freiheit darzulegen, das machte ich mir dazumal zur Aufgabe.“ - So heißt es in diesem Vortrag von 1921. Der zwar auch nicht speziell die Logik zum Thema macht. Sondern nur die Unabhängigkeit des erkennenden / reinen Denkens vom Leiblichen. Worauf wiederum, - auf der Unabhängigkeit des reinen Denkens vom physisch / leiblichen Leben, - wie er nachfolgend dort ausführt, der anthroposophische Schulungsweg aufbaut. So weit reicht Steiners faktische und frühe Untersuchung des wirklichen Denkens: Letztendlich zum Nachweis der übersinnlichen Natur dieses Denkens. Sowie dem Beleg seiner Unabhängigkeit vom physisch-leiblichen Leben. Und seiner aufbauenden und umgestaltenden Kraft auf dieses physisch Leibliche. Des weiteren wurzelt in diesem leibesunabhängigen Denken die Freiheitsfähigkeit des Menschen, wie Steiner in der Philosophie der Freiheit darlegt. Was zudem in diesen Aspekten die Voraussetzung ist, um die Ziele des anthroposophischen Schulungsweges zu verwirklichen, wie er auch im Nachwort zum 8. bis 11. Tausend seiner Schrift Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten? (GA-10, 1992, ab S. 216) erläutert. Was er an anderer Stelle in Buch- und Vortragsform wiederholt beschreibt als den «Weg an die Pforte des Todes», von wo aus erst Todesforschung im geisteswissenschaftlichen Sinne möglich ist. Weil eben schon, und so weit das reine, erkennende Denken vom Leiblichen unabhängig ist. (Siehe Weiterführendes dazu hier im Kapitel 14.2 a, S. 1210 ff.) - Diese «Todesforschung» ist überhaupt nur möglich, weil und insofern das reine Denken selbst schon «unabhängig von der physischen Organisation des Menschen verläuft». Wie er es im zitierten Vortrag von 1921 erläutert. Und wie es in der Zurückdrängungspassage vom neunten Kapitel der Philosophie der Freiheit auf der Ebene der Grundlegung ganz konkret behandelt wird. Auf diesen Gesichtspunkt der Leibesunabhängigkeit des reinen Denkens verweist Steiner zwecks Verständniserleichterung auch im Nachwort zum achten bis elften Tausend seiner Schrift Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten? Wo diese Unabhängigkeit über den Schulungsprozess ganz systematisch erworben wird. (GA-10, hier S. 214 ff.) Das wiederum führt auf der einen Seite positiv hin bis zu Poppers Einwänden gegen den «Schuldscheinmaterialismus». Und auf der anderen zur Abgrenzung von den hilflos rationalistischen Bemühungen Kants und seiner Anhänger, die Psychologie aus der Erkenntnistheorie hinauszuwerfen, und damit im unwirklich-rationalistischen Nirgendwo einer psychologie- und empiriefreien Erkenntnistheorie zu enden. Zudem mit erkenntnistheoretischen Spekulationen dieser erfahrungsfeindlichen Art dann mit Kant auch niemals auch nur entfernt bei einem empirisch substantiierten Begriff der menschlichen Seele anzukommen. Sondern keinerlei Beweise für eine menschliche Seele vorlegen zu können, wie Alois Riehl die Kantrezeption seiner Zeit kritisch resümiert: „Man vergaß, dass für Kant die Existenz einer Seele keine theoretische Wahrheit, sondern nur eine praktische Forderung und Erwartung war! Wie kann man von einer Kantischen Psychologie, von einer psychologischen Kritik reden, da doch Kant den Begriff einer Seelensubstanz für gänzlich unerweislich erklärt? Die kritische Philosophie Kants kennt keine Psychologie.“ (In der Meiner-Ausgabe Einleitung § 3, S. 22.) «Die menschliche Seele gänzlich unerweislich; Keine theoretische Wahrheit. Lediglich eine praktische Forderung und Erwartung.» Siehe dasselbe auch in der Originalausgabe von Riehl, 1876, S. 8. Das macht einen gewaltigen Unterschied aus zwischen Steiners Erkenntniswissenschaft und derjenigen Kants: Der eine (Kant) deduziert mit ausschließlich logischen Mitteln aus erfahrungsfernen, psychologiefreien Begriffen das Resultat, daß eine Seele gar nicht nachweisbar, sondern nur Hoffnung und Erwartung sei. Und der andere (Steiner) beobachtet mit relativ einfachen psychologischen Mitteln bereits in der Grundlagenforschung am logischen Denken und Erkennen ein faktisches «rein Seelisches», das vom Leibe unabhängig ist. Und die Zurückdrängung des Leiblichen durch das Denken. Wobei man ihm Popper und andere im Prinzip auch noch argumentativ zur Seite stellen könnte. Auch vor diesem Hintergrund ist gut zu verstehen, warum Steiner in Wahrheit und Wissenschaft (Vorrede 1892, S. 3) «den ungesunden Kantglauben» seiner Zeit mit allem Nachdruck überwinden wollte. - Da nämlich ein bloßer Logizist, meinetwegen ein extremer Neukantianer, der das Denken mit ausschliesslich logischen Mitteln rein rationalistisch und ohne psychologischen Erfahrungshintergrund erklärt, - ohne also das faktische Denken selbst jemals in Augenschein zu nehmen, ebenfalls an die wirkliche Sache nie herankommt, und somit demselben Verdikt verfällt wie der Physikalist oder Psychologist. Er erklärt mit bloß rationalistischen Mitteln das Denken ebenfalls wie die anderen «nur von aussen» und nicht aus der empirisch nachweislichen Tatsache des faktischen Denkens selbst. Und führt damit das logische Denken und Erkennen auf seine Weise ebenfalls ad absurdum. - Glaubt wohl auch mit Alois Riehl, daß er den Verstand selbst gar nicht beobachten kann. Und schließt dann entsprechend mit Riehl und Kant via «metaphysischer Deduktion» (Riehl) nur von den Verstandesprodukten auf einen Vorgang des Denkens, den er nicht wahrnehmen / beobachten zu können glaubt. Der also nur einer (laut Riehl ausdrücklich auch «zu billigenden») «metaphysischen Deduktion» zugänglich ist. - Siehe ausführlich zum methodischen Verfahren der «metaphysischen Deduktion» bei Kant, Riehl 1908, Kap. Drei und Vier, S. 380 ff. Alternativ in der Meinerausgabe der Schrift Riehls von 1876 auf S. 340 ff. Mit Empirismus / Psychologie des Denkens hat diese Art von «metaphysischen Deduktionen» ausdrücklich gar nichts zu tun. Siehe dazu Alois Riehl, Der philosophische Kritizismus, Geschichte und System, Bd 1, Geschichte des philosophischen Kritizismus, Leipzig 1908, S. 491: „Da wir den Verstand selber nicht beobachten können, so müssen wir uns an die Form der Erkenntnisse, seiner Produkte, halten, wenn wir dasjenige ermitteln wollen, was ursprünglich dem denkenden Bewusstsein entstammt.“ (So auch schon zu lesen in der vom Meiner-Verlag neu herausgegebenen Variante von 1876 auf S. 386; eventuell zunächst hier den Text aufrufen. Laut Hinweisen in dieser Neuauflage gab es zwischen den Ausgaben 1876 / 1908 keine nennenswerten Veränderungen, weswegen man sich entschloss, die ältere neu herauszugeben.) Was zudem in diesem wissenschaftsphilosophischen Zusammenhang zu erwähnen wäre, ist ein Kommentar der Herausgeber der neuen Ausgabe des Meinerverlages (S. X ff). Dort heisst es S. X: „Um die Jahrhundertwende gehörte Riehl zu den bestvernetzten deutschsprachigen Forscherinnen und Forschern – sein Einfluss reichte aber auch darüber hinaus, u. a. bis nach England, den USA, Russland und Japan. Er war Herausgeber der einflussreichen »Vierteljahresschrift für wissenschaftliche Philosophie«, richtete mit der Hilfe Wilhelm Wundts in Halle eines der ersten psychologischen Laboratorien Deutschlands ein und hat maßgeblich dazu beigetragen, den Begriff ›Wissenschaftsphilosophie‹ in seiner bis heute gebräuchlichen Verwendung zu etablieren.“ Zudem heisst es S. XI: „Eine besondere Freundschaft verband Riehl u. a. mit Wilhelm Wundt, Bartholomäus Carneri, Ludwig Mies van der Rohe, Heinrich Rickert, Friedrich Jodl, Hugo Münsterberg und Eduard Spranger.“ Über Riehls «psychologische» Wirksamkeit in Halle war für mich bislang noch wenig zu ermitteln. Siehe deswegen auch dazu, was die Haller Universität selbst diesbezüglich über Riehl veröffentlicht: „...1898 nach Halle, wo er zugleich als Direktor der psychologischen Sammlung amtierte.“ Diese Sammlung aber war offensichtlich schon einige Jahre vorhanden. Das psychologische Institut Halle seinerseits schreibt nämlich in seiner Chronik – gar nichts dazu. Nichts zu Riehls Anwesenheit und Wirksamkeit. Sondern meldet lediglich: «Ab dem Sommersemester 1822 fanden sich Vorlesungen psychologischen Inhaltes im Vorlesungsverzeichnis. So hielt beispielsweise Johann Eduard Erdmann Vorlesungen mit dem Titel: „Grundriss der Psychologie“. Und im Jahre 1891 schlug schließlich mit der Gründung eines Psycho-Physischen Apparates durch Benno Erdmann (1891-1893) die Geburtsstunde der institutionalisierten Psychologie an der halleschen Universität. Aus diesem ging die Psycho-Physische Sammlung (1893-1931) hervor, welche seit 1931 als Psychologisches Seminar weitergeführt wurde, und der namhafte Wissenschaftler wie Hermann Ebbinghaus (1906 -1909), Ernst Meumann (1909/10), Felix Krüger (1910-1917), Theodor Ziehen (1917-1930) und Adhémar Gelb (1931-1933) vorstanden.» Der Name Riehl findet sich im Institutsauftritt nicht. Alles in allem scheint er «1898 bis 1904 Direktor der psycho / physischen Sammlung gewesen zu sein“. Gründer des psychologischen Instituts war demnach Benno Erdmann (1891). Während Riehl hier nicht genannt wird. Mehr erfährt man dazu selbst von den Institutsangehörigen nicht. 1898 wurde Riehl Direktor einer psycho-physischen Sammlung, die 5 Jahre zuvor bereits von Benno Erdmann angelegt worden war, der die Psychologie auf diese Weise in Halle erstmals institutionalisierte. So weit die Auskunft der Universität Halle und ihres psychologischen Instituts. Diese Sammlung Erdmanns wurde demnach ab 1898 von Alois Riehl als Direktor bis 1904 verwaltet. Nichts Revolutionäres also zum Ende des 19. Jahrhunderts. Da scheint mir zwischen der Auskunft des Meinerverlages und der Universität Halle noch einiger Klärungsbedarf zu bestehen. Nun gehörte der Psychologe Wilhelm Wundt, mit dem Riehl so sehr zusammen wirkte, zu den seinerzeit namhaftesten Kritikern jener «Würzburger Schule» um Külpe, Bühler und andere, die damals als erste im akademischen Rahmen und institutionell die empirische Zugänglichkeit zum aktiven Denkprozess nachwiesen. Während der Neukantianer und Husserls Vorgänger in Freiburg Heinrich Rickert seinerseits derjenige war, der in einem Aufruf in der Zeitschrift «Logos» die Trennung der Philosophie von der empirischen Psychologie gefordert hat – siehe nachfolgend unten. Unterzeichnet war dieser Aufruf u. a. auch von Husserl und Riehl, wie der Leser dort sehen wird. Über Riehls Behauptung von der Unzugänglichkeit des Denkprozesses wird sich folglich niemand mehr wundern, wer diese engen psychologischen / philosophischen Verbindungen zu Kant, Wundt, Rickert und anderen kennt. - Der weltweit bekannte Psychologe Wilhelm Wundt wiederum war derjenige, der die Beobachtung des Denkens, wie sie von der Würzburger Schule kurz nach der Jahrhundertwende empirisch nachgewiesen worden war, am heftigsten bekämpfte, wie es dann auch im öffentlichen Streit zwischen Bühler und Wundt im Jahre 1907 /08 zum Ausdruck kam. Was in Wundts Aufsatz Über Ausfrageexperimente und über die Methoden zur Psychologie des Denkens, von 1907, S. 301 – 360, besonders markant sichtbar wurde. Worauf Bühler ausführlich antwortete im Archiv für die gesamte Psychologie,12, 1908, S. 93-122. Wie Sie andererseits der Entgegnung Wilhelm Wundts (1888) auf Volkelts Studie über Psychologische Streitfragen von 1887 entnehmen können, reichte Wundts Ablehnung der inneren Beobachtung weit zurück. Sie hatte bei ihm Tradition bis mindestens in die 60er Jahre des 19. Jahrhunderts, wie auch Rudolf Steiner im Aufsatz Moderne Seelenforschung von 1901 (GA-30, S. 462 ff) angesichts seiner Betrachtungen zu Wundts Vorlesungen über die Menschen- und Tierseele von 1863 erläutert. Wundts Ablehnung der inneren Beobachtung hält Steiner auf S. 466 für „einseitig“. Und ergänzt: „ Es ist unbedingt richtig, daß die Selbstbeobachtung eine reiche Quelle von Irrtümern ist. Aber ebenso zweifellos ist es, dass uns nichts intimer, unmittelbarer bekannt ist als gerade unser eigenes Innere. Was wir auch sonst beobachten mögen: es bleibt uns ein Äußeres. Wir können nicht in seinen Kern dringen. Im Kreise unserer seelischen Erscheinungen stehen wir mitten drinnen. Sie stehen uns also nahe wie nichts anderes in der Welt. Sollte das nicht zugleich die Ursache davon sein, daß wir bei der Beobachtung dieser Erscheinungen so vielen Fehlern ausgesetzt sind? Objektivität und Unbefangenheit ist dem Nahen gegenüber gewiß schwieriger als dem Entfernten gegenüber. Weil die Selbstbeobachtung etwas so Unmittelbares ist, darum wird sie wohl auch eine schwierige sein. Und es wäre wohl möglich, daß eine ausreichende Selbstbeobachtung nur derjenige üben könnte, der wohlgeschult von andern Beobachtungsfeldern kommt.“ Bleibt mit Blick auf die Würzburger Schule nachzutragen, daß Wundts seit den 1860er Jahren bestehende Ablehnung der inneren Beobachtung immer noch zum Ausdruck kommt in seiner Ablehnung der Methoden und Forschungsresultate dieser Würzburger Schule im Jahre 1907. Wiederum zum wissenschaftlichen Niveau der damaligen, und vor allem auch von Wilhelm Wundts Kritik an dieser «Würzburger Schule» empfiehlt sich ein Blick in die sehr ausführliche Untersuchung S. 30-132,: George Humphrey, Thinking, An Introduction to its Experimental Psychology, Oxford 1951. (Alternativ hier bei Archive.org) Insbesondere zu Wundt dort auf S. 106 ff, dessen Kritik an der Würzburger Schule Humphrey als «eines großen Namens», - den Wundt seinerzeit weltweit hatte, - «unwürdig» betrachtete. Vernichtender konnte das lange gereifte Urteil Humphreys kaum ausfallen. (Weitere Einzelheiten zu Wundt bei Humphrey siehe hier.) Wenn man die Verhältnisse so betrachtet, dann war Riehls Vorstellung über die angebliche empirische Unzugänglichkeit der Denkprozesse 1908 längst, und nicht nur von den Würzburgern widerlegt. Und Steiner seinerseits hatte als «Nicht-Fachpsychologe» schon seit mindestens 1886 diese Auffassung von der empirischen Unzugänglichkeit der Denkprozesse öffentlich in den Grundlinien gegenteilig beschieden. Nur wehrte sich das psychologische und philosophische Establishment noch heftig dagegen, diese bahnbrechende Entdeckung vor allem dann der institutionalisierten Würzburger Schule auch anzuerkennen. Und Riehl seinerseits hielt dann 1908, S. 491 die Fantasien Kants von den «metaphysischen Deduktionen» zwecks Erklärung der angeblich unzugänglichen Denkprozesse nach wie vor aufrecht. Nun, Riehls Buch mit der Unzugänglichkeitsbehauptung, – das faktische Denken könne nicht beobachtet werden, und man müsse an dessen Stelle zu «metaphysischen Deduktionen» greifen, - es erschien neuerlich 1908. Ein Jahr nach dem Streit zwischen Wundt und Bühler über die Methode der Beobachtung des Denkens. Und mit Kant und dem Kantianer Riehl glaubten an diese Unzugänglichkeit des faktischen Denkens seinerzeit neben Wilhelm Wundt und anderen sehr, sehr viele. Um nicht zu sagen: die große Mehrheit der philosophischen Zeitgenossen, wie wir auch von Külpe und Bühler hier in den zurückliegenden und nachfolgenden Kapiteln hören. Und um Bühler (annähernd zeitgleich mit Riehl) mit seiner gleich einleitenden Kennzeichnung dieser Tatsache von 1907 zu Wort kommen zu lassen: „Es gibt wohl kaum eine andere einzelwissenschaftliche Frage, auf die man so viele verschiedene Antworten erhalten kann als auf die: was ist Denken? Denken ist Verknüpfung, Denken ist Zerlegung. Denken ist Urteilen. Denken heißt Apperzipieren. Das Wesen des Denkens liegt in der Abstraktion. Denken ist Beziehen. Denken ist Aktivität, ist ein Willensvorgang. Fragt man aber spezieller nach den Inhalten der Denkerlebnisse, dann lautet die Antwort sehr einmütig, spezifische Denkinhalte gebe es nicht. Es gibt nur ganz wenige Forscher, die diesen Satz nicht anerkennen würden. Und gerade das, was die meisten eint, ist nun die folgende Untersuchung bestimmt, zu bestreiten, ...“ So beschreibt Bühler 1907 den empirischen Zugang zum faktischen Denkprozess: Er galt für die allermeisten wissenschaftlichen Zeitgenossen als nicht existent. So, wie es 1908 auch von Riehl geschildert wurde: Der Verstand kann laut den Aussagen des Kantvertreters nicht beobachtet werden. Und deswegen schließt er / bzw. Kant von den fertigen Denkprodukten auf unerfahrbare / nicht beobachtbare Produktionsprozesse! Die natürlich und gegebenenfalls auch ganz anders aussehen könnten, als solche nur «metaphysischen Deduktionen» ohne konkrete Erfahrungsgrundlage des Denkens glauben machen. Weswegen Carl Stumpf bereits 1892 im Vortrag Psychologie und Erkenntnistheorie (hier auf 32; im Original auf S. 493) reklamierte: „Die Vernachlässigung der Psychologie ist nicht, wie man sie vielfach hinstellt, eine nebenhergehende und irrelevante Eigenart, sondern sie ist ein Grundschaden des Kant`schen Philosophierens.“ So hat es sich ja dann bei Bühler, Külpe, Stumpf und anderen, die sich der Psychologie nicht verweigerten, auch in mancherlei Hinsicht herausgestellt. Während Steiner nicht nur in den Grundlinien von 1886 entschieden auf den erlebten Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem beim Denken und Erkennen hinwies. Und in den Einleitungen in Goethes naturwissenschaftliche Schriften im Kapitel Der Goethesche Raumbegriff geltend machte: „Der Raum ist eine Idee. Nicht, wie Kant glaubte, eine Anschauung.“ (GA-1, Dornach 1987, S. 295.) Daß zudem jemand unter der Voraussetzung, der Vorgang des Denkens könne nur von den Denkprodukten her «rückwärts auf Ursachen / Prozesse hin metaphysisch erschlossen» werden, auch nicht auf den Gedanken verfallen kann, den ganz konkreten und auch erlebten ursächlichen Vorgang dieses denkerischen Produktionsprozesses zu untersuchen und mit Kants und Humes Kausalitätsproblem zu kontrastieren, liegt ebenfalls auf der Hand. Über Steiners «erlebten Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem» beim Denken und Erkennen wird man daher bei Kant und seinen Anhängern zur Lösung dieses Versursachungsproblems nichts finden. So wenig wie zu Steiners leibfreiem, «rein Seelischen» als Resultat einer Beobachtung am faktischen Denken. Weswegen sich dann Volkelt, Edith Stein und andere Zeitgenossen neben Steiner auf den Weg begaben, das Versäumnis Kants und seiner Gefolgsleute zu korrigieren. Mit Bühlers Untersuchung von 1907 und Riehls Publikation von 1908 gab es zwei fast zeitgleiche Einschätzungen des denkpsychologischen Zugangs zum faktischen Denken. Während die extremen Anhänger Kants mit Riehl noch viel weiter gingen, und mit dem Schlagwort „Die kritische Philosophie Kants kennt keine Psychologie.“ [Kursiv im Original. MM] (Riehl, Der philosophische Kriticismus und seine Bedeutung ẗür die positive Wissenschaft, Bd. 1, Geschichte und Methode des philosophischen Kriticismus, Leipzig, 1. Auflage 1876 auf S. 8; ) die philosophischen Lehrstühle eroberte. Was in der zweiten Auflage von 1908 dann auf S. 10 zwar etwas abgemildert wurde. Dahingehend: „Kants kritische Philosophie kennt, was ihre Hauptfrage: die objektive Gültigkeit der reinen Erkenntnis betrifft, keine Psychologie. Auch war diese Frage psychologisch nicht zu lösen: denn sie liegt nicht auf dem Wege der Psychologie.“ Vor diesem Hintergrund ist auch erwähnenswert, was Richard Hönigswald in seinem Bericht über Prinzpienfragen der Denkpsychologie (Kantstudien Bd. 18, 1913, S. 205 ff) auf S. 205 einleitend schreibt: „ ... unabhängig von den eigentlichen methodischen Tendenzen der Psychologie, ja in unerlässlichem und zeitweilig schroffem Gegensatz zu ihnen hatte sich die Wiedererneuerung des kritischen Gedankens in Deutschland vollzogen. Nur in dem vollen Bewusstsein seiner methodischen Selbständigkeit konnte sich der systematische Bestand des philosophischen Kritizismus entfalten und die ruhmreiche Geschichte der Rückkehr zu Kant ist zum guten Teil die Geschichte des Prozesses der Abgrenzung des kritischen Problemgebietes von dem psychologischen.“ Der Antipsychologismus in der Erkenntnistheorie war demzufolge ein wesentlicher programatischer Bestandteil und treibende Kraft nicht nur in Kants kritischem Unternehmen, sondern blieb es auch bis weit in das 20. Jahrhundert hinein - und auch darüber hinaus. Wobei sich aus Hönigswalds Ausdruck „methodische Selbständigkeit“ ebenso gut ableiten lässt: Die psychologielosen Kantianer dieser Zeit scheinen aus der Not eines hochgradigen Mangels an vorhandener psychologischer Wissenschaft eine regelrechte Tugend gemacht zu haben. Weil ihnen nämlich die Psychologie und die des Denkens zumal auch methodisch in Kants Zeit noch völlig fern in der Zukunft lag, erklärten sie auch hernach noch, als diese Zugänglichkeit sich zunehmend abzeichnete und auch längst verwirklicht wurde, weiterhin den Antipsychologismus / Antiempirismus zu ihrer eigenen Tugend. – Nämlich jetzt zum Zweck der Revierabgrenzung von unliebsamer erkenntnistheoretischer Konkurrenz. Das selbst in einer Zeit noch, in der es zunehmend absurd schien, in Erkenntnisfragen auf die Psychologie zu verzichten. In einer Zeit also, in der sie selbst empirisch zunehmend obsolet wurden, weil sie von der reifer werdenden Psychologie in zahllosen Fragen von Wahrnehmung, Denken, Erkennen, Kausalität und jener der inneren Vorgänge längst erkenntniswissenschaftlich überholt und abgehängt worden waren. Nach dem Motto von Carl Stumpf: „Es kann nicht etwas erkenntnistheoretisch wahr und psychologisch falsch sein.“ (Psychologie und Erkenntnistheorie, 1892, hier S. 18.) - In Steiners Literaturverzeichnis zu Wahrheit und Wissenschaft in der Ausgabe von 1958 findet sich Alois Riehl auf S. 11 mit der Schrift, Der philosophische Kriticismus und seine Bedeutung für die positive Wissenschaft; Leipzig 1887. Derselbe Literaturhinweis findet sich auch in Steiners Inaugural-Dissertation, Die Grundfrage der Erkenntnistheorie… von 1891 auf S. 8. Nun gab es Riehls Schrift in zwei Bänden. Einen ersten zur Geschichte der Kritizismus, erschienen 1876 in Leibzig, und einen zweiten zur Wissenschaftstheorie und Metaphysik, der in erster Auflage 1887 erschien. Restlos geklärt ist die Quellenlage damit für mich freilich noch nicht. Deswegen lege ich es hier nur nahe, dass es sich bei Steiners Quellenangabe um den Band 2 von Riehls historischem Kritizismus handelt, der 1887 erschien. Untertitel: Zur Wissenschaftstheorie und Metaphysik, Leipzig Verlag von Wilhelm Engelmann, 1887. Dieser Band liegt insofern auch nahe, weil sich Riehl in diesem Band etwas ausführlicher auch zur menschlichen Freiheit äußerte. Während die Freiheitsfrage vor allem in der erweiterten Buchausgabe von Steiners Dissertation, Wahrheit und Wissenschaft einigen Raum einnahm, - und zwar nicht nur im Subtitel, Vorspiel zu einer Philosophie der Freiheit, sondern auch an anderen Stellen. Und zwar deutlich mehr Raum, als in der Dissertation selbst, wo das Freiheitsproblem in Verbindung mit Fichtes Wissenschaftslehre zum Thema wurde. Auf jeden Fall aber war die Freiheitsfrage bereits in der Dissertation anwesend. Während der erkenntnistheoretische Akzent vor allem darauf lag, die Einzelheiten des Erkennens auch mit Blick auf Fichtes Freiheitsverständnis empirisch zu klären, um der Freiheitsphilosophie eine akzeptable Grundlage zu geben. Die Auffassung des seinerzeit namhaften Kantvertreters Riehl „Die kritische Philosophie Kants kennt keine Psychologie“ (1876) bzw „Kants kritische Philosophie kennt, was ihre Hauptfrage: die objektive Gültigkeit der reinen Erkenntnis betrifft, keine Psychologie. Auch war diese Frage psychologisch nicht zu lösen: denn sie liegt nicht auf dem Wege der Psychologie“ (1908) war Steiner zumindest nicht fremd. Bei Steiner ist die Hauptfrage der Erkenntnistheorie indessen nicht die Frage nach der «Gültigkeit von Erkenntnis». Sondern die erste Frage der Erkenntnistheorie lautet seiner Überzeugung nach „Was ist Erkenntnis?“ (GA-1, Dornach 1987, S. 143, Kapitel IX, Goethes Erkenntnistheorie, hier S. 142 ff.) Erschienen ist dieses Kapitel erstmals 1887 in der Kürschnerausgabe Bd. II. auf S. XIII ff. «Was ist Erkenntnis?» - so lautet Steiners erkenntnistheoretische Hauptfrage dort. Was er auf mehreren Seiten argumentativ befestigt. Und zwar affirmativ kritisch in enger Ahnlehnung an Johannes Volkelts «immanent psychologische» Erkenntnistheorie wie in den Grundlinien von 1886 bereits. Dieser Frage nach dem «Was» der Erkenntnis kann die Frage nach ihrer Gültigkeit laut Steiners Überzeugung nur nachgeordnet sein. Denn wenn ich, – abgesehen von den nebelhaften Schlussfolgerungen («metaphysischen Deduktionen», Riehl) von Produkten auf einen gänzlich unbekannten Produktionsprozess, - nicht einmal weiss, was Erkenntnis überhaupt ist, wie soll ich dann die Frage nach ihrer Gültigkeit stellen und beantworten? Die Frage nach dem «Was» der Erkenntnis kann wiederum nur realistisch und empirisch überzeugend beantwortet werden durch die Beobachtung jenes Prozesses, durch den sie zustande kommt. Anders ist das kaum möglich. Und auf gar keinen Fall kann sie nur schlussfolgernd via Riehls «metaphysischer Deduktion» von fertigen Denk-Produkten auf ganz unzugänglich geglaubte Produktionsprozesse beantwortet werden. Und sie wird bei Steiner beantwortet mit den Mitteln der voraussetzungslosen seelischen Beobachtung. Noch einmal etwas präziser formuliert: Mit jener voraussetzungslosen «immanent psychologischen» Erkenntnistheorie, mit der ihm Volkelt seinerzeit zugearbeitet hatte, wie Steiner einleitend in Wahrheit und Wissenschaft (hier S. 7) hervorhebt. Wo dann (nicht nur) laut Wahrheit und Wissenschaft der Produktionsprozess des Gedankens laut Kapitel IV (hier S. 37) „unmittelbar“; und zwar «ohne Schlussfolgerung gegeben sein muß». Der Denkprozess ist für Steiner in diesem Zusammenhang eine ohne weiteres zugängliche und ganz gewöhnliche Erfahrungstatsache. Eine derart selbstverständliche, die sogar «dem Wahnsinnigen nicht entgeht». Unmissverständlicher als von Steiner in dieser Schrift lässt sich das kaum noch zum Ausdruck bringen. Was nun wirklich weit, weit, … weit abliegt von Riehls «metaphysischer Deduktion» und ihrer Begründung durch einen angeblich unerreichbaren Produktionsprozess des Denkens. Für «seelische Beobachtung» zwecks Klärung erkenntniswissenschaftlicher Fragen, - wie etwa bei Steiner, Volkelt oder Dilthey und Carl Stumpf, - war bei den Anhängern Kants wenig Verständnis zu erwarten. Zumal bei Kant selbst galt die Psychologie laut Vorrede, Metaphysische Anfangsgründe der Naturwissenschaft, (hier S. 7 / alternativ hier bei Zeno.org) ohnehin als fern von jeder Wissenschaft; und die «innere Beobachtung» gar als unmöglich. Ein Vorurteil Kants, das zwar abwegig war, aber in ständiger Wiederholung durch die Philosophen des akademischen Mainstreams bis weit über das frühe 20. Jahrhundert hinaus reichte. Wovon sogar Popper, der die Verhältnisse ja kannte, in seinem Gemeinschaftsband mit Eccles 1982 im Kapitel 30 auf S. 141 f anlässlich der fruchtlosen Selbstbeobachtungsversuche von G. Ryle noch berichtete. Und manchen gegenwärtigen Philosophen wie Hartmut Traub und andere aus diesem Umfeld könnte man 40 Jahre später immer noch ganz problemlos dazu gesellen. Der Kampf gegen die Psychologie in der Philosophie, bei dem auch Franz Brentano laut Kapitel XI seiner Schrift Von der Klassifikation der psychischen Phänomene, Leipzig 1911, S. 165 ff ; (alternativ hier, S. 179 ff) mit dem Vorwurf des «Psychologismus» getroffen wurde, dieser Kampf gegen die Psychologie war damals hoch virulent. Und wurde im Jahre 1913 in voller Härte sichtbar in Form einer vom Freiburger Philosophen Heinrich Rickert initiierten öffentlichen Erklärung von mehr als einhundert namhaften Philosophen in der Zeitschrift Logos, Internationale Zeitschrift für Philosophie der Kultur, Bd. IV des Jahres 1913, auf den Seiten 115 f. (Alternativ hier zu finden.) Und zwar gegen die Einrichtung psychologischer Lehrstühle in der Philosophie, die seinerzeit von der Psychologie noch nicht getrennt war wie heute. Einer der Initiatoren dieses Aufrufes von 1913 soll laut jüngerem Forschungsbericht von 2021 Alois Riehl gewesen sein. (Siehe: Alois Riehl and the History of Psychology: The 1913 Declaration of the Philosophers Josef Hlade, Rudolf Meer European Yearbook of the History of Psychology 2021, Vol. 7, pp. 11-39) Die Autoren schreiben dazu im frei zugänglichen Abstract und übersetzt: «Alois Riehl war einer der sechs Initiatoren der Erklärung gegen die Besetzung philosophischer Stühle mit Vertretern der experimentellen Psychologie … Seine Motivation zur Unterstützung der Erklärung beruhte auf einer klaren Konzeption der Unterscheidung zwischen empirischer und experimenteller Psychologie und der Beschränkung der Philosophie auf Erkenntnistheorie und Wissenschaftsphilosophie». Riehl hatte demzufolge am Aufruf zur Aufspaltung und Trennung der philosophischen Fakultät von der empirischen Psychologie massgeblichen Anteil. Und es war offensichtlich, dass laut Riehls Vorstellungen die Psychologie in der Erkenntnistheorie auch 1913 immer noch kein Mitspracherecht hatte. - Das war der folgenreiche philosophische Zeitgeist gegenüber der Psychologie. Man könnte speziell mit Blick auf das Denken auch sagen: Es war der trefflich dokumentierte Abschied der Philosophie vom Empirismus des Denkens und dem des Geistes, - um im letzteren Fall auch an Steiners Psychologiekapitel 18 seiner Grundlinien anzuknüpfen. Denn die Psychologie ist laut dortiger Auskunft «die erste Wissenschaft, bei der es der Geist mit sich selbst zu tun hat». Woran sich auch später nichts ändern wird. Und so wird dann die Philosophie der Freiheit, die es ausdrücklich mit der leiblichen Unabhängigkeit und dem rechtfertigenden Einstieg in die geistige Forschung zu tun hat, in ihrer Zweitauflage von 1918 ganz betont noch einmal im Untertitel zur «seelischen Beobachtung» geadelt. Damit aber hatten die Philosophen in beträchtlichem Umfang schon längst nichts mehr im Sinn. Und heute stehen auf ähnlichem Standpunkt immer noch regelmäßig die Philosophen, und staffieren das zum Revierschutz häufig auch noch mit der intellektuellen «Abwehrwaffe» des Antipsychologismus gegen eine «minderwertige» Psychologie aus, damit sie sich damit nicht beschäftigen müssen, wie Volkelt dies bereits 1918 im Kapitel 3.3 sarkastisch dokumentierte. - Eine nur rationalistische, ursächliche Denk-Erklärung im Schluss von fertigen Produkten des Denkens auf vermutete, aber unbekannte und als unzugänglich geglaubte Produktionsprozesse (siehe Riehl und seine «metaphysischen Deduktionen» zwecks Erklärung des angeblich unzugänglichen Denkprozesses), eine solche ausschliessliche Erklärung des Denkens ist freilich ebenso abwegig wie der Physikalismus oder der Psychologismus und Hartmanns «ewig unerreichbar Unbewusstes» als unerkennbarer, nur hypothetischer Verursacher auf der anderen Seite. Und als empirieferner Rationalismus, dem das empirische erkenntniswissenschaftliche Fundament einschließlich empirischer Beobachtungsmethode fehlt, ist er auch nur eine frei in der Luft schwebende, mutmaßende Erklärung dessen «was das Denken bewirkt», von «ausserhalb» des Denkens. «Die an die erwirkende Sache nie herankommt», um mit Steiners Kapitel 14 der Grundlinien zu sprechen. – Günstigstenfalls in dieser Gestalt eine metaphysisch basierte Arbeitshypothese, ohne jeden empirischen Beleg an den Tatsachen selbst. Erfahrungsfrei mit rein hypothetischen / spekulativen Mitteln wie erklärtermassen bei Eduard von Hartmann bereits. Der seinerseits immerhin noch versuchte, sich in seinen ausdrücklich spekulativ verstandenen Bemühungen an der Empirie zu orientieren. Die ihm dazu freilich in Gestalt der seinerzeit vorherrschenden Assoziationspsychologie keine Möglichkeiten dazu bot. Wohingegen der radikale Kantianismus schließlich jede Anlehnung an die Empirie zu vermeiden suchte. Dieser Art Rationalismus fehlt genauso wie allen anderen von Steiner in Wahrheit und Wissenschaft inkriminierten Richtungen das empirische erkenntniswissenschaftliche Fundament. Und mutet daher in diesem empirielosen Unterfangen von metaphysischer Deduktion ähnlich an wie die erfahrungsferne Spekulation heutiger Kosmologen über mögliche Ereignisse vor dem angeblichen Urknall. Was gleichwohl und ungeachtet der Aussichtslosigkeit eines solchen Unterfangens in schönster Regelmäßigkeit auch von heutigen Philosophen noch exerziert wird: Die als Philosophen mit einer eklatanten Abwesenheit von Empirie über das Denken bloss räsonnieren, ohne sich jemals mit seiner faktischen Erfahrung beobachtend auseinandergesetzt zu haben. Und sich infolgedessen gar nicht vorstellen können, dass man den Prozess des Denkens mit wichtigsten philosophischen und naturwissenschaftlichen / psychologischen Erträgen empirisch beobachten kann, und auch muß, wenn man es wirklich erkennen will. Wohingegen ihnen als erfahrungsfernen Philosophen bei ihrem sachfernen Räsonnement, - um es aus Steiners Sicht zu formulieren, - «die Wahrnehmung des Denkens» fehlt, um daran den empirischen Begriff des Denkens zu bilden. Fehlt diese «Wahrnehmung des Denkens» aber, so haben sie es nur mit «einer Halb- und Scheinwirklichkeit von Begriffskonstruktionen ohne Erfahrungsbestandteil» zu tun. Wo man folglich heute immer noch in der hoch antiquierten und ängstlich scheinwirklichen Philosophenwelt eines «Antipsychologisten» des 18. und späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts lebt, wie Volkelt das 1918 in seiner Schrift, Gewißheit und Wahrheit, München, im Kapitel 3. 3. 1. S. 38 f, so bezeichnend für seine eigenen Zeitverhältnisse ironisierte: „Für die philosophische Literatur der Gegenwart ist die Furcht vor dem Verdacht des Psychologismus geradezu charakteristisch. Auf Schritt und Tritt begegnet man Versicherungen von der Art: das Gesagte sei beileibe nicht psychologisch zu verstehen; aus dem Ergebnis dürfe um keinen Preis eine psychologische Folgerung gezogen werden; die Psychologie habe schlechtweg nichts dreinzureden; die Psychologie sei so recht die Verderberin der Problemstellungen. Angesichts der ängstlich geflissentlichen Abwehr des Verdachtes, auf den Bahnen der bösen Psychologie zu wandeln, ist es oft schwer nicht spöttisch gestimmt zu werden. Manchmal ist es, als fürchte der junge philosophische Schriftsteller sich bloßzustellen, wenn er der Psychologie nicht ihre Untergeordnetheit und Nebensächlichkeit zu fühlen gebe.“ Eine Zeit damals, wo zuvor (1894) bereits der Kantianer Erich Adickes in einer Rezension zu Wahrheit und Wissenschaft in der Deutschen Literaturzeitung 1894, Nr. 5, S. 132 f Steiner zugleich «empiristische und rationalistische» Neigungen zum Vorwurf machte. Und ihm empfahl, «sich erst einmal mit Hume und Kant zu befassen, bevor er eine Philosophie der Freiheit in die Welt setzt.» - Der Doktor Adickes verstand 1894 als 1887 promovierter Philosoph der Kantschule von Steiners Anliegen ungefähr so wenig, wie Hartmut Traub und mancher andere annähernd 130 Jahre später. Was sich von dazumal bei den Philosophen als «Antipsychologismus» bis in die psychologiefeindliche Rezeption von Steiners Frühwerken, - vielfach selbst bei Steiners eigenen Anhängern erhalten hat. Denen wegen dieser erfahrungsfremden und philosophisch einseitigen Orientierung jede faktische Wirklichkeit des Denkens, des Geistes und des empirischen Zugangs dorthin fehlt. Und somit das begründende Verständnis Steiners weitestgehend ebenso fremd blieb wie Steiners empirische Begründung der menschlichen Freiheit im einzelnen. Die stattdessen selbst aus den eigenen Reihen der Anthroposophen tatkräftig zusammen mit den Kantianern und anderen angeblichen «Antipsychologisten» gegen den Geist, gegen Steiner, gegen dessen Werk und gegen die menschliche Freiheit kämpfen. Für diese Gruppierung von unwissenden philosophischen «Antipsychologisten» gab Hartmut Traub bereits 2011, S. 350 ff eine recht schlagende und typische Vorstellung ab. Und verstieg sich in Zirkulations- und unendlichen Regress-Vorhaltungen gegenüber Steiner, weil ihm alles an Verständnis abging, was für die Erkenntnis des faktischen Denkens von Belang ist. Aber nicht allein nur bei Traub ist das so, der im oben (Kap. 15, 16 und 17) referierten Sammelband der Alanushochschule, bei manchen isolierten Fragmenten über Steiners Universalienrealismus und die Psychologie, nicht unbedingt durch einen nennenswerten Zuwachs an diesbezüglichem Sachverstand zum beobachteten faktischen Denken überzeugen konnte. (Siehe dazu ausführlicher auch hier, Kap. 12.1, S. 351 ff) - Nebenbei gesagt: Wie weit auch eigentlich recht kritische Autoren sich von materialistischen Methoden und Bewusstseinshaltungen inzwischen zur Erklärung des Denkens vereinnahmen lassen, lässt sich diesem jüngeren Artikel von Florian Rötzer, Ist Sprache zum Denken nicht erforderlich? entnehmen. Wo lediglich mittelbare, hirnphysiologische Belege für ein nonverbales Denken angeführt werden. Ohne einen einzigen Gedanken darauf zu verwenden, dass sich die Angelegenheit ja doch viel besser durch eine direkte Beobachtung des eigenen Denkens würde klären lassen als durch extrem indirekte Hypothesen, die lediglich mit hirnphysiologischen Messgeräten gewonnen wurden, und über den Inhalt und die Handhabung der individuellen Denkvorgänge gar nichts aussagen können. Folglich ohne die prüfende Konstrastierung mit unmittelbar erlebten Denkvorgängen vollkommen wertlos sind, zur Beantwortung der gestellten Frage. Die unmittelbare empirische Beobachtung des Denkens, von der auch Popper oben mit Blick auf die Würzburger Schule spricht, scheint Rötzer indessen noch eine völlig fremde Welt zu sein, obwohl sie bereits seit mindestens 120 Jahren auch als akademische Wissenschaft existiert. Rötzer müsste sich nur wie Bühler (Karl Bühler sowie hier und hier) die Frage vorlegen, «Was erleben wir, wenn wir denken?» Und anders gewendet: «Sprechen wir ständig wenn wir denken?» Und «denken wir ständig, wenn wir sprechen?» - Aber selbst so eine methodisch vollkommen selbstverständliche Frage scheint philosophisch etwas gebildeten Menschen von heute ein weitgehend unzugängliches Terrain zu sein. - Darüber, dass ein heutiger «aufgeklärter» Zeitgenosse im Zeitalter eines sich anbahnenden welt- und menschheitsvernichtenden Materialismus eine neuroelektronische Meß-Maschine ernsthaft danach fragt, ob er persönlich beim Denken spricht oder nicht, weil er das selbst offenbar gar nicht weiss, und auch keine weiteren Belege der Selbstbeobachtung dafür vorzulegen vermag, wird man sich in späterer Zeit vor Lachen oder Verzweifelung ganz sicher noch die Haare raufen. - Schauen wir uns aber Eduard von Hartmann und dessen Einwände gegen Steiners direkte Beobachtung des Denkens näher an: „Er [Steiner, MM] beobachtet auch hier nur die Ergebnisse seiner hervorbringenden Thätigkeit, nicht diese selbst: letzteres ist Täuschung, wie wenn wir bei rasch aufeinanderfolgender Beleuchtung durch elektrische Funken eine Bewegung zu sehen glauben.“ - So lautete Eduard von Hartmanns kritische Randbemerkung in Steiners Erstausgabe der Philosophie der Freiheit von 1894 gegen Steiners (in der Erstausgabe, S. 42) vorgebrachte Überzeugung, das Hervorbringen des Denkens könne beobachtet werden. - Siehe Hartmanns Einwand, in GA4a, S. 357, damals noch zum Kapitel IV, auf die Steiner dann in der Zweitauflage im Kapitel III (hier S. 36 f) kritisch reagierte. Nun, Eduard von Hartmann war ein Anhänger der damals noch führenden Assoziationspsychologie, dem der methodische Zugang zu Steiners Beobachtung des Denkens völlig fehlte. Abgesehen aber davon, daß Hartmann Steiners Methode ebenso wenig verstand wie später Herbert Witzenmann, und die Unterscheidung zwischen dem unmittelbaren Erleben des Hervorbringens von Gedanken und seiner gegenüberstellenden Beobachtung / Betrachtung nicht zu treffen vermochte, die ebenfalls eine erlebte Denkbetätigung ist, bedient sich der Einwand Hartmanns lediglich einer äußerlichen Analogie aus dem Bereich der physikalischen Welt. Die in der Tat mit dem Denken gar nichts zu tun hatte. Solche physikalischen Analogien helfen also nichts, wenn man sie zur ursächlichen Erklärung des erlebten Denkens heranzieht. Zumal ja auch die von Hartmann behauptete Möglichkeit einer Täuschung noch längst keine erwiesene faktische Täuschung ist, wie es Hartmann indes hier als rhetorischen Kunstgriff behauptend vorbringt. Hartmanns Vergleich ist also abwegig, schon weil Hartmann außerstande war, Steiners Beobachterposition einzunehmen, aus der heraus er die Sachlage hätte kritisch und sachlich angemessen beurteilen können. Über das innere, ursächlich zusammenhängende Geschehen indessen etwas empirisch Fundiertes zu sagen, war Hartmann seinerzeit nicht möglich, wie er noch 1901 schrieb. Und um das noch einmal zu wiederholen. Hartmann schreibt da: „Ursächlicher Zusammenhang zwischen je zwei Bewusstseinsinhalten ist niemals unmittelbar gegeben, sondern, so weit er besteht, allemal durch nicht bewusste (sei es materielle, sei es unbewusstpsychische) Zwischenglieder vermittelt. Die unmittelbaren Ursachen des jeweilig gegebenen Bewusstseinsinhaltes liegen jenseits des Bewusstseins, und ebenso die Gesetze, nach denen diese ausserbewussten Ursachen wirken. Jeder Versuch, den Bewusstseinsinhalt und seine Veränderungen nach Ursachen und Gesetzen zu erklären, muss auf das ausserbewusste Gebiet übergreifen, das der unmittelbaren Erfahrung verschlossen ist und nur hypothetisch erschlossen werden kann.“ Sein damals noch eingenommener und weit verbreiteter assoziationspsychologischer Standpunkt, wurde in Deutschland empirisch psychologisch und akademisch nur allmählich nach der Jahrhundertwende, - etwa seitens der Würzburger Külpeschule, - durch einen weit realistischeren ersetzt, worauf auch Popper mit seinem Hinweis auf die Würzburger Schule und Karl Bühler hindeutet. - Siehe zu diesem Thema ausführlich auch George Humphrey, Thinking, An Introduction to its Experimental Psychology, Oxford 1951. (Zur Persönlichkeit Humphreys etwa hier.) - Ein kritischer Autor der Gegenwart, siehe Florian Rötzer oben, weiss indessen von solchen Tatsachen anscheinend bis heute nichts. Da ist es natürlich ziemlich aussichtslos, dem Materialismus etwas empirisch Substantielles entgegen zu stellen, wenn bei den gegenwärtigen philosophischen und psychologischen Schriftstellern nicht einmal diese elementarsten Sachverhalte bekannt zu sein scheinen, die zu seiner empirischen Überwindung notwendigerweise gehören. Steiners späte Erwiderung von Kap. III, hier S. 36 f gegen Hartmann ist von seiner Struktur her so geartet, dass er ihm damit die Auflösung des Erkenntnisvermögens attestiert. So heißt es in der Philosophie der Freiheit generalisierend und auch abschließend gegen Hartmann gewendet: „Nein, wer in dem Denken etwas anderes sehen will als das im «Ich» selbst als überschaubare Tätigkeit Hervorgebrachte, der muß sich erst für den einfachen, der Beobachtung vorliegenden Tatbestand blind machen, um dann eine hypothetische Tätigkeit dem Denken zugrunde legen zu können. Wer sich nicht so blind macht, der muß erkennen, daß alles, was er in dieser Art zu dem Denken «hinzudenkt», aus dem Wesen des Denkens herausführt. Die unbefangene Beobachtung ergibt, daß nichts zum Wesen des Denkens gerechnet werden kann, was nicht im Denken selbst gefunden wird. Man kann nicht zu etwas kommen, was das Denken bewirkt, wenn man den Bereich des Denkens verläßt.“ - Soll sagen: Ursächliche Erklärungen, die von außen an das Denken herangetragen werden, nützen zur Erklärung des Denkens nichts. Sondern führen lediglich in einen Paralogismus des Erkennens. Was übrigens auch für den faktenfreien Schluß von Denkprodukten auf ihre nicht erlebten Erzeugungsprozesse gilt, wie es Alois Riehl vorhin oben propagierte. Der insofern mit demselben Vorwurf konfrontiert ist, wie ihn Steiner gegenüber Hartmann vorbrachte. Und wie es Steiner bereits in Wahrheit und Wissenschaft im Kapitel IV einforderte: Dahingehend nämlich, daß das Hervorbringen von Gedanken unmittelbar und schlußfolgerungsfrei gegeben sein muß. Ursächlich erklärende Schlüsse vom Gedachten auf nicht erlebte Produktionsprozesse sind nicht zulässig. Steiner argumentiert in der Philosophie der Freiheit auch gegenüber Hartmann unverkennbar empirisch. Aber – wenn auch nicht explizit, so doch implizit auch logisch, und hat letztlich auch den logisch durchdrungenen Charakter des aktiven erkennenden Denkens vor Augen, da er sachlich nämlich in diesem Kontext der Philosophie der Freiheit von einem «erkennenden» Wollen / Denken spricht. Um das es ja im (späteren) dritten Kapitel dieser Schrift, und auch bereits in der Erstauflage Kap. IV geht. Es geht hier nicht um irgend eine abstrakte oder beliebige gewollte Betätigung sondern um die denkende Erkenntnisbetätigung. Von einer solchen «die von den Denkgesetzen der Logik getragen ist», wie es dann später in GA-21, S. 31 dazu heißt. Ebendort in GA-21 wiederum gilt: „In dem von Logik beherrschten Denken walten Gesetze, die nicht mehr als diejenigen der Leibesorganisation zu kennzeichnen sind.“ - Das ist nicht neu, und von Popper und vielen anderen können wir natürlich regelmäßig Vergleichbares dazu hören. Letzteres freilich, - daß es von den Gesetzen der Logik getragen ist, - gilt nun für jeden aktiven, erkennenden Denkvorgang. Der damit nicht etwa von biologischen oder physikalistischen Gesetzen, sondern von den Denkgesetzen der Logik beherrscht wird, die sich schlechterdings nicht durch irgend etwas anderes von außerhalb konsistent kausal wegerklären lassen, ohne das Erkenntnisvermögen selbst zu annulieren. Folglich ist das erkennende Denken nur durch etwas ursächlich zu erklären, «was in diesem erkennenden Denken selbst gefunden wird». Soll sagen: Im erwirkten und erlebten Denkprozess selbst, der laut Kontrastierung mit Hegel im vierten Kapitel ein empirisches Kernanliegen Steiners in dieser Schrift ist. Und «durch nichts anderes von außen.» - Das ist sozusagen der empiristische und logische Lackmustest für eine ursächliche Erklärung des menschlichen Denkens und Erkennens: Sie darf das erkennende Denken nicht aufheben, indem sie es ursächlich durch etwas anderes erklärt, und damit auch logisch auf die Abwege des Physikalismus, Psychologismus usw führt. Das allerdings, die Vermeidung des erkenntniswissenschaftlichen Paralogismus, ist nur möglich, wenn sie nach den verursachenden Ursprüngen des erkennenden Denkens im erkennenden Denken selbst empirisch sucht. Nach etwas, was dieses vom logischen Wesen getragene erkennende Denken nicht logisch ad absurdum führt, wie etwa der Physikalismus, Biologismus, Psychologismus oder gar der Soziobiologismus oder der naturwissenschaftliche / biologistische Darwinismus. Damit wiederum haben Sie zwei weitere Zielpunkte der Philosophie der Freiheit vor Augen. Erstens den vom Ende des ersten Kapitels, der nach dem Ursprung und der Bedeutung des Denkens fragt. Und zweitens den vom Ende des zweiten Kapitels, der sich in Anlehnung an Goethes Essay «Die Natur» die Erforschung der wirkenden Kräfte dieser Natur im eigenen Inneren zur Aufgabe macht. Wobei die Natur in Goethes «Essay» eben nicht die enge physikalistische der modernen Naturwissenschaft ist, sondern die idealistische, umfassende Geistnatur Goethes, «die in lauter Kindern lebt». Dazu haben wir bereits in den Grundlinien von 1886 im Kapitel 13 von Steiner das erkenntniswissenschaftliche Fazit vorliegen: „Eine Erkenntniswissenschaft, welche das Erkennen in seiner weltbedeutsamen Rolle erfassen will, muß: erstens den idealen Zweck desselben angeben. Er besteht darinnen, der unabgeschlossenen Erfahrung durch das Enthüllen ihres Kernes ihren Abschluß zu geben. Sie muß, zweitens, bestimmen, was dieser Kern, inhaltlich genommen, ist. Er ist Gedanke, Idee. Endlich, drittens, muß sie zeigen, wie dieses Enthüllen geschieht. Unser Kapitel: Denken und Wahrnehmung gibt darüber Aufschluß. Unsere Erkenntnistheorie führt zu dem positiven Ergebnis, daß das Denken das Wesen der Welt ist und daß das individuelle menschliche Denken die einzelne Erscheinungsform dieses Wesens ist. Eine bloße formale Erkenntniswissenschaft kann das nicht, sie bleibt ewig unfruchtbar. Und doch muß sich ja gerade in der Erkenntnistheorie diese Beziehung ergeben. Diese Wissenschaft muß uns doch zeigen, wohin wir durch unser Erkennen kommen, wohin uns jede andre Wissenschaft führt. [] Auf keinem anderen als auf dem Wege der Erkenntnistheorie kommt man zu der Ansicht, daß das Denken der Kern der Welt ist. Denn sie zeigt uns den Zusammenhang des Denkens mit der übrigen Wirklichkeit. ...“ (hier S. 78 f) Bekanntlich ist es die «Idee», die beim Universalienrealisten Steiner in weiten Teilen des Frühwerks seit mindestens 1886 den «Urgrund allen Seins» darstellt. Diese «wirkende Idee» ist es dann 1897 neuerlich in der Schrift Goethes Weltanschauung (hier S. 69 f), die bei der Beobachtung des Denkens nebst dem Weltgeschehen «durchschaut» wird. Die «Idee» indessen hat für Steiner nicht nur eine logische Seite, sondern auch eine kraftende. So steht es bereits in den Grundlinien am Ende von Kapitel 8, wo er (hier S. 50) die menschliche Denktätigkeit („Tätigkeit unseres Bewußtseins“) als den «wirkenden Gedankengehalt der Welt» bezeichnet. Das ist natürlich universalienrealistisch gedacht. Und als solches keine Ausnahme, wenn er der ideellen Welt auch eine kraftende Willensseite zuschreibt. So auch 1887 in seiner Auseinandersetzung mit Eduard von Hartmann in den Einleitungen in Goethes Naturwissenschaftlich Schriften, (GA-1, Dornach 1987, hier S. 197) mit den resümierenden Worten, „Wille ist also die Idee selbst als Kraft aufgefaßt.“ [Hervorhebung fett, MM] - im Original der Kürschnerausgabe, Bd. 34 von 1887 kursiv gesetzt auf S. XLV). Womit natürlich die Möglichkeit auch gegeben ist, sowohl von Seiten der naturwissenschaftlichen Kausalitätsproblematik, als auch von Seiten der Logik das erwirkende, erkennende menschliche Denken auf seine Ursprünge hin zu erforschen, ohne das Erkenntnisvermögen dabei zu zerstören. Was ja dann im anthroposophischen Schulungsweg seine ganz besonderen und vertieften methodischen Formen annimmt. Damit ist also nicht gesagt, dass an der betreffenden Stelle der Philosophie der Freiheit (oder in Goethes Weltanschauung und den Einleitungen in Goethes Naturwissenschaftliche Schriften) bereits alles gefunden wurde was möglich und wesenlich ist. Wäre das so, dann wäre Steiners spätere anthroposophische Forschung überflüssig gewesen. Sondern es wird speziell in der Philosophie der Freiheit nur ein methodischer / erkenntniswissenschaftlicher Einwand vorgebracht und gewissermaßen ein erkenntniswissenschaftlich vorgegebener Weg aufgezeigt. Dergestalt, daß nämlich überhaupt nur dort und auf diesen Wegen etwas ursächlich Erklärendes zum erkennenden Denken gefunden werden kann. Das nicht mit den Erfordernissen eines logischen / erkennenden Denkens kollidiert. «Man kann nicht zu etwas kommen was das Denken bewirkt, wenn man den Bereich des Denkens verläßt.» Das wird gegen Hartmanns rein spekulative kausale «Außenerklärung» des Denkens im vorliegenden Fall des dritten Kapitels der Philosophie der Freiheit gerichtet, weil Hartmann damit den ganzen erlebten Erkenntnisprozeß als solchen durch etwas rein hypothetisches, anderes und äußerliches ursächlich wegerklärt. – Und zwar wieder einmal ohne irgend einen substantiellen empirischen Beleg vorzulegen, sondern lediglich durch einen ausgedachten nach Analogie einer lichttechnisch erzeugten Sinnestäuschungen durch Funkenflug. Das ist philosophisch schon reichlich knorrig und fragwürdig. Kein Sachargument also, sondern ein selbstdestruktives Scheinargument, wenn ihm kein ernstzunehmender empirischer Beleg nachfolgt. Und im Falle Hartmanns per definitionem auch gar nicht nachfolgen kann. Die einzige argumentative Möglichkeit, die Hartmann wie gesagt hätte nutzen können, wäre die gewesen, sich auf Steiners konkretes Prozedere der Beobachtung des Denkens einzulassen, um ihm dann gegebenenfalls ein abweichendes Beobachtungsresultat vorzuhalten, das mit der tätigen Natur und den logischen Wesensanforderungen des erkennenden Denkens kompatibel ist, und diese logische Natur / wirkende Wesenhaftigkeit nicht wegerklärt und zerstört. Das tut er allerdings nicht, sondern zerstört sie stattdessen. Wohingegen Steiner von Beginn an auf diese Tatsache zumindest implizit Rücksicht nimmt, wenn er etwa in den Gundlinien Kap. 8, hier S. 47 von der erlebten Denktätigkeit als «tätigem Gedankengehalt der Welt» spricht. Und 1897 S. 69 f von der «beobachteten Idee als Weltgeschehen». Vergleichbares auch im dritten Kapitel der Philosophie der Freiheit, wo es einzig und allein um eine erlebte erkennende Denkbetätigung geht, die per se nur als eine solche zu bezeichnen ist, sofern sie sich an den Regeln der Logik orientiert. Wenn man indessen Hartmanns diesbezügliche Auffassung kennt, wie wir sie exemplarisch oben skizzierten, dann weiß man, dass es für ihn auch gar keine solchen schlüssigen empirischen Belege gibt, die mit der logischen Wesenhaftigkeit des erkennenden Denkens kongruent wären. Weil nämlich, und wie oben schon erwähnt, zwischen je zwei Bewußtseinstatsachen grundsätzlich keine ursächliche Verbindung empirisch festzustellen ist, wie von ihm 1901 noch behauptete wurde (Moderne Psychologie, Leipzig 1901 auf S. 30): „Die unmittelbaren Ursachen des jeweilig gegebenen Bewusstseinsinhaltes liegen jenseits des Bewusstseins, und ebenso die Gesetze, nach denen diese ausserbewussten Ursachen wirken. Jeder Versuch, den Bewusstseinsinhalt und seine Veränderungen nach Ursachen und Gesetzen zu erklären, muss auf das ausserbewusste Gebiet übergreifen, das der unmittelbaren Erfahrung verschlossen ist und nur hypothetisch erschlossen werden kann.“ - Das war Hartmanns philosophisch / empiristisches Credo zum Nachweis von Kausalität, zumal innerhalb des menschlichen Bewußtseins: «Es gibt für ihn so einen Nachweis auf der empirischen Ebene gar nicht! Denn der liegt für immer unerreichbar jenseits des Bewußtseins.» Womit er im Falle der Philosophie der Freiheit also gegen Steiner argumentiert und etwas sachlich unstreitig Vorhandenes ursächlich wegerklärt, - nämlich die erlebte Tätigkeit des Denkens, - ist also wieder einmal, wie bereits oben im Falle der Freiheitsfrage, eine Erfindung seiner philosophischen Fantasie. Die von der erdachten Grundannahme ausgeht, dass es einen empirischen Beweis für Kausalität gar nicht gäbe. Und die Kausalität folglich auch anhand der Tatsachen des eigenen Bewußtseins in gar keiner Weise nachzuweisen ist. Wie gesagt: ein Scheinargument, mit dem er im vorliegenden Fall der Philosophie der Freiheit auch noch das tätige Erkenntnisprozedere wegerklärt, und durch etwas rein Äußerliches rein hypothetisch kausal ersetzt. Worauf Steiner als idealistischer Empiriker des Denkens natürlich berechtigterweise einwendet: „Man kann nicht zu etwas kommen, was das Denken bewirkt, wenn man den Bereich des Denkens verläßt.“ Strukturell entspricht Steiners Einwand gegen Hartmanns Antiempirismus des Denkens damit auch den Einwänden Poppers / Eccles gegen den Schuldscheinphysikalismus, insofern dieser Physikalismus sich ebenfalls wie Hartmann weigert, die inneren Tatsachen des tätigen Denkens in Augenschein zu nehmen. Sondern diese Tatsachen stattdessen mit äußerlichen Scheinargumenten wegerklärt, und damit zugleich auch seine eigene Begründung wegerklärt, weil er jedes logisch begründete Erkenntnisvermögen mit seiner analogisierenden materialistischen Beweisführung vernichtet. Dasselbe galt eben für den Idealisten Eduard von Hartmann, der sich bei seinen Kausalerklärungen des Denkens und dem weg-Erklären der frei gehandhabten erkennenden Denktätigkeit letztlich auf die zeitgenössische Assoziationspsychologie und deren Gesetze berief, wie der Leser hier S. 80 ff nachlesen kann – siehe dazu auch dort nachfolgende Literaturangaben. Demgegenüber steht der sichtbare empiristische Fortschritt, der damals von der Würzburger Schule erreicht wurde, die auch von Popper genannt wird. Damit wurde es nämlich erstmalig möglich, objektive Resultate der Denkpsychologie vorzulegen, die einer empirischen Überprüfung zugänglich waren, wie Popper schreibt. Und deren Ergebnisse sahen völlig anders aus als die der Assoziationspsychologie, welcher Eduard von Hartmann noch anhing. Daß Steiner wiederum in der Schrift Von Seelenrätseln S. 170 f nicht nur für sich selbst, sondern ausdrücklich auch stellvertretend für «einen jeden, der auf dem anthroposophischen Gesichtspunkt steht», den dringlichen Wunsch nach einem psychologischen Laboratorium zwecks Grundlagenforschung geltend macht, ist vor solchen Hintergründen leicht nachzuvollziehen. Woran man auch kontrastreich sieht, daß es bei den akademischen Witzenmannvertretern, die sich wie Schieren ganz explizit gegen die Introspektion wehren, und sich weigern das zur Kenntnis zu nehmen, mit dem «anthroposophischen Gesichtspunkt» nicht weit her sein kann. Daß Eduard von Hartmann sich in seinen psychologischen Erklärungen des Denkens letztlich auch auf eine Assoziationspsychologie berief, die ebenfalls nur mit Hypothesen wirtschaftete, und das innere Tun kategorisch zur Täuschung erklärte, hatten wir auch weiter oben schon erwähnt. Zum assoziationspsychologischen Hintergrund Hartmanns siehe den Ergänzungsband zur Philosophie des Unbewussten, Das Unbewußte vom Standpunkt der Physiologie und Descendenztheorie, 2. Aufl, Berlin 1877. Darin die Abschnitte VIII., Die Abkürzung der Ideenassociation und die Vererbung der Denkformen, S. 137 ff. Ausführlicher zur Frage der Ideenassoziation und ihrer Bedeutung für die Frage von innerer und äusserer Kausalität äussert sich Hartmann auch in der Schrift, Kritische Grundlegung des Transcendentalen Realismus, 2. Aufl., Berlin 1875. Siehe dort das Kap. V., Transcendente und immanente Causalität, S. 70 ff. Vor allem S. 81 ff – (alternativ ggf hier). - Die Entwicklung der Psychologie des Denkens ist übrigens auch einer der Gründe, warum sich der Standpunkt Volkelts seit 1886 ziemlich grundlegend veränderte, wie er 1918 im Vorwort zu Gewißheit und Wahrheit schrieb, wo er die Frühschrift Erfahrung und Denken als sein «Jugendwerk» bezeichnet und die Spätschrift von 1918 als die «endgültige Gestalt seiner Erkenntnistheorie». Wobei es nicht seine «immanent psychologische» Methode war, die sich änderte, sondern seine Einschätzung der anhand dieser Methode gewonnenen Resultate. Deswegen sieht Volkelts «endgültige Gestalt» seiner Erkenntnistheorie auf der Resultatebene auch sehr anders aus, als die Schrift Erfahrung und Denken von 1886. Folglich läßt sich Erfahrung und Denken auch nicht bedenkenlos als Volkelts «Hauptwerk» bezeichnen, wenn er doch selbst davon sagt, dass es als sein Jugendwerk nur einen vorübergehenden Status hatte. Die Bezeichnung «Hauptwerk», auf die man gelegentlich stößt, ist sachlich also unzutreffend, wenn man als Maßstab dasjenige anlegt, was er als Verfasser selbst an Bewertung über seine erkenntnistheoretische Forschung, Entwicklung und ihre Ergebnisse vorbrachte. Man wird sich also zwecks Beurteilung Volkelts an Volkelts endgültiger Fassung der Erkenntnistheorie von 1918 orientieren müssen, die methodisch zwar immer noch «immanent psychologisch» vorging. Aber sich auf der Ergebnisseite doch sehr gewandelt hatte. Erfahrung und Denken war danach sein methodisch fruchtbares Jugendwerk, aber von der Forschungsseite her gesehen nicht etwa sein Hauptwerk. (Siehe zu dieser Wandlung ausführlicher auch hier, S. 127 ff). Ich sage das auch mit Blick auf Rudolf Steiner, der sich, wie er in Wahrheit und Wissenschaft schrieb, maßgeblich und nur von den erfahrungsanalytischen Teilen Volkelts inspirieren ließ, wie es bereits in den Grundlinien von 1886 und in Wahrheit und Wissenschaft sichtbar wird. Am Prinzip der «reinen Erfahrung» hatte sich indessen bei Volkelt auch 1918 nichts verändert. So wenig wie bei Steiner. Bei Steiner führt der elaborierte Weg der «reinen Erfahrung» dann laut GA-322 in die imaginative Erkenntnis. - (Bleibt weiter noch zu ergänzen: Aufgeblasene Luftbuchungen des Schuldscheinphysikalismus sind indessen auch der mechanistische Scientismus des Herrn Harari und seiner materialistischen Mitbucher aus der IT-Scene. Siehe zu diesem eher logisch orientierten Thema auch die Schrift von Melchior Palagyi, Der Streit der Psychologisten und Formalisten in der modernen Logik. Leipzig 1902. Ferner umfangreicher, Willy Moog, Logik, Psychologie und Psychologismus, Halle a. S. 1919. Desgleichen Karl R. Popper, Objektive Erkenntnis, Hamburg 1984, S. 232 f. Sowie Popper / Eccles a.a.O., S. 105 ff. Ferner Steiner, GA-21, S. 30 f. ; sowie S. 130 ff.) - Steiner hält vom leeren «Schuldscheinidealismus» Hartmanns, wo sich rein hypothetisch irgend etwas in Zukunft herausstellen soll, ebenso wenig wie Popper von den substanzlosen Zukunfts-Versprechungen des modernen Materialismus. Und zwar mit durchaus vergleichbaren Gründen. Insofern in beiden Fällen auf die selbstdestruktive Form der Argumentation hingewiesen wird, die im Fall der rein hypothetischen, äußerlich ursächlichen Erklärung des Erkenntnisprozesses sowohl beim Idealisten Hartmann als auch bei den Physikalisten vorliegt. Die einen berufen sich hypothetisch auf unerreichbare physikalistische Ursachen, und der Idealist auf spirituelle und physikalistische. Wobei in beiden Fällen noch hinzu kommt, dass der physiologische Beobachtungsweg zu den inneren Erlebnissen, - über die Hirnprozesse im weitesten Sinne, - nicht nur laut Steiner (Kap. IV, hier S. 52) unterbrochen ist. Auch der heutige Hirnphysiologe kommt an die Sachen, nämlich an die faktischen Innenerlebnisse, niemals direkt heran, und kann die Erfahrungslücke zwischen äusserer und innerer Beobachtung nur durch Hypothesen schließen. Siehe ergänzend Steiner aus späterer anthroposophisch / anthropologischer Sicht dazu in GA-21, S. 150 ff. Das ursächliche «Wegerklären» der erlebten (seelisch/geistigen) Tatsachen durch empirisch unerreichbare Verursacher, das laut Peter Bieri bis mindestens in die 1980er Jahre Tradition hatte, war ein auch damals übliches Verfahren, sowohl von mechanistischen Physikalisten aus der Hume- und Kant-Richtung, aber eben bisweilen selbst von Idealisten wie Eduard von Hartmann. Bei Nietzsche wird uns das weiter unten gleich auch noch kurz begegnen, der bei näherem Hinsehen in seinem Willen zur Macht ein Bild konzipiert, wo aus dem Menschen einer wird, der die Ziele der Menschwerdung völlig verfehlt hat. Und in seiner grenzenlosen Dummheit und Unwissenheit nur noch von seinen blinden Trieben zur Macht gesteuert wird. Bei Nietzsche interessanterweise auch unter Hinweis auf die angebliche «Tatsache», dass das erkennende Denken überhaupt nicht empirisch zu erklären sei. So dass bei Nietzsche nur noch die blinden Machttriebe übrig bleiben, die das Verhalten des Menschen steuern. Was man gut und gern in Analogie setzen könnte zum bösartig intelligenten Erfolgskonzept des imperialen Anglo-Amerikanismus, wie es von George Friedman (Minute 59 ff) oben geschildert wurde. Das im alleinigen Interesse der Machttriebe zynisch ist und nicht moralisch. Aber in ihrer materialistischen / geopolitischenen Menschenverachtung angeblich funktioniert. Desgleichen kann man Nietzsche auch in Analogie setzen zum Transhumanismus des Klaus Schwab, der in seinen scientistischen Zukunftsvisionen aus dem Menschen jemanden «fertigen» möchte, der in Wirklichkeit weit unter die Stufe jedes Menschentums herabgestoßen wird. Wobei Schwabs Muse Harari anstelle dieser menschlichen Maschinen-Vertierung seinen Lesern darin seine angebliche Vergottung suggeriert. Womit Hararis materialistisch-vordergründiger Unverstand mit solcher scientistischen Umdeutung wahre Orgien feiert, und sich folglich als das leere Scheinwissenschafts-Geschwätz entlarvt, das es auch ist. - Bleibt auch noch einmal auf den aufschlußreichen, aber regelmäßig und gern übersehenen Sachverhalt hinzuweisen, daß Steiner nur wenige Zeilen vor seinem kritischen Absatz zu Hartmann in der Philosophie der Freiheit (hier S. 36) schrieb: „ … es kommt darauf an, daß nichts gewollt wird, was, indem es sich vollzieht, vor dem «Ich» nicht restlos als seine eigene, von ihm überschaubare Tätigkeit erscheint. Man muß sogar sagen, wegen der hier geltend gemachten Wesenheit des Denkens erscheint dieses dem Beobachter als durch und durch gewollt.“ - Dieselbe Sachlage also im dritten Kapitel der Philosophie der Freiheit dargelegt, wie wir sie in Wahrheit und Wissenschaft und in den Grundlinien bereits vorfanden: Das Hervorbringen von Begriffen und Ideen muß unmittelbar als eigene Tätigkeit auch erlebt / «gegeben» sein. Und ist es bei Steiner über das gesamte Frühwerk hinweg auch! Was nachfolgend dann in späteren Kapiteln der Philosophie der Freiheit (hier S. 180 f) präzisiert und befestigt wurde in der Wendung vom «intuitiv erlebten Denken, das eine Wahrnehmung sei, in welcher der Wahrnehmende selbst tätig ist. Und eine Selbstbetätigung, die zugleich wahrgenommen wird.» Ein Vergleich Steiners mit Popper / Eccles ist insofern auch aufschlußreich, da beide sowohl mit logischen, als auch mit empirischen Argumenten in Richtung der Aufklärung des menschlichen Erkenntnisvermögens zielen. Der frühe Steiner vom Idealismus Goethes und den Naturwissenschaften kommend, und speziell von Volkelt einen Weg gebahnt bekam, um die innere Beobachtung für seine idealistischen Ziele fruchtbar zu machen. Was ja später zum dem verständlichen Wunsch führte, in einem psychologischen Laboratorium diese Grundlagenarbeit fortzuführen. Dann in der Schrift Von Seelenrätseln auch gleichermaßen empirische wie logische Begründungen für die Leibesunabhängigkeit des menschlichen Denkens exemplarisch vorbrachte. Während Popper ursprünglich als Schüler Bühlers aus der introspektiven Psychologie kommend sich dann zwar schwerpunktmäßig der Wissenschaftsphilosophie zuwandte, aber den Kontakt zur introspektiven Psychologie nicht verlor, wie an dem Gemeinschaftsband mit Eccles deutlich wurde. Wo sie dann von dieser Seite wiederum versuchten, als «Aristoteliker» sich ihren Weg zum «Platonismus» (ihre Welt 3) zu bahnen, um an die Ausdrucksweise Steiners von weiter oben anzuknüpfen. Dabei sogar wie Steiner auf Ausdrücke wie «intellektuelle Anschauung» rekurrierten. Oder auf Termini wie «äußerer» und «innerer» Sinn. - Ergänzend sei weiter angemerkt, dass der anthroposophische Übungsweg exakt diesen weiteren introspektiven Weg nach innen verfolgt, indem er etwa die Wirk-, Empfindungs,- und Urteilskräfte im Inneren maßgeblich verstärkt, wie man es bei Steiners Grund- und Hauptübungen bis in Einzelheiten dargelegt findet. An solchem erstarktem Innenleben setzen dann weitere Beobachtungen ein, die verständlicherweise sehr viel mehr Einzelheiten aus diesem Innenleben zutage fördern können, als nur die anthroposophische Grundlagenforschung mit oder ohne psychologisches Labor. (Siehe dazu Steiner übersichtlich hier in GA-35, S. 269 ff. Auch zu diesem Thema Näheres hier, die Kapitel auf den Seiten 1210 ff.) Man kann zudem insbesondere bei einem Vergleich mit Popper / Eccles durchaus Steiners Forderung verstehen, daß die weitere Erkenntnis des menschlichen Denkens notwendigerweise methodisch nach innen führt, wie er es im Skizzenhaften Ausblick von GA-18 vorbringt. 41. Warum auch Witzenmann den Bereich des Denkens verläßt Schaut man sich Steiners Frühwerk näher an, dann wird man unschwer erkennen, dass seine Sicht von der «erlebten Tätigkeit des Denkens» sein gesamtes Frühwerk kontinuierlich durchzieht. Es gibt nirgendwo eine Abweichung davon. Während bei Steiners anthroposophischen Interpreten oft die absonderlichsten Auffassungen dazu vorgebracht wurden. Etwa dahingehend, dass es in Steiners Erst- und Zweitauflage der Philosophie der Freiheit unterschiedliche Auffassungen dieser Sachlage gäbe und dergleichen. So etwa Georg Kühlewind dazu. Der Grund für diese Einschätzung ist stets derselbe: Ungenügende Kenntnis, und in der Regel sogar katastrophale Unkenntnis von Steiners Frühwerk. Und entsprechend auch Unkenntnis von dem, was Steiner in der Philosophie der Freiheit den «Ausnahmezustand» nennt. Desgleichen ungenügende Kenntnis von dem, was er «Beobachtung des Denkens» nennt. Mit der Folge, dass Steiners Empirismus des Denkens dabei nebst seiner erkenntniswissenschaftlichen Argumentation bei seinen Interpreten regelmäßig auf der Strecke blieb. Letzten Endes gilt der Einwand Steiners gegen Eduard von Hartmann, - „Man kann nicht zu etwas kommen, was das Denken bewirkt, wenn man den Bereich des Denkens verläßt“, - natürlich auch gegenüber Witzenmanns «Erzeugungsproblem» aus der Strukturphänomenologie. Wo das menschliche Denken auch nur noch durch von außen hinzugebrachte Hypothesen erklärt wird, weil gar keine empirische Möglichkeit zugestanden wird, die Aktivität des Denkens unmittelbar zu erleben und zu beobachten. Somit wird also von Witzenmann die empirische Selbsterklärungsfähigkeit des menschlichen Denkens von vornherein ausgeschlossen. Sodaß der Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem ebenfalls «sachlich nie zu erreichen ist», wie es Steiner im Kapitel 14 der Grundlinien schon den Kausalerklärern im Umfeld Kants vorhielt. Der ganze sich darum herumrankende Wust an Fehlinterpretationen aus Witzenmanns Buch Goethes universalästhetischer Impuls, von 1987, wo etwa (S. 356, S. 386, S. 397) die Frage: «Wie Unbeobachtbares zur Erinnerung werden kann?» zur «erkenntnistheoretischen Grundfrage» hochstilisiert wurde, gehört neben seinen angeblich «unerinnerbaren Allgemeinbegriffen» (ebd. S. 366 f) ebenfalls dazu. Ein einzigartiges, paralogisches Tohuwabohu in Witzenmanns Grundlagenforschung, die ähnlich wie bei Eduard von Hartmann nur noch eine rein spekulative Hypothesenwirtschaft zur Erklärung des Denkens übrig läßt, ohne jemals zum empirischen Kern und wirkenden Wesen der Sache zu gelangen. Wo also von Witzenmann auch «der Bereich des Denkens verlassen wird», wie Steiner es Eduard von Hartmann kritisch zuschreibt: „Man kann nicht zu etwas kommen, was das Denken bewirkt, wenn man den Bereich des Denkens verläßt.“ Im Falle Witzenmanns wird dann nämlich (S. 334) die «Erinnerungskunde zur erkenntniswissenschaftlichen Fundamentalwissenschaft». Weil ihm die angebliche «Rätselhaftigkeit des sogenannten Ausnahmezustandes» (S. 346) zum Anlaß wird, um seine eigenen, obskuren philosophischen Konstrukte zu erzeugen, die mit Steiners Anliegen zwar rein gar nichts mehr zu schaffen haben, aber von Witzenmann an die Stelle von Steiners Erkenntniswissenschaft gesetzt werden. Deren «erkenntnistheoretische Grundfrage» fortan bei Witzenmann lautet: «Wie kann Unbeobachtbares zur Erinnerung werden?» - Wie gesagt ausgehend von der «Rätselhaftigkeit» des sogenannten «Ausnahmezustandes» der Philosophie der Freiheit. Anstatt sich klar zu machen, was in diesem prinzipiell und methodisch vollkommen banalen «Ausnahmezustand» eigentlich geschieht, wo sich der Denker denkend / betrachtend dem erfahrenen Denken gegenüberstellt, um das Denken zu erkennen. Grundsätzlich ist es also ein ganz simpler Vorgang, diese «Art Ausnahmezustand». Was entsprechend auch laut Steiners eigener Auskunft im dritten Kapitel «jeder kann», wenn er nur will. Was alles auch in Steiners Frühschriften und im dritten Kapitel zumal erläutert wird. Witzemann untersucht also fortan die Erinnerung, die aus der Sicht Steiners dem denkenden Erkennen des Denkens ja nur nachgeordnet sein kannn, aber diesem gegenüber niemals in den Rang einer vorgeordneten «Fundamentalwissenschaft» erhoben werden kann. Zur Klärung des Denkens ist Witzenmanns vorgeordnete «Fundamentalwissenschaft» demnach ganz ungeeignet. - Nicht zuletzt ist es bei Witzenmann, wie bei den meisten anderen fragwürdigen Interpreten Steiners, nur ein eklatanter Mangel an Werkkenntnis, was ihn zu derart abwegigen Überlegungen als Folge einer gänzlich fehlgehenden Ausdeutung treibt. Kommt aber gar nicht selten auch bei anderen Interpreten vor. Wo Witzenmann sich dann mit einem dramatisch verengten Tunnelblick förmlich in der «Rätselhaftigkeit des Ausnahmezustandes» verliert, ohne einen klärenden Blick auf andere, sogar nächstgelegen und unmittelbar vorangehende oder nachfolgende Textstellen der Philosophie der Freiheit, oder der Frühschriften Steiners zu werfen, die Steiners Verständnis hätten verdeutlichen können. Oder in dessen näheres geistesgeschichtliches Umfeld dieser Zeit zu schauen, wie es von Steiner persönlich dokumentiert ist, und wie es ein ernsthafter Hermeneutiker zwecks Aufhellung von philosophischen Problemstellen ebenfalls täte. Dieser extrem eingeengte «Ausnahmezustand-Tunnelblick» Witzenmanns auf Steiners Werk Philosophie der Freiheit, ohne Berücksichtigung seines vollen Umfangs und zumindest der wenigen restlichen Frühschriften, ist ebenfalls in der anthroposophischen Szene noch gar nichts Ungewöhnliches. Wenn Witzenmann sich dann aber mit derart dilettantisch herausdestillierten und ganz extrem folgenreichen Interpretations-Irrtümern auch noch selbst an Steiners Stelle setzt, und dessen Erkenntniswissenschaft nebst ihrem Fundament durch seine abwegigen selbstfabrizierten Interpretations-Destillate substituiert, so ist das schon ein «sehr, sehr markanter Vorgang». Was als «Erzeugungsproblem» der Strukturphänomenologie mit ihren Schichtungsfantasien auch gar nicht erst formuliert worden wäre, wenn Witzenmann sich nur die Mühe gemacht hätte, einmal etwas näher hinzusehen, was Steiner in seinen sämtlichen Frühschriften und zumal im dritten Kapitel der Philosophie der Freiheit eigentlich dazu ausgeführt hat. Wo es beispielsweise (hier S. 36) ausdrücklich «darauf ankommt», „daß nichts gewollt wird, was, indem es sich vollzieht, vor dem «Ich» nicht restlos als seine eigene, von ihm überschaubare Tätigkeit erscheint. Man muß sogar sagen, wegen der hier geltend gemachten Wesenheit des Denkens erscheint dieses dem Beobachter als durch und durch gewollt.“ So etwas hat Witzenmann offensichtlich während seinem annähernd 40jährigen Ringen mit dem «Ausnahmezustand» nie gelesen und nie bedacht. Geschweige denn jemals durch weitere Vergleiche mit Steiners Grundlegungsschriften in sein heuristisches Klärungskonzept einbezogen. Das Aufklärungsanliegen eines jeden ernsthaft forschenden philosophischen Problemlösers fehlt im Falle Witzenmanns, und zumal an dieser Schlüsselstelle von Ausnahmezustand und Beobachtung des Denkens, wirklich gänzlich. So dass er 40 Jahre lang so gut wie nichts tat, um der Erhellung seines Verständnisproblems durch Vergleichstudien an Steiners Frühschriften und im Forschungsumfeld irgendwie näher zu kommen. Gleichwohl reichte das aber trotz aller massiven Forschungskargheit nach Witzenmanns Selbsteinschätzung bereits aus, um Steiner erkenntniswissenschaftlich durch die eigene Person zu ersetzen. Wie man heute noch an Witzenmanns unbedachten Anhängern sieht, die ihm darin folgten. Also in diesem Fall von fundamentalen Mißinterpretationen von Schlüsselstellen aus Steiners Frühwerk ist das zunächst nur ein Ausdruck von hochgradigem inneranthroposophischem Forschungs-Flickwerk Witzenmanns, der damit Steiners empirische und erkenntniswissenschaftliche Fundamente und Anliegen ohne jedes Verständnis an ihrer Wurzel zerstörte, und sie durch untaugliche und gänzlich abwegige selbstgeschaffene ersetzte. Worin ihm dann aber auch noch seine Anhänger vollkommen blind nacheiferten. Was also, und das wiegt eben in der weiteren Entwicklung so schwer, nachkommend Jahrzehnte lang anhaltend und blauäugig / ungeprüft von Witzenmanns Schülern übernommen, und von ihnen bis heute in aller Naivität wie eine Ersatzreligion weiter transportiert wurde, deren Ursprung sie nicht kennen, weil sie Steiners eigene Grundlagen nicht kennen. Wo man aber auch gar nicht durch eingehende Vergleiche wissen wollte und will, wo Witzenmanns «Variante» herkam, und wie sie aus Steiners Grundlagen entstand. - «Modern Science at its best!» Oder besser gesagt: Geistesgeschichtliche Realsatire! Und noch viel mehr Pfusch. Mit dem extremen Forschungs-Mangel Witzenmanns korrespondierte in diesem Fall der noch viel größere: nämlich die Einfalt und wissenschaftliche Gleichgültigkeit seiner Anhänger, wo offenbar gar kein Aufklärungs- und Wahrheitsbedürfnis mehr zu existieren scheint. Wo man intellektuell dahin vegetiert, ohne jeden eigenen ernsthaften Versuch einer nachfragenden Aufarbeitung und näheren Abklärung dieser Irrtümer Witzenmanns durch ihre prüfende Kontrastierung mit dem Originalwerk Steiners; was wissenschaftlich der selbstverständliche Normalfall hätte sein müssen. Das ging stattdessen bis hin zur bizarren, aufwändigen und großzügig gesponserten Übersetzung des von Witzenmann geschaffenen Humbugs der Strukturphänomenologie ins Englische durch einen seiner Anhänger. Ohne daß dieser Anhänger von Steiners eigenen Grundlagen viel wußte, wie wir vom Übersetzer Wagemann (S. L f) hören: „However, a comprehensive comparison of Witzenmann’s approach with Steiner would go beyond the scope of this introduction and hence remains one of the research desiderata of the future.“ Da werden ebenfalls, wie bei den Materialisten, nach rund 70 Jahren Witzenmann-Irrtümern die Hoffnungen einer soliden Problemlösung und werkgenetischen Abklärung wie ein Versprechen auf eine höchst unbestimmte Zukunft verlagert. Was eben im Klartext heißt: Sie wissen zur Zeit nichts Ernstzunehmendes darüber. Und wußten das lange vorher auch schon nicht. Und ob sie eine ernsthafte Klarstellung in Zukunft überhaupt durchführen werden, das bleibt doch einigermaßen ungewiss. So daß Herr Schieren mit der gänzlich substanzbefreiten Behauptung daher kommt, Steiners seelische Beobachtung der Philosophie der Freiheit sei keine Introspektion. Während Steiner 1917 laut Schrift Von Seelenrätseln (S. 170 f) ausdrücklich mit «jedem der auf dem anthroposophischen Geichtspunkt steht», zwecks weiterer Grundlagenklärung eindringlich ins psychologische Labor will. Indes der «Professor für anthroposophische Erkenntnisgrundlagen», Klünker, den ich nicht unbedingt bei den Anhängern Witzenmanns anzusiedeln wüßte, bezeichnenderweise kein einziges Wort über jene «Erkenntnisgrundlagen» verliert, die permanent von Steiner selbst als solche angegeben werden. - Dem nach Aufklärung begehrenden Leser jedenfalls wird hier, - im Sammelband der Alanushochschule, - buchstäblich das erkenntniswissenschaftliche Fell über die Ohren gezogen. So daß man dann angesichts solcher verheerenden Umstände von wohl organisierter, großzügig finanzierter und effektiver Fundamentverwüstung, - denn anders läßt sich dieser langjährige und auch noch generös geförderte destruktive Umgang mit Steiners frühen Rechtfertigungsschriften kaum noch bewerten, - ohne weiteres und nicht ohne Sarkasmus resümieren kann: Wer wie Steiner derart sorgfältige und gewissenhafte «anthroposophischen Freunde» dauerhaft in der akademischen Grundlagenforschung wirkend hat, der braucht eigentlich gar keine Gegenspieler und Widersacher mehr! Dieses interne «Widersachersystem», so weit es Witzenmann betrifft, wurde seit 1948 dort installiert, seit Witzenmann in der Erstfassung seines Aufsatzes Intuition und Beobachtung in der Zeitschrift Die Drei, Heft 1, Februar 1948 mit Verstiegenheiten dieser Art seine öffentliche Aufwartung machte. Richtig ins Rollen kam es dann etliche Jahzehnte später vor allem seit den 1970ern, wo ich es selbst auch aus erster Hand miterlebt habe. Seither wurde eine gründliche Aufklärung über Steiners Grundlagen seitens der Anthroposophen systematisch und selbstzerstörerisch hintertrieben. Wovon der Sammelband der Alanushochschule nur einen besonders exemplarischen und katastrophalen Eindruck vermittelt. 42. Von Nietzsche bis Cancle Culture Fassen wir noch einmal zusammen: Wenn Sie das Kausalitätsproblem nicht empirisch auf dem Wege der inneren Beobachtung lösen können, dann nützt Ihnen heute auch der ganze Idealismus und Universalienrealismus nichts. Weder zur empirischen Erklärung der Welt, noch zum Nachweis der menschlichen Freiheitsfähigkeit, wie man exemplarisch am Beispiel Eduard von Hartmanns nachvollziehen kann. Während Steiner als wacher Zeitgenosse auch Nietzsche aufmerksam wahrnehmend, von letzterem in GA-240, S. 195 ff schreibt, in der tragischen Person Nietzsche sei Ahriman persönlich als Schriftsteller aufgetreten, und das werde immer weiter zunehmen. - Was man ihm angesichts der heutigen Lektüre von Herrn Klaus Schwab und seinem literarischen Ohrenbläser Harari gerne glauben möchte. Von Nietzsche wiederum kann man den Eindruck gewinnen, daß er mit aller verbissen-genialischen Energie und Sprachgewalt gegen die menschliche Freiheit kämpfte, indem er den Glauben und das Vertrauen an schlichtweg alles zerstörte. Vorrangig den an die Solidität von Denken, Vernunft und Erkennen, bis hin zum Vertrauen in die Existenz des eigenen «Ich», wenn man sich seinen, von Steiner im Vortrag ebenfalls genannten, Willen zur Macht anschaut. In dieser Beziehung ist er in seinen nihilistisch entwurzelnden Bestrebungen durchaus vergleichbar den modernen Cancle-Culture-Strategen, die den Menschen ebenfalls an der eigenen Vernunft zweifeln lassen, und damit beginnen, selbst Logik und Mathematik wegzureißen, und in ihrem zerstörerischen Willen zur Macht zunehmend wirklichkeitsprägend werden. Dem Menschen ebenfalls das eigene «Ich» stehlen und durch irgend ein nebuloses materialistisches Kollektiv ersetzen. Sich von Nietzsche freilich insofern unterscheiden, als sie pragmatischer vorgehen als er, und auch die faktisch Dümmsten und Skrupellosesten an die Spitze von Gesellschaft, Politik und Diplomatie hieven. Während Nietzsche sich an eine Bildungselite seiner Zeit richtete, die vielfach nicht bemerkte, dass sein Zerstörungswerk an Vernunft und Einsicht sich vollzieht, indem es ausgerechnet an die menschliche Vernunft und Einsicht appelliert, und sich somit permanent selbst widerspricht. Denn man kann ja nicht konsistent Denken und eigene Vernunft infrage stellen, ohne sie dabei ständig im Überzeugungsverfahren vorauszusetzen. Sich dabei regelmäßig auch an wissenschaftliche Vorurteile und Halbwahrheiten der eigenen Zeit klammerte wie an unverrückbare Felsen der Wahrheit. An die verpönte Wissenschaft und das Erkenntnisvermögen heften sie sich alle beide: Heute trägt man unter dem Schlagwort: «Folget der Wissenschaft!» dieselbe vordergründig wie eine Monstranz vor sich her. Während man sie in Wirklichkeit mit allen Mitteln zerstört, indem man den Menschen unter dem Label der Wissenschaft Lug und Trug auftischt, oder jene vernichtet, die als ernsthafte Wissenschaftler in Erscheinung treten, wie im Fall der Corona- und Impfkrise und des inszenierten «menschengemachten» Klimawandels. Nietzsche wiederum, indem er in seinem Willen zur Macht beispielsweise die Geltung des ohnehin nicht solide fundierten Kausalitätsprinzip bis ins eigene Bewußtsein hinein läugnete, und sich damit nur an Humes eigenen Vor- und Fehlurteilen (von Reininger zusammengefaßt auf S. 168 ff) festbiss, verstieg sich zu Sätzen wie diesen: „Wenn wir nur die inneren Phänomene beobachten, so sind wir vergleichbar den Taubstummen, die aus der Bewegung der Lippen die Worte erraten, die sie nicht hören. Wir schließen aus den Erscheinungen des inneren Sinns auf unsichtbare und andere Phänomene, welche wir wahrnehmen würden, wenn unsere Beobachtungsmittel zureichend wären, und welche man den Nervenstrom nennt. [] Für diese innere Welt gehen uns alle feineren Organe ab, so daß wir eine tausendfache Komplexität noch als Einheit empfinden, so daß wir eine Kausalität hineinerfinden, wo jeder Grund der Bewegung und Veränderung uns unsichtbar bleibt, – die Aufeinanderfolge von Gedanken, von Gefühlen ist ja nur das Sichtbarwerden derselben im Bewußtsein. Daß diese Reihenfolge irgend etwas mit einer Kausalverkettung zu tun habe, ist völlig unglaubwürdig: das Bewußtsein liefert uns nie ein Beispiel von Ursache und Wirkung.“ (Nachgelassene Werke, 2. Aufl. Leipzig 1922, hier S. 35 f.) - Eine Sichtweise, von der Johannes Volkelt, Gewißheit und Wahrheit, 1918 in der Anmerkung 1 auf S. 141 schreibt, dass sie der Selbstgewißheit des Bewußtseins zuwider laufe, und es nicht zutreffend sei, dass uns das Bewußtsein kein Beispiel von Ursache und Wirkung liefere. Volkelt war da sicherlich wissenschaftlich etwas besser im Bilde als Nietzsche, denn das war sein lebenslanges erkenntniswissenschaftliches Spezialthema. Nietzsche gehörte eben nicht zu jenen, die sich auf dem Felde der erlebten und beobachteten Aktivitäten des Bewußtseins erfolgreich betätigten. Demgemäß dann mit einer derartigen Argumentation daher kommt, die das eigene Bewußtsein, und sogar das eigene Denken und Erkennen zum unbeeinflußbaren Spielball unbekannter Mächte und Kräfte macht. So dass der Mensch in seinen Augen bei einem gänzlichen Mangel an eigenem und selbsttätigem Erkenntnisvermögen nur vom blinden Willen zur Macht vorangetrieben wird. Der vollendete empirische / philosophische Gegensatz dazu ist Steiners «allerwichtigste Beobachtung, die der Mensch machen kann», aus dem dritten Kapitel der Philosophie der Freiheit. Die Frage ist damit natürlich: Wer eigentlich bei Nietzsche gedacht hat, wenn er es laut eigenem Zeugnis nicht selbst gewesen sein kann? Eine Frage, die man an heutige materialistische Strategen des Cancle-Culture unbesehen weiterreichen könnte. Letztlich haben wir es hier bei Nietzsche mit einem analogen zerstörerischen und wissenschaftlich leeren schriftstellerischen Scientismus zu tun wie etwa beim modernen Rattenfänger Harari, der Muse von Klaus Schwab. Wo dann das Bild eines angeblichen «Gottmenschen» (Homo Deus) gezeichnet wird, der in Wirklichkeit auf die Stufe eines intelligenten Maschinen-Tieres herunter gedrückt wird, und damit das Ziel seiner Menschwerdung verfehlt. Mit der Erkenntnis einer «Natur im Inneren, bevor man die äußere erkennen kann», wie Steiner das in der Philosophie der Freiheit im zweiten Kapitel vorschwebte, ist es bei Nietzsche nicht weit her. Daß es auf Nietzsches philosophischer und psychologischer Basis völlig aussichtslos ist, empirische Belege für die menschliche Freiheit beizubringen, versteht sich ebenfalls von selbst. Daß es um die Freiheit wiederum schlecht bestellt ist bei jemandem, der glaubt, «dass seine Gedanken kommen und gehen wie sie wollen und nicht wie er will», wie es vor einiger Zeit im Fassadenkratzer mit Blick auf Robert Habeck und Nietzsche hieß, versteht sich auch. Bei dieser Lage der Dinge wäre er ja nicht einmal imstande, auch nur einen einzigen Gedanken aktiv zu durchdenken, geschweige denn vernünftige Erkenntnisurteile zu erreichen, vielschichtige Abwägungen anzustellen und selbstverantwortete Handlungsentscheidungen auf dieser Grundlage zu fällen, und entsprechend auch willentlich zu handeln. So dass man ernsthaft den Gedanken in Erwägung ziehen muß, dass uns die politischen Traumtänzer von heute in den Untergang und einen dritten Weltkrieg, auf jeden Fall aber in einen vollkommen mechanisierten Global-Faschismus führen, als Folge ihrer politischen Wach-Träumereien. Wo die mörderisch mechanischen Gedanken kommen und gehen wie sie wollen, und die angeblichen Entscheidungsträger gar nicht wissen, was sie selbst denken und wollen. Und damit auch nicht zurechnungsfähig sind. Was man als physio-psychologische Forschungsüberzeugung bereits bei Steiners Zeitgenossen, dem physiologischen Psychologen Theodor Ziehen (hier S. 208 f) als Konsequenz genau dieser mechanistischen, assoziationspsychologischen Sachlage lesen konnte, daß alle Vorgänge im Bewußtsein sich zwanghaft, quasimechanisch und unbeeinflußbar vollziehen: „Unser Handeln ist necessitiert wie unser Denken.“ So schrieb Theodor Ziehen. Die physiologische Psychologie lehre, „unser Handeln ist streng necessitiert, das nothwendige Product unserer Empfindungen und Erinnerungsbilder. Man könnte also dem Menschen eine schlechte Handlung ebensowenig als Schuld zurechnen, wie einer Blume ihre Hässlichkeit. Die Handlung bleibt deshalb - auch psychologisch - schlecht, aber sie ist zunächst keine Schuld.“ Das war von Ziehen so ganz ernst gemeint. Schuld und Verantwortung kann es indessen unter den von Ziehen angegebenen Voraussetzungen nicht nur «zunächst nicht» geben, wie Ziehen schrieb. Sondern es kann sie unter diesen Umständen «prinzipiell gar nicht» geben, wie auch Steiner an anderer Stelle (GA-166, S. 116 bis 132) dazu ausführte. Wohingegen in der Philosophie der Freiheit am Ende von Kapitel III (hier S. 36) im vollendeten Kontrast zu Ziehen zu lesen ist: „Mag es das Wesen des Denkens immerhin notwendig machen, daß dieses gewollt wird: es kommt darauf an, daß nichts gewollt wird, was, indem es sich vollzieht, vor dem «Ich» nicht restlos als seine eigene, von ihm überschaubare Tätigkeit erscheint. Man muß sogar sagen, wegen der hier geltend gemachten Wesenheit des Denkens erscheint dieses dem Beobachter als durch und durch gewollt.“ - Demgegenüber erklärt der psychologische Physiologe Ziehen, ähnlich wie schon Eduard von Hartmann, das Denken durch einen kausalen Zwangsmechanismus von außerhalb des Denkens. Was bei Steiner, wie wir oben in den Kapiteln 38 bis 40 sahen, generell nicht möglich ist, - und schafft damit als physiologischer Psychologe das wirkliche Denken und jede Möglichkeit zu Freiheit, Ethik und Verantwortlichkeit ab. Während all das – Freiheit, Ethik und Verantwortlichkeit – bei Steiner im Kapitel Die Konsequenzen des Monismus gemäß den beiden Zusätzen von 1918 zur Philosophie der Freiheit in der Freiheit des erkennenden / intuitiven Denkens wurzeln (hier S. 179 ff). Wo das noch einmal in aller Ausdrücklichkeit hervorgehoben wird. Aus einer noch etwas anderen Perspektive wiederum betrachtet, setzt wirkliches Denken und Erkennen auch bei Steiner voraus, daß die Menschen ihr Denken, Erkennen und Urteilen an den Regeln der Logik orientieren, die nicht an die Gesetze der Physiologie gebunden sind. Ähnlich haben wir es oben im Kap 39 auch von Popper anlässlich seiner Kritik am «Schuldscheinphysikalismus» der Materialisten gehört. - Steiner seinerseits betrachtet diese Sachlage besonders an verschiedenen Stellen in seiner Schrift Von Seelenrätseln (GA-21; S. 132 ff). Und nennt dort die von den leiblichen Gesetzen unabhängige Suche nach der Wahrheit Ausdruck eines «rein Seelischen», das nicht den Regeln der Physiologie unterworfen ist. Ähnlich und mit anderen Worten auch in der Philosophie der Freiheit im Kapitel IX (hier S. 102 f) die Tatsachenfeststellung von der «Zurückdrängung der leiblichen und seelischen Organisation durch das Denken». Die ganze Passage dort sollte der Leser sich eine Weile lang zur täglichen Meditation vorlegen, um einen Eindruck von den Konsequenzen solcher Tatsachen zu bekommen. - Indes Theodor Ziehen als physiologischer Psychologe letztinstanzlich und mehr implizit behauptet, dass jene Menschen, die so «denken» und «handeln», wie es seinen Forschungen zu entsprechen schien, in Wirklichkeit nicht zurechnungsfähig sind, sondern nur von Zwangsgedanken und Zwangshandlungen umgetrieben werden. Denn nichts anderes bedeutet dieses «Necessitiertsein im Denken und Handeln», von dem er in seinem Leitfaden spricht. - Wovon er sich, und das bleibt hinzuzufügen, bei der von ihm beschriebenen Lage der Dinge auch selbst nicht hätte ausnehmen können, wenn er nur konsequent genug gewesen wäre. - Da fragt es sich ähnlich wie schon bei Nietzsche: Wer denn da eigentlich gedacht (und gehandelt) hat, wenn er es angeblich nicht selbst war? Die sich weiter anschließende Frage dürfte sicherlich lauten: Bei allen Halbheiten und materialistischen Unmöglichkeiten, die sein Forscherresumee prägen mögen; - in welchen Fällen und unter welchen psychologischen Umständen mag die Realität dem von Ziehen Konstatierten wohl nahe kommen? Und was geschieht, wenn solche nötigungsorientierten Schlussfolgerungen wie die des Herrn Ziehen leitmotivisch und staatsphilosophisch die Organisation und das innen- und aussenpolitische Agieren ganzer Staaten und Staatenbünde über ihre sogenannten «Eliten» und Machtapparate beherrschen, wie wir es exemplarisch unten im Kapitel 54 noch von den einflussreichen Zeitgenossen Attali, Harari und ihresgleichen zu hören bekommen? Darüber hinaus liegt die Frage auf der Hand: Wenn Rudolf Steiner auch in seinem Rechtfertigungsvortrag vom 25. Mai 1921 in GA 255b, S. 295 ff erläutert, dass der Mensch die Fähigkeit zum reinen Denken sozusagen «vererbt» bekommt: Abgesehen davon, dass dieses Vermögen ja nicht gleichmäßig und flächendeckend über die Gesamtbevölkerung verteilt ist - wäre es auch vorstellbar, dass den Menschen diese Fähigkeit durch die politische Organisation seiner Sozialgemeinschaft auch wieder aberzogen wird, bis er sie verliert, und gar nicht mehr wirklich denken und urteilen kann? Darauf läuft ja vieles hinaus, was seit Jahren faktisch an «volkserzieherischer», medizinischer und propagandistischer Manipulation in dieser Richtung zu beobachten ist. So, wie Theodor Ziehen mit seinen mechanistischen Überlegungen von der Zwanghaftigkeit jedes menschlichen Denkens und Handelns seinerzeit die Marxisten überzeugte, wie Steiner in GA - 174b, hier S. 300 ff schrieb, und Herbert Spencer damit den Sozialdarwinismus (auch der deutschen Nationalsozialisten) impulsierte, so könnte Ziehen mit analogen Gedankengängen auch heute quasi zum Traumpsychologen jedes Bolschewoken avancieren, der in der marxistischen / sozialistischen / materialistischen Ideologie den unverrückbaren Glauben an den Mechanismus und an das menschliche Automatentum bereits mit eingepreist hat. Aber auch in jeder anderen Spielart des Marxismus / Sozialismus / Materialismus ist das so. Wo es unter den Bedingungen des vorausgesetzten Materialismus menschliche Freiheit, Moralität und Verantwortung grundsätzlich gar nicht geben kann. Nicht einmal Erkenntnis kann es unter diesen Bedingungen geben, wie wir oben im Kapitel 39 + 40 erläuterten. In moralischer bzw ethischer Hinsicht ist der Materialismus grundsätzlich nicht begründungsfähig. Besser vielleicht gesprochen: eine ganz untaugliche Ausgangsposition. Weil, und so wenig, wie er selbst erkenntnistheoretisch begründungsfähig ist. Siehe dazu oben Kap. 39 + 40. Man kann ihn selbst nicht begründen, und aus ihm generell auch keine ethischen Werte ableiten. Und ob man nun durchweg gar keine Moralität besitzt, oder sie dergestalt nach Aussen vertritt, daß man in materialistischen / sozialistischen Gesellschaften permanent die Maßstäbe wechselt, und gleichzeitig vollkommen widersprüchliche doppelte oder multiple Maßstäbe nebeneinander anwendet, wie es dort inzwischen regelmäßig der Fall ist: Das alles ist nur Ausdruck dieser materialistischen Grundtatsache der Begründungsunfähigkeit. Wo es auf so einer Basis also weder Moralität noch menschliche Verantwortlichkeit noch ethische Maßstäbe gibt und auch nicht geben kann. - Indessen: Wo es grundsätzlich gar keine ethischen Maßstäbe geben kann, andererseits aber «aus Nichts bekanntlich alles folgt», da kann es auch beliebig viele widersprechende ethische Wertmaßstäbe und Normen geben, was auf dasselbe hinausläuft wie über gar keine ethischen Regeln und Maßstäbe zu verfügen. Weil es eben vollkommen gleichgültig ist, ob sie vorhanden und ernst zu nehmen sind oder auch nicht. Sie haben für den Materialisten, wie Herr Harari so treffend diese ohnmächtige Sicht des Materialismus charakterisierte, «als menschliche Fiktionen lediglich einen rein virtuellen Wert», aber keinen wirklichen. So dass es nach Harari auch Menschenwert und Menschenwürde gar nicht gibt. Und das, – das weitestgehende Fehlen von Menschenwert und Menschenwürde, - ist ja etwas, was besonders prägend war im politischen Handeln bei den Initiatoren und ihren Assistenten der Corona-Plandemie der vergangenen Jahre. Wer also konkrete Beispiele aus der Wirklichkeit dafür sucht, wohin eine ethikbefreite materialistische Ideologie führt, der hat reichlich Anschauungsmaterial an der erlebten intelligenten Menschenverachtung und Bösartigkeit dieser vergangenen Jahre, die uns der grüne, materialistische Sozialismus fern jeder Ethik und fern von allem Menschenrecht und aller Menschenwürde beschert hat. Schließlich also geht es politisch mit solchen «ethischen Scheinmaßstäben» des Materialismus nur noch um die Außenwirkung. Und für rein pragmatisches (politisches) Blendwerk der Massenmanipulation und Bevölkerungsunterdrückung reicht das offenbar allemal hin, so der Glaube. Aus diesem und anderen Gründen sind marxistische / sozialistische / materialistische Sozialgemeinschaften, - ganz gleich welcher Coleur und Spielart, - auch lebende Widersprüche. Widersprüche, die nur von den Lügen über die angeblichen, aber in Wirklichkeit gar nicht vorhandenen «Werte» und «geachteten ethischen Regeln» zusammengehalten werden, die man den Menschen zur suggestiven Massensteuerung und Manipulation permanent präsentiert. Was Steiner oft und oft kritisch charakterisierte, und bisweilen unter dem Stichwort von den «ahrimanischen Ballspielern» ironisierte (GA-190, S. 160 ff). Lebende Widersprüche, die von den Aussenstehenden dann auch regelmäßig als politisch inszenierte und medial gefeierte ethische Perversionen des Denkens und Handelns von entzivilisierten, amoralischen und ethikfreien politischen Führern mit ständig wechselnden Maßstäben wahrgenommen werden. Wo dann die geopolitische Devise von George Friedman (Minute 59 ff) auch für den Bereich der Massenmanipulation des Materialismus im Inneren gilt: Daß das «zwar zynisch und nicht moralisch sei, aber funktioniere». Ein freier Geist wird sich unter solchen Verhältnissen in einer derartigen «Wertegemeinschaft» ganz sicher nicht etablieren und mit Ehrungen und Orden überhäuft wie die «erfolgreichen» Mitläufer und einflussreichen Erfüllungsgehilfen. Von Theodor Ziehens psychologisch etabliertem Zwangsdenken und -Handeln wäre ein auf materialistischer Grundlage mechanistisch stupide träumender Robert Habeck dann auch nicht ausgenommen. Auch wenn Habeck die ganze Welt in den Untergang stürzt, könnte man von seiner Schuld nicht reden. Denn einen biologischen Denkautomaten in menschlichen Kleidern kann man schließlich nicht verurteilen. Der juristische Persilschein für die Zeit danach ist in den Materialismus nach Art der Maschinenethik Ziehens und Spencers oder Hararis quasi schon einprogrammiert: «Nicht schuldig im Sinne der Wissenschaft! Denn er konnte ja nicht anders!» - Also auch Habeck nicht zurechnungsfähig und verantwortlich im philosophisch / psychologischen Sinn, sondern allenfalls nur behandlungsbedürftig. So daß man Steiners Worte von der «ahrimanischen Schriftstellerei» Nietzsches schon in dieser Frage und mit Blick auf unsere Zeit durchaus nachempfinden kann. 43. Freiheitsforschung als innere Naturforschung. Volkelts empiristische Nähe zu Steiner und deren Voraussetzungslosigkeit in der Erkenntniswissenschaft Man halte Nietzsches Sicht der Dinge einmal neben Steiners «erlebten Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem» beim Denken und Erkennen. Ausgesprochen bereits in den Grundlinien von 1886. Man muß das als Quellenforscher natürlich auch im Zusammenhang sehen. Als umgewandelte, wahrgenommene und der Gefahr des Subjektivismus enthobene innere «Tathandlung des Erkennens» entsprach wiederum Fichtes «Tathandlung» auch Steiners eigener erkenntniswissenschaftlicher Interessenlage und den Vorgängerschriften. Bekanntlich suchte Steiner in seiner Erkenntnistheorie (hier S. 21) «mehr als nur Ich». So ausdrücklich noch einmal im zweiten Kapitel der Philosophie der Freiheit. In dieser inneren Tathandlung des Erkennens liegt für Steiner bekanntlich auch die Quelle der menschlichen Freiheit, wie er ausdrücklich in den Zusätzen zur Philosophie der Freiheit (hier S. 179 ff) schrieb. Wonach die menschliche Freiheit in der Freiheit des intuitiven Denkens wurzele. Dies aber ist ein erkennendes Denken. Nämlich jenes, so schreibt er, «durch das eine jegliche Wahrnehmung in die Wirklichkeit erkennend hineingestellt wird». Vorausgesetzt, man erlebt es auch und verschläft es nicht. Man muß also mit dem vollwachen Ich bei dieser Tathandlung des Erkennens dabei sein. Um aber das Erkennen als «Tathandlung» nur wahrzunehmen, dazu braucht man zunächst eigentlich gar keinen äußeren philosophischen Anreger, denn das erlebt man ja selbst. Das auf ganz elementarer Stufe dann auch zu erkennen, ist weiter also gar nicht anspruchsvoll, sondern eine ziemlich leichte Übung. Anspruchsvoll wird es erst, wenn man diese elementar erkannte Tatsache des inneren Tuns mit übergeordneten Problemen wie dem Kausalitäts- und Freiheitsproblem oder gar dem Schöpfungsproblem, der Universalienfrage und der Kosmologie in Verbindung bringt. Das haben wir weiter oben im Kapitel 2 bis 4 behandelt. Denn wem die philosophische und naturwissenschaftliche Erklärungslage um Freiheit und Kausalität nicht zugänglich ist, der tut sich schwer, das zur inneren Tathandlung in irgend eine Beziehung zu setzen. In derartigen Fragen wiederum stand Volkelt Steiner ebenfalls weitaus näher als Fichte. Und hinsichtlich der psychologischen Erfahrungsanalyse der Erkenntnistheorie war Fichte von Volkelt und Steiner wirklich meilenweit weg und zurück. Das mehr erkenntnistheoretisch Handwerkliche der inneren Beobachtung dieser «Tathandlung» Steiners ist infolgedessen um Größenordnungen mehr von Volkelt inspiriert als von Fichte. Weswegen Steiner in dieser erfahrungsanalytischen Beziehung Volkelt auch in Wahrheit und Wissenschaft ein nicht zu übersehendes Denkmal in der Einleitung gesetzt hat, nachdem er ihn bereits in den Gundlinien von 1886 (hier S. 31) exemplarisch mit seiner «vorzüglichen» Methode zu Wort kommen ließ. Steiners Wort von Volkelts Werk als «zu dem Besten gehörend, was die neuere Philosophie hervorgebracht hat» aus dem Kapitel IX, Goethes Erkenntnistheorie in den Einleitungen in Goethes naturwissenschaftliche Schriften, (GA-1, S. 145), und ähnlich in den Grundlinien von 1886, (Kap. 6, S. 19), diese ausgesprochene Wertschätzung bei mancher Kritik kam wahrlich nicht von ungefähr. Dazu kommt dann eben noch die Auseinandersetzung mit den haltlos begründeten Naturwissenschaften, die auf den empirisch substanzlosen Fundamenten Kants und Humes ruhten, und von dort aus ihre leeren Geschichten über die kausale Verursachung des menschlichen Denkens und Handelns erzählten, ohne zu wissen, was beim Denken, Erkennen und Handeln eigentlich vorgeht, und wie man Kausalität empirisch begründet. An diesem Problempunkt traf sich Steiner ebenfalls mit Volkelt. So etwa heißt es dazu 1886 in Volkelts Erfahrung und Denken, S. 81: „Die Forderung des Erkennens nach Allgemeinheit hängt aufs engste mit seinem Streben zusammen, kausale Verknüpfung, Gesetzmäßigkeit oder doch Regelmäßigkeit zu entdecken. … Die Hoffnung, diese Vorzüge, nach deren Auffindung alle Wissenschaft strebt, an den Veränderungen der materiellen oder psychischen Außenwelt unmittelbar wahrzunehmen, ist ein für allemal abgeschnitten. Sollen sie irgendwo erfahrbar sein, so kann diese Gunst nur der Boden des eigenen Bewußtseins gewähren." Wie in allen Frühschriften Steiners geht es Volkelt hier ebenfalls um die «unmittelbare» Wahrnehmung der genannten Eigenschaften wie kausale Verknüpfung, Gesetzmäßigkeit und Regelmäßigkeit. Auch für Volkelt gilt damit, wenn auch mit anderen Worten, dass, wer die «Natur» im Inneren nicht kennt, sie auch außen nicht finden wird. Was dem ausgesprochen nahe kommt, was Steiner dann im zweiten Kapitel der Philosophie der Freiheit dazu geschrieben hat. Insofern auch Steiner die Wirksamkeiten der Natur im Inneren erforschte, da man von außen nur bei dubioser Ausgangslage der Naturwissenschaften darüber spekulieren konnte: „Wir können die Natur außer uns nur finden, wenn wir sie in uns erst kennen. Das ihr Gleiche in unserem eigenen Innern wird uns der Führer sein.“ (Kap. II, hier S. 21.) Besonders markant aber wird das bereits auch ausgesprochen im Kapitel 14 von Steiners Grundlinien…, wo Sie das Kausalitäts- und Welterklärungsproblem Kants auf seinen hoch fragwürdigen empirischen Kern zurück geführt finden, - nämlich auf den «Dogmatismus von Offenbarung und Erfahrung», die an den sachlichen Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem «nie herankommen». Inhaltlich dahingehend, daß Kant mit Hume und mit ihnen die gesamte damalige von ihm beeinflußte Naturwissenschaft über «Kausalität», - über den Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem, - empirisch nichts wußte, sich stattdessen mit Kant in metaphysischen Spekulationen über die eigenen Kausalitätsgrundlagen verlor, und auf derart haltlos dogmatischen / metaphysischen Gedankenkonstruktionen die ganze Naturwissenschaft aufbaute, ohne den tatsächlichen Zusammenhang der Naturprozesse überhaupt zu kennen. Und auf dieser brüchigen empirischen Grundlage wieder, - um noch einmal auf das zurückliegende Kapitel 42 über Nietzsche und Theodor Ziehen zu blicken -, wo zumindest Theodor Ziehen sowohl Anhänger Humes und dessen Assoziationspsychologie, aber in der Kausalitätsfrage auch ein Anhänger Kants war, wie er in seinem Leitfaden der physiologischen Psychologie schrieb. Und beispielsweise in der Ausgabe seines Leitfadens von 1893 auf S. 213 betonte, «dass die hypothetische Ursache der psychischen Erscheinungen lediglich erschlossen, und zudem eine völlige Unbekannte für uns sei.» Womit auch er explizit einräumte, dass er «an die Sache nie herankommt», - um an Steiners Kennzeichnung dieser Problematik aus dem Kapitel 14 der Grundlinien anzuknüpfen. Angesichts der Humeschen und Kantschen Überzeugung von der Unmöglichkeit, die Geltung des Kausalprinzips empirisch sicher zu beweisen, wo Anhänger Humes wie Herbert Spencer (Kap. IV der Philosophie der Freiheit) bei Kausalurteilen deswegen «assoziativ bedingte Gewohnheitsreflexe» unterstellten, da behalf sich der ebenfalls von Hume geprägte Assoziationspsychologe Theodor Ziehen psychologisch ganz analog mit einer äußeren Hypothesenphysiologie von angeblich «kausal» verursachten seelischen / assoziativen «Zwangserscheinungen unserer Denkprozesse». Wo wir die eigentlichen Ursachen «nie» ergründen können. Kommt also auf äusserst anrüchigen Bahnen zu den folgenschwersten Urteilen über eine inexistente menschliche Freiheit; wegen einer rein hypothetisch angenommenen angeblichen Zwangsnatur des menschlichen Denkens und Handelns, die wir nie werden sicher belegen können. Wahrlich windige Worte bei nüchterner Betrachtung und angesichts der skizzierten Verhältnisse; - eines sehr namhaften Zeitgenossen Steiners. - Wenn Steiner angesichts solcher maroden Verhältnisse in der empirischen Psychologie / Naturwissenschaft in GA-166, S. 116 bis 132 vom «Träumer Theodor Ziehen und anderen» sprach, dann ist das nachvollziehbar. Diese Lage in Naturwissenschaften und Philosophie war es ja auch, die Edith Stein mit der Einleitung ihres Habilitationsentwurfs zu bedenken gab. Daß nämlich Kant «Humes Problem der Kausalität» nicht etwa (empirisch) gelöst habe, sondern lediglich auf die metaphysische Ebene «abgeschoben». Wo es nach wie vor auf seine empirische Klärung wartete. (Die entsprechenden fragwürdigen Gedankengänge Kants können Sie in der Vorrede hier ab S. 6 zu seinen Prolegomena selbst nachlesen.) Während Steiner in sämtlichen Frühschriften Anspruch darauf machte, beim erlebten Denken und Erkennen den Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem unmittelbar zu erleben. Weswegen er ja auch dort dann 1894 seinen «archimedischen Hebel der Welterklärung» verankerte. Abzusehen war das alles, - seine Positionierung des «naturwissenschaftlich Sicheren» im erlebten und beobachteten Denken, - schon 1886 in den Grundlinien … . Man muß diese Tatsachen und andere schon auch gewichten. Soll sagen: Steiners Verknüpfung der Ideenlehre mit der Psychologie des Denkens und einer Naturkräfteforschung von Innen, - Steiners «induktiver Weg zu den Ideen», von dem er überzeugt war, und den man im Kern bereits in den Grundlinien … präsentiert bekommt, - wäre ohne Volkelts gediegene und gewürdigte Vorarbeit zum «Erfahrungsbegriff» und dem des «Gegebenen» gar nicht möglich gewesen. Oder etwas zurückhaltender formuliert, und um Steiner hier Einleitung, S. 7 beim Wort zu nehmen: «Sehr erschwert worden». Wo sich Volkelts fruchtbare Vorarbeit zum rein Gegebenen dann in Wahrheit und Wissenschaft im Kapitel Vier S. 37 f anlässlich der «unmittelbaren Gegebenheit» der Denkaktivität und im Zusammenhang mit dem Begriff der «intellektuellen Anschauung» bewährt. Oder beispielsweise in Steiners späterem Wunsch nach einem psychologischen Laboratorium, der nur verständlich wird, wenn man sich die Rolle einer Psychologie des Denkens und einer reinen Erfahrung des Denkens für Steiner vergegenwärtigt. Daß aus der «intellektuellen Anschauung» von Wahrheit und Wissenschaft, dessen Vorgänger in den Grundlinien… der «erlebte Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem» im Erkenntnisprozeß, dann das «intuitiv erlebte Denken» aus den Zusätzen der Philosophie der Freiheit wurde, haben wir bereits dargelegt. Alles Sachverhalte, die konzeptionell und methodisch auch direkt auf Volkelts Forschung fußen, wie Steiner mit seiner Würdigung in Wahrheit und Wissenschaft mittelbar selbst sagt. Also haben wir in Steiners Hinweis auf Volkelt eine außerordentlich klare und bedeutende Quellensituation für eine wahrhaftige Schlüsselstelle in Steiners Gedankenbildung vorliegen. Nämlich für seine von Goethe unabhängige Gedankenbildung. Das an ganz zentraler Stelle, in seiner «für seine ganze Weltanschauung grundlegenden Schrift», wie sie 1917 in der Schrift Von Seelenrätseln auf S. 58 bewertet wurde. Womit er ja damals 1917, als die Schrift Von Seelenrätseln erstmals erschien, auch seine Anthroposophie meinte, die aus den genannten «grundlegenden» Frühwerken hervorging, in denen Volkelt so wichtig war. Um das noch einmal zu betonen. Nicht nur war Volkelt, siehe Psychologische Streitfragen ein Vertreter der Psychologie von Bewußtseinsakten, (hier in einer besser lesbaren Variante auch bei Wilhelm Humerez zu finden), und von dieser Seite Steiner (und auch Fichte) nahestehend. Vor diesem Hintergrund ist es zudem beachtlich zu sehen, wenn Volkelt in dieser Abhandlung, ebenso wie Steiner im Psychologiekapitel der Grundlinien ... von 1886 (S. 79 ff, insbesondere S. 81), eine, oder genauer: die entscheidende Aufgabe der Psychologie darin sieht, die Tätigkeit des Bewusstseins aufzudecken und zu erhellen. Volkelt führt dazu ausdrücklich auf S. 32 den terminus «Bewusstseinsakte» ein. Die Übereinstimmung mit den von Steiner in den Grundlinien ... genannten Aufgaben der Psychologie ist geradezu schlagend. Die Akte des Bewusstseins sind Volkelt vor allem deswegen so zentral, weil sie "der ausdrückliche Gegenstand der Absichten des Bewußtseins" sind. (S. 34). Fährt dann fort: "Indem man in dieser Richtung mit seinen Erwägungen weitergeht und sich mehr von der Erfahrung entfernt, wird man hinzufügen dürfen, daß erst in den Bewußtseinsakten das Bewußtsein sein Ziel, seinen Sinn und Wert findet." - In den psychologisch aufweisbaren Bewusstseinsakten findet der Mensch laut Volkelt erst sein Ziel, seinen Wert und seinen Sinn. Das heisst, alles, was Steiner mit seiner Freiheitsphilosophie verknüpft, ist an diese Akte gebunden, die auch für Volkelt im Vordergrund der Psychologie stehen. Vor diesem Hintergrund liegt es auch nicht fern, wenn Volkelt dann in der späteren Schrift von 1918 Gewissheit und Wahrheit (S. 141) betont, dass die Entdeckung von innerer Kausalität und Gesetzmässigkeit in solchen Bewusstseinsakten "für die Ausgestaltung der Psychologie, der Ethik, der Metaphysik nicht nur wichtig, sondern geradezu entscheidend" sind. Womit er Steiners Begründungsschriften dann wohl mit am nächsten kam. Während Steiner den «erlebten Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem» (hier S. 86) als inneren Lösungsweg der Kausalitätsfrage bereits in den Grundlinien … vorgelegt hat. Schauen Sie dazu weiter auch zwecks Vergleich auf Steiners Kant-Kapitel 14 der Grundlinien… . Zwischen Steiners kritischer Behandlung des «Dogmatismus von Offenbarung und Erfahrung» und Volkelts Kommentar zu seinen Kausalitätsfunden der inneren Beobachtung liegen mehr als dreißig Jahre. Dies ist zu bewerten angesichts Volkelts erkenntnistheoretischer Grundüberzeugung von 1906 (Die Quellen der menschlichen Gewißheit, dort S. 77, Anmerkung 1): die er (in Anbindung an Carl Stumpfs Schrift Psychologie und Erkenntnistheorie, München 1891, S. 428) dahingehend zum Ausdruck brachte: „Die Unabhängigkeit der Erkenntnistheorie von der Psychologie wird häufig dahin übertrieben, als ob die Ergebnisse der Erkenntnistheorie keine psychologische Bedeutung hätten. Ich bin der Meinung, die Stumpf kurz und treffend so ausspricht: „Es kann nicht etwas erkenntnistheoretisch wahr und psychologisch falsch sein …“. An dieser Stelle dürfte zwischen Volkelts empiristischer Überzeugung und derjenigen Steiners aus dem Psychologiekapitel der Grundlinien... und späteren wohl kaum ein Blatt mehr passen. - Was sich problemlos auch mit Steiners Ansicht von einer «Philosophie über den Menschen» zur Deckung bringen läßt, als Resultat des Zusammentreffens von empirischer «anthropologischer» und «geisteswissenschaftlicher» Forschung. Wie er in der Schrift Von Seelenrätseln (GA-21, S. 30 ff) darlegt. Die «Philosophie über den Menschen» stellt bei Steiner erst ein Resultat dar, der jeweiligen empirischen Forschung über den Menschen, und kann keinesfalls unabhängig davon entwickelt werden. Wenn diese empirische Forschung folglich in die Irre geht, so geht zwangsläufig auch die Philosophie über den Menschen in die Irre. Insofern ist es auch selbstverständlich, daß «erkenntnistheoretisch nicht wahr sein kann, was psychologisch falsch ist», um mit Volkelt zu sprechen. Im Rahmen einer «Philosophie über den Menschen» aber besteht keinerlei Aussicht, den Menschen angemessen zu erfassen, falls man glauben sollte, auf jede innere Beobachtung bei dieser Philosophie verzichten zu können. Die Folge eines solchen Verzichts wäre die Propagierung von Maschinenmenschen, wie es jetzt über die ganze Welt hin von Harari, Schwab und ihren apokalyptischen Reitern gepredigt wird. Was auch die zwangsläufige Folge von Nietzsches destruktiver Behandlung der inneren Beobachtung wäre. Und teilweise gar bei verständnislosen Anthroposophen mittelbare, aber handfeste Unterstützung findet, die seit Jahren schon blind und taub gegen einen angeblichen «Psychologismus» in der Philosophie und in der Erkenntniswissenschaft Steiners anrennen. Dem man das seichte Psychologie-Gerede Hartmut Traubs im Sammelband der Alanushochschule ohne weiteres an die Seite stellen kann. Die «Bearbeiter» werfen selbst bei den durchsichtigsten Dingen, - der Eindruck drängt sich auf, - bisweilen mit Nebelkerzen und (akademischem) Blendwerk wo sie nur können, um nur ja nicht Steiners erkenntniswissenschaftliche Fundamente an die Öffentlichkeit kommen, und damit dem Verständnis zugänglich werden zu lassen. Volkelt traf sich, wie man sieht, als Kant- und Hume-Kritiker auch mit Steiners naturwissenschaftlicher Suche nach einer Lösung des Kant-Humeschen Kausalitätsproblems auf dem Wege der seelischen Beobachtung. Steiners Forschung über die «Wirksamkeit der Natur im Inneren», die ja für Steiner mit der Klärung der Freiheitsfrage unlösbar verbunden ist, wie sich dem zweiten Kapitel der Philosophie der Freiheit besonders explizit entnehmen läßt, aber schon im Kant-Kapitel 14 der Grundlinien … platziert war. Wo Volkelt Steiner rund dreißig Jahre später (1918, S. 140 ff) darin noch weit näher kam als nur 1886, etwa S. 80 ff, wo sie sich eher im Grundsätzlichen des Kausalitätsproblems und bei der methodisch-erkenntniswissenschaftlichen seelischen Beobachtung als möglichem Lösungsweg dieses Kausalproblems begegneten. Und natürlich trafen sie sich im von Steiner rezipierten Begriff der «reinen Erfahrung», zumal der «reinen Erfahrung des Denkens». Bei allen sachlichen Differenzen Steiners mit Volkelt auch dazu, ist die «reine Erfahrung», oder die «reine Erfahrung des Denkens» das «unmittelbar Gegebene» ein absoluter Schlüsselbegriff schon in den Grundlinien …, und auch dauerhaft fundamental geblieben, wie man sogar aus den späteren Zusätzen zur Philosophie der Freiheit ersehen kann. Für die psychologisch-erkenntniswissenschaftliche Behandlung all dieser aufgezählten Aspekte war Volkelt ein extrem wichtiger und fruchtbringender Inspirator, - das zeigt Steiners expliziter Hinweis in Wahrheit und Wissenschaft. Wenn auch nur beschränkt und bezogen auf die entscheidende Sachlage des «unmittelbar Gegebenen» / respektive der «reinen Erfahrung», für die Steiner die Anregung und fruchtbare Vorarbeit Volkelts eigens herausstellt. Wenn wir zudem noch einmal zurück schauen auf die oben behandelte «Synthese von Aristotelismus und Platonismus bei Steiner und seiner Anthroposophie», desgleichen auch hinschauen auf Steiners induktiven Weg zu den Ideen, - dann war Volkelt, der übrigens in seiner Frühzeit auch dem Idealisten Eduard von Hartmann nahe stand, ein ausgesprochen fruchtbarer Wegbereiter für dieses Synthese-Projekt des frühen und späten Steiner. Wesentlich wirksamer darin und näher in der Grundlagenforschung war er für Steiner als Fichte, an dem Steiner in den Frühschriften, - man möchte ja fast sagen: kaum ein gutes Haar gelassen hat. Von dem er auch nie wie bei Volkelt öffentlich davon sprach, daß er gar auf dessen produktiver Vorleistung aufgebaut habe und davon in gewisser Weise auch abhängig war. Solche Hinweise Steiners sprechen doch für sich. Eine nähere inhaltliche Betrachtung von Steiners Grundschriften bestätigt das auf ihre Weise. - Wenn man Steiners Gedankenentwicklung der Frühschriften ausführlicher nachgeht. Andernfalls sieht man das als Quellenforscher natürlich alles nicht. Dann noch nicht einmal Steiners ausdrücklichen Hinweis oder die Bedeutung der «reinen Erfahrung des Denkens». So ist es zum Beispiel auch Herbert Witzenmann damit gegangen, der die Grundschriften Steiners hermeneutisch ausgesprochen nachlässig, und mehr noch: grob fahrlässig behandelte. Wo von «Grundlagenforschung» wahrlich noch nicht viel zu sehen war. Er sah diese Zusammenhänge alle nicht. Und dessen Anhänger einschließlich von anderer Seite Hartmut Traub bis heute eben auch nicht. Schon die Lage an zeitgenössischen Quellen für Steiners Gedankenbildung war reichhaltig, wenn man nur Steiners Literaturverzeichnis aus Wahrheit und Wissenschaft folgt. Wo man im Literaturverzeichnis auf S. 8 auch schon Wilhelm Dilthey mit zwei wichtigen Werken mit erkenntnistheoretischem Akzent genannt findet: Seiner Einleitung in die Geisteswissenschaften von 1883, „Besonders die einleitenden Kapitel, welche das Verhältnis der Erkenntnistheorie zu den übrigen Wissenschaften behandeln.“ Sowie seiner Abhandlung Vom Ursprung unseres Glaubens an die Realität der Außenwelt, von 1890. Diese Rezeptionslage mit Blick auf Steiners Grundlagenforschung zu untersuchen gäbe schon dermaßen viel Stoff her, dass man viele Bände mit solchen Untersuchungen füllen könnte. Daß davon so wenig im vorliegenden Quellenband der Alanushochschule erscheint, und als Leerstellenfüller auch noch Witzenmann herhalten muß, signalisiert nur das mangelnde Interesse daran, sowie die Unwissenheit und Ignoranz diesbezüglich. – Sonst nichts. Arbeit gäbe es nämlich mit der Quellenforschung zu Steiners Grundlagen genug zu tun, wenn man nur wollte. Dem empiristischen und idealistischen «Kant-Überwinder» und «aristotelischen Brückenbauer zum Geiste», Steiner, übergab der «immanent-psychologische» Erkenntnistheoretiker Johannes Volkelt (siehe Gewissheit und Wahrheit, 1918, S. 38 ff) mit dem Begriff der «reinen Erfahrung» und dessen Analyse der Erfahrung ein ausgesprochen fruchtbares Werkzeug für seinen «induktiven» Zugang zu den Ideen respektive zu den Kräften der Natur. Wie sich schon dem Kant-Kapitel 14 der Grundlinien … ablesen läßt, wo Steiner, wie der Leser dort selbst nachlesen kann, nicht auf der Scholastik, und auch nicht auf Goethe, Fichte oder Aristoteles, sondern auf Volkelts Begriff der «reinen Erfahrung» aufbaut. Oder anders gesagt: Auf dem unmittelbar erlebten Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem beim Denken und Erkennen. Diese Tätigkeit des Denkens und Erkennens kann man nämlich auch erleben und erkennen, ohne von Fichte, Platon, Thomas oder Aristoteles viel zu wissen. Ohne daß man die Letzteren deswegen jetzt herabwürdigen müßte. Aber das ist zunächst einmal so. Das ist ja auch einer der Gründe dafür, wenn Steiner in der Schrift Von Seelenrätseln (S. 170 f) zwecks Grundlagenforschung so eindringlich den Weg ins psychologische Laboratorium empfiehlt. Mit Platon, Aristoteles und Thomas von Aquin hat so eine Grundlagenforschung also zunächst nichts zu tun, sondern vorrangig damit, dass man sich in einer vom naturwissenschaftlichen Empirismus geprägten wissenschaftlichen Kultur die unmittelbaren Tatsachen selbst ansehen muß, bevor man eine Verbindung zu den Vorläufern der Vergangenheit schlägt. Daß das nachfolgend noch zu höheren Fragen fortgeht, ist davon zunächst unberührt. Aber das Erleben und Erkennen dieser erkennenden / denkenden Tätigkeit als solcher ist als reine seelische Erfahrungstatsache möglich, ohne dabei immerzu nur auf die Altvorderen der Philosophie zurückgreifen und hinblicken zu müssen. Das ist eine Tatsache, der sogar Johannes Wagemann in seiner Einleitung im Sammelband der Alanushochschule ziemlich unmißverständlich beipflichtet, wenn er S. 303 f schreibt, daß «das Ganze der Anthroposophie mehr sei als als die Summe ihrer Teile aus historischen Referenzpunkten.» Er spricht dabei von der «Anthroposophie». Nicht zu Unrecht. Aber es gilt viel mehr und ganz ausdrücklich für die Erkenntniswissenschaft Steiners, auf der das Ganze der Anthroposophie Steiners laut Steiner erst aufbaut. Und die war maßgeblich geprägt von der Entwicklung jener zeitgenössischen Naturwissenschaft, welche die Gegenwart am meisten beschäftigt, wie sich bereits Steiners programmatischer, einleitender Frage aus dem ersten Kapitel der Philosophie der Freiheit entnehmen läßt. Und die entsprechende Mittel verlangte, wenn man der modernen Naturwissenschaft nicht wie ein Fremdling gegenüberstehen will. Die Erkenntniswissenschaft Steiners ist so wenig ein nur intelligent zusammengeschnürtes Paktet ihrer historischen Referenzpunkte wie es laut Wagemann die Anthroposophie ist. Denn, - das ist jetzt entscheidend, - der begründende Rückgriff auf die alt-traditionelle Prominenz der Philosophie ist als legitimierender Rückgriff im Fall einer empirisch voraussetzungslosen Erkenntniswissenschaft sogar schlicht «verboten». Steiner spricht nicht umsonst von einem «induktiven Weg zu den Ideen». Und der basiert auf erfahrungswissenschaftlicher Überprüfung, die mit der voraussetzungslosen Erkenntniswissenschaft beginnt, was ja ganz ausdrücklich in Wahrheit und Wissenschaft eingefordert wird. Weder Goethe noch Platon, noch Fichte, Aristoteles oder Thomas von Aquin haben mit ihren Überlegungen als Begründungsinstanzen in so einer voraussetzungslosen Erkenntniswissenschaft, die sich nur an das rein erfahrene «Gegebene» hält, aus ganz grundsätzlichem Anlaß einen Platz. Das darf nicht sein. So sehr man sie im übrigen auch schätzen mag. Man muß sie gleichwohl, - meinetwegen den Universalienrealismus der Scholastik und ihrer historischen Vorläufer, - mit den Mitteln einer eigenen und unabhängigen erkenntniswissenschaftlichen Prüfinstanz überprüfen, die sich erst mit dem Aufkommen der empirischen Psychologie und ihrem Eingang in die Erkenntniswissenschaft abzeichneten, wie es bei Volkelt, Steiner und vielen anderen damals der Fall war. Übrigens sogar für Husserl galt, so weit man dort im phänomenologischen Denken «zu den Sachen selbst» strebte, wie ein geflügeltes Wort dieser Richtung lautete. Wie Steiner ausdrücklich in der Schrift Wahrheit und Wissenschaft in der Einleitung (hier S. 7) voranstellte, war Johannes Volkelt ihm auch für die Frage der Voraussetzungslosigkeit eine ergiebige Quelle seinerzeit. Der sich beispielsweise in seiner Schrift Erfahrung und Denken von 1886 (alternativ hier) viele Seiten lang diesem Thema «Voraussetzungslosigkeit» widmete. Des weiteren in der Schrift Gewißheit und Wahrheit von 1918 (alternativ ebenfalls hier). Für einen Astronomen oder Physiker wären analoge Gedankengänge bezüglich der Voraussetzungslosigkeit heute natürlich selbstverständlich, wo es primär um die Prüfung der Tatsachen geht und nicht um die blinde Übernahme von Autoritätsmeinungen der Vergangenheit. Während sich Philosophen heute damit sichtlich schwer tun, sobald es um das Denken und die Ideenwelt geht. Die bei ihnen offenbar keine eigene Existenz haben, der man erfahrungswissenschaftlich nach Analogie der Naturwissenschaft nachgehen könnte. Auf dem Wege einer «inneren Naturwissenschaft», wie sie Steiner auch im zweiten Kapitel der Philosophie der Freiheit als Programm vorlegt. Stattdessen aber fällt es den Philosophen leicht, Steiner nur einen Ideendiebstahl vorzuhalten, um ihn mit seiner Leistung herabzusetzen, wie man es in Traubs umfangreichem Buch Philosophie und Anthroposophie von 2011 fast regelmäßig erleben konnte. Für ihn waren Steiners erkenntniswissenschaftliche Darlegungen überwiegend, und oft auch noch falsch zusammengeschnürte «historische Referenzpunkte», um mit Wagemann zu sprechen. Von einer Sicht auf das eigentliche empiristische Begründungsanliegen Steiners und dessen Quelle Volkelt war Traub damals, wie heute immer noch, weit entfernt. Das geschieht eben regelmäßig, wenn so ein Interpret wie Traub mit all seinen Erwartungen und antipsychologischen / philosophischen Vorurteilen buchstäblich im falschen Film sitzt. Da helfen ihm, wie man sieht, auch Aristoteles und Fichte nicht weiter. Das angesichts eines umfangreichen Vorgängerbuches von 2011, wo er sich über Steiners Begriff des «unmittelbar Gegebenen» schier biegen wollte vor Lachen und / oder Verzweifelung, weil er damals schon nichts von Volkelt, dessen Intentionen und Steiners Rezeption dieses entscheidenden Zuarbeiters verstand, da er Steiners Quelle Volkelt nie nachgegangen war. So wenig wie Steiners Grundlinien… von 1886. So dass Traub auch mit der empirischen Beobachtung des Denkens schon nichts anzufangen wußte, und sich statt dessen (2011, S. 350 ff) in einem «unendlichen Regreß» und irgend welchen «Zirkularitätsbehauptungen» verlor, ohne jedes Verständnis dafür, was eine seelische Beobachtung des Denkens eigentlich leistet und wie sie vorgeht. Eine Lage in Traubs Buch, etwa so hoffnungslos, als wollte man den unvorbereiteten und unwissenden Kant zum Versuchsleiter in einem denk-psychologischen Forschungslabor Oswald Külpes küren. Oder wenn der Oberarzt an einer chirurgischen Universitätsklinik seinem Klienten im Frühjahr 2023 immer noch erklärt, dass das Spike-Protein der mRNA-Impfung dauerhaft an der Injektionsstelle verbleibt. Solche Beispiele einer hochspezialisierten, aber in ungewohnten Sachfragen vollständig insuffizienten Bewertung als Folge der sichtverengenden Spezialisierung gibt es zuhauf. Die Philosophie macht dabei keine Ausnahme. Bei Traub wurde Steiners Erkenntniswissenschaft regelrecht mit dem Vorschlaghammer eines gänzlich ahnungslosen und bis zur Erblindung spezialisierten Philosophen bearbeitet, der von all dem so gut wie nichts wusste und verstand, was der innere Empiriker Steiner in seinen Begründungswerken vorstellte und problematisierte. Heute ist Traubs Vorschlaghammer anscheinend immer noch nicht aus der Hand gelegt worden, sondern allenfalls gegen eine etwas leichtere Variante ausgewechselt worden. So dass er im besagten Sammelband vor allem eine merkwürdig schief konstruierte Neigung für die Psychologie und ihre theoretischen Baukästen für «Denkmodelle» bzw. «Seelenmodelle» erkennen lässt. Aber offensichtlich immer noch nichts vom immanent psychologischen Erkenntnistheoretiker Volkelt und Steiners entsprechender Rezeption gehört hat. Bei allem Aristoteles und Fichte, die in seinem jüngsten Aufsatz im Sammelband erscheinen. Für das Verständnis Steiners ist das so nicht hilfreich. Wer freilich die Forderung nach erkenntniswissenschaftlicher Voraussetzungslosigkeit einigermaßen glaubwürdig erfüllen will, der darf sich zu Begründungszwecken also nicht an Platon, an die Scholastik oder an Fichte wenden. Sondern er muß als empiristischer Erkenntniswissenschaftler einen «voraussetzungslosen», also einen ganz anderen, eigenen empirischen Weg und und entsprechende Prüfinstanzen dorthin finden. Solche, die von den Vorläufern und den diesbezüglichen Denktraditionen der Vergangenheit unabhängig sind. Auch, weil man solche empirischen Prüfinstanzen der modernen Zeit und in dieser Form dazumal noch nicht kannte. - Danach kann man seine eigenen Resultate dann bestenfalls mit dem vergleichen, was die durchaus hoch geschätzte altvordere Prominenz auch dazu zu sagen hatte. Was beim späteren Anthroposophen Steiner dann ja häufig wiederkehrend der Fall war, wie man exemplarisch seinen Rätseln der Philosophie (GA-18) entnehmen kann. Der also später seinen Blick auch regelmäßig weit zurück in die Vergangenheit und auf solche Traditionen richtete, was ihm in oftmaliger Wiederholung ebenfalls als bloße Abkupferei und Quellenklau unterstellt wurde und nach wie vor wird. Eine Tendenz, die in dem Sammelband der Alanushochschule nicht gezielt gefördert wird. Aber indirekt doch insoweit, weil dort offenbar niemand weiß, was bei Steiner erkenntniswissenschaftlich überhaupt stattfand. Wo also niemand sichtbar ist, der Steiners erkenntniswissenschaftliches Anliegen mit der seelischen Beobachtung überhaupt darlegen könnte, so daß dort überwiegend nur die üblichen Rezeptionsgeschichten erzählt werden. Wäre mehr Verständnis da, dann würde die ganze Rezeptionsfrage unter einem ganz anderen Licht gesehen. Da kann man Wagemann innerhalb gewisser Grenzen sicher beipflichten. Dieser von den geschätzten Autoritäten der Vergangenheit unabhängige Weg zur Entwicklung einer empirischen Prüfinstanz war bei Steiner der Weg der «reinen Erfahrung». Weswegen Steiner verständlicherweise froh war, über Johannes Volkelt einen vorzüglichen Lösungsansatz zu dieser Frage vorgelegt zu bekommen, der eine voraussetzungslose, empirisch psychologische Untersuchung zum Erkennen möglich machte. «Immanent-psychologisch», wie Volkelt diesen seinen voraussetzungslosen Ansatz Jahre später nannte, den er 1918 immer noch vertrat. Mit der Grundfrage versehen: Wie sieht denn das empirisch Gegebene «vor» seinem Erkennen aus? Und wie sieht das Erkennen / Denken vor seinem Erkennen selber aus? Das ist eigentlich die simple Kernfrage, der auch Steiner dabei folgte. Eine Frage, deren Beantwortung bei der gewöhnlichen Sinneserfahrung mit gewissen Schwierigkeiten verbunden ist, das Gedankliche und Erkannte vom sinnlich Gegebenen immer sauber zu trennen. Was von Steiner in Wahrheit und Wissenschaft noch näher thematisiert wird als in den Grundlinien… . Beim Denken freilich taucht dieses Problem gar nicht erst auf. Weil das erlebte Denken während der Denktätigkeit theoretisch grundsätzlich nicht befrachtet werden kann. Und als unmittelbar erlebtes Denken immer als reine Erfahrung und damit unerkanntes Denken vorliegt. Theoretisch befrachten kann ich es erst im Nachhinein. Was Steiner in den späteren Ergänzungen zur Philosophie der Freiheit eigens noch einmal hervorgehoben hat, wie wir weiter oben darlegten. Zur Erinnerung noch einmal Steiners Resümee von Kapitel V. der Philosophie der Freiheit: „Dem Denken gegenüber kann der Mensch auf dem naiven Wirklichkeitsstandpunkt verbleiben. Tut er es nicht, so geschieht das nur deshalb, weil er bemerkt hat, daß er für anderes diesen Standpunkt verlassen muß, aber nicht gewahr wird, daß die so gewonnene Einsicht nicht anwendbar auf das Denken ist. Wird er dies gewahr, dann eröffnet er sich den Zugang zu der anderen Einsicht, daß im Denken und durch das Denken dasjenige erkannt werden muß, wofür sich der Mensch blind zu machen scheint, indem er zwischen der Welt und sich das Vorstellungsleben einschieben muß.“ Kap. V., hier S. 71 f. Das sind auch Gedankengänge, selbst in der späteren Zweitauflage des Werkes noch einmal vertieft, die sich direkt mit aus Volkelts fruchtbarer Anregung und immanent-psychologischer Vorarbeit ergeben haben. Die Steiner die Möglichkeit boten auf voraussetzungslosem Wege eine eigene empirische Prüfinstanz zu etablieren, und damit unabhängig zu werden von den bloß traditionellen Überlieferungssträngen des Idealismus, die ja bis ins Griechentum und darüber hinaus reichen. Man kann Steiners Anerkenntnis der Vorleistung Volkelts, der ihm damit den empirisch voraussetzungslosen «induktiven Weg zu den Ideen» eröffnete, in der Schrift Wahrheit und Wissenschaft sehr gut nachvollziehen. Was sich bei Steiner wie schon bei Volkelt auch auf die Kausalitätsproblematik Humes und Kants erstreckte. Der «erlebte Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem» bei Steiner bereits in den Grundlinien... von 1886. So weit war Volkelt freilich erst 1918, (S. 141 ff), dass er hier in einer gewissen Nähe zu Steiner zu produktiveren Lösungen gekommen ist, die er schon 30 Jahre vorher in seinen Frühschriften, und damals noch ergebnislos suchte. In Steiners grundlegenden Werken wird nach Unabhängigkeit von überlieferter Autorität der Vergangenheit gesucht und so verfahren. Deswegen untersucht er empirisch auch «den Prozeß, durch den Begriffe und Ideen erst gewonnen werden», wie er in der Philosophie der Freiheit eingangs Kap IV gegenüber Hegel geltend machte. Dieser Prozeß spielt empirisch die Hauptrolle in Steiners Grundlegungswerken, wo er sich dann ja als «allerwichtigste Beobachtung» in der Philosophie der Freiheit etabliert hat. Das ist das primäre Anliegen seiner voraussetzungslosen Erkenntniswissenschaft, so weit sie empirisch vorgeht. Steiners «allerwichtigste Beobachtung» zeigt sich dann wieder der Sache nach wenige Jahre später in Goethes Weltanschauung, (hier S. 70) wo er die Beobachtung des Denkens aus den Frühschriften neuerlich mit der Ideenlehre verknüpft. Also, wenn man so will, den Aristotelismus mit dem Platonismus. Und nicht nur vom «durchschauten Weltgeschehen» spricht, sondern, so sagt er, «dieses Geschehen sei die Idee selbst». Die «Idee als Weltgeschehen» betrachtet, ist folglich die Synthese einer modernen Naturwissenschaft mit der platonistischen Ideenlehre, das liegt auf der Hand. Wenn man so will auch ein Beispiel für Steiners «induktiven Weg» zu den Ideen, der bereits in den Grundlinien... angelegt war, und von ihm dort etwa im Kapitel 8 (hier S. 47) mit der «Denktätigkeit als tätigem Gedankengehalt der Welt» vorgestellt wird. Man findet bei Steiner in den Frühschriften, wie man daran ebenfalls sieht, verschiedene Stufen der Anbindung einer voraussetzungslosen Erkenntnistheorie. Streng eingefordert wird sie dagegen in Wahrheit und Wissenschaft. Ob dieser Weg der Steinerschen Frühschriften vollständig respektive erschöpfend ist, darüber muß man nicht streiten. Er ist es natürlich nicht. Dazu kann man sich sogar mit Hartmut Traub an Steiner selbst halten und etwa an dessen entsprechenden Briefwechsel (Brief Nr. 402) zur Philosophie der Freiheit mit Rosa Mayreder. Dem der Brief Nr. 379 von Mayreder an Steiner vorausging, und diesem wiederum Brief Nr 369 von Steiner. Es war dies, - die Unvollständigkeit der Philosophie der Freiheit nebst Frühwerken, - ja auch einer der Gründe für Steiner nicht nur die Schrift Von Seelenrätseln zu schreiben, sondern dort auch den Wunsch nach einem psychologischen Laboratorium zu äußern, um beste Grundlagen zu legen. Da bleibt also noch viel zu tun. Während sich die Quellenforscher des Alanus-Sammelbandes fast ausnahmslos mit traditionellen Überlieferungs- und Rezeptionswegen befassen, ohne Steiners Etablierung einer erkenntniswissenschaftlich unabhängigen und erfahrungswissenschaftlich orientierten kritischen Prüfinstanz für die Wahrheiten des Idealismus auch nur zu würdigen. Seinen naturwissenschaftlich geprägten Forschungsweg zu den wirkenden Ideen. Die Entwicklung einer erkenntniswissenschaftlich fundierten Prüfinstanz indessen hatte bei Steiner absoluten Vorrang vor den bloßen Überlieferungen der Idealisten. Bei all seiner ersichtlichen Wertschätzung des Idealismus schon in seinem Frühwerk. Deswegen sagte ich oben, dass die im Sammelband vertretenen Quellenforscher ganz überwiegend nur ein sehr anekdotisches Wissen von Steiners Begründungswerk haben, und seine eigentlichen Ziele und Handgriffe dabei gar nicht kennen. Insoweit das kritische / empiristische Überprüfungungsanliegen Steiners auch nicht entsprechend zu ermessen wissen. So sehr sie dabei wie Hartmut Traub auch von der Psychologie, von Fichte und Aristoteles reden mögen. Traub ist immer noch weit davon entfernt, überhaupt nur zu ahnen, worum es Steiner mit seiner Erkenntniswissenschaft geht. Das Resultat ist im wesentlichen, und gemessen an der Fragestellung des Sammelbandes nach Steiners Quellen der Anthroposophie, denn eine andere kommt als Messlatte ja nicht infrage, niveaulose intellektuelle Absonderung von Leuten, die Steiners Anliegen mit der Erkenntniswissenschaft definitiv nicht interessiert. Beginnend schon beim «Professor für die erkenntniswissenschaftlichen Grundlagen der Anthroposophie». Tendenziell offenbart also der ganze Sammelband der Alanushochschule die Neigung der Mitwirkenden, Steiners Erkenntniswissenschaft in gar keiner Weise ernst zu nehmen. Wesentlich deswegen, weil sie diese offensichtlich auch gar nicht kennen. Daß nämlich so eine von Steiner selbst hervorgehobene und für seine von Goethe unabhängige erkenntniswissenschaftliche und methodische Gedankenbildung ganz maßgebliche Quelle, Volkelt, in keiner einzigen Abhandlung unserer versammelten Quellenforscher auch nur erwähnt wird, wofür man aber Herrn Witzenmann ausführlich behandelt, der die reine Erfahrung des Denkens nie thematisierte und in dieser wissenschaftlichen Fragestellung nach den historischen und philosophischen Quellen der Anthroposophie auch gar nichts zu suchen hat, das wiederum ist auf seine ganz spezifische Art ebenfalls auskunftsreich, und auf ihre Weise eine reichhaltig sprudelnde Quelle zur qualitativen Bewertung der heutigen Steinerforschung: Wo sich dann einer mit dem für Steiner vollkommen bedeutungslosen Husserl beschäftigt, ohne Steiners eigenes Urteil zu dieser Frage zu erwähnen. Ein anderer mit Witzenmann, der dort nicht hingehört. Andere wiederum kommen mit der Scholastik, ohne Steiner überhaupt groß das Wort zu erteilen. Während einer der allerbedeutendsten erkenntniswissenschaftlichen Helfer und Zuarbeiter für seine empirischen / geisteswissenschaftlichen Forschungsziele der Erkenntniswissenschaft schlicht in der Versenkung unserer akademischen Steiner-Erklärer verschwindet und durch den Rost fällt. Ein fruchtbringender Zuarbeiter, und von Steiner deswegen ausdrücklich gewürdigter Helfer bei Steiners Synthese von Aristotelismus und Platonismus, den Steiner ganz unmißverständlich und anerkennend als entscheidende Quelle für die Entwicklung seiner erkenntnistheoretischen seelischen Beobachtung hervorhebt. Wie wir sahen für Steiners «Brückenbau» von der Naturwissenschaft zum Geistigen hin. So sehr man Wagemann darin beipflichten kann, daß die Anthroposophie Steiners mehr ist als ein Paket von historischen Referenzpunkten, so wenig kann man auf Quellenforschung verzichten. Zumal in der Grundlagenforschung. Was sich schon im Grundlagenwerk Steiners und Witzenmanns Umgang damit zeigt. Ohne gründliches Studium kommt man mit dem Verständnis nicht weiter, sondern endet schließlich wie Witzenmann nach 40 Jahren infolge nachlässigen Studiums im «Erzeugungsproblem» der Strukturphänomenologie. Oder in der «erkenntnistheoretischen Grundfrage, wie Unbeobachtbares zur Erinnerung werden kann?» sowie vergleichbarem Unfug. Obwohl die Lösung und Korrektur für dieses Desaster Witzenmanns schon überall leicht nachlesbar in Steiners Grundlinien … oder in Wahrheit und Wissenschaft, der Philosophie der Freiheit und in Goethes Weltanschauung steht. 44. Angebliche intime Bekanntheit des Denkens ohne, versus Erkenntnis des Denkens durch Beobachtung Kehren wir noch einmal zurück zu Günter Röschert, und nehmen dessen weiter oben auf S. 116 erwähnte Bemerkung aus seinem Buch, Anthroposophie als Aufklärung, München 1997, S. 41, noch einmal auf. Röschert schrieb dort: "Der wirklich herbeigeführte Ausnahmezustand macht aber mittelbar darauf aufmerksam, daß das Denken intim bekannt ist ohne Beobachtung, nämlich durch Intuition." - Salopp gesagt war hier so ziemlich alles von der Rolle, was man in Steiners Frühschriften verwirren kann, wie wir auf den genannten Seiten schon darlegten. Aber nicht nur bei Röschert gab es seinerzeit erhebliche Schwierigkeiten mit dem Verständnis von «Ausnahmezustand» und «Beobachtung des Denkens». Desgleichen nicht weniger mit der «Erkenntnis» des Denkens und der «Intuition». Mit der Folge: Etwas, was laut Steiners drittem Kapitel der Philosophie der Freiheit via Beobachtung überhaupt erst einmal zu begreifen und kennzulernen ist, das war bei Röschert ohne Beobachtung durch «Intuition» längst «intim bekannt». So daß Röschert Steiners empirische Erkenntnisbemühungen bezüglich des Denkens damit schlicht ad absurdum führte. In einen vergleichbaren maximalen Fehlschluß verfiel anlässlich des dritten Kapitels der Philosophie der Freiheit wenige Jahre später auch Jaap Sijmons in seiner Dissertation, Phänomenologie und Idealismus, Basel 2008, S. 328. Dahingehend, «das Denken sei das Bestbekannte überhaupt». Sijmons verstieg sich seinerzeit sogar ebendort zu der Auffassung: „Ohne dass wir das Denken kennten, gäbe es ja auch keine Erkenntnis (kein Denken) über etwas anderes. Wie sollte es nun unbekannt sein? Weil wir es selbst hervorbringen, ist es uns immer schon bekannt.“ - Wie man sieht, war Sijmons ebenfalls komplett von der Rolle! Ein analoger, größtmöglicher gedanklicher Unfall wie bei Röschert rund 11 Jahre zuvor. Letztlich ist das in beiden Fällen auch die Folge eines inneranthroposophischen Anti-Empirismus des Denkens, der Steiners Anliegen ganz zwangsläufig nicht versteht, und infolgedessen seine Leser in die Wüste und aufs Glatteis führt. Da er sich als Anti-Empirismus des Denkens auch noch nie mit der Frage befaßt hat, wie man das erlebte Denken empirisch überhaupt erkennt. Das offensichtlich aber auch gar nicht vorhat, sondern aus dieser wirklichkeitsfernen Haltung heraus Steiner dasselbe unterstellt. Es ist kein Zufall, dass wir es bei diesen beiden Autoren (Röschert und Sijmons) wiederum mit solchen zu tun haben, die Witzenmann ausgesprochen nahe standen / stehen. Da ist die Wirklichkeitsfremdheit, im Zusammenhang mit der Erkenntnis des Denkens zumal, von vornherein bereits fest einprojektiert. Was daraus folgt ist faktisch eine Totalblockade dessen, was Steiner zwecks erkenntniswissenschaftlicher Aufklärung «seelische Beobachtung» nennt. An dessen Stelle ist seit annähernd 70 Jahren; präziser: seit 1948 ein abstruser und völlig fruchtloser Intellektualismus seiner Anhänger getreten, der weit entfernt davon ist, Steiners Anliegen der Frühschriften zu erfassen. Was man dann leibhaftig und exemplarisch auch im obskuren Sammelband der Alanushochschule vorgeführt bekommt, der sicherlich in dieser Beziehung einen absoluten Tiefpunkt der akademischen anthroposophischen Selbstaufklärung darstellt. Siehe dagegen Steiner ausführlicher zu seiner «seelischen Beobachtung» der Frühschriften 1921 in GA-78. Insbesondere die ersten drei Vorträge, wo es eingehend auch um sein Anliegen mit der «seelischen Beobachtung» der frühen Erkenntniswissenschaft und ausdrücklich um die Quellen der Anthroposophie geht. Eines der Schwerpunktmotive dieser «seelischen Beobachtung» war die Freiheitsforschung und ihre Auseinandersetzung mit einem Agnostizismus seiner Zeit, der sich vor allen Dingen vom naturwissenschaftlichen Kausalitätsprinzip leiten ließ. So berichtet er dort etwa im zweiten Vortrag vom 30. August 1921, S. 25 ff über die «Wurzeln der Anthroposophie»: „Was als eine eigentliche Wirkung des Agnostizismus in das ganze Leben des Menschen gekommen ist, war insbesondere in der Zeit im höchsten Maße zu beobachten, in der sich mir der Weg zu den Wurzeln desjenigen ergab, was heute von mir Anthroposophie genannt wird. Es fällt das erste Suchen nach diesen Wurzeln bei mir in die achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts, und wer das damalige Suchen verfolgen will, der wird Anhaltspunkte dafür finden in meinen Schriften, die ich verfaßt habe als Einleitungen zu Goethes naturwissenschaftlichen Werken, in meinen Schriften «Goethes Erkenntnistheorie», in meiner kleinen Schrift «Wahrheit und Wissenschaft» und dann in der im Beginne der neunziger Jahre erschienenen «Philosophie der Freiheit».“ Steiners Auseinandersetzung mit dem agnostischen Kausalismus hat sich ja in der Leitfrage vom Beginn des ersten Kapitels der Philosophie der Freiheit direkt niedergeschlagen, die da lautet: „Ist der Mensch in seinem Denken und Handeln ein geistig freies Wesen oder steht er unter dem Zwange einer rein naturgesetzlichen ehernen Notwendigkeit?“ Näheres zur Philosophie der Freiheit und ihrem Anliegen der seelischen Beobachtung zwecks Freiheitsforschung findet der Leser in den genannten Vorträgen. Auch in den restlichen Vorträgen dort mancherlei Erhellendes zur Philosophie der Freiheit. Woran er auch unmittelbar kontrastreich erleben, und nachfolgend die Frage aufwerfen kann, warum das Kausalitätsproblem und dessen freiheitsphilosophische Problematisierung nebst Lösung via «seelischer Beobachtung» bei Steiners Interpreten wie Röschert, Sijmons und vielen anderen erst gar nicht in Erscheinung tritt. «Intim, respektive best bekannt ohne Beobachtung» soll das Denken gemäß seinen Interpreten Röschert und Sijmons laut Steiner sein. Während der Naturwissenschaftler und Empirist des Denkens und Erkennens, Steiner, nichts von alldem behauptet was seine irrlaufenden Herolde da zum besten gaben. Weder in seinen Frühschriften, noch als späterer Anthroposoph. Sondern stattdessen 1921 vortragsweise eine sehr nüchterne Bilanz dessen vorbrachte, was in seiner Philosophie der Freiheit an Aufklärung bezüglich des Denkens zu finden ist: So berichtet er am 05. September 1921 in Stuttgart (GA-78, Dornach 1968, S. 141 ff ), daß man vom Denken in der Philosophie der Freiheit "bis zu einem gewissen Grade sich eine Vorstellung, eine empirische Vorstellung verschaffen kann" Und fährt dann (S. 142) fort: "aber was es [das Denken, MM] seinem Wesen nach ist, das läßt sich erst erkennen, wenn die wirkliche Intuition auf dem höheren Erkenntniswege in der Seele auftritt. Dann durchschaut man gewissermaßen dieses eigene Denken; ...". Keine Rede von einer intimen oder besten Bekanntheit des Denkens ohne Beobachtung. - Wie auch? Und warum sollte Steiner 1917 in der Schrift Von Seelenrätseln S. 170 f den eindringlichen Wunsch nach einem psychologischen Laboratorium vorbringen, um dort Grundlagenforschung über die «Veranlagung zum Schauen» zu treiben? Derselbe Eindruck, den man als nüchterner Leser von Steiners Philosophie der Freiheit haben kann, oder wie ihn der Denkpsychologe Karl Bühler 1907 / 08 in seiner weitläufigen Untersuchung zum Denken referriert, wird auch in diesem späteren Vortrag Steiners vermittelt. Daß man sich in seinen Frühschriften «eine gewisse empirische Vorstellung vom Denken verschaffen» kann. Insbesondere im Kontrast mit Bühlers detailreicher Untersuchung, - hier auch die Teile II und III, - wird das besonders augenfällig. - Die «allerwichtigste Beobachtung» der Philosophie der Freiheit wiederum betrifft auch gar nicht die entscheidende Erhellung hinsichtlich der geistigen Wesenheit des Denkens, sondern Steiners «Brückenbau» vom Naturwissenschaftlichen zum Geistigen hin. Sie ist geprägt von der intensiven Auseinandersetzung mit dem Kausalismus des naturwissenschaftlichen Agnostizismus, wie man es auch den eben genannten Vorträgen Steiners entnehmen kann. Einem Kausalismus, der in seiner Befangenheit alles dem naturwissenschaftlichen Kausalitätsprinzip mit seinen ehernen Notwendigkeiten unterwirft, und ein freies Denken und Handeln aus solchen Voraussetzungen und Voreingenommenheiten heraus generell ausschließt. Ohne den inneren Vorgängen des Denkens und Erkennens jemals vorurteilslos nachgegangen zu sein. Das ist das Bezeichnende daran. So daß es beim physiologischen Psychologen Theodor Ziehen, wie oben erwähnt dann hieß: «Unser Handeln ist necessitiert wie unser Denken.» (Ziehen, 1893, S. 208 f) Alles Denken und Handeln ist quasi mechanistisch zwangsverlaufend gemäß den Vorstellungen einer äußeren Naturwissenschaft, wie diese sie für das physikalische Weltgetriebe entwickelte, und nachfolgend (bis auf den heutigen Tag) auch für alles seelisch geistige Geschehen nebst menschlichem Handeln geltend machte. Eine letztlich der äußeren Naturwissenschaft entlehnte deterministische Ansicht, von der John Eccles im Buch Das Ich und sein Gehirn, S. 644 eher mittelbar sagt, «daß damit alles zu Ende wäre» und sich «jede vermeintliche Erkenntnis als reine Illusion erweisen müßte». Siehe zum Thema Ideenassoziation als Letzterklärung ebendort, S. 240 ff. In diesem fragwürdigen Umfeld wird die eigene Denk- und Erkenntnistätigkeit durch das physikalistisch überformte naturwissenschaftliche Denken schlicht weg- und zur Zwangsveranstaltung des Gehirns degradiert wie bei Theodor Ziehen und seinesgleichen. Und damit jedes Erkennen ad absurdum geführt. Angesichts dieser Tatsache bezieht sich Steiners «allerwichtigste Beobachtung» primär, als für jede Wissenschaft geltende erkenntniswissenschaftliche Grundlagenlösung Steiners, auf das Problem Kants und Humes bezüglich des «Verhältnisses von Wirkendem und Bewirktem». Gemäß seinem abschließenden heuristischen Motto vom dritten Kapitel der Philosophie der Freiheit: „Die unbefangene Beobachtung ergibt, daß nichts zum Wesen des Denkens gerechnet werden kann, was nicht im Denken selbst gefunden wird. Man kann nicht zu etwas kommen, was das Denken bewirkt, wenn man den Bereich des Denkens verläßt.“ Das «Erwirkende» des Denkens kann danach nur im Denken selbst gefunden werden, sonst löst sich das Erkennen in lauter Illusionen auf, wie wir weiter oben schon im Zusammenhang mit Eduard von Hartmann sahen. Insofern ist das erlebte und durchschaute Erwirken des Denkens als Resultat der «allerwichtigsten Beobachtung» und als «archimedischer Hebel der Welterklärung» nicht nur die Grundlage aller Wissenschaften, wie es im dritten Kapitel der Philosophie der Freiheit heißt, sondern selbstredend auch die Grundlage der menschlichen Freiheit. Worauf Steiner gegen Ende dieser Schrift ja noch einmal (hier S. 180 f) sehr eindringlich in den Zusätzen von 1918 hingewiesen hat. Ein Denken und Erkennen, das laut Steiner bei der Beobachtung des Denkens und bei Anwendung dieses Mottos, - „Man kann nicht zu etwas kommen, was das Denken bewirkt, wenn man den Bereich des Denkens verläßt.“, - auch zu durchschauen ist. Wo beispielsweise in der inneren Beobachtung erkannt wird, dass da nichts im aktiven Denken von jener mechanistisch physiologischen Zwangsoperation zu beobachten ist, wie es von Theodor Ziehen unterstellt wurde, der eingangs des dritten Kapitels (hier S. 22) als zeittypischer psychologischer Gegenpol seiner Untersuchung genannt wird, unter speziellem Hinweis auf dessen Handbuch der physiologischen Psychologie, Jena 1893, S. 171. Wie es dann als «durchschautes Weltgeschehen» auch wenige Jahre später 1897 (S. 69 f) von Steiner noch einmal in Goethes Weltanschauung, und dort zusätzlich aus idealistischer Sicht bekräftigt wird. Wo sich gemäß GA-21, aber quasi im weiten Vorgriff auf diese spätere Schrift von 1917, gewissermaßen die «Anthropologie mit der Anthroposophie trifft». Insofern das Beobachtungsresultat in dieser Frühschrift Steiners von 1897 jetzt neuerlich um eine idealistische / universalienrealistische Perspektive ergänzt wird, was ja in der Philosophie der Freiheit nicht der Fall ist, obwohl es dort um dieselbe Beobachtung des Denkens geht wie 1894 schon. Das erkenntniswissenschaftliche Grundlagenproblem aller Wissenschaften wird mit dieser «allerwichtigsten Beobachtung» aus der Philosophie der Freiheit gelöst, wo sich das erlebte Denken via empirischer Beobachtung selbst erklärt. Vorausgesetzt man nimmt das Erkennen ernst und führt es nicht ad absurdum wie der Physikalismus, oder von anthroposophischer Seite Witzenmann und seine Anhänger. Was natürlich auch für das weitere Fortkommen Steiners mit seiner eigenen Seelen- und Geistesforschung gilt, die von der basalen Lösung dieser Frage ebenso abhängig ist wie alle anderen. Denn die «Leibesunabhängigkeit des menschlichen Denkens», die Steiner zeitnah den Vorträgen von GA-78 vorangehend, im Mai 1921 im Stuttgarter Vortrag 255b, S. 299 ff als ein maßgebliches Untersuchungsziel der Frühschriften im Rahmen eines «Brückenbaus von der Naturwissenschaft zur geistigen Welt» hervorhob, ist ohne die Klärung des grundlegenden Kausalitätsproblems auf der Basis der empirischen Selbsterklärung des Denkens als Erkenntnisresultat nicht zu haben. Wäre auch ein maßgebliches Forschungsziel am Treffpunkt von Anthropologie und Anthroposophie. Und dort auch einlösbar, wie man schon an Poppers und Eccles` oben dargelegter logischer Betrachtung des Erkenntnisvermögens erkennt. Denn ein kausaldeterminiertes physikalistisch gedachtes menschliches Erkenntnisvermögen ist, wie neben Popper auch Eccles betonte, erkenntnisunfähig, und nur noch illusionär. Also muß das menschliche Erkennen unabhängig sein von den physikalistisch oder psychologistisch gedachten Bedingungen seines Leibeslebens. Was man analog, und nicht ganz zufällig wiederholt auch von Steiner in der Schrift Von Seelenrätseln, GA-21 zu lesen bekommt. Der dort etwa auf S. 133 anhand der logischen Unabhängigkeit von den leiblichen Bedingungen den Begriff des «rein seelisch Wesenhaften» entwickelt: „Faßt man den Begriff des im denkenden Suchen nach der Wahrheit lebenden Wollens, so ist dieser Begriff der eines seelisch Wesenhaften.“ Nun ist das ja etwas, was auch für die «Suche nach der Wahrheit» in der Philosophie der Freiheit gilt, die als «seelische Beobachtung» selbstredend nicht von den Gesetzen des Leibeslebens, sondern von den Denkgesetzen der Logik getragen wird. Dazu müßte man nicht einmal die Parallelen zur späteren Schrift von 1917 ziehen, weil sich das von selbst versteht. Denn jede ernsthafte Suche nach der Wahrheit ist natürlich getragen von den Gesetzen der Logik. An dieser Stelle ergeben sich dann auch äußerst fruchtbare Gemeinsamkeiten zu Forschern wie Eccles und Popper, die insbesondere diesen Gesichtspunkt außerordentlich ernst nehmen. So daß nicht nur von Steiner der Energieerhaltungssatz in GA-78, S. 142 ff preisgegeben wird, sondern auch von Popper, «bevor er das Erkenntnisvermögen preis gibt». Mit der Preisgabe des Energieerhaltungssatzen habe er wiederum kein Problem, so Popper, weil die Physik grundsätzlich unabgeschlossen und offen ist, und die Physik der Zukunft ohnehin keiner kennt. Deswegen erscheint ihm (Popper, S. 641) «die Vorstellung, Michelangelos Werke seien nur das Resultat von Molekularbewegungen, weit absurder als eine Verletzung des ersten Gesetzes der Thermodynamik». (Siehe dazu eingehender Popper / Eccles, a.a.O., S. 638 ff.) Die Schrift Von Seelenrätseln enthält verschiedene Betrachtungen zur Logik und ihrer Verbindung zur leibesunabhängigen Seele, und kam 1917 erstmals an die Öffentlichkeit. Rund ein Jahr vor der Zweitauflage der Philosophie der Freiheit mit ihren Ergänzungen zu Eduard von Hartmanns kritischen Einwänden zur Erstauflage von 1894. Deswegen verstehe ich das zeitnahe Zusammentreffen dieser Schrift mit Steiners Zweitauflage der Philosophie der Freiheit und manchen dortigen Ergänzungen um die Verbindung des Denkens mit dem Kausalitätsproblem als nicht ganz zufällig. So etwa auch Steiners Ergänzungen bezüglich der «Spuren des Denkens», die «nicht von den Kräften der leiblich seelischen Organisation eingegraben worden seien», eingangs von Kapitel IX. Wo es also in ganz unmißverständlicher Weise um eine Verursachungssicht geht. Und zwar um ein solches «Erwirken von eingegrabenen Spuren», das ursächlich vom Denken aus nicht nur in das Seelische, sondern auch in das Materielle der menschlichen Organisation reicht. Das wird ja mit der «Zurückdrängung der leiblich-seelischen Organisation» zum Ausdruck gebracht. (hier S. 102 f). Hier wirkt also erfahrbar der Geist ursächlich auf die materielle und seelische Beschaffenheit des Menschen. Was sich nicht nur mit etwas Aufwand ebenfalls im Laboratorium untersuchen läßt, und von Steiner in der Schrift Von Seelenrätseln auch punktuell dargestellt wird. Auf der anderen Seite aber eine Grundlage des anthroposophischen Schulungsweges darstellt, der darauf baut, dass das seelisch geistige Leben von der Erkenntnisseite her gezielt bis in Fein-Strukturen der Leiblichkeit (etwa des Gehirns) verändert werden kann. Was als Veränderung selbstredend ebenfalls die Folge einer gewollten ursächlichen Wirksamkeit darstellt. Daß wiederum die Erkenntnisseite ganz zwangsläufig auch eine Ursächlichkeitsdimension hat, das hören wir nicht nur von Steiner, sondern auch von Popper und Eccles, um nur bei diesen jetzt zu bleiben. Die Parallelen zwischen der Schrift Von Seelenrätseln und der Philosophie der Freiheit liegen auf der Hand. Ähnliches gilt von Steiners kurzer Kritik an den Einwänden Eduard von Hartmanns am Ende des dritten Kapitels. Auch bei Steiners abschließender Bemerkung zu diesen Einwänden lassen sich die Linien zur Schrift von 1917 ziehen. Einige, wenn auch relativ kurze Betrachtungen um die Bedeutung der Logik waren dort vorangegangen. Der nicht unwichtigste bezieht sich auf den gemeinsamen Treffpunkt von Anthropologie und Anthroposophie im Bereich der Logik, und wird (S. 30 ff) näher gekennzeichnet: "Die Anthropologie erforscht die Reiche der Sinneswelt. Sie gelangt auf ihrem Wege fortschreitend ebenfalls bis zum Menschen. Es stellt sich ihr derselbe dar, wie er die Tatsachen der Sinneswelt in seiner Leibesorganisation so zusammenfaßt, daß aus dieser Zusammenfassung das Bewußtsein entspringt, durch welches die äußere Wirklichkeit in Vorstellungen vergegenwärtigt wird. Die Vorstellungen sieht der Anthropologe aus dem menschlichen Organismus entspringen. Indem er dieses beobachtet, muß er in einem gewissen Sinne Halt machen. Einen inneren gesetzmäßigen Zusammenhang des Vorstellens kann er nicht mit der bloßen Anthropologie erfassen. Wie die Anthroposophie am Ende ihres in geistigen Erfahrungen verlaufenden Weges noch hinblickt auf das geistige Wesen des Menschen, insofern dieses durch die Wahrnehmungen der Sinne sich offenbart, so muß die Anthropologie, wenn sie am Ende ihres im Sinnesgebiete verlaufenden Weges ist, hinblicken nach der Art, wie sich der Sinnesmensch vorstellend an den Sinneswahrnehmungen betätigt. Und indem sie dieses beobachtet, findet sie diese Betätigung nicht von den Gesetzen des Leibeslebens, sondern von den Denkgesetzen der Logik getragen. Die Logik aber ist kein Gebiet, das auf dieselbe Art betreten werden kann, wie die anderen Gebiete der Anthropologie. In dem von Logik beherrschten Denken walten Gesetze, die nicht mehr als diejenigen der Leibesorganisation zu kennzeichnen sind. Indem sich der Mensch in ihnen betätigt, offenbart sich in ihm dasselbe Wesen, welches die Anthroposophie am Ende ihres Weges angetroffen hat. Nur sieht der Anthropologe dieses Wesen so, wie es von der Sinnesseite her beleuchtet ist. Er sieht die abgelähmten Vorstellungen und gibt, indem er eine Logik zugesteht, auch das zu, daß in den Vorstellungen Gesetze aus einer Welt walten, die sich mit der sinnlichen wohl zur Einheit zusammenschließt, jedoch mit ihr nicht zusammenfällt. In dem von dem logischen Wesen getragenen Vorstellungsleben offenbart sich dem Anthropologen der in die Geisteswelt hineinragende Sinnesmensch. Die Anthropologie kommt auf diesem Wege zu einer Philosophie über den Menschen, als einem letzten Ergebnisse ihrer Forschungen. Was auf ihrem Wege vorher liegt, befindet sich rein im Sinnesgebiete." Was in den abgelähmten Vorstellungen «waltet», stammt nicht aus dem Leibesleben. Auch hier gilt, wenn auch nicht explizit ausgesprochen, «Man kann nicht zu etwas kommen was das Denken bewirkt, wenn man den Bereich des Denkens verläßt.» Denn auf dieses Waltende im erkennenden logischen Denken ist das physikalistische Kausalitätsprinzip nicht anwendbar, es sei denn, man schafft damit jedes Erkennen ab, wie es auch bei Popper und Eccles betont wird. Was dort waltet ist also ersichtlich unabhängig von den physikalischen / biologischen / chemischen Kräften der materiellen Welt und nimmt seinerseits Einfluß auf die Beschaffenheit und Organisation der letzteren. Das aber, so hatte ich oben bereits angedeutet, spiegelt sich auch in Steiners Erwiderungen zu E. von Hartmann, wenn Steiner resümiert: „Die unbefangene Beobachtung ergibt, daß nichts zum Wesen des Denkens gerechnet werden kann, was nicht im Denken selbst gefunden wird. Man kann nicht zu etwas kommen, was das Denken bewirkt, wenn man den Bereich des Denkens verläßt.“ Die Rede ist hier ja nicht von einem x-beliebigen inneren Tun, sondern von einem erkennenden Denken, das sich selbstredend an den Regeln der Logik orientiert. Von dem gilt, dass man es als erkennendes inneres Tun nicht kausal äußerlich durch etwas anderes wie die Hirnphysiologie erklären kann. Sondern, wie es im Kapitel IX. dann auch bei der Spurenfrage behandelt wird, das Erwirkende des Denkens kann nur im Denken selbst gefunden werden. Andernfalls bekommt man jene illusionäre Entgleisung, von der auch Popper und Eccles sprechen. Beim frühen Steiner ist es noch Idealismus, - «die Idee», - mit ihrer inhaltlichen und kraftenden Seite, dem «tätigen Gedankengehalt der Welt», der in der menschlichen Denktätigkeit wirksam ist, wie es in den Grundlinien am Ende von Kap. 8 (hier S. 46 f) noch hieß, und desgleichen in Goethes Weltanschauung von 1897, S. 69 f. Was später dann unter der elaborierteren anthroposophischen Forschung des Denkens zu einer «inneren Willenwirksamkeit / Bildekräften» wird. (Siehe dazu GA-35, Dornach 1984, S. 269-306, speziell S. 276; 289; S. 291.) 45. Philosophische und naturwissenschaftliche Befangenheiten und Denkverbote in der empirischen Grundlagenforschung des Denkens Nur nebenbei möchte ich hier noch einmal vertiefend und der Übersicht halber anmerken, daß an dieser Stelle auch zwei heftige Streitpunkte der damaligen Jahrhundertwende zusammentrafen: Das eine war die nach wie vor ausstehende Lösung des Kausalitätsproblems von Kant und Hume. In der Angelegenheit der Beweisbarkeit von Kausalität, so schreibt Nicolai Hartmann unter dem Titel, Die Frage der Beweisbarkeit des Kausalgesetzes, in den Kantstudien Bd. 24 von 1920, S. 61 ff, habe sich seit Kants Zeit kaum etwas getan. Die Tatsache als solche werde einfach hingenommen. Während gleichzeitig vom kausalen Denken dieser Zeit die Psychologie und die Geisteswissenschaft ergriffen sei. Also von etwas, für das es seit Kants Zeit keinerlei empirischen Beweis gibt. Denn der Apriorismus Kants ersetze keine empirischen Beweise, so Hartmann. Letzteres haben wir weiter oben von Edith Stein bereits gehört. Und dasselbe mit etwas anderen Worten auch 1886 in Steiners Grundlinien im Kapitel 14. Ein zweiter Streitpunkt dieser Zeit war der über das Verhältnis von Logik und Psychologie – der «Psychologismusstreit». Der letztendlich um die Frage ging, ob das Logische durch etwas anderes wie Psychologie oder Naturwissenschaft bzw Biologie und Physiologie ursächlich / genetisch erklärt werden könne. Ein besonders prominenter Buchbeitrag dieser Zeit war der von Willy Moog von 1919, mit dem Titel Logik, Psychologie und Psychologismus, Halle / Saale, 1919. Der sich weitläufig mit dieser Frage befasste. Über seine Intentionen damit äußert er sich er in den Kant-Studien Bd. 25, 1920, S. 72 f in einer Selbstanzeige. Ich bringe das hier nur zur Illustration der philosophischen / naturwissenschaftlichen Zeitverhältnisse, von denen wir bereits gesprochen haben. Die sich wiederum in Steiners Grundlegungswerken spiegeln. Und ganz speziell auch in der Schrift Von Seelenrätseln. Wo die Frage der Logik in Verbindung mit dem Gesichtspunkt der Verursachung betrachtet wird. Mit Steiners Resümee von S. 30, dass die Logik nicht mehr so ohne weiteres mit den Mitteln der «Anthropologie» betreten werden könne. Was so explizit in Steiners Frühschriften ja nicht gesagt wurde, wenn auch implizit. Die naturwissenschaftlich orientierte Kausalerklärung einerseits und die philosophische Einstellung zum Psychologismus führten bekanntlich zu Übergriffen von beiden Seiten auf die Psychologie und die Erkenntniswissenschaft nebst Kausalerklärung. Im ersteren Falle wurde das Erkennen naturalistisch physikalistisch wegerklärt und zu einem Produkt der kausalen Struktur der physikalischen Welt – wovon auch Popper und Eccles anlässlich ihrer kritischen Betrachtung in Das Ich und sein Gehirn sprechen. Und im anderen wurde mit einem generalisierten Psychologismusvorwurf von den Philosophen faktisch ein Denkverbot ausgesprochen, dahingehend, dass die Erkenntniswissenschaft sich aller empirischen Folgerungen und Untersuchungen zu enthalten habe. Von dieser antipsychologistischen Übergriffigkeit der Philosophen spricht Volkelt in seinem Buch von 1918, S. 38 f wenn er auf die allgegenwärtige Ängstlichkeit von philosophischen Nachwuchschriftstellern hinweist, ja nicht dem Verdacht des Psychologismus ausgesetzt zu werden. Auf S. 58 f spricht er explizit gar von «Denkverboten», an die zu halten er nicht die Absicht habe. Auch Franz Brentano beklagt sich bereits etliche Jahre zuvor, 1911, über diese Übergriffigkeit im Kapitel Vom Psychologismus. Wir haben es hier also mit Übergriffen und «Denkverboten» von zwei Seiten zu tun. Einmal von den Naturwissenschaftlern auf die Psychologie, die in der Folge auch die introspektive Psychologie verwarf und beispielsweise gegen die Black-Box-Psychologie des Behaviourismus eintauschte. Ohne jede Aussicht, damit jemals das Seelen- und Geistesleben des Menschen erklären bzw. erkennen zu können. Die philosophische Übergriffigkeit auf die Psychologie wiederum bewirkte ihrerseits letztlich dasselbe wie der Physikalismus von anderer Seite. Indem sie mit ihren anti-psychologistisch bewaffneten Denkverboten dasselbe Resultat erzielte, und eine empirische Aufklärung über das menschliche Erkenntnis-, Seelen- und Geistesleben definitiv verhinderte. Dazu auch noch die Lösung des Kausalitätsproblems im Seelenleben des Menschen, weil diese Lösung damit als «psychologistisch» etikettiert ebenfalls dem Denkverbot der Philosophen anheim fiel. Man muß sich zu letzterem nur ausgewiesene Philosophen aus dem anthroposophischen Umfeld wie Hartmut Traub und andere anschauen, die mit derart die Aufklärung verhindernder philosophischer Geisteshaltung komplett im Nebel stochern, wenn es um das Grundlegungswerk Rudolf Steiners geht. Steiners Suche nach den wirkenden Kräften der Natur im Menscheninneren, wie er das im zweiten Kapitel der Philosophie der Freiheit in Anlehnung an Goethes Essay «Die Natur» projektierte, liegt solchen antipsychologistisch motivierten Philosophen völlig fern. Niemand muß sich daher darüber das Hirn zermartern, wenn solche Philosophen in Steiners Frühwerk wie Traub und Mitstreiter nur hohle Nüsse ernten. Das liegt auf der Hand, da sie ja gar nicht wissen, wovon Steiner redet. Deswegen werden Sie auch bei Ravagli / Röschert oder Sijmons etc nichts dergleichen in ihren Publikationen finden, was Steiners Anliegen um die empirische Klärung der naturwissenschaftlichen Grundlagen der Kausalität erklären könnte. Das gilt für einen wirklich sehr großen Teil jener «anthroposophischen» Anhänger Steiners, die sich mit der Philosophie der Freiheit befassen und dazu publizieren oder sich öffentlich darüber austauschen, gleichermaßen. Zumal, wenn sie in vielen Fällen Steiners Anthroposophie auch noch voraussetzen und damit die ganze Begründungslogik von Steiners Frühwerk auf den Kopf stellen. Nun kann man die Tatsache, daß sich die Logik weder physikalistisch noch psychologistisch ursächlich / genetisch erklären läßt, schlechterdings nicht zur Wunderwaffe gegen jede psychologische Untersuchungen des Denkens und Erkennens erklären, wie es damals und in Teilen auch heute noch der Fall ist. Wie ich es wie gesagt selbst auch zur Genüge bei den Anthroposophen erfahren habe. Denn man kann als Denkpsychologe ohne weiteres deskriptive Untersuchungen zum logischen Denken anstellen, ohne die Logik wegzuerklären. Wie es nicht nur bei Steiner, sondern auch in der Würzburger Schule Külpes der Fall war. Niemand versuchte dort die Logik in analoger Weise wie der Materialismus mit psychologischen Mitteln auszuhebeln, wenn er der Frage nachging, was man beim Denken erlebt, oder wie sich ein psychologisch / empirisch fundierter Begriff des Denkens entwickeln läßt, dessen empirische Grundlage die Erfahrungen des Denkens sind. Man erklärt damit das Denken nicht ursächlich durch etwas anderes, sondern beschreibt lediglich, wie es sich darlebt im menschlichen Seelenleben. Angesichts des letzteren möchte ich noch auf eine interessante Parallele zwischen Karl Bühlers Untersuchung und den Vortragsbemerkung Steiners aus GA-78 aufmerksam machen. Bühler spricht nämlich eingangs seiner Untersuchung auf S. 301 davon, dass der assoziative Verlauf der Vorstellungen und und die reine Denkfolge zwei Grenzzustände unserer wirklichen Erlebnisse darstellen könnten: „Man kann sich ja auch sehr gut denken, daß der Assoziationsverlauf der Vorstellungen und die reine Denkfolge zwei Grenzfälle unserer wirklichen Erlebnisse darstellen.“ Das schreibt Bühler dort, ohne die Qualität dieser Grenzzustände empirisch näher zu kennzeichnen, was aber prinzipiell möglich ist. Denn man muß im Prinzip ja nur sich selbst oder einer Versuchsperson eine Denkaufgabe stellen. Einmal mit der Aufforderung versehen, sie ernsthaft denkend zu lösen. Und ein anderes mal mit der Aufforderung versehen, sich um die Klärung nicht zu bemühen, sondern sich ganz passiv lediglich dem unwillkürlich sich einstellenden Vorstellungsverlauf zu überlassen, ohne aktiv in dieses Vorstellunsgeschehen einzugreifen. Und dann abzuwarten, ob eine vernünftige Antwort auf die experimentell gestellte Frage sich ganz von allein einstellt, indem sich die passenden Vorstellungen quasi ganz von selbst zusammenballen. Oder ob letzteres nicht der Fall ist. Das alles, - die von Bühler gemeinten Grenzzustände, - läßt sich introspektiv untersuchen, und fand ja auch in erheblichem Umfang bei Bühler im weiteren Verlauf statt, indem er den von seinen Versuchspersonen berichteten Denkprozessen nachging. Das will ich jetzt nicht näher beleuchten, sondern nur darauf hinweisen, dass Steiner, etwas ausführlicher als Bühler an der erwähnten Stelle, analoge Beobachtungen in GA-78, S. 33 ff zu den «Grenzzuständen» vorträgt, indem er über die Grade der Wachheit des Bewußtseins spricht. Bzw. über den Unterschied zwischen dem Denken und dem bloßen passiven Wahrnehmen. Wobei er vor allem auf den Grad der Wachheit des Bewußtseins zielt und auf den Unterschied von Schlafen und Wachen. Das beginnt dort auf S. 32 ausgehend von der Frage, «Was beim Erkennen eigentlich geschieht?» Und ob der Mensch mit seinem Erkennen «nur ein Eckensteher des Weltgeschehens sei, oder selbst zum Weltgeschehen dazu gehört?» Ein mit der Philosophie der Freiheit vetrauter Leser, wird sich jetzt wahrscheinlich an das zweite Kapitel der Philosophie der Freiheit erinnern, und an Steiners Suche nach den «wirkenden Kräften der Natur im Menscheninneren». Was im zweiten Kapitel bezeichnenderweise in Anlehnung an Goethes Essay «Die Natur» geschieht, den Sie mitsamt Steiners Kommentierungen hier im Original der Kürschnerausgabe von 1887, S. 5 ff studieren können. Laut Goethes Sicht in diesem Essay gibt es keine «Eckensteher des Weltgeschehens», denn die «Natur» ist überall und ihre Kräfte wirken fortwährend und in allem. Auch im Inneren des Menschen. Laut Steiners Kommentar von S. 6 dort, kommt es darauf an, nach den wirkenden Kräften zu suchen: „Sinnenfällig wahrnehmbar sind nur die Geschöpfe der Natur, nicht ihre schaffende Kraft. Die letztere (die Mutter) wird uns erst in der Wissenschaft vermittelt, wenn wir uns von der Natur als einer Mannichfaltigkeit von Produkten zu ihr als der Produzentin erheben. Wir müssen von den gegebenen Dingen zu den Kräften der Natur vorschreiten, von der Wirkung zu dem Wirkenden.“ (Goethes Naturwissenschaftliche Schriften, herausgegeben von Rudolf Steiner, Bd. 34, Berlin und Stuttgart 1887, S. 6) Sie werden auf Anhieb die Verbindung schlagen können von diesem Essay Goethes zu Steiners Vortragsbemerkungen zur Frage «Eckensteher des Weltgeschehens beim Erkennen oder nicht?» Entsprechend dem Goetheschen Essay gibt es nämlich keine «Eckensteher des Weltgeschehens», weil der Mensch aus diesem Weltgeschehen der «Natur» nie herauskommt. Maßgeblich sei es daher, zu den wirkenden Kräften der Natur vorzudringen, so wie Steiner das kommentiert. - Ein Projekt, das nachfolgend von Steiner dann in der Philosophie der Freiheit und den restlichen Frühschriften bis in die Anthroposophie auch umgesetzt worden ist. Darauf weist er in diesen Vortragsausführungen von GA-78 mit abschließendem Blick (S. 42 f) auf die erlebte Aktivität des Denkens in der Philosophie der Freiheit, auf Johannes Volkelt und Richard Wahle hin. Das erstreckt sich in GA-78 über annähernd 10 Seiten mit immer anderen Aspekten der Betrachtung, und mündet schließlich in der Gegenüberstellung zu Volkelt und Richard Wahle, die sich vor allem mit der Frage der reinen Wahrnehmung befaßt hätten, aber nicht mit der gleichen Aufmerksamkeit die Aktivität des Denkens betrachteten. Anschließend resümiert Steiner: „ … ich kann es verstehen, wie solche Denker dann, weil sie sich ganz einleben in das Wahrnehmen, nicht dazu kommen, sich auch einleben zu können in die aktive Wesenheit des Denkens, sich nicht aufschwingen können dazu, anzuerkennen, daß wir, indem wir die Aktivität des Denkens erleben, in einer Tätigkeit ganz drinnenstehen, und weil wir ganz drinnenstehen, sie mit unserem Bewußtsein völlig verbinden können. Ich kann mir gut vorstellen, wie unbegreiflich es solchen Denkern ist, wenn man ihnen aus dem vollen Erleben dieser Aktivität des Denkens die Worte entgegnet: Im Denken haben wir das Weltgeschehen selber an einem Zipfel erfaßt! - , wie ich es in meiner «Philosophie der Freiheit» ausgesprochen habe.“ - Ich will hier nicht näher darauf eingehen, dass der späte Volkelt von 1918 schon sehr anders darüber gedacht hat als der frühe der 1870er und 80er Jahre, auf den Steiner sich hier bezieht. Auf Volkelts erheblichen Wandel und der (S. 141 ff) «geradezu entscheidenden» anders gearteten Einschätzung der inneren Erlebnisse hinsichtlich der Kausalität, Ethik und Metaphysik haben wir schon mehrfach hingewiesen. Ich will jetzt nur auf die Analogie zu Bühlers Bemerkung verweisen, der ebenfalls von solchen Grenzfällen des Bewußtseins spricht. Grenzfälle, die Steiner im Vortrag durch Ausdrücke wie «Wachen» und «Schlafen» näher kennzeichnet. Wiederum in der Zweitauflage der Philosophie der Freiheit im dritten Kapitel (hier S. 35) auch durch entsprechende Hinweise auf die «Gedankenbilder, die traumhaft wie vage Eingebungen sein können. Aber kein Denken sind». Laut Steiner, und das ließe sich auch mit einer arbeitsteiligen Studie nach der Art Bühlers nachzeichnen, hat die erlebte Aktivität des Denkens vor allem etwas mit dem Wachheitsgrad des Bewußtseins zu tun. Das ist Steiners Auffassung dazu, die sich aus den Vorträgen und aus der Philosophie der Freiheit entnehmen lässt. Woran der Leser sicherlich erkennen wird, wie nahe Steiner auch den Forschungsansätzen der damaligen introspektiven Psychologie des Denkens war. Wiederum wird er daran sehen, dass natürlich eine klare Trennung zu ziehen ist zwischen «Gedankenbildern, die traumhaft sein können wie vage Eingebungen, und der in voller Wachheit erlebten Aktivität des Denkens.» Zumal dann muß diese Unterscheidung getroffen werden, bei Anbetracht von Steiners Schlußbemerkung zu Eduard von Hartmann: «Man kann nicht zu etwas kommen was das Denken bewirkt, wenn man den Bereich des Denkens verläßt». Das gilt nämlich nur für die in Wachheit erlebte Aktivität des Denkens. Für traumhaft vage Eingebungen gilt das begreiflicherweise nicht, wo die Aktivität des Denkens gar nicht erst erlebt wird. 46. Erlebte Aktivität des Denkens und Steiners «erste Nebenübung» Auf der anderen Seite wird das dem Leser vielleicht auch etwas erhellen, warum Steiner beim anthroposophischen Schulungsweg so außerordentlichen Wert legt auf die erlebte Aktivität des Denkens bei den sogenannten «Nebenübungen». Das hat nicht wenig mit dem «erlebten Weltgeschehen» der Philosophie der Freiheit zu tun. Wobei Steiner bei der Nebenübung des Denkens sehr großen Wert darauf legte, dass die Gedanken den Denker nicht fortreißen, sondern möglichst fern von seinem Interesse liegen sollten, damit er sich auch gehörig anstrengt und zu einem «freien» Erleben dieser Aktivität kommt, das nicht vom Gedankeninhalt getrieben und fortgerissen wird. Siehe zu dieser Neben- oder Grundübung des Denkens Steiner etwa in GA-78 S. 169 ff: „Man kann ja eine Stecknadel oder einen Bleistift benützen; denn es ist ganz gleichgültig, an was man denkt. Nicht darauf kommt es an, dass man durch das Gedachte gefesselt wird, sondern darauf, dass in innerer Freiheit festgehalten wird das Denken durch fünf Minuten, daß das Denken versetzt wird in die Sphäre der freien Tätigkeit. Man ist nicht gewohnt im gewöhnlichen Leben, in dieser Art das Denken in der Sphäre der freien Tätigkeit zu halten. Wenn man das Denken an einen Gegenstand wendet, so will man von dem Gegenstand gefesselt sein; man denkt so lange daran, als einen der Gegenstand fesselt. Dadurch kommt man niemals in die Geistesforschung hinein, im Gegenteil, man kommt immer mehr von übersinnlicher Forschung und Anschauung dadurch ab. … Das ist es, worauf es ankommt: daß einen der Gegenstand nicht fesselt, daß man einen Gegenstand nimmt, der einen nicht fesselt, und daß man aus innerer freier Kraft das Bewußtsein auf dem Gegenstand durch fünf Minuten festhält.“ - Das und mehr sagt Steiner in Anbetracht eines namhaften kritischen Zeitgenossen, der ihm angesichts solcher Denkübungen «Weltfremdheit» vorgeworfen hatte. ---------------------------- Steiners Kritiker Christoph Schrempf, Theologe und Philosoph, schrieb mit einiger Kenntnis von Goethe, Lessing, Sokrates und Nietzsche dies 1921 in der Zeitschrift Die Tat, Heft 6, September 1921, S. 409-421 in einem längeren und lesenswerten Beitrag, der sein Unverständnis der Anthroposophie und ihrer philosophischen / methodischen Voraussetzungen zum Gegenstand hatte. Auf S. 417 geht es um die von Steiner erwähnte Gedankenübung, von der Schrempf u. a. schrieb: „Ich würde mich im wirklichen Verlauf meines Lebens schämen, fünf Minuten für nichts und wieder nichts nur an eine Stecknadel gedacht zu haben; und ich sehe nicht ein, wozu ich im wirklichen Verlauf meines Lebens jemals die Fähigkeit brauchen sollte, streng bei einem Gegenstand zu bleiben, der mich nicht interessiert: da überlasse ich diese Fähigkeit doch lieber Menschen, denen nichts in ihrem wirklichen, menschlichen Leben so viel ernstes Interesse einflößt, daß es sie fünf Minuten festhält. Ich kann mich also nicht entschließen, diese Denkübung vorzunehmen, in der ich es (wie ich mich kenne) doch nicht zur Virtuosität bringen würde.“ - Interessanterweise stellt Schrempf, - an die Reinkarnation glaubend und von Steiner nur die Geheimwissenschaft im Umriss kennend, - auf S. 414 die Frage, ob er von Steiner etwas lernen kann. Und schließt dann auf S. 421 seine langen kritischen Ausführungen mit dem Wunsch ab, Steiner möge ihn doch seine Hellsichtigkeit lehren, denn bis jetzt habe er noch keinen Lebenden gefunden, der dazu in der Lage war. - Mit dem betreffenden Verfasser setzt Steiner sich seinerseits nur kurze Zeit später in GA-78 am 5. September 21 in dem Vortrag von Seite 169 – 174 auseinander, so wichtig war ihm dessen Stellungnahme, da sie, wie er andeutet, auch exemplarisch war für das Unverständnis gegenüber der Anthroposophie. (Siehe zu dieser Denkübung und die «Nebenübung» des Denkens ausführlich auch hier, im Exkurs S. 839 ff) Besonders zu erwähnen ist, daß die von Eugen Diederichs herausgegebene Zeitschrift Die Tat, in der Schrempfs Kritik erschien, neben allen anderen gesellschaftlichen Kräften auch der Anthroposophie einigen Raum gab, um ihr Anliegen vorzubringen. Und sie auch kritisch hinterfragen zu lassen. Im Heft 12, 20 / 21 S. 801 ff etwa durch einen längeren kritischen Aufsatz von J. W. Hauer Über die Anthroposophie als Weg zum Geist. Der dort S. 813 nach dem «leibfreien Denken» fragt. Und nachfolgend S. 814 ff danach, was «Hellsehen» für Steiner und die Anthroposophie eigentlich sei. Ebendort nachfolgend die Anthroposophie vertreten S. 824 ff durch Walter Johannes Stein mit dem Thema Anthroposophie als Monismus und als Theosophie. Richard Seebohm folgte ebd. auf S. 832 ff über Steiners Dreigliederung, und weitere mit anthroposophischen Themen. So daß ein erheblicher Teil dieses Heftes von 1921 / 22 aus affirmativem oder kritischem Blickwinkel der Anthroposophie und ihren verschiedenen Aspekten gewidmet war. Mehrfach kam auch Friedrich Rittelmeyer über religiöse Erneuerung zu Wort, der dort schon im Heft 9, 1917 / 18 S. 264 über die religiösen Aufgaben der Zukunft geschrieben hatte. Siehe Rittelmeyer auch 1921 / 22, S. 445 ff zur religiösen Erneuerung. Im Heft 1919 / 20 Teil 2 wiederum stritt man um Steiners Dreigliederung. Was alles hier nur höchst unvollständig, unsystematisch und exemplarisch genannt wird. Eigentlich auch schon ein Forschungsthema für sich ist, mit den Kontroversen um die Anthroposophie und Steiners klärende Vorträge dieser Zeit, die sowohl an seine Anhänger, wie auch an seine Gegner und die interessierte Öffentlichkeit gerichtet waren. - Die Zeitschrift Diederichs war ein Ort des kontroversen öffentlichen Austausches in dieser Zeit des Umbruchs. So daß man ohne weiteres davon ausgehen kann, dass auch Steiner davon recht gut unterrichtet war, was dort für oder gegen die Anthroposophie und ihre gesellschaftwirksamen und geistigen Bestrebungen geschrieben wurde. Christoph Schrempf war nur eine dieser zahlreichen Stimmen, die sich auch kritisch in dieser Zeitschrift zur Anthroposophie äußerten. Man braucht sich nur manches Abwegige vor Augen halten, was auch Steiners eigene Anhänger in der Zeitschrift Die Tat seinerzeit verbreiteten, - etwa der sehr junge und 1918 mit dem Dissertationstitel Historisch-kritische Beiträge zur Entwicklung der neueren Philosophie promovierte Walter Johannes Stein 1921 in seinem Aufsatz über die Anthroposophie als Monismus und als Theosophie ab S. 826 bezüglich der Freiheit des Menschen: So gesehen war das von Eugen Diederichs herausgegeben Magazin für Steiner nicht nur ein Spiegel dessen, was seine Kritiker von ihm und seiner Weltanschauung hielten und daran mißverstanden. Sondern ebenso ein Spiegel dessen, was seine eigenen Anhänger davon verstanden oder auch nicht verstanden, und darüber öffentlich auch an Fehlerhaftem mitteilten. So daß vielerlei von dem, was Steiner in den Vorträgen von GA-78 in den Wochen zwischen August und September 1921 in Stuttgart dann über seine Grundlagen erläuterte, auch eine Hilfestellung und Korrektur zu dem darstellte, was sie etwa in dieser Zeitschrift Diederichs und anderem publizierten. Das sehr zurückhaltend, ohne die eigenen Leute öffentlich bloßzustellen, indem er auch sie natürlich in den Vorträgen nicht beim Namen nannte. - Hier die 1921 erweiterte / überarbeitete Fassung der Dissertation von Walter Johannes Stein, die bemerkenswerterweise mit Reflexionen zu Goethes Essay «Die Natur» beginnt. Damit auch mitten ins Schwarze getroffen hätte, wenn ihm damals bereits deutlicher gewesen wäre, wie Steiner dieses Konzept anhand der Beobachtung des erkennenden / intuitiven Denkens für seine eigene Forschung über die wirkenden Naturkräfte im Menscheninneren umsetzt. Daß Steiner in grundlegenden Fragen auch seinen eigenen Anhängern in den Stuttgarter Vorträgen von 1921 / GA-78 unter die Arme greifen wollte, gilt ganz besonders von Steiners eindringlichem Hinweis in GA-78, S. 42 auf das «volle Erleben der Aktivität des Denkens» in der Philosophie der Freiheit. Was ja die empirische Schlüsselstelle für das Verständnis seiner Erkenntniswissenschaft und nachfolgenden Anthroposophie darstellt. Und nicht minder die empirische Grundlage und Schlüsselstelle zu Steiners Freiheitsverständnis. Dieser klärende Hinweis Steiners war neben der Bemerkung von S. 42 zu den «Schwierigkeiten, die Aktivität des Denkens rein philosophisch anzuerkennen», ganz sicher auch eine damalige Klarstellungs-Reaktion auf das Unverstandene, das nicht nur seine Kritiker, sondern eben auch die eigenen Anhänger Steiners zum Thema «Beobachtung des Denkens» und «erlebte Aktivität des Denkens» in die Welt setzten. Die eigenen Leute gaben ihm schon Anlass genug, von solchen Schwierigkeiten zu sprechen. Seit dem frühen 20. Jahrhundert, - bis in die Gegenwart vor allem dann nach 1948 unter dem Einfluß Witzenmanns. Das hat sich seit den Zeiten Walter Johannes Steins also nicht wesentlich verändert, der in seiner überarbeiteten Dissertation (S. 20 ff) trotz aller vorangehenden persönlichen Hilfestellung durch Steiner, bereits mit der Beobachtung des Denkens nichts verständnisvoll zu verbinden wußte, und die Unterscheidung zwischen dem erlebten gegenwärtigen, tätigen Denken und seiner nachträglichen Beobachtung nicht zu treffen vermochte, die ja ebenfalls ein erlebtes tätiges Denken ist. Meiner auf dieser Webseite inzwischen seit mehr als 10 Jahren vorliegenden Studie zu Walter Johannes Stein ist in dieser Frage kaum etwas hinzuzufügen. (Übrigens konnte auch sein späterer Herausgeber Thomas Meyer diese Unterscheidung zwischen reiner Erfahrung und Beobachtung 1985 noch nicht treffen in Kap. 3, speziell auf S. 122 der Ausgabe von W. J. Stein, / Rudolf Steiner. Dokumentation eines wegweisenden Zusammenwirkens, Dornach 1985. Wie Meyer dort auf S. 122 auch noch die Auffassung vertrat, «die Erfahrung zeige, dass eine reine / begriffslose Wahrnehmung nicht möglich sei.» Wobei er sich laut Anmerkungsapparat dazu noch auf die damals verbreitete anthroposophische Sekundärliteratur stützte, die in dieser Frage ihrerseits weitgehend hilflos und ohne Verständnis war. Er hatte seinerzeit noch nicht bedacht, daß natürlich jeder Denkprozeß in Form einer «reinen Wahrnehmung / Erfahrung» vorliegt, und erst seine nachträgliche erkennende Beobachtung darüber Begriffe und Vorstellungen bildet, wie es ja auch von Steiner in den Frühschriften bereits beschrieben wird. Wer das Denken beobachtend begreift, der lebt eben nicht nur in Erinnerungen an vergangenes Denken, sondern der erlebt als reine Wahrnehmung / Erfahrung auch sein tätiges aktuelles Denken, das die vergangenen Erfahrungen des Denkens tätig betrachtet und begreift, indem es an die Erfahrungen des Denkens Fragen stellt und als Resultat solcher Reflexionen Begriffe des Denkens bildet. Das «gegenüberstellende Betrachten des Denkens im Ausnahmezustand» ist also selbstredend eine aktive Erkenntnisleistung des Denkens, die ebenso erlebt wird wie das tätige Denken, wenn es anderen Gegenständen nachgeht. Beide sind wesensgleich, wie Steiner im dritten Kapitel der Philosophie der Freiheit schreibt: „Der beobachtete Gegenstand ist qualitativ derselbe wie die Tätigkeit, die sich auf ihn richtet. Und das ist wieder eine charakteristische Eigentümlichkeit des Denkens. Wenn wir es zum Betrachtungsobjekt machen, sehen wir uns nicht gezwungen, dies mit Hilfe eines Qualitativ-Verschiedenen zu tun, sondern wir können in demselben Element verbleiben.“) W. J. Stein wiederum vermochte trotz seines wirklich verheißungsvollen Einstiegs mit Goethes Essay «Die Natur» in seiner Dissertation auch mit Steiners Suche nach den wirkenden Kräften der Natur im eigenen Inneren nicht viel zu verbinden, die Steiner laut zweitem Kapitel der Philosophie der Freiheit formuliert. Wo Steiner das menschliche Erkennen in Anlehnung an Goethes Naturverständnis selbst als Naturprozeß begreift, und nach dem Wirken der Natur im eigenen Inneren forscht. Nachfolgend dann 1897 (hier S. 69 f) mit besonderer Emphase betont, «das Weltgeschehen bei der Beobachtung des Denkens zu durchschauen». - «Durchschauen» kann man das Weltgeschehen freilich nur, wenn man aufgrund der Erfahrung weiß, was in diesem Weltgeschehen das Wirkende ist und was das Bewirkte. Eine Fragestellung, die durchgängig in sämtlichen Frühschriften Steiners und im Zusammenhang mit Beobachtung und Erkenntnis des Denkens das zentrale Thema ist. Insofern ist es schon verständlich, wenn Steiner bei all den Verständnisschwierigkeiten seiner eigenen Anhänger in seinem Vortrag die Verhältnisse um das erlebte Denken des dritten Kapitels der Philosophie der Freiheit noch einmal energisch ins rechte Licht rückte. Zwischen der reinen Erfahrung des Denkens und seiner erkennenden Beobachtung liegen auch bei W. J. Stein 1921 noch derart viele Verständnislücken, so daß er auch mit der Freiheit des intuitiven Denkens damals völlig überfordert war. Zumal Fragen der menschlichen Freiheit und ihrer Behandlung durch Steiner in Steins Dissertation noch ganz zurückgestellt waren. Sie wurden darin nicht bearbeitet, so dass er auch mit seiner partiellen Besprechung von Freiheitsfragen für Diederichs Magazin völliges Neuland betrat. Und sich in Diederichs Zeitschrift ab S. 826 nach akzeptablen einleitenden Ausführungen zum Monismus völlig verständnislos und wirr über Steiners Auffassung der Freiheit in den Grundschriften, namentlich der Philosophie der Freiheit äußerte. Von denen die Philosophie der Freiheit 1918 in zweiter Auflage erschienen war, und W. J. Stein ebenfalls vorlag und von ihm auf S. 827 auch genannt wird. Der unverstandene Freiheitsbegriff Steiners bei seinen erkenntniswissenschaftlichen Eleven aber ist auch ein unmittelbares Resultat eines unverstandenen «erkennenden Denkens» und dessen Beobachtung. Denn die Freiheit des Menschen wurzelt laut Steiner nicht in irgend einer esoterischen Schulung, sondern in der Freiheit des erkennenden / intuitiven Denkens, in der die esoterische Entwicklung und Schulung des Menschen laut Steiner ihrerseits begründet ist. In der Eigenschaft dieses leibesunabhängigen, erkennenden / intuitiven Denkens «sich selbst tragen zu können», wie Steiner ausdrücklich noch einmal in der Zweitausgabe der Philosophie der Freiheit betonte (hier Erster Zusatz, S. 179 f). Was eben nach Steiners eigenen Worten nicht nur die eigentliche Grundlage des freien Handelns, sondern auch überhaupt erst die Voraussetzung für die Entwicklung jener höheren Schulung der Anthroposophie ist, die laut Steiner in der Leibesunabhängigkeit und Freiheit des erkennenden Denkens wurzelt. Zu freiem Handeln ist eben jeder Mensch insoweit in der Lage, wie er ethischen Intuitionen zu folgen vermag. Die aber sind mit den nachfolgenden freien Handlungen nicht an das Durchlaufen eines anthroposophischen Schulungsweges gebunden, sondern an das reine begriffliche Denken. Deswegen macht Steiner in dieser Hinsicht auch keine Einschränkungen in der Philosophie der Freiheit, die der Leser laut Vorrede 1918 ja auch durcharbeiten kann / soll, ohne auf die anthroposophische Forschung Steiners «hinzuschielen», wie es ziemlich unzweideutig deutlich hier S. 5 dazu heißt. Insofern ist nicht nur der geschulte Anthroposoph zu freien Handlungen in der Lage, sondern jeder, der sich an moralischen Intuitionen im Sinne der Philosophie der Freiheit zu orientieren vermag. Davon ganz unabhängig gilt natürlich, dass der Mensch sich über den Schulungsweg von seiner Leiblichkeit in einem viel umfassenderen Sinne unabhängig macht als der Nichtgeschulte. Ob er dann ohne erkenntniswissenschaftliche Aufklärung als Geschulter auch weiß, warum er frei ist, bleibt eine Frage für sich. In aller Regel weiß er das nämlich nicht, weil ihn Steiners Erkenntniswissenschaft kaum interessiert, die ihm das erst verständlich machen könnte. Wie frei er darüber hinaus dann später als Geschulter noch in seinen Handlungen ist, dazu gibt Steiner im französischen Kurs von 1922 eine für manchen vielleicht überraschende Auskunft. Solche Handlungen, die ihren Impuls aus dem höheren Erleben des Übersinnlichen haben, sind nämlich nicht mehr frei, wie Steiner in GA- 215 (hier, S. 42 f) ausführt. Sehen wir uns die Verbindung zwischen Freiheit und erkennendem Denken zunächst einmal aus der Perspektive der Zusätze von 1918 näher an: Über den Zusammenhang «Freiheit der Handlung» und «Freiheit des erkennenden / intuitiven Denkens» schreibt Steiner in der Philosophie der Freiheit, (hier S. 179 f): „Dazu war notwendig, aus dem Gesamtgebiete des menschlichen Handelns diejenigen Teile auszusondern, denen gegenüber bei unbefangener Selbstbeobachtung von Freiheit gesprochen werden kann. Es sind diejenigen Handlungen, die sich als Verwirklichungen ideeller Intuitionen darstellen. Andere Handlungen wird kein unbefangenes Betrachten als freie ansprechen. Aber der Mensch wird eben bei unbefangener Selbstbeobachtung sich für veranlagt halten müssen zum Fortschreiten auf der Bahn nach ethischen Intuitionen und deren Verwirklichung. Diese unbefangene Beobachtung des ethischen Wesens des Menschen kann aber für sich keine letzte Entscheidung über die Freiheit bringen. Denn wäre das intuitive Denken selbst aus irgendeiner andern Wesenheit entspringend, wäre seine Wesenheit nicht eine auf sich selbst ruhende, so erwiese sich das aus dem Ethischen fließende Freiheitsbewußtsein als ein Scheingebilde. Aber der zweite Teil dieses Buches findet seine naturgemäße Stütze in dem ersten. Dieser stellt das intuitive Denken als erlebte innere Geistbetätigung des Menschen hin. Diese Wesenheit des Denkens erlebend verstehen, kommt aber der Erkenntnis von der Freiheit des intuitiven Denkens gleich. Und weiß man, daß dieses Denken frei ist, dann sieht man auch den Umkreis des Wollens, dem die Freiheit zuzusprechen ist. Den handelnden Menschen wird für frei halten derjenige, welcher dem intuitiven Denkerleben eine in sich ruhende Wesenheit auf Grund der inneren Erfahrung zuschreiben darf. Wer solches nicht vermag, der wird wohl keinen irgendwie unanfechtbaren Weg zur Annahme der Freiheit finden können. Die hier geltend gemachte Erfahrung findet im Bewußtsein das intuitive Denken, das nicht bloß im Bewußtsein Wirklichkeit hat.“ - Diese Zusammenhänge werden hier ebenfalls so vollkommen unmißverständlich dargelegt, dass man es nicht noch einmal wiederholen muß. Wiederum mit dem Ausdruck von der «in der in sich ruhenden Wesenheit des Denkens“ verweist Steiner nicht nur an die «allerwichtigste Beobachtung» des sich selbst tragenden Denkens aus dem dritten Kapitel, sondern damit verbunden auch an eine bereits am Schluß des dritten Kapitels erfolgte kritische Stellungnahme gegen Eduard von Hartmann. Die bei Steiner quasi als resümierendes, empiristisches Fazit des dritten Kapitels (hier S. 37) lautet: «Man kann nicht zu etwas kommen was das Denken bewirkt, wenn man den Bereich des Denkens verläßt». - Das hat, ganz ohne Übertreibung gesprochen, einen archetypischen erkenntniswissenschaftlichen Charakter. Sowohl für die Freiheitsforschung als auch für die damit ganz zwangsläufig verbundene Kausalitätsforschung. Und natürlich für die Entwicklung des Schulungsweges, der nach Steiners Auskunft in der leiblichen Unabhängigkeit des erkennenden Denkens wurzelt. (Hier können Sie das letztere noch einmal S. 296 ff nachlesen.) Wer nämlich das Denken ursächlich durch etwas anderes Erwirkendes von außerhalb des Denkens erklärt, der tätigt damit nicht nur eine (zirkuläre) erkenntniswissenschaftliche Luftbuchung, sondern der ist damit auch völlig außerstande zu einem Begriff des freien Menschenwesens zu gelangen. Weil beides empirisch nur im Menscheninneren zu klären ist. Womit gewissermaßen auch eine Wiederholung des Kapitels 14 der Grundlinien auf den Plan tritt, mit ihren Kausalitätsfragen und dem dort abschließend behandelten Anthropomorphismus des Erkennens. Aber natürlich auch von Kapitel 2 der Philosophie der Freiheit mit seiner Suche nach den wirkenden Kräften der Natur im Menscheninneren. Die freiheitsphilosophische Konsequenz der kritischen Bemerkung gegen Eduard von Hartmann aus dem dritten Kapitel findet dann im späteren Monismuskapitel um «die letzten Fragen» ihre zusammenfassende Beleuchtung. Steiner ist an den zitierten Stellen aus Kapitel III und den späteren Zusätzen gegen Ende der Schrift ebenfalls ganz unmißverständlich. - Der Leser kennt das inzwischen auch schon. Es ist genau der Punkt, wo sich Steiner in der Ablehnung einer äußerlichen Kausalerklärung des Erkennens auch mit Popper und Eccles berührt. Nun ist die Erkenntnis des Denkens aber bei Steiner empirisch nicht nur an die erlebte Denktätigkeit gebunden. Sondern selbstverständlich auch an die erlebte beobachtende Denktätigkeit. Denn die empirische, erkennende Begriffsbildung hinsichtlich des Denkens ist ja ebenfalls eine zu erlebende und zu beobachtende Tätigkeit des Denkens. Sie läßt sich selbstredend empirisch erfahren und beobachten. Übrigens auch im denkpsychologischen Labor ziemlich unkompliziert. Das schließt nicht aus, dass sich innerhalb dieser erkennenden Tätigkeit noch sehr viel mehr beobachten läßt, was erst dem speziell geschulten Bewußtsein zugänglich ist, wie es dann bei den esoterischen Arbeiten des späteren Steiner behandelt wird. Aber wenn überhaupt, dann eben nur dort. Doch schon das geht verloren, wenn bereits der Einstieg über die erlebte Denktätigkeit verfehlt wird, indem man die Tätigkeit des Denkens zu etwas aktuell nicht Erfahrbarem macht. Sie sehen vielleicht, wo hier der Pferdefuß liegt, lieber Leser? - Wer nämlich die Unbeobachtbarkeit des gegenwärtigen Denkens mit seiner Nichterfahrbarkeit verwechselt, wie Witzenmann nicht nur in seiner Strukturphänomenologie und in anderen Abhandlungen, und wahrlich nicht nur Witzenmann allein, der ist damit auch vollkommen außerstande einen Weg zum menschlichen Freiheitsverständnis zu finden, weil er das Denken dann empirisch nicht mehr durch die unmittelbaren Erfahrungen des Denkens ursächlich erklären kann, sondern nur durch irgend etwas anderes von außen. Er kann die Frage nach dem «Ursprung» bzw. nach dem «Erwirkenden des Denkens» nicht mehr beantworten, sondern muß dafür nach Ersatzlösungen suchen. Die aber können in diesem Ersatzfall nicht mehr empirischer, sondern nur noch hypothetischer Natur sein, wie es Steiner schon Kant im Kapitel 14 der Grundlinien vorgehalten hat, wo er ihm und seine Anhängern vorwarf, mit ihren «dogmatischen» Ersatzlösungen für den prekären Kausalzusammenhang «an die Sache nie heran zu kommen». So geht es aber auch jedem damit, der, weil er die erwirkenden Tätigkeit des Denkens nicht zu erleben glaubt, nach einem Verursachungsersatz rein hypothetischer Art suchen muß, weil er ebenfalls «an die Sache nie herankommt». Seien es erdachte Hypothesen über einen hirnphysiologischen Kausalverursacher wie beim Physikalismus, oder durch irgend etwas sonst, wie bei Witzemanns «Erzeugungsproblem» mit seiner nachfolgenden, von Husserl entlehnten «Schichtologie», die nicht erfahren, sondern ebenfalls nur ausgedacht, und von außen als Gedankenmodell an das Denken und Erkennen herangetragen wird. (Siehe dazu auch hier, S. 757 ff, Husserls Schüler Alfred von Sybel mit einem heiter-ironischen Gedicht über das Erkenntnisprozedere eines Husserlschen «Schichtologen». Der laut diesem Gedicht bezeichnenderweise ebenfalls an das Wesen der Sache nie heran kommt, sondern sich fortwährend etwas anderes ausdenken muß, weil die vorangehende Lösung bald darauf nicht mehr gilt. Er kommt also nie an das wirkende Wesen der Sache heran. - Wonach übrigens beim frühen Husserl bis etwa 1923 auch gar nicht gefragt wurde, wie wir weiter oben, S. 37; S. 77 ff schon ausführlicher berichtet haben. Husserl redete zwar im uneigentlichen Sinne von «Denkakten», schloß aber zugleich jede «Tätigkeit» des Denkens aus. Daß er damit nicht einmal in die Nähe von Steiners «Naturforschungsanliegen im Menscheninneren» kommt, wo bei Steiner alles auf der wirklichen Erwirkungstatsache des Denkens aufbaut, liegt auf der Hand. Darin ist diese lyrische Skizze des Herrn von Sybel ebenfalls sehr aussagekräftig und bezeichnend.) Also mit Blick auf das Erkennen ist so ein «Schichtologe» oder sonstiger Alternativerklärer des Denkens eben um nichts besser gestellt als der Physikalist, wenn er die Frage nach der menschlichen Freiheit oder Unfreiheit beantworten will, aber an die wirkende Sache nie herankommt. Um nichts besser gestellt als der Physikalismus oder in etwas anderer Form der Idealist Eduard von Hartmann, wenn er glaubt, man könne mit und durch die eigene Tätigkeit das Denken nicht erklären, sondern nur durch etwas anderes, das der Erfahrung laut Hartmann nicht einmal zugänglich ist. Damit aber, mit so einem nur noch hypothetischen Erklärungssurrogat irgend welcher Art ist er zugleich auch raus aus dem empirischen Erkenntnis-Rennen um die menschliche Freiheit. Denn kausal / ursächlich läßt sich das Denken und Erkennen empirisch und logisch konsistent eben nur durch sich selbst erklären und durch nichts anderes von außerhalb. Die Freiheit aber hängt unverrückbar an der empirischen Selbsterklärungsfähigkeit des Denkens. Am erlebten Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem. Steiner macht da keine Kompromisse, sondern geht da ebenfalls so weit, dass er jeden anderen Ansatz dorhin wörtlich ausschließt: „Den handelnden Menschen wird für frei halten derjenige, welcher dem intuitiven Denkerleben eine in sich ruhende Wesenheit auf Grund der inneren Erfahrung zuschreiben darf. Wer solches nicht vermag, der wird wohl keinen irgendwie unanfechtbaren Weg zur Annahme der Freiheit finden können.“ Vielleicht wird das dem Leser auch einen Hinweis darauf geben, warum Steiner gleich im ersten Kapitel der Philosophie der Freiheit nach dem Ursprung des Denkens fragt. Da geht es selbstredend und maßgeblich auch um Verursachungsfragen. Was ja dann im zweiten Kapitel mit der Suche nach den wirkenden Kräften der Natur im Menscheninneren seine programmatische Fortsetzung findet. So daß die späteren erläuternden Zusätze um die Begründung der Freiheit im intuitiven Denk-Erleben die Frage nach dem Ursprung aus dem ersten Kapitel wieder aufnimmt. Und sehr forciert dahingehend beantwortet, dass die Freiheit des Menschen unverrückbar an der empirischen Selbsterklärungsmöglichkeit des menschlichen Denkens verankert ist, indem sie zwecks Verursachungserkenntnis auf die «Tätigkeit» des Denkens schaut. Wenn man hier wieder näher hinsieht, dann steht auch bei Steiners Empirismus des Denkens / Freiheitsphilosophie / Schulungsweg, an der Spitze aller empirischen Begründungen die Frage: «Was erleben wir, wenn wir denken?» Aus dieser Frage kommt niemand heraus, der die Frage nach der Freiheit des Menschen und nach dem Erwirkenden des Denkens konsistent und empirisch beantworten will. Das wird dem Leser inzwischen vertraut vorkommen, denn mit dieser Leitfrage begann auch Karl Bühler seine Untersuchung über das Denken. Bei Steiner wiederholt sich das im expliziten Hinweis des Zitats: „Diese Wesenheit des Denkens erlebend verstehen, kommt aber der Erkenntnis von der Freiheit des intuitiven Denkens gleich.“ So daß damit auch bei Steiner zwangsläufig die vorab zu klärende Frage im Raum steht: «Was erleben wir, wenn wir denken?» Und was heißt hier «erlebendes Verstehen, bzw. Begreifen»? Steiner hat es ja schon gesagt, mit den Hinweisen darauf, dass einerseits das intuitiv erlebte Denken «eine Wahrnehmung sei, in welchen der Wahrnehmende selbst tätig ist. Und eine Selbstbetätigung, die zugleich wahrgenommen wird.» Ferner in dem Hinweis, dass «alles sinnlich und geistig an den Menschen Herantretende als Wahrnehmung aufzufassen ist, bevor es vom tätig erarbeiteten Begriff erfaßt ist.» (Hier S. 94) Jedes Begreifen irgend einer Sache ist an eine erlebte Tätigkeit gebunden. Das gilt, wie wir vorhin neuerlich sahen, natürlich auch für das erlebte tätige Begreifen des Denkens selbst. - Und daran wiederum ist das Verständnis der menschlichen Freiheit gebunden. Wer das nicht berücksichtigt und so eine Frage nach dem Erleben des Denkens nicht stellt, der kann demzufolge auch die Freiheitsfrage nicht beantworten, die ja bei Steiner ausdrücklich an das «erlebende Verstehen» gebunden ist. Wobei im vorliegenden Fall das «intuitive Denken» laut Steiner eben jenes ist, «durch das eine jegliche Wahrnehmung in die Wirklichkeit erkennend hineingestellt wird», wie es unmittelbar danach im 2. Zusatz von 1918 hieß. Darüber hinaus ist laut Steiners Auskunft vom intuitiven Denken ausdrücklich schon im ersten Teil der Philosophie der Freiheit die Rede. Damit auch im dritten Kapitel. Was alles zusammen für die systematischen Verhältnisse ausgesprochen klärend ist. Daran sehen Sie übrigens auch, daß mit Witzenmanns Strukturphänomenologie in Sachen Freiheitsverständnis kein Blumentopf zu gewinnen ist. Denn Witzenmann betont dort ausdrücklich, daß die aktuelle Denktätigkeit nicht erlebt werden kann. So daß von einem «sich selbst tragenden Denken» im Sinne Steiners bei ihm wahrlich nicht die Rede sein kann, weil das Entscheidende, und das ist das Erwirkende, als Erfahrung fortgefallen ist. Damit ist keinerlei ursächliche Erklärung des Denkens mehr möglich, die «an die Sache noch herankäme». Sondern da ist wirklich Schluß mit lustig, wie man so sagt. Was ja Witzenmanns Kernthema ist, das sich seit 1948 durch sämtliche abwegig-einschlägigen Publikationen Witzenmanns zieht, und dann als verfehlter Höhepunkt dieser jahrzehntelangen Entwicklung in Witzenmanns Strukturphänomenologie definitiv auf Grund läuft und zu Bruch geht, ohne damit irgend etwas zum Verständnis Steiners erreichen. Im Gegenteil. Abgesehen von einem Heer von Jüngern, die sich dann an diesen verfehlten Ansatz Witzenmanns dranhängten, anstatt gründlich in Steiners eigene Begründungsschriften zu schauen. - Witzenmann, hätte er 1921 schon neben W. J. Stein publiziert, wäre deswegen der allererste Hauptadressat vor allen anderen dortigen Kritikern und Anhängern in Diederichs Zeitschrift gewesen, dem Steiner in GA-78 mit seinem Hinweis auf das «volle Erleben der Aktivität des Denkens in der Philosophie der Freiheit» energisch auf die Füße, und, wenn ihm die zerstörerischen Folgen bekannt gewesen wären, noch viel energischer ins sprichwörtliche Kreuz getreten hätte. Zumindest rhetorisch. Weil wegen derartiger Absurditäten Steiners Bewegung noch heute vor sich hin siecht, weil sie deswegen, und vor allem deswegen bis heute in ihrem Mainstream nicht erklären kann, wie sie eigentlich zur Freiheit des Handelns, zur Leibfreiheit des Denkens und zum anthroposophischem Schulungsweg kommt, was nach Steiners klarer Auskunft in dieser freien empirischen Erwirkungs-Tatsache des erkennenden, intuitiven Denkens wurzelt. Diese Tatsache aber ist eine seelisch / geistige. Aufgefunden durch empirische «seelische Beobachtung», die es bei Steiner als Psychologisches Erkennen bereits im Kap. 18 der Grundlinien gibt, «wo es der Geist mit sich selbst zu tun hat», wie er das dortige Kapitel 18 einleitend schreibt. Die restlichen Kapitel dort untermauern das auf ihre Weise. Was Steiner 1917 zwecks Grundlagenforschung im psychologischen Laboratorium will, wie er später in der Schrift Von Seelenrätseln S. 170 f schrieb, dürfte damit einigermaßen überschaubar werden. Die Kernfrage wird eben die nach der erwirkenden Tätigkeit des Denkens sein, die sich auch ohne weiteres unter solchen Laborverhältnissen beantworten läßt. Schon allein deswegen, weil es nur wenige Menschen geben wird, die das Erwirkende ihrer eigenen Denktätigkeit nicht erleben könnten. Was Steiner ja bereits in Kapitel IV von Wahrheit und Wissenschaft sehr plakativ zum Ausdruck brachte, mit dem Hinweis auf den Wahnsinnigen, der das auch nicht übersehen könne. Die Frage nach der erwirkenden Tätigkeit entspricht der programmatischen Frage nach dem «Ursprung des Denkens» aus dem ersten Kapitel der Philosophie der Freiheit, sowie nach den wirkenden Kräften der Natur im Menschinneren aus dem zweiten Kapitel. Sie wurde aber auch schon in den Grundlinien behandelt, und dort zumal im Psychologiekapitel 18 mit dem Hinweis versehen, dass «die Psychologie die erste Wissenschaft sei, wo es der Geist mit sich selbst zu tun habe». Also ausdrücklich nicht die Philosophie, sondern die Psychologie beschäftigt sich mit dem wirklichen Geist. Wenn Steiner mit der Zweitauflage der Philosophie der Freiheit mit Nachdruck die seelische Beobachtung im Untertitel noch einmal hervorhebt, und 1917 sogar ins psychologische Labor will, um dort beste Grundlagen zu legen, so ist an dieser Tatsache ja nicht mehr ernstlich zu zweifeln, dass es ihm wirklich um die Psychologie als erster Wissenschaft geht, «wo es der Geist mit sich selbst zu tun hat», wie es schon 1886 hieß. - Daß an diese Frage auch die nach dem geistigen Wahrnehmungscharakter der Denktätigkeit gebunden ist, wird sich ebenso beantworten lassen. Denn dass er seine begrifflichen Zusammenhänge nicht erzeugt, sondern gewissermaßen als objektive Entitäten vorfindet, ist auch nichts, was dem normalen Bewußtsein vollkommen entlegen wäre. Allen diesen Fragen geht aber die voran nach den Erlebnissen des Denkens, wie sie Bühler schon gestellt hatte. Ich erwähne diese Umstände hier eigens auch noch einmal mit Blick auf Jaap Sijmons und sein ominöses «bestbekanntes Denken». Es wird ja unten noch ein wenig dazu folgen. Ich will mich hier auch nicht unnötig über Sijmons ereifern, wenn er nicht geradezu exemplarisch wäre für die Verhältnisse in der erkenntniswissenschaftlich orientierten anthroposophischen Gemeinschaft. Exemplarisch für die erkenntniswissenschaftliche Vernachlässigung der Psychologie, die bei Steiner allerdings als empiristische Erkenntnisorientierung absolut grundlegend ist, bei aller Erkenntniswissenschaft. Diese Vernachlässigung der Psychologie durch Steiners spätere Interpreten aber ist nicht nur ein Problem von Sijmons, der das Psychologiekapitel 18 der Grundlinien ebenso übergeht, wie Steiners kurze Auseinandersetzung mit der zeitgenössischen Kausalitätsproblematik im dortigen Kapitel 14. Auch bei Sijmons wird auf der einen Seite nahezu unentwegt in der Dissertation über die «Tätigkeit» des Denkens gesprochen. Daß diese erlebte Tätigkeit etwas mit Humes und Kants Kausalitätsproblem zu tun hat, und Steiner bereits in den Grundlinien vom «erlebten Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem» beim Denken und Erkennen spricht, was wiederum etwas mit dem Kausalitätsproblem aus dem Kapitel 14 empirisch zu tun haben könnte, - es bleibt bei Sijmons ausgeklammert, bei aller pausenlos betonten «Tätigkeit» des Denken. Auch Steiners inneres Naturforschungsanliegen aus dem zweiten Kapitel der Philosophie der Freiheit, - die Suche nach den «wirkenden Kräften der Natur im Menscheninneren», - bleibt bei Sijmons wie bei vielen anderen Interpreten komplett ausgeklammert. Die Kantpassage aus dem Kapitel 14 mit den beiden Dogmatismen wird nicht behandelt, obwohl Sijmons auch Kants Prolegomena zum Zeugen aufruft, was ihn eigentlich mit Blick auf die Kausalität eines besseren hätte belehren können. Stattdessen redet er zusammenhanglos über Steiners Anthropomorphismus des Erkennens vom Schlußteil dieses Kapitels 14, wo dann die klärende und vor allem entscheidende Verbindung zum Kausalitätsproblem mit den beiden Dogmatismen fehlt. Das scheint mir alles nicht untypisch zu sein. So erklärt eben der permanent und starr eingefrorene Blick an der Psychologie vorbei leicht, wie man als anthroposophisch orientierter Erkenntniswissenschaftler schließlich auch komplett an jeder Realität vorbei manövrieren kann. Und nachfolgend dann als skurrilem, aber bei dieser extremen Vernachlässigunglage «folgerichtigem» Höhepunkt von Fleiß und Belesenheit auf ein «best bekanntes Denken» bei Steiners Erkenntniswissenschaft kommt. Mit dem ebenso bizarren Nachsatz bei Sijmons, „Ohne dass wir das Denken kennten, gäbe es ja auch keine Erkenntnis (kein Denken) über etwas anderes. Wie sollte es nun unbekannt sein? Weil wir es hervorbringen, ist es uns immer schon bekannt.“ - Man kann nur noch kopfschüttelnd so ein wirres Resultat seines Fleißes zur Kenntnis nehmen, das nicht nur jeder Erfahrung spottet, sondern auch jedem Studium von Steiners Grundschriften. Mit solchen Konklusionen wie bei Sijmons wiederum wird definitiv jeder Zugang zum Verständnis von Steiners Freiheitsphilosophie ebenso gründlich vernagelt, wie das Verständnis seines Schulungsweges aus der Freiheit des intuitiv erlebten Denkens. Andererseits kann man Sijmons wahrlich keine mangelnde Emsigkeit vorhalten oder mangelnde Belesenheit, wenn man allein in seine umfangreiche Dissertation schaut. Das sage ich ganz ohne jede Ironie und ohne jeden Anflug von Zynismus, sondern in voller Anerkennung. Denn das kann man ja wirklich uneingeschränkt würdigen. Aber es fällt doch auf, wenn man sich sein illusionäres «bestbekanntes Denken» in der Dissertation, S. 328 anschaut, wo ihm schlußendlich der ganze Fleiß nebst Belesenheit nichts zum Verständnis genützt hat, es fällt auf, daß er bei Steiner alles ebenso hartnäckig ausdauernd und emsig übergeht, was ganz explizit und sachlich erkenntnistheoretisch bei Steiner in die Psychologie, in das erlebte Denken, in seine psychologische Beobachtung und zugleich in die Verursachungsfrage führt. Was alles bei Steiner bereits 1886 in den Grundlinien beginnt, schon in der Anknüpfung an Volkelts «immanent psychologische» Erkenntnistheorie einschließlich seinem Psychologiekapitel 18. Steiners Vorträge dazu will ich gar nicht weiter erwähnen. Ebenso Steiners «erlebten Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem im Denken» bereits in den Grundlinien. Daß Steiner in sämtlichen Frühschriften das Denken als psychologischen Sachverhalt innerhalb der Erkenntniswissenschaft betrachtet, so wie es bei Volkelt auch schon war, das kann ernstlich niemandem entgehen. Steiners Geist-Suche beginnt selbstredend im eigenen Seelenleben; das ist in allen Frühschriften unübersehbar. So dass die Frage natürlich aufkommt, woher und von welchem genialen «Ratgeber» die Blicklenkung bei einem so fleißigen Steinerinterpreten wie Sijmons kommt, die ihn bei Steiners Frühwerk ständig an der Psychologie vorbei, und damit schließlich auch an jeder psychologischen Realität vorbei blicken läßt, obwohl Steiner andauernd davon redet? Von der Psychologie im allgemeinen und vom «erlebten Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem bei Denken». Dies auch in Steiners Goetheschrift von 1897, die von Sijmons ebenfalls behandelt wird, ohne auf die Tatsache zu achten, daß Steiner dort Erstausgabe S. 67 ff anläßlich der Beobachtung des Denkens vom «Prozeß» des Denkens und vom «durchschauten Weltgeschehen» spricht, und davon, dass dies «die Idee selbst» sei. - Weil so eine Entgleisung wie bei Sijmons wiederum exemplarisch ist, fragt es sich natürlich, wer den Nachwuchswissenschaftler Sijmons auf so eine absurde Fährte gesetzt hat, dass er solchen Unsinn kreiert, der nicht nur an jeder Erfahrung, sondern der auch an jeder leicht nachprüfbaren Überzeugung Steiners vorbei geht? Denn auf einen derartigen Unsinn kommt der «aussichtsreiche» philosophische Kandidat nicht gänzlich von allein, sondern dazu braucht es «verständige Ratgeber» und helfende Hände aus dem Inneren der anthroposophischen Bewegung. Zumal braucht es für den akademisch und anthroposophischen Karriereweg auf jeden Fall «Seilschaften», die ihn auf so eine wirklichkeitsfremde «akademische» Spur von antipsychologischen und abstrusen Steiner-Interpretationen erst mit Nachdruck setzen, so dass er sie dann auch noch jahrelang unentwegt und unbeirrt weiterverfolgt. Damit dann auch so zielsicher wie mit einem gestörten digitalen Navigationsgerät an Steiners Lösung der Freiheitsfrage vorbeisteuert. Meinen Leser mache ich auch deswegen noch einmal ausdrücklich auf Steiners dahingehende Worte aufmerksam, daß im ganzen ersten Teil der Philosophie der Freiheit vom «intuitiven» Denken die Rede ist. Folglich spricht er auch in ihrem dritten Kapitel von diesem «intuitiven erlebten» Denken. Wenn er also in den eben erwähnten Zusätzen von 1918 nachfolgend vom «intuitiv erlebten» Denken sagt, daß es «eine Wahrnehmung sei, in der der Wahrnehmende selbst tätig ist. Und eine Selbstbetätigung, die zugleich wahrgenommen wird», dann gilt das gleichermaßen für das dritte Kapitel. Wo man es ja ebenfalls ganz unzweideutig findet. Allein schon in der Wendung vom Schluß des dritten Kapitels: „es kommt darauf an, daß nichts gewollt wird, was, indem es sich vollzieht, vor dem «Ich» nicht restlos als seine eigene, von ihm überschaubare Tätigkeit erscheint.“ Damit allein schon wäre auch sämtlichen Paradoxologen und Verballhornern dieses dritten Kapitels in Gestalt von Witzenmann & Co jeder Boden entzogen. Hinzu kommt, daß es auch bereits für die Schrift Wahrheit und Wissenschaft galt, wo die Gegebenheit des Hervorbringens von reinen Begriffen im Kapitel Vier ausdrücklich und in aller Klarheit eingefordert wird (hier auf S. 37). Also ganz unzweideutig eine denkpsychologische Tatsache. Desgleichen gilt es für die Grundlinien von 1886, was wir hinlänglich alles dargelegt haben. Bezüglich dieser Sachlage werden in der Philosophie der Freiheit also keinerlei geheimnisvolle und bis dahin unbekannte Neuigkeiten vermittelt, sondern das alles gilt bei Steiner schon längst seit mindestens 1886. Er hat, wohl der zahllosen Mißverständnisse auch bei seinen Anhängern wegen, das alles nur noch einmal in zusammenfassender und erweiterter Form dargelegt, wie er es ähnlich in der Schrift Von Seelenrätseln (hier S. 62) von seinem Frühwerk zum Ausdruck brachte im Kapitel über Max Dessoir. Die Zweitauflage der Philosophie der Freiheit bemühte sich ganz augenfällig und maßgeblich darum, entsprechenden Mißverständnissen vorzubeugen, und all die Fehlinterpretationen auszuräumen, die nicht nur bei seinen Zeitgenossen im allgemeinen eklatant geworden waren, sondern ebenso bei seinen eigenen Anhängern. Bis auf den heutigen Tag. Deswegen die verschiedenen präzisen Hinweise dort auf die erlebte Tätigkeit des Denkens. Das sogar in ihrem dritten Kapitel, wo es in der Beobachtungsangelegenheit die allermeisten Anlässe für Verwirrung gegeben hatte. Der Leser wird sich in diesem Zusammenhang vielleicht auch noch an unsere Bemerkungen zu Steiners Kritik von Eduard von Hartmann im dritten Kapitel der Philosophie der Freiheit erinnern. Wonach, - so Steiner, - «es aussichtslos sei nach dem Bewirkenden des Denkens zu fragen, wenn man den Bereich des Denkens verläßt». Das ist natürlich essentiell für eine erkenntniswissenschaftliche Grundlegung, die im sich selbst tragenden und erlebten intuitiven Denken die Wurzel der menschlichen Freiheit erkennt. Das ist wiederum eine Sicht, die auch von Popper und Eccles vertreten wurde, wie wir vorangehend dargestellt haben. Bei den beiden letzteren liegt eindeutig der kritische Schwerpunkt auf den Behauptungen des Physikalismus, es gäbe so einen externen / physikalistischen Verursacher des Erkennens. Eine Vermutung, die in ihren Augen vollkommen abwegig ist, und das ganze Erkenntnisvermögen des Menschen zur Illusion erklärt, mitsamt den physikalistischen Unterstellungen. Letztlich sprechen auch Popper und Eccles damit von einem sich selbst tragenden menschlichen Erkenntnisvermögen / Denken, womit sie Steiner bei den Wurzeln der menschlichen Freiheit im erkennenden Denken ausgesprochen entgegen kommen. Dies alles lag W. J. Stein 1921, damals vor allem der extrem schwierigen Umstände wegen, noch völlig fern. Der Mann hatte schlicht keine Zeit und kaum Gelegenheit dazu, sich unter den verheerenden Kriegs- und Nachkriegsumständen noch eingehender mit Steiners Frühwerk zu befassen. Zumal er als Lehrer der ersten Waldorfschule in Stuttgart mit den ihm übertragenen Schulfächern, die er nicht studiert hatte, schon hinreichend ausgefüllt war. Des weiteren hatte sich W. J. Stein im Rahmen seiner Dissertation vielfach (S. 12- 32) noch beim Antipsychologisten Husserl Rat geholt, mit dem wiederum Steiner zeitlebens nichts anfangen konnte. Wohingegen Steiner bereits 1917 laut der Schrift Von Seelenrätseln ins psychologische Labor wollte, um beste Grundlagen zu legen. Wohin Husserl seinerseits niemals wollte, und stattdessen diese Psychologie auch sträflich mißachtete. So daß die damalige Psychologie des Denkens, die sich sehr konkret seit der Jahrhundertwende um das erlebte Denken kümmerte, auch W. J. Stein weitestgehend fremd war und unbeachtet blieb. Infolgedessen wußte er auch mit der erlebten gegenwärtigen Tätigkeit des Denkens in der Philosophie der Freiheit nichts zu beginnen. Auch Steiners Laborwunsch aus der Schrift Von Seelenrätseln von 1917 schien ihm noch nicht über den Weg gekommen zu sein. Ein einziger Blick in die Untersuchung Karl Bühlers hätte ihm daher zusätzlich mächtig aufhelfen können. - Ergo: Steiners dringender Hinweis auf die Philosophie der Freiheit und das darin beschriebene «volle Erleben der Aktivität des Denkens» in GA-78, S. 42 kam wahrlich nicht von ungefähr. Weniger vielleicht wegen der Kritiker von außen, sondern wie mir scheint weit, weit mehr wegen der sehr prominenten Missverständnissse in den eigenen Reihen. Weil es die eigenen Anhänger sind, die das richtige Verständnis in die Zukunft zu tragen haben, und keine abwegig zerstörerischen und selbsterdachten Theorien wie etwa bei Witzenmann. Während es bei W. J. Stein vor allem ein Zeitproblem war, ist es heute vorzugsweise ein Interessenproblem und gar keins der (schwierigen) Verhältnisse. Die im Gegensatz zu 1914-1921 in den zurückliegenden Jahrzehnten, äußerlich betrachtet, kaum besser für die Steinerforschung sein konnten. Wo es vor günstigen Gelegenheiten dazu förmlich wimmelte. Es war bei allen günstigen Gelegenheiten ein Interessenproblem, mit der Folge, daß das Verständnis auch heute noch den allermeisten Anhängern Steiners, zumal den akademischen, und mit Vorrang den akademischen Anhängern Witzenmanns völlig fern liegt. Wer sich letztendlich mit Witzenmanns Strukturphänomenologie im Handgepäck, und im Kopf mit Witzenmanns «Paradoxie der Selbstgebung», sowie seinem «Erzeugungsproblem» und seiner «erkenntnistheoretischen Grundfrage, wie aus Unbeobachtbarem Erinnerungen werden können?» der Philosophie der Freiheit und ihren Freiheitsfragen nähert, der ist unendlich weit davon entfernt, Steiners Begründung der Freiheit nebst seiner Begründung des anthroposophischen Schulungsweges aus der Freiheit des intuitiven Denkens zu verstehen. Wie ich oben schon sagte, führt kein Weg von dort, von Witzenmanns Fehlinterpretationen zu Steiners Freiheitsverständnis. Kein Weg zum Schulungsweg der Anthroposophen. Und auch kein Weg zu den Inhalten der anthroposophischen Forschung Steiners. Heute ist es augenfällig kein Problem der schwierigen Verhältnisse, sondern ein Problem des mangelnden Interesses, bzw. einer vollkommen gleichgültigen und vielfältig kontraproduktiven Interessenlage, wenn es die akademischen / professoralen Anhänger Witzenmanns neben anderen bei allen noch so günstigen Gelegenheiten in 40 und mehr Jahren in keiner Weise fertig brachten, sich auch nur von Ferne um die Grundlagen Steiners zu kümmern, so dass sie heute mehr dazu wüssten als Walter Johannes Stein. Im Gegenteil. Sie wissen inzwischen in vielen Fällen ersichtlich noch weit weniger als Stein. Und selbst ein damaliger Kritiker Steiners wie der erwähnte J. W. Hauer verstand bei aller ersichtlichen Unvollständigkeit entschieden mehr von Steiners Frühwerk als ein heutiger desinteressierter Anhänger Witzenmanns, der ohne Kenntnis von Steiners eigenen Grundlagen seine wertvolle Zeit für Hymnen auf Witzenmanns Fehlinterpretationen und opulente Werke über Witzenmann und dessen Übersetzung in fremde Sprachen verbrennt, anstatt sich um die originären Erkenntnisfundamente Steiners zu kümmern, von denen er nichts versteht. Und offensichtlich auch gar nichts mehr verstehen will. Jedenfalls hat man angesichts solcher Gegenwartsverhältnisse mitunter den Eindruck, dass manche von Steiners zeitgenössischen intellektuellen Kritikern wie der «grundehrliche» (Steiner, S. 169) Schrempf oder Hauer, die wenigstens noch ernsthaft nachfragten, mit ihren durchaus berechtigten Sachfragen Steiner bei aller Kritik tendentiell weit näher standen als viele von Steiners heutigen angeblichen «Anhängern», die das alles gar nicht mehr interessiert. Die deswegen auch keine Fragen mehr stellen, sondern letzteres als windelweiches «Desiderat» für irgendeine ebenso unverbindliche «Zukunft» vor sich her- und von sich wegschieben, wie wir sahen. Mit Blick auf die damalige Zeitlage muß man ernsthaft davon ausgehen, daß Steiner aus dringendem Anlaß in GA-78 versuchte, über grundlegende, aber gründlich missverstandene Inhalte seiner (Früh)-Schriften Klarheit zu verschaffen, die ihm in solchen Magazinen wie Die Tat seitens seiner Gefolgsleute ebenso entgegentraten wie die Verständnislosigkeit seiner ausdrüklichen Kritiker / Gegner. Wenn also Christoph Schrempf von Steiner händeringend das «Hellsehen» lernen wollte, wie er in der Zeitschrift Die Tat vom September 1921, S. 421 schrieb, dann hätte er sich beispielsweise zusammen mit seinem Mitstreiter Hauer, der dasselbe Verständnisproblem hatte, an Steiners Rechtfertigungsvortrag in GA-255b vom 21. Mai 1921 halten können, wo Steiner diese Zusammenhänge um das «Hellsehen», das begriffliche reine Denken, die Leibfreiheit dieses Denkens und den anthroposophischen Schulungsweg im öffentlichen Vortrag annähernd zeitgleich darlegte. Dann hätten Schrempf und Hauer sich an solchen Ausführungen und Steiners Frühschriften orientieren können, denn daran wäre ihnen begreiflicher geworden, daß sie es im Prinzip und in elementarer Weise längst können. Was freilich nicht nur für Christoph Schrempf & Kollegen galt, sondern gleichermaßen für die damaligen und heutigen Anhänger Steiners. Wie gesagt formulierte der kenntnisreiche Kritiker Steiners, J. W. Hauer, seinerzeit dasselbe Verständnisproblem wie Schrempf, wenn er W. J. Stein vorangehend, in diesem Magazin auf S. 813 nach dem «leibfreien Denken» fragte, und nachfolgend S. 814 ff «was Hellsehen für Steiner eigentlich sei?» Für Hauer zumindest hätte man deswegen zusätzlich die Empfehlung aussprechen können, einmal in Steiners Schrift Wahrheit und Wissenschaft zu schauen, eine Schrift, die er nämlich laut eigener Aussage kannte. Und sich dort im vierten Kapitel hier S. 37 den von Steiner für das reine Denken / Hellsehen verwendeten Ausdruck «intellektuelle Anschauung» vor Augen zu führen. Dabei hätte ihm sehr vieles klarer werden können, was dieses Hellsehen / intellektuelle Anschauung betrifft, wovon Steiner seit seinen Frühschriften sagt, daß es im reinen Denken bereits vorliege. Wer sich wiederum um die Freiheitsfrage bei Steiner bemüht, der kann sich vorzugsweise und zumal als Erkenntniswissenschaftler um die Grundlage der Freiheit im erkennenden / intuitiven Denken kümmern, wie wir es hier vorangehend auch am Beispiel Poppers und anderen etwas zu beleuchten versuchte ------------- 47. Steiners Brückenbau vom naturwissenschaftlich Sicheren zum Geistigen Wie der Leser an Steiners Ausführungen über die Denkübung sieht, führen von solchen in freier Tätigkeit ausgeführten «Nebenübungen» mit möglichst uninteressanten Gedanken die Wege bis zum durchschauten Weltgeschehen und darüber hinaus, wenn man die Verhältnisse im Lichte einer empirisch basierten Philosophie betrachtet, die auf dem «induktiven Wege zu den Ideen» ist, wie es Steiner in seiner Frühzeit in den Einleitungen in Goethes Weltanschauung hier S. 126 schrieb: „Das objektiv Gegebene deckt sich durchaus nicht mit dem sinnlich Gegebenen, wie die mechanische Weltauffassung glaubt. Das letztere ist nur die Hälfte des Gegebenen. Die andere Hälfte desselben sind die Ideen, die ebenso Gegenstand der Erfahrung sind, freilich einer höheren, deren Organ das Denken ist. Auch die Ideen sind für eine induktive Methode erreichbar." Die wirkenden Kräfte der Welt sind laut Goethes Essay «Die Natur» geistiger Art. Insofern ist es verständlich, wenn Steiner in das eigene Innere eintaucht, um die Natur und ihre Wirksamkeit zu begreifen, wie er im zweiten Kapitel der Philosophie der Freiheit in Anlehnung an Goethes Essay darlegte. Verständlich von hier aus auch die Verbindung zum Universalienrealismus der «Idee», wie sie für Goethes Denken typisch war. Andererseits wiederum der Strang zur Psychologie des Denkens, die sich um das Verständnis von wirkenden Kräften beim erlebten Denken bemühte, wenn die Universalien dasjenige sind, was in der Welt wirkt. Wie es ja in Steiners Schrift Goethes Weltanschauung von 1897 auf S. 69f formuliert wurde. Es gibt nun allerhand wegweisende Verbindungslinien von solchen erkenntniswissenschaftlichen Grund-Fragen zum «Weltgeschehen» mit ihren Beobachtungsmethoden hin zur zeitgenössischen introspektiven Psychologie (des Denkens) des frühen zwanzigsten Jahrhunderts. Über Johannes Volkelts gedankliche Verbindungen zur Würzburger Schule Oswald Külpes haben wir oben schon gesprochen. Für Karl Popper gilt dasselbe, der ein direkter psychologischer Schüler Karl Bühlers war. Und noch ein dritter, in diesem Kapitel bislang nicht erwähnter Strang kommt mit hohem heuristischem Gehalt in Betracht. Das ist der über Friedrich Rittelmeyer, dem Begründer der Christengemeinschaft, der ein direkter philosophischer Schüler Oswald Külpes war, und bei diesem über Nietzsche und das Erkenntnisproblem promoviert hatte. Siehe dazu, Steffi Hammer, Denkpsychologie - Kritischer Realismus. Eine wissenschaftshistorische Studie zum Werk Oswald Külpes. Peter Lang Europäischer Verlag der Wissenschaften, Frankfurt/M, 1994, S. 216. Rittelmeyer war es dann auch, der 1915 versucht hatte, Steiner mit Oswald Külpe direkt und psychologisch in Verbindung zu bringen. Was leider nicht gelang, wie er in Rittelmeyer, Meine Lebensbegegnung mit Rudolf Steiner, Stuttgart 1983, S. 71 ff schrieb. Siehe dazu auch Christoph Lindenberg, Rudolf Steiner, Eine Chronik, Stuttgart 1988, S. 362; S. 367 f. Näheres zu diesem Versuch Rittelmeyers auch hier, S. 335 ff; S. 441 ff; S. 556 ff; S. 579 f und öfter. Rudolf Steiner hatte sich zu einem Treffen mit Külpe grundsätzlich bereit erklärt. Thematisch sollte es dabei um die Frage gehen, ob und wieweit und unter welchen Umständen hellsichtige Fähigkeiten experimentell geprüft werden können (Lindenberg, S. 368 f). Nun sind die hellsichtigen Grund-Fähigkeiten für Steiner bereits im reinen Denken des gewöhnlichen Denk- und Erkenntnisprozesses anzusiedeln, und das erlebte Denken war einer der Forschungsschwerpunkte schon in den Würzburger Jahren Külpes, wo nach den Erlebnissen des Denkens gefragt wurde. Wo die Würzburger u. a. einiges zum anschauungslosen / sinnlichkeitsfreien Denken vorzuweisen hatten, wie Külpe in seinem Aufsatz von 1912, Über die moderne Psychologie des Denkens, in, Internationale Monatsschrift für Wissenschaft, Kunst und Technik, 6, 1912, auf Sp. 1084 ff schrieb. Ebenso affirmativ äußert sich Külpe ebendort in seinem Aufsatz über die innere Aktivität, die Bewußtseinsakte des Menschen, die für Steiner gleichermaßen ein elementarer, essentieller und unverzichtbarer Bestandteil der Veranlagung zum Schauen sind. Insofern ist es biographisch nicht ganz entlegen, wenn Steiner 1917 in der Schrift Von Seelenrätseln den speziell von Rittelmeyer zu knüpfen versuchten Faden zur institutionalisierten introspektiven Psychologie neuerlich aufnimmt, und S. 170 f für sich selbst «und für jeden, der auf dem anthroposophischen Gesichtspunkt steht» den dringlichen Wunsch nach einem psychologischen Laboratorium äußert, um dort Grundlagenforschung über die «Veranlagung zum Schauen» durchzuführen. Was wie gesagt von Steiner primär und regelmäßig dem reinen Denken zugeordnet wird. Es geht also unverkennbar bei Steiners Laboratoriumswunsch von 1917 um dieselbe Thematik, wie sie ihm für eine mögliche Unterredung mit Külpe bereits 1915 vorschwebte. Also läßt sich mit einiger Verlässlichkeit sagen, dass es hier in beiden Fällen (1915 und 1917 dann in der Schrift Von Seelenrätseln), vielleicht nicht nur, aber maßgeblich um die Psychologie des Denkens gehen sollte, weil er ausdrücklich die Veranlagung zum Schauen in diesem Denken ansiedelte. Was wie gesagt 30 Jahre zuvor im Labor nicht möglich gewesen wäre, weil es so etwas damals noch nicht gab, sondern in Deutschland erst um das Jahr 1900. All diese hier und weiter oben bereits Genannten wie Steiner, Volkelt, Popper, Eccles, Rittelmeyer, Dilthey, Edith Stein, Külpe und Kollegen etc kamen sich an einem «Treffpunkt von Anthropologie und Anthroposophie» entgegen mit ihren sehr ähnlichen Erkenntnisfragen. Wo es um das Verhältnis von Erkennen / Freiheit und Naturkausalität geht. Und auch hier nicht ganz zufällig mit vergleichbaren Verbindungen zur introspektiven Psychologie des Denkens, die damals vor allem in der Külpeschule einen äußerst prominenten Begründer und angesehenen Vertreter hatte. Woran man sieht, was an diesem «Treffpunkt» von Anthropologie und Anthroposophie mit solchen Mitteln in Begründungsfragen möglich ist: Daß sich auch psychologisch äußerst folgenreiche Untersuchung zum logischen Denken anstellen lassen, ohne dabei in einen abstrusen logischen Psychologismus zu verfallen, der das Logische psychologisch oder physiologisch ursächlich erklärt, bzw. weg-erklärt mitsamt der Freiheit und der inneren Wirksamkeit eines tätigen Denkers. Sondern die Unabhängigkeit des Seelischen vom Leiblichen demonstriert, indem gezeigt wird, wo und wie sich das Seelische an einem vom Leibe unabhängigen Geistigen / Logischen orientieren kann, und sich insofern ebenfalls unabhängig macht vom nur biologisch / psychologischen Dasein und seinen Bestimmtheiten. Das ist sozusagen auch die von Popper und Eccles im Grundsatz vertretene Sichtweise, die freilich bei weitem nicht so weit reicht wie bei Steiner in der Schrift Von Seelenrätseln. Sich aber unzweideutig in dieser Frage «mit ihm trifft», wie es an diesem «Treffpunkt von Anthropologie und Anthroposophie» eben laut Steiner möglich ist. Was somit als «leibliche Unabhängigkeit» gewissermaßen eine Voraussetzung für die Entwicklung eines Schulungsweges darstellt, dessen Möglichkeit und Anlage an so einem Treffpunkt mit den entsprechenden psychologischen Mitteln plausibel gemacht werden kann. Wo nachfolgend dann diese geistig spirituelle Unabhängigkeit mit den esoterischen Mitteln eine viel größerer Breite und Tiefe erreicht, als es in einem psychologischen Laboratorium exemplarisch zu demonstrieren und zu belegen ist. In der Leibesunabhängigkeit des menschlichen Denkens gründet wie gesagt der gesamte Schulungsweg des Anthroposophen Steiner, wie er in GA-255b ausführt, aber wahrlich nicht nur dort wird das berichtet, wie man beispielsweise in den Nachbetrachtungen zu Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten? (hier, GA-10, S. 214 ff) ebenfalls studieren kann. So etwas wie der Nachweis dieser Leibesunabhängigkeit des Denkens ist wie ebenfalls schon gesagt längst im Vorstadium des «Treffpunktes von Anthropologie und Anthroposophie» einlösbar. Während die weiteren geistigen Details des Denkens, um die es dabei mittelbar ebenfalls geht, erst auf dem «höheren Erkenntniswege» lösbar werden, wie Steiner in Stuttgart in beiden letztgenannten Vorträgen (GA-78 und GA- 255b) mitteilt. Der «Brückenbau» betrifft also das «gemeinsame Forschungsgebiet», von dem Steiner ausführlicher in der Schrift Von Seelenrätseln (GA-21) berichtet, die ja in etwas anderer Weise als seine Frühschriften in hohem Maße diesem «Brückenbau» gewidmet ist. Und um es noch einmal zu wiederholen: Speziell im psychologischen Laboratorium könnte dort Steiners Wunschvorstellung zufolge der «Brückenbau» fortgesetzt werden. Oder, wie er dort schreibt: „Will man nämlich die beste Grundlage schaffen zu anthropologisch-psychologischen Ergebnissen, die bis an die «Erkenntnis-Grenzorte» gehen, an denen sich Anthropologie mit Anthroposophie treffen muß, so kann dieses durch ein psychologisches Laboratorium geschehen, wie ein solches Brentano in Gedanken vorgeschwebt hat.“ Steiners Grundlagenforschung zum Denken und Erkennen ist also in den Frühschriften nicht etwa abgeschlossen worden. Sondern sie wäre, - Steiners eigener Einschätzung zufolge, und wie er in GA-21, S. 170 f ausführt, - hervorragend in einem psychologischen Laboratorium nach den Vorstellungen Brentanos aufgehoben, um sie dort weiter zu führen. Im «gemeinsamen Forschungsgebiet von Anthropologie und Anthroposophie», wie es dort erläutert wird. Denken allerdings, und damit auf elementare Weise «Hellsehen», kann jeder Mensch, der in heutigen Kulturzusammenhängen geboren ist, «von Natur aus» wie Steiner 1921 in GA-255b, S. 300 und vorher ausführt. (Siehe Steiner dasselbe dazu etwa auch am 29. Mai 1913 in Helsingfors, GA-146, Dornach 1992, S. 32 ff.) Also kann er selbstverständlich auch denken, ohne daß er dabei die leiseste Ahnung hätte, was das eigentlich ist, was er da denkend betreibt. - Das sind zudem auch Tatsachen, die jeder moderne Mensch wirklich mühelos anhand seiner eigenen Erkenntnisbiographie validieren kann, wenn er denn einigermaßen wirklichkeitsnah die Verhältnisse betrachtet. Denn das «Können» des Denkens liegt gewöhnlich in sehr jungen Lebensjahren längst vor. Während das «Erkennen» des Denkens erst viele Jahre später nachfolgt. Auch bei Steiner war das selbstverständlich nicht anders, wie sich nicht nur seinen Betrachtungen zu den Forschungsmotiven der Frühschriften in GA-255b, S. 298 entnehmen läßt: Wo sein eigenes Erkenntnisbemühen um das Denken laut Steiners Auskunft die über alles entscheidende Rolle in diesen grundlegenden Frühschriften spielte, wie er seinen Zuhörern berichtet: „Es ist ganz sicher, wenn naturwissenschaftliche Weltanschauung allein recht hat, dann sind wir als Menschen Werke einer Notwendigkeit, dann ist die Idee der Freiheit unmöglich, dann scheint selbst in dieser so überzeugenden Erfahrung unseres Innenlebens die Tatsache, daß wir einen freien Willen haben, nur wie eine Gaukelei vor unserer Seele zu stehen. Und so wurde für mich denn die Frage nach der Rechtfertigung der Freiheit eines derjenigen Probleme, eines derjenigen Rätsel, die mich intensiv als jungen Mann beschäftigten, und ich sah, daß es unmöglich ist, eine Grundlegung zu finden für die Freiheitsfrage ohne eine Grundlegung für das gesamte philosophische Denken. Das war es daher, was ich mir zunächst Ende der achtziger Jahre und zu Beginn der neunziger Jahre des 19. Jahrhunderts als Aufgabe stellte: eine Grundlegung zu finden für das philosophische Denken. Ich legte zunächst alles beiseite, was sich mir etwa ergeben konnte an Schauungen einer geistigen Welt. Ich wollte vor allen Dingen eine sichere philosophische Grundlegung haben, die im Einklang steht mit der naturwissenschaftlichen Forschung der neueren Zeit. Und von diesem Gesichtspunkt ausgehend, untersuchte ich vor allen Dingen die Natur des menschlichen Denkens. Ich versuchte alle möglichen Wege, um heranzukommen an die Beantwortung der Frage: Was ist seiner Wesenheit nach eigentlich dieses menschliche Denken? Wer nun meine «Philosophie der Freiheit» durchliest, wird finden, wie diese Wege zur Ergründung der Natur des menschlichen Denkens gesucht worden sind. Und für mich stellte es sich heraus, daß nur derjenige das menschliche Denken richtig verstehen könne, welcher in den höchsten Äußerungen dieses Denkens etwas sieht, das sich unabhängig von unserer Körperlichkeit, von unserer leiblichen Organisation vollzieht. Und ich glaube, es gelang mir nachzuweisen, daß die Vorgänge des reinen Denkens im Menschen sich unabhängig von den leiblichen Vorgängen vollziehen.“ Nun ist ja klar: Für denjenigen, der «alle möglichen Wege geht zur Ergründung der Natur des menschlichen Denkens», dem ist diese Natur des menschlichen Denkens alles andere als best bekannt oder intim bekannt. Sonst bräuchte er diese Forschungswege ja nicht zu gehen, um die Leibfreiheit des reinen Denkens nachzuweisen. Steiners Erkenntnisbemühungen in dieser Zeit und in diesen Schriften gelten aber vorrangig der Erkenntnis des Denkens und seiner leiblichen Unabhängigkeit. Die philosophische Grundlegung sollte auch «im Einklang stehen mit der naturwissenschaftlichen Forschung der neueren Zeit.» - Es ist ebenso offensichtlich, daß dieser Einklang nur bei Gültigkeit der naturwissenschaftlichen / «anthropologischen» Forschung zu erzielen ist. Weswegen sich Steiner alle Mühe gab, auch eine maßgebliche Korrektur am nebelhaft metaphysisch begründeten Kausalitätsprinzip vorzunehmen, und das «Wirkende der Natur» laut zweitem Kapitel der Philosophie der Freiheit im eigenen Inneren suchte. Damit jenen Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem im Inneren suchte, der außerhalb dessen nicht sicher zu finden war. Woraus im dritten Kapitel dieser Schrift dann die «allerwichtigste Beobachtung» wurde. Auch das ist ein Thema, das sämtliche Frühschriften Steiners durchzieht, und nicht etwa erst in der Philosophie der Freiheit behandelt wurde. Ich darf ausdrücklich auch noch einmal daran erinnern, dass die Philosophie der damaligen Zeit nicht die von heute war, sondern noch die Psychologie umfaßte. Wie auch Steiners «seelische Beobachtung» noch Teil der damaligen Philosophie war. Ebenso, was er im Psychologiekapitel der Grundlinien vorgelegt hat. Das alles gehörte seinerzeit noch zur Philosophie. Und diese Philosophie, - auch die über den Menschen aus der Schrift Von Seelenrätseln, - verstand sich als hochgradig abhängig von empirischer Forschung. Was seinerzeit eben auf der Ebene der «Anthropologie» bzw. Philosophie problemlos möglich war. Deswegen ist es auch verständlich, wenn der philosophische Psychologe des Denkens, Oswald Külpe, als Zeitgenosse Steiners in seinen Betrachtungen über den Werdegang der modernen Psychologie des Denkens monierte, daß die modernen mechanistisch denkenden Psychologen wie F. A. Lange den Vertretern der Geisteswissenschaft nur «Steine statt Brot» anzubieten hatten, indem sie die Aktivitäten des Bewußtseins mechanistisch weg-erklärten, und gegen jede introspektive Evidenz zu leiblichen Vorgängen deklarierten. Die Geisteswissenschaftler / Psychologen / Philosophen wie Külpe bauten in dieser Zeit ganz selbstverständlich (wie auch ihre mechanistisch geprägte Gegenseite) auf dem Ertrag psychologischer / «anthropologischer» Forschung auf. Und entwickelten anhand dessen, - wenn auch von zwei verschiedenen und sich darin ausschließenden materialistischen vs psychologischen Wegen kommend, - eine «Philosophie über den Menschen». Wie sie Steiner in der Schrift Von Seelenrätseln, S. 29 ff sowohl für die Anthropologie als auch für die Anthroposophie skizziert. Wobei der Pfad der mechanistischen Psychologen / Anthropologen aus Steiners (und Külpes) Sicht ein abwegiger ist, wie Steiner bereits im Psychologiekapitel der Grundlinien angedeutet hatte. - Von der Abwegigkeit des mechanistischen psychologischen Pfades war auch der Denkpsychologe Külpe überzeugt. Siehe dazu etwa den Aufsatz Külpes von 1912, Über die moderne Psychologie des Denkens im Anhang seiner von Bühler herausgegebenen Vorlesungen über Psychologie. Wo Külpe (S. 312) moniert, «die mechanistisch orientierten Psychologen böten den Geisteswissenschaftlern, die nach psychologischer Begründung verlangen, entgegen den unübersehbaren Resultaten einer inneren Beobachtung vielfach nur Steine statt Brot.» - (Siehe auch in Ziche a.a.O., S. 53.) Im Original Külpes in: Internationale Monatsschrift für Wissenschaft, Kunst und Technik, 6, 1912; Sp. 1069-1110; speziell Sp. 1087. - Soweit Steiner von den Naturwissenschaften kommend als seelischer Beobachter der Frühschriften vorgeht, nimmt er wie Külpe den «anthropologischen» Weg zu einer «Philosophie über den Menschen». Als «anthroposophischer Geisteswissenschaftler» wiederum kommt er von der geistigen Seite wie er in GA-21 darlegt. Es versteht sich von selbst, daß er als «Brückenbauer» von den Naturwissenschaften zur geistigen Welt auch beide Wege beschreiten muß und auch kennt. Weswegen er seine anfängliche Grundlagenforschung der Frühschriften jetzt in einem psychologischen Laboratorium fortführen will, weil das nunmehr 1917 möglich geworden ist. Es war aus Steiners Sicht in seiner Zeit nicht mehr möglich, als Idealist die Naturwissenschaften zu vernachlässigen. Weswegen er auch in den Übergangsschriften zur Mystik wie etwa GA-7, hier S. 3-8 einleitend auf diesen Brückenbau der Frühschriften von den Naturwissenschaften zur geistigen Welt hinweist. (Siehe dazu nachfolgend unsere weiteren Betrachtungen zu Günter Röschert und Christian Clement.) In der Regel beginnt die Erkenntnis des Denkens dann, wenn sich die Betreffenden auf Grund ihres bildungsbiographischen Werdegangs damit speziell befassen. Sei es durch entsprechende Studiengänge, oder angeregt durch die Literatur und Gespräche. So war das seinen eigenen Worten zufolge auch bei Steiner. Wenn man sich wie gesagt Steiners Vortrag von 1921 in GA-255b S. 298 ff vor Augen führt, dann galt der Erkenntnis des Denkens und seiner «Leibfreiheit» das vorrangige Bemühen all seiner Frühschriften im Rahmen dieses «Brückenbaus» von den Naturwissenschaften zum Übersinnlichen. Was anhand dieser Frühschriften auch leicht nachzuvollziehen ist. - Und um noch einmal auf unsere Ausgangsfragen der letzten Seiten im Zusammenhang mit Röschert und Sijmons zurückzublicken: Von einem «intim» oder «best bekannten» Denken, - zumal ohne Beobachtung, - kann also auch mit Blick auf Steiners Frühschriften gar keine Rede sein. So daß man hier auf einen verblüffenden Kontrast stößt: Das bei Steiner ständig hervorgehobene «Erleben» des Denkens, fiel bei seinen späteren Anhängern psychologisch sozusagen vollständig über die Kante. Sie fragten gar nicht mehr danach, was man beim Denken eigentlich erlebt und wie man das zu begreifen hat. Obwohl Steiner, wie wir anhand der Zusätze zur Philosophie der Freiheit demonstrierten, «das erlebende Verstehen des intuitiven Denkens ausdrücklich zur Grundlage des Freiheitsverständnisses erklärte». Im 1. Zusatz von 1918, hier S. 179 dahingehend: „Diese Wesenheit des Denkens erlebend verstehen, kommt aber der Erkenntnis von der Freiheit des intuitiven Denkens gleich.“ So daß damit wie erwähnt auch bei Steiner zwangsläufig die vorab zu klärende Frage im Raum steht: «Was erleben wir eigentlich, wenn wir denken?» Wer das nicht berücksichtigt und so eine Frage weder stellt, noch beantworten kann, der kann demzufolge auch Steiners Freiheitsfrage mit Steiner nicht beantworten, weil er gar nicht weiß, wovon der redet und was der will. Während bei Steiner die Klärung der Freiheitsfrage ganz ausdrücklich an das «erlebende Verstehen» gebunden ist. Der damit letztlich dieselbe Frage wie der Denkpsychologe Karl Bühler dem Begreifen seiner Freiheitsforschung voranstellte. Die da lautet: «Was erleben wir, wenn wir denken?» Das gilt Steiners eigenen Worten zufolge für ihn nicht weniger als für Bühler. Der Denk-Psychologe Karl Bühler berichtete bezeichnenderweise 1907 in seiner denkpsychologischen Untersuchung (hier S. 297 in der Einleitung) von den zeitgenössischen Fachleuten, die ja auch Steiners Zeitgenossen waren, diese seien mehrheitlich der Auffassung gewesen, dass es beim Denken gar nichts zu erleben gäbe. Entsprechend bemühte Bühler sich in seiner Untersuchung dieser Frage erst einmal empirisch und weitläufig nachzugehen, ob sich das wirklich so verhält und dabei gar nichts erlebt wird. Und fand dabei doch völlig andere Sachverhalte vor, als die von seinen Zeitgenossen mit großer Mehrheit geglaubten und behaupteten. Nämlich ein ziemlich reichhaltig erlebtes Denken, mit Erlebnissen der verschiedensten und unerwarteten Art, die in seiner Studie eingehend beschrieben werden. Was wir ja weiter oben bereits behandel haben. Von einer «besten» Bekanntheit des Denkens oder einer «intimen Bekanntheit ohne Beobachtung» gar, kann also unter solchen empirischen Umständen natürlich keine Rede sein, wenn es nach dem ungeprüften und irrtümlichen Glauben all seiner Forschungskollegen angeblich «gar nichts zu erleben gibt», wie von Bühler dargelegt. Sich dann aber etwas völlig anderes bei seiner näheren Untersuchung herausstellte. Alles das, was Bühler dort in seinen drei Teilartikeln beschreibt, müßte entsprechend auch Steiners Anhängern bekannt sein. Zudem noch weit, weit, weit mehr, um überhaupt irgendwie in die Nähe so eines Prädikates wie «intim oder best bekannt» zu gelangen. Das aber ist natürlich nicht der Fall. Auch laut Steiner ist da nämlich nichts intim oder best bekannt ohne Beobachtung. Der uns in der Philosophie der Freiheit (Kap III, nicht nur hier S. 31) ebenfalls davon unterrichtet, dass man via Beobachtung «das Denken erst kennen lernen» müsse. Was bei Steiner in dieser Schrift zumal im dritten Kapitel in Form einer gegenüberstellenden Betrachtung von Erfahrungen des Denkens geschieht. Steiner ist also mit Blick auf die Erkenntnis des (erlebten) Denkens im Grundsatz derselben Auffassung wie Bühler. Sogar methodisch. Ohne gegenüberstellende Beobachtung / Betrachtung von Erfahrungen des Denkens gibt es eine solche Erkenntnis nicht. Das aber ist eben das, was Bühler in seiner Studie vorführte, indem er die reinen Denkerfahrungen seiner Versuchspersonen denkend betrachtete. Auch «ein Ausnahmezustand» wie bei Steiner, wenn auch bei Bühler arbeitsteilig, wie bereits weiter oben erwähnt. Während Steiners eigene Anhänger und Interpreten im vorliegenden Fall keinerlei Vorstellung zu entwickeln vermögen, wie man überhaupt zu einer näheren Bekanntheit jenes Denkens via Beobachtung gelangen könnte, das man permanent mit leichter Hand betätigt. Die Beobachtung des Denkens scheint bei diesen Berbeitern Steiners geradezu überflüssig geworden zu sein. Denn wozu noch einmal erkennen, was angeblich längst intim respektive best bekannt ist ohne Beobachtung? Wie der Leser an so etwas leicht nachvollzieht, wurde von beiden Autoren (Röschert / Sijmons) das «Können» des Denkens schlicht mit seiner «Erkenntnis» verwechselt. Denn natürlich kann jeder Mensch denken, bevor er es erkennt. Nur ist es eben ein fataler und leicht zu widerlegender Irrglaube von Steiners Anhängern, zu meinen, das, was man in einem Fall gut kann sei im selben Fall ebensogut bekannt. Dieses fatale Mißverständnis hatte insofern ebenso fatale Folgen, als Steiners Empirismus der Grundschriften dadurch gleichfalls vollständig von seinen Anhängern korrumpiert und demontiert wurde. Dahingehend etwa, daß Steiners Kernanliegen einer «Naturforschung von innen» aus dem zweiten Kapitel der Philosophie der Freiheit bei keinem einzigen dieser beiden Interpreten jemals ein Thema wurde. Und nicht nur bei diesen beiden. Sijmons hat das in den mir zugänglichen Arbeiten nie aufgenommen. Während auch Röschert in dem gemeinschaftlich mit Ravagli später herausgegebenen Band Kontinuität und Wandel, Stuttgart 2003, ebenfalls nicht einmal von Ferne darauf kam, dass es in Steiners Schrift überhaupt um solche Dinge, - Naturforschung von innen, via seelischer Beobachtung, - gehen könnte. Stattdessen betrachtete er dort (S. 171) das erste und zweite Kapitel der Philosophie der Freiheit als «eigenständig und verbindungslos». Wenn uns schließlich dann Herr Schieren als weiterer Anhänger Witzenmanns (siehe oben) erzählt, «die seelische Beobachtung der Philosophie der Freiheit sei keine Introspektion», dann hat er sich damit ebenfalls vollständig aus Steiners Empirismus des Denkens verabschiedet. Nun, dermaßen abwegig geht es bisweilen in der reichlich rezipierten anthroposophischen Sekundärliteratur zu. Auch der ominöse Sammelband der Alanushochschule macht, wie man sieht, in dieser Hinsicht keinerlei Ausnahme. Von der Psychologie des Denkens, die um das Jahr 1900 aufkam und bezüglich einer empirischen Erkenntnis des Denkens annähernd der selben Auffassung war wie Rudolf Steiner, hatten beide Verfasser (Röschert und Sijmons) gleichermaßen wie die Strategen des Sammelbandes, offensichtlich noch nie etwas gehört. Stattdessen wird im letzteren Sammelband der Alanushochschule der «Brückenbau» Steiners vorzeitig beendet, weil ja angeblich Steiners «seelische Beobachtung» der Philosophie der Freiheit keine Introspektion sein soll. So behauptet es ohne jeden Beleg Jost Schieren als Polier der «Abrißbaustelle Anthroposophie». Wobei ihm dabei fleißige Handwerker zur Seite stehen, die dort Stein um Stein und Balken für Balken abtragen, damit als Ersatz für Steiners Anthroposophie das Märchenschloß Witzenmanns entstehe. Ob sich das heute bei anthroposophischen Autoren wie Röschert anders verhält, vermag ich nicht mit Bestimmtheit zu sagen. Im gemeinsam von Röschert und Ravagli publizierten Nachfolgebuch Kontinuität und Wandel, Stuttgart 2003, das nun schon 20 Jahre zurück liegt, aber durchaus noch von namhaften Anthroposophen rezipiert wird und über die Jahre hin entsprechende Wirksamkeiten entfaltete, existierte jedenfalls ebenfalls keinerlei Signal in diese Richtung «seelische Beobachtung des Denkens» und «Naturforschung von innen». Im Gegenteil. (Näheres dazu hier, S. 1054 ff und S. 1201 ff, Anm 396.) Desgleichen im Beitrag von Sijmons im erwähnten Sammelband der Alanushochschule ebenso wenig. Und ebenso wenig in dem von Heusser / Weinzirl herausgegebenen Sammelband, Rudolf Steiner. Seine Bedeutung für Wissenschaft und Leben heute, 2013. Bemerkenswerterweise fällt auf über 20 Seiten (76-99) bei seinem Gewaltritt durch die Philosophiegeschichte bei Sijmons kein einziges mal ein erhellendes Wort über die «psychologischen Methode» Steiners, mit der man den Geist finden soll. Was Steiner nicht nur im Untertitel der Philosophie der Freiheit durch die seelische Beobachtung hervorhebt, sondern lange vorher schon. Nämlich 1886 in den Grundlinien… bereits seinem Leser ganz explizit vorführte. Besonders plakativ im Kapitel 18 als Psychologie ausdrücklich auch noch in den Anmerkungen zur Neuauflage mit der späteren Geistesforschung verknüpft. Es wird stattdessen nicht einmal von Sijmons danach gefragt, was Steiners Erkenntniswissenschaft mit der Psychologie zu tun haben könnte. Während für Steiner bereits in der Schrift von 1886 die «Psychologie die erste Wissenschaft ist, wo es der Geist mit sich selbst zu tun hat». Für einen Leser der sich an der konkreten Forschungspraxis des frühen Steiner orientiert, ist das von Sijmons Vorgetragene weitestgehend abstraktes akademisches Stroh, mit dem sich konkret so gut wie nichts verbinden und anfangen läßt. Wo weder die eindringlichen Gründe dafür, noch das faktische psychologische Prozedere der erkenntniswissenschaftlich orientierten «psychologischen Geist-Erforschung» erläutert wird, als sei das bei den vielen Worten über Geist und Idealismus eine völlig abgelegene und unbedeutende Sache. Bei allen historischen Linien, die von Sijmons gezogen werden, fällt vor allem auf, daß keine einzige zur Psychologie, und auf diesem Wege der seelischen Beobachtung zum wirklichen Geist führt. Von Steiners Laborwunsch in der Schrift Von Seelenrätseln hatte Sijmons auch nichts zu vermelden. Was schließlich der Mensch beim Denken erlebt, auf so eine Kernfrage Rudolf Steiners und Karl Bühlers, so die Anmutung nach diesem mehr als 20seitigen Artikel, würde der Verfasser Sijmons wohl im Leben nicht kommen. So dass bei Sijmons nicht nur die Psychologie über die Kante gefallen ist, sondern mit ihr zusammen auch der wirkliche Geist gleich mit. So als ob es heute bei den akademisch philosophischen Anthroposophen nicht mehr ganz zeitgemäß sei, sich auch noch mit dem realen Geist zu befassen anstatt nur in vielen Worten über ihn zu kramen. Bei Steiner freilich ist das «richtig verstandene Denk-Erleben bekanntlich bereits Geist-Erleben» (hier S. 181). Diese Tatsache sollte laut seiner Auskunft in der Philosophie der Freiheit dargelegt werden. - Da könnte man vielleicht doch einmal auf den Gedanken verfallen und mit Bühler nachfragen, was man denn eigentlich erlebt, wenn man denkt. Bei Sijmons jedenfalls drängt sich der Eindruck auf, als sei da noch jemand, der sich aus Steiners psychologischem Empirismus des Denkens und des Geistes weitgehend verabschiedet hat. So daß man unweigerlich an Volkelts (1918, hier S. 38) Ironisierung des philosophischen Antipsychologismus seiner Zeit erinnert wird, wo sich der philosophische Nachwuchs schon aus Karrieregründen hütete, die Philosophie in eine «anrüchige» psychologistische Nähe zur «minderwertigen» Psychologie zu bringen. Obwohl Sijmons allerdings schon in seiner Dissertation im Psychologismuskapitel 5.3.4, auf S. 184 ff erfreulicherweise klarstellte, dass Steiner kein Psychologist im negativen Sinne sei, vermag er bis heute auch nicht werkimmanent zu sagen, was er denn überhaupt im positiven Sinne mit der Psychologie zu tun hat, wenn Steiner das Denkens via seelischer Beobachtung untersucht und begreiflich macht. Mit der Folge, dass niemand der Leser anhand solcher Sekundärtexte aus diesem Sammelband begreifen wird, wie und warum Steiner in den Frühschriften nach der Leibfreiheit des Denkens forschte. Warum das für Steiner überhaupt ein Thema war? Was das mit dem Kausalitätsproblem und den Naturwissenschaften zu tun hat? Warum das Erleben des Denkens für Steiner fundamental ist? Und wie sich bei Steiner die psychologische / seelische Beobachtung im Zuge der freiheitsphilosophischen Forschung und zur Erkenntnis des leibfreien Denkens vollzieht? Zumal auch noch im psychologischen Laboratorium, in das es ihn 1917, S. 171 neben «allen anderen, die auf dem anthroposophischen Gesichtspunkt stehen», ja zwecks solcher Forschung eindringlich hinzog. So weit noch einmal zu Sijmon`s «best bekanntem» Denken. Von Röschert existiert neben zwei weiteren Buchveröffentlichungen mit anderer Thematik zwar eine relativ stattliche Literaturliste bis in die 2020er von Publikationen in der Zeitschrift Die Drei, ferner regelmäßige Beiträge im Jahrbuch für anthroposophische Kritik von 1993 bis 2005, die sich relativ wenig mit anthroposophischer Grundlagenforschung befassen. Darüber hinaus ein längerer Beitrag in Karl Martin Dietz (Hgr), Rudolf Steiners Philosophie der Freiheit, Stuttgart 1994, S. 103-159, zur Situationsethik und moralischer Phantasie in der Philosophie der Freiheit. Diese meine Auflistung ist gewiß unvollständig. Was mir dazu ergänzend interessant erscheint, ist eine anspruchsvolle und differenzierte Stellungnahme Röscherts zu Christian Clements kritischer Steinerausgabe, namentlich zu dessen Ausgabe von Band 5. Schriften über Mystik, Mysterienwesen und Religionsgeschichte. Röscherts Stellungnahme scheint von 2014 zu stammen. Unglücklicherweise ist das Erscheinungsjahr in der PDF-Datei des Verlages nur dunkel zu erahnen, weil größtenteils weggeschnitten. Von Steiners Grundlagenforschung der Frühschriften ist in dieser kritischen Stellungnahme Röscherts nichts zu lesen, bis (S. 96) auf einen Hinweis Steiners auf seine Grundlinien in seinem Mystikband GA-7, den Clement übersehen habe. Was Röschert allerdings in dieser Rezension ebenfalls entgeht, ist die Tatsache, dass auch im genannten Mystikband (GA-7) von Steiner gleich in den ersten Abschnitten (S. 3-8) die zum Verständnis notwendige Brücke gebaut wird zu seinem naturwissenschaftlichen Ausgangspunkt zur Mystik in den Frühschriften, namentlich der Philosophie der Freiheit. So dass selbstredend die Frage zu stellen ist, wie sieht denn Steiners eigener Weg von der modernen Naturwissenschaft zur Mystik aus, den er den in GA-7 behandelten Mystikern, die an der Grenze zur modernen Naturwissenschaft standen, einleitend gewissermaßen kontrastierend gegenüberstellt? Und weiter: Wie kann man ein die Mystik jener Zeit betrachtendes Buch wie GA-7 historisch und werkgenetisch dann behandeln und bewerten, wenn man Steiners eigenen naturwissenschaftlich angebundenen Weg, der in den genannten Frühschriften seinen Ausgang nimmt, gar nicht kennt und / oder nicht versteht? So daß folglich auch kein gereiftes und angemessenes Urteil über Steiners Einschätzung der Mystik in diesem Band Clements möglich ist? Ich hatte an anderer Stelle, hier S. 760 f speziell S. 775 ff bereits mit Blick auf Christian Clement darauf hingewiesen, dass es schlechterdings nicht solide möglich ist, mit Steiners mystischem / esoterischem Werk beginnend eine kritische Gesamtausgabe kommentierend herauszugeben, wenn man Steiners eigene wissenschaftliche Wege dorthin weder kennt noch zur Kenntnis nimmt, obwohl Steiner sie selbst immer wieder hervorhebt. Und folglich Steiners späte esoterische Schriften in einem Begründungszusammenhang mit den frühen stehen. So daß der Herausgeber Clement ohne diese Kenntnis und sachliche Berücksichtigung der brückenbauenden Frühschriften das Pferd ganz zwangsläufig von hinten aufzäumen muß. Folglich so etwas wie Steiners Esoterik oder die frühen Schriften zur Mystik wie GA-7 dann werkgenetisch und begründungslogisch notwendigerweise vollkommen verständnislos kommentiert. Das gilt zumal für einen historisch kritischen Herausgeber wie Clement, der in aller Öffentlichkeit behauptete, dass ihn Steiners Motive / Forschungsmotive gar nicht interessieren, da sich über die Motivation eines Schriftstellers ohnehin nichts Verbindliches sagen lasse. So, als sei Steiners philosophisches und esoterisches Werk qualitativ nichts anderes als das eines landläufigen Romanciers. Daß es bei Steiner um Wissenschaft geht, und in dieser Art Literatur andere Interpretationsregeln hinsichtlich der Motive des Verfassers gelten als bei x-beliebigen Romanschreibern, das lag Clement seinerzeit völlig fern. Inzwischen ist Clements Artikel mit dem Titel, Muss man zum Verständnis eines Textes die Motivation des Autors kennen auf dem Egoistenblog nicht mehr ohne weiteres zugänglich. Hier existiert noch zugänglich im Archiv die Version von 2014 (vom Stand 04. 11. 23). 48. Hermeneutik ohne die Kunst des Verstehens als pseudowissenschaftliches Framing Was in diesem Fall von Clement gilt, nämlich Steiners Begründungswerk gar nicht zu kennen, so daß er es zu Kommentierungszwecken auf das spätere Mystikwerk Steiners anwenden könnte, das gilt letztlich auch für Röschert selbst. Der in diesem Kontext auf das gemeinsam mit Ravagli herausgegebene Buch Kontinuität und Wandel von 2003 verweist. Wo sich freilich ebenfalls kein Ansatz von Verständnis bei beiden Autoren findet. Und Ravagli stattdessen dort einleitungsweise (S. 26) die mehr als abenteuerliche Mär vom «Übungsbuch; genauer: Schulungsbuch» Philosophie der Freiheit in die Welt setzte, die angeblich «gar keine Erkenntnistheorie» sei, und «nur eine Methode, aber keine Inhalte lehre.» Ganz krause Behauptungen, wenn man sich neben den Frühschriften und Steiners ständig wiederholten Hinweisen auf seine erkenntniswissenschaftlichen Grundlagen auch noch Steiners Erklärungen zum Ziel seines erkenntniswissenschaftlichen Frühwerkes in GA-255 b von S. 295 ff anschaut. (Siehe dazu ausführlicher hier, S. 1054 ff; + S. 1201, Anm. 396. ) Womit natürlich die Frage aufkommt, ob das nicht mehr oder weniger allgemein gilt, und neben Clement auch sonst keiner diesen von Steiner ständig betonten Begründungszusammenhang der Frühschriften mit dem esoterischen Werk Steiners ernst nimmt? Ob er Clement nun von seiner Warte aus kritisiert oder nicht. Wenn man sich beispielsweise einen noch fast druckfrischen Artikel von DaVeiga und Traub aus den Steiner Studies anschaut, Was heißt Steinerforschung, vom September 2023, dann kann man solches mit aller Berechtigung fragen. Wo der eine (DaVeiga) aus der Schule Witzenmanns stammend und von Steiners Frühwerk bis auf eine lange Jahre zurückliegende Dissertation weitgehend unbeleckt ist, und noch weit weniger vom Verhältnis der Anthroposophie zum begründenden Frühwerk Steiners. Wie er in einem Artikel von 2011 Zum wissenschaftlichen Selbstverständnis der Anthroposophie Rudolf Steiners durchblicken ließ, wo gar nicht erst auf das von Steiner stets betonte wissenschaftliche Verhältnis zwischen beiden näher hingeschaut wurde, (übrigens auch noch mit den Ausgaben von http://anthroposophie.byu.edu/philosophie.html auf teils hoch fragwürdige weil mitunter extrem fahrlässig aufbereitete Quellentexte zu Steiner verwiesen wurde, die in Teilen nicht authentisch sind. Beispiele für solche zweifelhaften Textausgaben siehe hier und hier. Die im Internet hinterlegten Ausgaben der GA sind technisch leider nicht immer perfekt gelungen. Damit muß man rechnen. Aber es gibt wahrlich Besseres als das von Da Veiga dort vorgelegte zweifelhafte Material.) Der andere (Traub) ohnehin ohne jedes Verständnis, und vor allem aus dem Idealismus (Fichtes) kommend, hat seinen Unverstand schon in seinem opulenten Werk von 2011 demonstriert. Seither ist ebenfalls nicht viel dazu gekommen. Die beiden fragen jetzt, «was Steinerforschung heißen könnte». Woran man sieht, es wird immer noch ganz am Anfang jedes ernsthaften Studiums hilflos in einer Art und Weise herumgekrebst, daß den Leser schon bei den simpelsten Fragen der Textinterpretation das Staunen anläßlich solcher akademischen Fragen überfällt. - Warum? - Weil schon auf der elementarsten Ebene der Textinterpretation das anspruchsvolle akademische Vorhaben sich durch die Fakten selbst zerlegt. Nämlich durch die Vernachlässigung elementarster Aussagen Steiners, die schlicht und ergreifend falsch wiedergegeben und interpretiert werden. Und damit könnte man das Projekt fast schon zu den Akten legen wegen handwerklicher Grundmängel der Textinterpretation. Stattdessen besser das nächste Übungsseminar zur Textanalyse empfehlen, bevor man metatheoretisch weiter über Hermeneutik, Werkverständnis und Steinerforschung doziert. Im vorliegenden Fall geht es um das Subkapitel zur Hermeneutik, und schon da zeigen sich größte Mängel im Textverstehen. Angeblich nämlich habe Steiner im Vorwort der Zweitauflage der Philosophie der Freiheit darauf hingewiesen, dass dieses Buch keine Wissensinhalte vermitteln soll. So die beiden Autoren auf S. 8 im Kapitel 2. 2. Hermeneutische Zugänge, ihrer Abhandlung. Wo es etwa heißt: „Wenn etwa die zweite Auflage der Philosophie der Freiheit mit „Seelische Beobachtungsresultate nach naturwissenschaftlicher Methode“ untertitelt ist und im Vorwort zur selben Auflage darauf hingewiesen wird, dass die Philosophie der Freiheit keine Wissensinhalte vermittele, sondern das selbständige Beobachten anrege, der Autor also keine Theorie zu vermitteln, sondern Ergebnisse einer Phänomenologie des Bewusstseins vorzustellen beabsichtigt, dann hat das notwendigerweise hermeneutische Konsequenzen für die Erschließung, die Diskussion und die Beurteilung des Textes.“ Hier muß man sich schon sehr die Augen reiben, weil Steiner solches im Vorwort der Zweitauflage gar nicht geschrieben hat. Nebenbei gesagt ist es die «Vorrede» zur Neuausgabe von 1918, um die es geht. Ein «Vorwort» gib es dort nämlich nicht, sondern nur diese Vorrede zur Neuausgabe von 1918, die sich infolge dieser Tatsache erkennbar auf eine ältere schon vorhandene Schrift mit diesem Titel bezieht. Ungeachtet aber dessen: Weder hat Steiner in dieser Vorrede geschrieben, dass in diesem Buch keine Wissensinhalte vermittelt werden sollen, noch hat er geschrieben, daß er dort nur das selbständige Beobachten anregen wolle. Nichts von all dem ist aus dem fraglichen Kontext der Vorrede abzuleiten. Will man wissen, was er wirklich geschrieben hat, dann muß man sich die ungefähr anderthalb Seiten der Vorrede selbst anschauen. Das sind im engeren Sinne hier etwa die Seiten 3-5. Man kann aber ebensogut die beiden «Wurzelfragen» vom Beginn mit einbeziehen, auf die er sich ebenfalls bezieht. Vor allem auch sollte man berücksichtigen den Hinweis von S. 5, daß niemand auf die «späteren geistigen Erfahrungen Steiners hinschielen» muß, um den Inhalt der Philosophie der Freiheit annehmbar zu finden. In Steiners Augen ist die Philosophie der Freiheit ein Buch für alle. Und zwar auch für jene, die nicht seine erklärten Anhänger sind, oder ausdrücklich seinem Schulungsweg nachgehen. Diesen Hinweis Steiners haben die beiden Autoren unglücklicherweise ebenso weggelassen wie eine nähere Erörterung dessen, was er im Kontext mit der «Wissensvermittlung» überhaupt gesagt hat. - Die Schrift versteht sich laut Steiners eigenen Worten dort nämlich als eine, die keine Wissenssvermittlung im speziellen Sinne anstrebt. Und zwar keine im speziellen naturwissenschaftlichen oder auch speziellen geisteswissenschaftlichen / anthroposophischen Sinne. Es macht nun allerdings einen großen Unterschied, ob jemand nur das sehr spezielle Wissen einer Fachwissenschaft nicht vermitteln will, oder überhaupt kein Wissen, wie es die beiden «Hermeneutiker» behaupten. Das wird jedem einleuchten, der einigermaßen klar zu denken vermag. Frage also, warum es die «Hermeneutiker» anscheinend nicht können und Steiner nicht einfach beim Wort nehmen, dass er «kein spezielles Wissen» vermitteln will? Lassen wir Steiner deswegen ausführlich mit den entsprechenden Teilen der Vorrede zur Philosophie der Freiheit in ihrer Neuauflage von 1918 zu Wort kommen, mit der Bitte versehen, dass der Leser, falls er das Buch nicht schon besitzt, sich die wenigen verbleibenden Abschnitte hier oder hier in der Ausgabe von 1958, und hier in der Dornacher Ausgabe von 1995 aus dem Internet verfügbar macht. So schreibt Steiner in dieser Vorrede: „Die Anschauung, von der hier mit Bezug auf diese beiden [Wurzel-, MM] Fragen die Rede ist, stellt sich als eine solche dar, welche, einmal gewonnen, ein Glied lebendigen Seelenlebens selbst werden kann. Es wird nicht eine theoretische Antwort gegeben, die man, einmal erworben, bloß als vom Gedächtnis bewahrte Überzeugung mit sich trägt. Für die Vorstellungsart, die diesem Buche zugrunde liegt, wäre eine solche Antwort nur eine scheinbare. Nicht eine solch fertige, abgeschlossene Antwort wird gegeben, sondern auf ein Erlebnisgebiet der Seele wird verwiesen, auf dem sich durch die innere Seelentätigkeit selbst in jedem Augenblicke, in dem der Mensch dessen bedarf, die Frage erneut lebendig beantwortet. Wer das Seelengebiet einmal gefunden hat, auf dem sich diese Fragen entwickeln, dem gibt eben die wirkliche Anschauung dieses Gebietes dasjenige, was er für diese beiden Lebensrätsel braucht, um mit dem Errungenen das rätselvolle Leben weiter in die Breiten und in die Tiefen zu wandeln, in die ihn zu wandeln Bedürfnis und Schicksal veranlassen. - Eine Erkenntnis, die durch ihr Eigenleben und durch die Verwandtschaft dieses Eigenlebens mit dem ganzen menschlichen Seelenleben ihre Berechtigung und Geltung erweist, scheint damit aufgezeigt zu sein. [] So dachte ich über den Inhalt dieses Buches, als ich ihn vor fünfundzwanzig Jahren niederschrieb. Auch heute muß ich solche Sätze niederschreiben, wenn ich die Zielgedanken der Schrift kennzeichnen will. Ich habe mich bei der damaligen Niederschrift darauf beschränkt, nicht mehr zu sagen als dasjenige, was im engsten Sinne mit den gekennzeichneten beiden Wurzelfragen zusammenhängt. Wenn jemand verwundert darüber sein sollte, daß man in diesem Buche noch keinen Hinweis findet auf das Gebiet der geistigen Erfahrungswelt, das in späteren Schriften von mir zur Darstellung gekommen ist, so möge er bedenken, daß ich damals eben nicht eine Schilderung geistiger Forschungsergebnisse geben, sondern erst die Grundlage erbauen wollte, auf der solche Ergebnisse ruhen können. Diese «Philosophie der Freiheit» enthält keine solchen speziellen Ergebnisse, ebensowenig als sie spezielle naturwissenschaftliche Ergebnisse enthält; aber was sie enthält, wird derjenige nach meiner Meinung nicht entbehren können, der Sicherheit für solche Erkenntnisse anstrebt. Was in dem Buche gesagt ist, kann auch für manchen Menschen annehmbar sein, der aus irgend welchen ihm geltenden Gründen mit meinen geisteswissenschaftlichen Forschungsergebnissen nichts zu tun haben will. Demjenigen aber, der diese geisteswissenschaftlichen Ergebnisse als etwas betrachten kann, zu dem es ihn hinzieht, dem wird auch wichtig sein können, was hier versucht wurde. Es ist dies: nachzuweisen, wie eine unbefangene Betrachtung, die sich bloß über die beiden gekennzeichneten für alles Erkennen grundlegenden Fragen erstreckt, zu der Anschauung führt, daß der Mensch in einer wahrhaftigen Geistwelt drinnen lebt. In diesem Buche ist erstrebt, eine Erkenntnis des Geistgebietes vor dem Eintritte in die geistige Erfahrung zu rechtfertigen. Und diese Rechtfertigung ist so unternommen, daß man wohl nirgends bei diesen Ausführungen schon auf die später von mir geltend gemachten Erfahrungen hinzuschielen braucht, um, was hier gesagt ist, annehmbar zu finden, wenn man auf die Art dieser Ausführungen selbst eingehen kann oder mag.“ Wie der Leser sieht, bietet bereits dieser längere Textauszug der programmatischen Vorrede Steiners reichlich Material, um festzustellen, dass diese Schrift in Steiners Augen in ihrer Zielsetzung kaum dem entspricht, was die beiden Interpreten DaVeiga und Traub dort in ihrer kurzen Paraphrase hineindeuten. Denn alles, was von den beiden in dieses Vorrede hineininterpretiert wird, trifft sachlich nämlich nicht zu, wenn man näher hinsieht. Von «Phänomenologie» ist dort nicht die Rede. Daß er «kein Wissen vermitteln» will, wird erst recht nicht gesagt, und wäre auch vollkommen abwegig. Gesagt wird auch nicht, dass es sich hier nur um ein «Übungsbuch» handele. Wie auch? Die Schrift gilt ja schließlich für jedermann. Auch für Wissenschaftler meinetwegen wie Popper und Eccles. Sowie für jeden anderen, den zwar eine freiheitsphilosophische Begründungsschrift interessiert, aber nicht unbedingt der anthroposophische Übungsweg, der erst später darauf (auf der ersten Auflage) aufbaute. Das wird insbesondere zum Ausruck gebracht durch Steiners Empfehlung von S. 5, daß niemand auf seine spätere Geistesforschung «hinschielen» muß, um die Philosophie der Freiheit annehmbar zu finden. Anders resümiert: Was der Verfasser selbst zu seiner Schrift an Voraberklärung in der Vorrede vorlegt, das interessierte keinen der beiden «Hermeneutiker» Traub und DaVeiga. Und auf dieser zweifelhaften Interpretationsgrundlage wird dann im akademischen Stil weiter gewerkelt. Das scheint mir bei derart hoffnungslosen Exegeten ein rein akademisch-rhetorisches Anliegen zu sein, aber keins mit dem man bereits bei solchen Interpretationskostproben viel Hoffnung auf Erfolg verbindet. - Was der Verfasser selber anstrebt in diesem Buch, dafür ist keiner von den beiden empfänglich, sonst hätten sie sich bei einem Überblicksartikel zur Steinerforschung mit ihrer Interpretationsprobe über Steiners Programmatik der Schrift doch etwas mehr Mühe gegeben. Zumal im ausdrücklichen Kontext der Hermeneutik. Was da also geboten wird, ist im wesentlichen leere akademische Rabulistik und Wortverdrehung, der im vorliegenden Fall vollständig die genaue Beobachtung am Objekt fehlt. Das wäre im konkreten Fall des Textverständnisses die Beobachtung und Klärung dessen, was Steiner in dieser Vorrede zur Zweitauflage überhaupt zu seinen Zielen explizit geschrieben hat. Bereits da klemmt es bis zum offenbaren Widerspruch zwischen ihren Ausdeutungen und dem wirklichen Inhalt dieser Vorrede. Das erstaunlicherweise bei einem Interpreten (Da Veiga), der vor mehr als drei Jahrzehnten (1989) bereits mit einer Dissertation über Steiner (hier das Inhaltsverzeichnis) und dessen erkenntniswissenschaftliche Grundlagen an die Öffentlichkeit getreten ist. Doch bis heute selbst als Herausgeber der Steiner-Studies immer noch nicht weiß, was in dieser «Vorrede» der Philosophie der Freiheit von 1918 eigentlich steht, die Gegenstand seiner eigenen Dissertation war. Vergleichbares gilt für den CoAutor Hartmut Traub, der sich 2011 in einem opulenten Buch mit Steiners Grundschriften kritisch befasste, und zur Verblüffung des Lesers bis heute ebenfalls die einfachsten Sachverhalte noch nicht kennt, die in dieser Vorrede der Philosophie der Freiheit von 1918 behandelt werden. (Unter dem Link zum Kohlhammer Verlag findet der Leser auch Inhaltsverzeichnis und Vorwort von Traubs umfangreicher Schrift von 2011.) Nun, was Steiner nach eigenen Worten in der Vorrede zur Neuauflage von 1918 vorlegt ist eine «Grundlegung für alles Erkennen». Daß diese als solche angeblich «keine Wissensinhalte vermitteln will oder soll», diese Aussage der beiden Interpreten geht vollständig am Anliegen Steiners vorbei. Wäre auch schon vom Inhalt dieser Schrift selbst widerlegt. Auf der anderen Seite wiederum sind die zahlreichen argumentativen Auseinandersetzungen Steiners in dieser Schrift ja nicht zu übersehen und alles andere als bloße «Bewußtseinsphänomenologie». Daß zudem eine «Grundlegung für alles Erkennen» keine speziellen Erkenntnisse aus dieser oder jener Einzelwissenschaft voraussetzen kann respektive vorträgt, ist ebenso einleuchtend und gehört per se in die Erkenntniswissenschaft. Das sollte bei Philosophen eigentlich unter dem Stichwort «Voraussetzungslosigkeit» bekannt sein, die ganz zwangsläufig einzuhalten ist, wenn man die «für alles Erkennen grundlegenden Fragen» zu klären trachtet, wie Steiner in dieser Schrift. Man muß und darf als Erkenntniswissenschaftler nun aus diesem Grund zwar keine speziellen Resultate der Natur- oder Geisteswissenschaft vorlegen bzw. voraussetzen, kann sich aber gleichwohl an der methodischen Denkdisziplin der Naturwissenschaften orientieren und dabei via «seelischer Beobachtung» das «Seelengebiet beobachten», auf dem der Leser der Schrift die Freiheitsfrage respektive die beiden Wurzelfragen im Bedarfsfalle stets neu für sich beantworten kann. Zumal in einer Form der seelischen Beobachtung, die sich seit 1886 an die «immanent psychologische Erkenntnistheorie» Johannes Volkelts angelehnt hat, wie wir bereits regelmäßig hier festgestellt haben. Die enge Orientierung wiederum an der Naturwissenschaft berichtet Steiner auch im Rechtfertigungsvortrag von 1921 in GA-255b, S. 295 ff. Wenn auch dort mit anderen Akzenten. Letztlich aber kann man es der Philosophie der Freiheit selbst entnehmen, zumal mit ihrer Kernfrage, wer oder was das menschliche Denken eigentlich erwirkt. Die sich bereits ganz zwangsläufig aus der Eingangsfrage von Kapitel I ergibt. Daß Steiner da «nur ein Übungsbuch» vorlegen wollte, das wiederum hat Steiner in der Philosophie der Freiheit noch nie behauptet. Weder in der Erstauflage, noch in der Vorrede zur zweiten, noch in der ganzen neu aufgelegten Schrift von 1918. Was auch vollständig absurd wäre angesichts der ständig wiederholten Hinweise Steiners auf seine erkenntnistheoretische Grundlegung der Frühschriften, wie bespielsweise besonders deutlich in GA-21, S. 58 f. Was aber auch kurios wäre angesichts der Fragen, die in diesem Buche seit der Erstauflage ständig aufgeworfen werden. Nirgendwo steht dort etwas von einem «Übungsbuch». Wenn überhaupt, dann findet man Hinweise dieser Art nur in späteren Schulungszusammenhängen, aber niemals in der Philosophie der Freiheit selbst. Eine erkenntnistheoretische Grundlegung und Freiheitsphilosophie ist aber nun einmal etwas anderes als nur ein «Übungsbuch», von dem wie gesagt in der Philosophie der Freiheit noch nie die Rede war. Daß man mit derart trivialisierenden Verballhornungen und werkgeschichtlichen Paralogismen, wie wir (hier S. 1054 ff) ja auch bei Ravagli schon moniert haben, der ganzen Schrift ihren erkenntniswissenschaftlichen und freiheitswissenschaftlichen Sinn entzieht, das gehört mit zur Tragik des heutigen Unverstandes unter den Anthroposophen. Die Philosophie der Freiheit wurde erstmals zu Begründungszwecken geschrieben, als es den anthroposophischen Übungsweg noch nicht gab. Laut GA-255b, S. 296 ff, um den letzteren überhaupt erst zu begründen durch den Nachweis des «leibfreien» Denkens. Ein Nachweis, der ja zugleich zusammenfiel mit einem Nachweis des sich selbst tragenden erkennenden Denkens als Grundlage der menschlichen Freiheit. Die Freiheitsfähigkeit des menschlichen Denkens und die Leibfreiheit dieses Denkens haben erkenntniswissenschaftlich die selbe Grundlage im erkennenden Denken. Das ist nicht von Steiner später weit hergeholt, sondern das läßt sich auch ganz unverkennbar in der Philosophie der Freiheit selbst nachlesen, wie wir es oben im Kapitel 46 im Zusammenhang mit Ch. Schrempf, W. J. Stein und den Artikeln in der Zeitschrift Die Tat etwas beleuchteten. Nicht zuletzt aus diesem Grund macht Steiner in der Schrift Von Seelenrätseln gegen Ende des Kapitels Anthropologie und Anthroposophie (S. 29 ff) darauf aufmerksam, daß ein sich an den Gesetzen der Logik orientierendes Denken und Erkennen nicht von den Gesetzen des Leibeslebens getragen sein kann. Ein unmissverständlicher Hinweis auf die «Leibfreiheit des Erkennens» an dieser Stelle, was in dieser Schrift (GA-21) ja wiederholt vorgetragen wird. Was in analoger Weise wiederum auch von Popper / Eccles ausgesprochen wurde anläßlich ihrer kritischen Betrachtungen zum Physikalismus des Erkennens. Die in dieser Frage in mehrfacher Hinsicht «natürliche» Verbündete für Steiner und dessen Suche nach der Leibfreiheit des erkennenden Denkens sind. Einmal, was den problematischen Zusammenhang der menschlichen Erkenntnistätigkeit mit der Naturkausalität angeht, sowie die Folgen einer davon unabhängigen Erkenntnistätigkeit für die faktische Naturkausalität selbst, einschließlich dem Wesen dieser Naturkräfte. Und einmal methodisch mit Blick auf die faktische Denktätigkeit und deren Untersuchung mit wissenschaftlichen Mitteln. Mit Bewußtseinsphänomenologie hat das selbstverständlich insofern etwas zu tun, als die Tatsache als solche sich aus einer eingehenden Untersuchung des faktischen Denkens und Erkennens ergibt, weswegen Popper in diesem Zusammenhang auf die Logik und die Würzburger Schule der Denkpsychologie verwies, die er als Schüler Bühlers gut kannte. Eine Untersuchung des faktischen Denkens und Erkennens lag bei Steiner bereits 1894 vor, so daß er sich später natürlich darauf berufen konnte, daß die erkenntniswissenschaftliche Forschung dieser frühen Jahre mit ihrem resultierenden Nachweis der Leibfreiheit des menschlichen Denkens die Grundlage des späteren Schulungsweges war. Während Popper sich neben der Logik auf die Denkpsychologie der Würzburger Schule berief. Freilich ist der erkenntnispsychologische Nachweis der Leibfreiheit des erkennenden Denkens (Steiner) respektive die Entkräftung des «Physikalismus des Erkennens» (Popper) noch kein anthroposophischer Schulungsweg. Sondern dieser Nachweis bildet, wie Steiner betonte, lediglich seine Grundlage und Voraussetzung. Er geht ihm notwendigerweise zeitlich voran bevor der Schulungsweg anhand dessen entwickelt war, der seinerseits erst 10 Jahre nach der Erstausgabe der Philosophie der Freiheit von 1894 an die Öffentlichkeit kam. (Siehe unten.) - Nun gibt es aber spätere Verbindungen zwischen dem anthroposophischen Schulungsweg und der Philosophie der Freiheit, die Steiner selbst in seinem Vortragswerk wiederholt hergestellt hat. Eine geradezu klassische solche Anbindung unter manchen anderen zwischen der Philosophie der Freiheit und dem «Schulungsweg» erläutert Steiner beispielsweise in GA-322 (Grenzen des Naturerkennens) im Vortrag vom 03. Oktober 1920. (Hier, S. 109 ff.) Wo auf S. 110 ff die Philosophie der Freiheit als «Weg für den Wissenschaftler» bezeichnet wird, während er die Schrift Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten? einen «Weg für jedermann» nennt. Wo dann in diesem Vortrag im Zusammenhang mit der Philosophie der Freiheit auch von einigen bewußtseinsphänomenologischen Übungen die Rede ist. Es empfiehlt sich sehr, diese in GA-322 sich über mehrere Seiten erstreckenden Passagen zur Philosophie der Freiheit mit den Ausführungen dazu in GA-255b S. 296 ff zu kontrastieren, um eine Übersicht davon zu erhalten, worum es in der Philosophie der Freiheit damals (1894) ging, und warum der Vortrag aus GA-255b den Schulungsweg der Anthroposophie ganz von der Forschung zum «leibfreien Denken» im Frühwerk Steiners respektive der Philosophie der Freiheit abhängig macht. Auch hier gilt Steiners kritische Bemerkung gegen Eduard von Hartmann am Ende von ihrem Kapitel III: «Man kann nicht zu etwas kommen, was das Denken bewirkt, wenn man den Bereich des Denkens verläßt». - Die Unabhängigkeit des Denkens von den leiblichen Vorgängen nachzuweisen ist eine extrem aufwändige Forschungsangelegenheit, und läßt sich nicht einfach so dahin werfen. Der diesbezügliche Forschungsaufwand in der Philosophie der Freiheit ist indessen ein Teil dessen, was der «Wissenschaftler» mühsam erarbeiten muß, der diese Schrift als «Schulungsschrift für den Wissenschaftler» zu verstehen hat. Denn er soll ja nicht nur den Übungsweg gehen, sondern als Wissenschaftler auch begreifen, warum dieser Übungsweg aus seiner Grundlagenforschung heraus und wegen der Leibfreiheit des denkenden Erkennens plausibel ist. Das unterscheidet den wissenschaftlichen Zugang zum Schulungsweg von jenem eines Laien, der zu solchen Begründungsfragen nicht kommt und auch womöglich nicht gewillt ist, sie überhaupt zu stellen, weil ihm das aus vielen Gründen vollkommen fern liegt. Deswegen gibt Steiner dem Leser des «Schulungsweges für jedermann», - der Schrift Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten? (GA-10, hier, S. 214 ff), - nur einen allgemeinen Hinweis auf die Grundlagen dieses Schulungsweges im reinen Denken, der natürlich weit davon entfernt ist, eine eingehende Begründung zu sein. Der Wissenschaftler hingegen muß es schon sehr viel genauer wissen, warum so ein Schulungsweg mit wissenschaftlichen Mitteln wohl begründet ist. Das sind nun zwei und mehr sehr verschiedene Problemstellungen: Zum einen die Rechtfertigung des Schulungsweges anhand des Nachweises des «leibfreien Denkens», wie es 1921 in GA-255b skizziert wurde. Wo wiederum der Nachweis des leibfreien Denkens auch die erkenntniswissenschaftliche Grundlage der menschlichen Freiheit ist. Und zum anderen die Durcharbeitung der Philosophie der Freiheit zu Übungszwecken, respektive als «Schulungsbuch» für den Wissenschaftler, wie es kurz zuvor (1920) in GA-322 gezeichnet wird. Für den Fall der Rechtfertigung des Schulungsweges aus dem leibfreien Denken ist eben nochmals anzumerken, dass dieser Schulungsweg auf der Basis des leibfreien Denkens 1894 noch gar nicht existierte. Sondern er sollte ja erst entwickelt werden anhand des Nachweises des leibfreien Denkens. Worauf Steiner sehr eindringlich in GA-255b hinweist. In öffentlicher Form wiederum existiert der anthroposophische Schulungsweg überhaupt erst ab ca 1904 in der Zeitschrift Lucifer Gnosis. Also ~10 Jahre später als die Erstauflage der Philosophie der Freiheit. Im Fall von GA-322, S. 110 wird die Philosophie der Freiheit ausdrücklich als «Schulungsweg für den Wissenschaftler» der Schulungsschrift «für jedermann» Wie erlangt man …? (GA-10) gegenübergestellt, die es 1894 selbstredend noch gar nicht gab, sondern die erst ab 1904 in Aufsatzform an die Öffentlichkeit kam. Und ihrerseits durch das Frühwerk selbst erst rechtfertigt bzw. entwickelt wurde, wie Steiner in seinem öffentlichen Vortrag von 1921 in 255b zum Ausdruck bringt. - Was folgt daraus? - Den Weg dieser Entwicklung des Schulungsweges, bzw. den «Nachweis des leibfreien Denkens» geht jetzt auch der Wissenschaftler, dem die Philosophie der Freiheit in GA-322 von Steiner als «Schulungsbuch» angetragen wird. Das wäre das mindeste, was er verstehen müßte, um den Schulungsweg wissenschaftlich zu begreifen. Anhand der Philosophie der Freiheit müßte er begreifen, warum der Schulungsweg auf der Forschung zum leibfreien Denken begründet basiert. Als «Wissenschaftler» also auf diesem Wege der Philosophie der Freiheit all das nachvollziehen, was Steiner selbst in dieser Schrift bis Oktober 2020 schrieb, als der Vortrag aus GA-322 mit der Schulungsempfehlung von Steiner gehalten wurde. Und darüber hinaus manches andere auch noch, weil die Philosophie der Freiheit ja höchst unvollständig war, wie wir gleich noch weiter hören werden. So daß mancherlei Problemstellungen an der Schnittstelle von «Anthropologie und Anthroposophie» noch dazu kommen, die abzuarbeiten sind. Von denen etliche in der Schrift Von Seelenrätseln auch exemplarisch dargelegt worden sind, versehen mit Steiners Hinweis, diese Fragen seien auch mit den Mittel seiner eigenen Zeit ohne weiteres zu beantworten. 49. Die «reine Erfahrung» der Frühschriften als methodisch gehandhabter Übungsweg zur imaginativen Erkenntnis des späteren Schulungsweges Wenn Sie sich die Übungen in GA-322 wiederum anschauen, die dort beispielsweise auf S. 113 f über das «Einsaugen von begriffslosen Wahrnehmungen» von Steiner vorgeschlagen werden, dann wird Ihnen das vertraut vorkommen, sofern Sie nur mit Steiners Frühschriften etwas bekannt geworden sind. Es geht dabei um nichts anderes als die sogenannte «reine Erfahrung», die Steiner bereits in seinen Grundlinien von 1886 in Anlehnung an Johannes Volkelt zur empirischen Grundlage seiner Erkenntniswissenschaft erklärt hat, die sich in etwas verkürzter Form in der Philosophie der Freiheit immer noch findet, nach dem davon in Wahrheit und Wissenschaft die Rede war unter dem Stichwort «unmittelbar Gegebenes». Dieses erkenntniswissenschaftliche Prinzip der «reinen Erfahrung» ist sowohl von Steiner als auch von Volkelt nie verlassen worden, darauf habe ich eigens in meiner längeren Studie hingewiesen (hier S. 160, etwa Anm. 151). Diese «reine Erfahrung» der sinnlichen Wahrnehmung wird nun laut GA-322 in besonderer Weise geübt durch Symbolisierung und dergleichen, um eine besondere Macht darüber zu erhalten, das Gedankliche respektive die Vorstellungen wirklich auch von dieser «reinen Sinneserfahrung» fern zu halten. Das alles dient im Rahmen des anthroposophischen Schulungsweges dem Erreichen der «imaginativen Erkenntnis». Die folglich auf der methodisch gehandhabten «reinen Erfahrung» der Fühschriften aufbaut. Schauen wir zunächst kurz auf ein Beispiel von GA-322, S. 113 f. Dort heißt es bei Steiner: „Nun, ich setze also voraus, daß man zunächst aus dem gewöhnlichen Bewußtsein heraus in dieser Weise, wie ich es angeführt habe, die «Philosophie der Freiheit» durchgearbeitet habe. Dann wird man in der rechten Verfassung sein, um nun gewissermaßen das in gutem Sinne vorzunehmen für seine Seele, was ich schon gestern bezeichnet habe, mit ein paar Worten allerdings nur, zunächst als den Weg in die Imagination hinein. Dieser Weg in die Imagination hinein, er kann so vollzogen werden, angemessen unserer abendländischen Zivilisation, daß man versucht, sich ganz nur der äußeren phänomenologischen Welt hinzugeben, diese unmittelbar auf sich wirken zu lassen mit Ausschluß des Denkens, aber so, daß man sie doch aufnimmt. Nicht wahr, unser gewöhnliches Geistesleben im wachen Zustande verläuft ja so, daß wir wahrnehmen und eigentlich immer im Wahrnehmen schon das Wahrgenommene mit Vorstellungen durchtränken, im wissenschaftlichen Denken ganz systematisch das Wahrgenommene mit Vorstellungen verweben, durch Vorstellungen systematisieren und so weiter. Dadurch, daß man sich ein solches Denken angeeignet hat, wie es allmählich hervortritt im Verlaufe der «Philosophie der Freiheit», kommt man nun wirklich in die Lage, so scharf innerlich seelisch arbeiten zu können, daß man, indem man wahrnimmt, ausschließt das Vorstellen, daß man das Vorstellen unterdrückt, daß man sich bloß dem äußeren Wahrnehmen hingibt. Aber damit man die Seelenkräfte verstärke und die Wahrnehmungen im richtigen Sinne gewissermaßen einsaugt, ohne daß man sie beim Einsaugen mit Vorstellungen verarbeitet, kann man auch noch das machen, daß man nicht im gewöhnlichen Sinne mit Vorstellungen diese Wahrnehmungen beurteilt, sondern daß man sich symbolische oder andere Bilder schafft zu dem mit dem Auge zu Sehenden, mit dem Ohre zu Hörenden, auch Wärmebilder, Tastbilder und so weiter. Dadurch, daß man gewissermaßen das Wahrnehmen in Fluß bringt, dadurch, daß man Bewegung und Leben in das Wahrnehmen hineinbringt, aber in einer solchen Weise, wie es nicht im gewöhnlichen Vorstellen geschieht, sondern im symbolisierenden oder auch künstlerisch verarbeitenden Wahrnehmen, dadurch kommt man viel eher zu der Kraft, sich von der Wahrnehmung als solcher durchdringen zu lassen [] Man kann sich ja schon gut vorbereiten für eine solche Erkenntnis bloß dadurch, daß man wirklich im strengsten Sinne sich heranerzieht zu dem, was ich charakterisiert habe als den Phänomenalismus, als das Durcharbeiten der Phänomene. Wenn man wirklich an der materiellen Grenze des Erkennens getrachtet hat, nicht in Trägheit durchzustoßen durch den Sinnesteppich und dann allerlei Metaphysisches da zu suchen in Atomen und Molekülen, sondern wenn man die Begriffe verwendet hat, um die Phänomene anzuordnen, um die Phänomene hin zu verfolgen bis zu den Urphänomenen, dann bekommt man dadurch schon eine Erziehung, die dann auch alles Begriffliche hinweghalten kann von den Phänomenen. Und symbolisiert man dann noch, verbildlicht man die Phänomene, dann bekommt man eine starke seelische Macht, um gewissermaßen die Außenwelt begriffsfrei in sich einzusaugen.“ Es geht in diesen Vortragsempfehlungen folglich um fortgeschrittene Übungen zur «seelischen Beobachtungen», von denen bei Steiner seit mindestens 1886 schon im Zusammenhang mit Volkelts «reiner Erfahrung» die Rede ist. Dort mit ausgesprochen erkenntniswissenschaftlichem Anliegen. Der Leser, sofern er Steiners Grundlinien einmal studiert hat, wird sich noch an das von Volkelt entlehnte «vorzügliche» Briefträgerbeispiel für die «reine Erfahrung» aus dem dortigen Kapitel 5 (hier S. 32 f) erinnern. In GA-322 von 1920 wird nun diese «seelische Beobachtung» respektive «reine Erfahrung» auf subtilere Weise mit dem Schulungsweg in Verbindung gebracht, der seit annähernd 1904 / 05 vorlag. Und zwar dergestalt, daß im konkreten Übungsfall für den «wissenschaftlichen Schulungsweg» durch Symbolisierungen und dergleichen der Übende durch ein Training dieser Art eine viel stärkere Macht über sein Seelenvermögen erhält, als wenn er nur im Alltagsleben und ohne Schulungsabsichten solchen reinen Erfahrungen ausgesetzt wäre: Durch Übungen dieser Art „bekommt man eine starke seelische Macht, um gewissermaßen die Außenwelt begriffsfrei in sich einzusaugen.“ - Das wird mancher Leser kennen. Darum ging es beispielsweise in den Grundlinien von 1886 schon, falls er sich erinnert. Das erkenntnistheoretische Anliegen von 1886 als solches ist auf dem «wissenschaftlichen Schulungsweg» also keineswegs verschwunden. Sondern war 1886 bereits in Steiners Erkenntniswissenschaft derart vorhanden, daß er dort das Fundament des Erkennens auf der «reinen Erfahrung des Denkens» aufbaute, wie Sie vielleicht noch wissen. Im Kapitel 8 auf dem erlebten Denken als einer «höheren Erfahrung innerhalb der Erfahrung». Lesen Sie es gegebenenfalls noch einmal nach. Das ist später im dritten Kapitel der Philosophie der Freiheit substantiell nicht anders geworden. Falls der Studierende gegebenenfalls Schwierigkeiten hat, den Vorstellungsanteil vom rein wahrnehmlichen Anteil zu unterscheiden, kann er das mit Übungen dieser Art qualitativ und systematisch zum Erlangen der imaginativen Erkenntnis verbessern. Das berichtet Steiner dazu. Das gilt natürlich auch für den Anteil der inneren Aktivität des Denkens, die man auf analoge Weise üben kann, wie im vorliegenden Fall für den rein wahrnehmlichen Anteil angegeben. Siehe etwa GA-84, S. 91 ff. Siehe ebenfalls exemplarisch zur Verstärkung des Denkens in der GA-79, S. 89 ff. Der Leser wird sich das natürlich leicht selbst ausrechnen können, daß man auch die innere Aktivität auf vielerlei Weise speziell für sich üben und studieren kann. Auch dafür gibt es in Verbindung mit der Philosophie der Freiheit spezielle Schulungsübungen von Steiner. Daß wiederum die «Denkübung», die sogenannte «erste Nebenübung», wie wir sie oben ab S. 240 ff im Zusammenhang mit Christoph Schrempf und Steiners diesbezüglichen Bemerkungen in GA-78, S. 168 ff auf so eine Weise nicht nur mit der Anthroposophie, sondern auch mit der Erkenntniswissenschaft und Freiheitsphilosophie Steiners in Verbindung gebracht werden kann, liegt auf der Hand. Zumal Steiner im entsprechenden Kontext von GA-78 und mit Blick auf den dort ungenannten Christoph Schrempf ausdrücklich auf «die innere Freiheit» hinweist, aus der heraus solche Gedankenübungen vorgenommen werden. Es ist die letztere Gedankenübung ja, wie wir darlegten, in Steiners Augen eine ausgesprochene Kernübung respektive «Grundanforderung» für den methodischen Weg zu den geistigen Wahrheiten, wie es mit Nachdruck auch in der Geheimwissenschaft (GA-13, S. 328 ff) heißt. Wenn Sie die Schrift Von Seelenrätseln studieren, dann werden Sie auf weitere, analoge seelische Beobachtungen stoßen. Auch dort gibt es beispielsweise von Steiner im Zusammenhang mit der Imagination den Hinweis auf S. 27 f, „Die Seele muß, [die imaginativen Vorstellungen, MM] um sie zustande zu bringen, so genau den inneren Vorgang der Vereinigung von Vorstellungsleben und Sinnes-Eindruck kennen, daß sie das Einfließen der Sinneseindrücke, beziehungsweise ihrer Nacherlebnisse, in das Vorstellungsleben ganz fern halten kann.“ Ein analoger Fall wie in GA-322 eben geschildert. Alles in allem ist es angesichts dieser Verhältnisse nicht weiter überraschend, wenn Steiner bereits in den Grundlinien von 1886 im Psychologie-Kapitel 18 (hier S. 79) darauf hinweist, daß «die Psychologie die erste Wissenschaft sei, wo es der Geist mit sich selbst zu tun habe». Was hervorragend auch damit zur Deckung zu bringen ist, daß er sich in dieser Schrift maßgeblich auf die Methode des «immanent psychologischen» Erkenntniswissenschaftlers Johannes Volkelt stützte. Der mit seinem inneren erkenntniswissenschaftlichen Empirismus ganz analog wie Steiner auch das Kausalitätsproblem Kants und Humes zu lösen suchte. (Siehe dazu Volkelt, Erfahrung und Denken, 1886, Kap. 2, S. 64 ff, Das Wissen von meinen eigenen Bewußtseinsvorgängen als das einzige reine Erfahrungswissen.) Schauen Sie sich, lieber Leser, Steiners Grundlinien, und zumal das Kapitel 14 im Vergleich dazu an, so wird Ihnen manches Verwandte dazu regelrecht in die Augen springen. In dieser fundamentalen emipiristischen Orientierung am eigenen Seelenleben folgte ihm Steiner seit 1886, wenn auch nicht unbedingt mit denselben Resultaten, bei denen Volkelt sich erst 1918, S. 140 ff sichtbar an Steiner annäherte. An dieser erkenntniswissenschaftlichen Grund-Orientierung und seelischen Beobachtung hat sich seitdem bei Steiner auch nichts verändert. Insofern ist es es auch in keiner Weise überraschend, wenn Steiner am Ende der Schrift Von Seelenrätseln S. 170 f den dringenden Wunsch nach einem psychologischen Laboratorium äußert. Letztlich kommt man dabei immer wieder auf die immanent psychologische Erkenntnistheorie von Johannes Volkelt zurück, auf dessen «grundlegender Vorarbeit» Steiner seit 1886 methodisch und erkenntniswissenschaftlich aufbaute. Dem er diesbezüglich in der für seine «ganze Weltanschauung grundlegenden Schrift» Wahrheit und Wissenschaft in der Einleitung (hier S. 7) eine entsprechende Würdigung gewidmet hat, die wir weiter oben ausführlicher besprochen haben. Der von Steiner in GA-322 angesprochene «Wissenschaftler» müßte nun nicht nur die Übungen zur Bewußtseinsschulung kennen, sondern er muß als Wissenschaftler natürlich auch die Grundlagen all dessen kennen, die Steiner seit 1886 und früher erarbeitet und vorgelegt hat. Demzufolge auch die begründenden Gedankenweg der Zweitauflage der Philosophie der Freiheit eingehend auf wissenschaftlichen Wegen nachvollziehen und anhand dessen die Leibfreiheit des erkennenden Denkens verstehen. - Bei den Anhängern Witzenmanns scheitert das ausdauernd bereits seit ~ 40 Jahren schon am sogenannten «Erzeugungsproblem» der Strukturphänomenologie und anderem interpretativem Nonsense, den Witzenmann zuvor schon dazu seinen Lesern und Schülern seit 1948 verabreicht hat. Seither ist dort das Licht gelöscht, und nennenswerte Anstrengungen zum Verständnis von Steiners Frühwerk wurden in diesem Umfeld nicht mehr unternommen, wie wir hier öfter schon darlegten. Was man exemplarisch auch am hilflosen Aktionismus des Herrn DaVeiga erkennt, der als Anhänger Witzenmanns sogar von der Vorrede der Philosophie der Freiheit zur Neuauflage von 1918 schlicht keine Ahnung hat, und jetzt gemeinsam mit Traub vollkommen krauses Zeug darüber behauptet, was angeblich von Steiner darin geschrieben sein soll. - Daß so jemand etwas von der «Leibfreiheit des Denkens» in dieser Neuauflage begreift, der solche unwissenheitsbasierten Mythen und Dogmen bereits über den Inhalt ihrer Vorrede in die Welt setzt, ist wenig wahrscheinlich und nicht wirklich zu erwarten. Von Herrn Traub wiederum wurden Steiners Grundlinien von 1886, wo das rein erfahrene Denken und Erkennen im Zusammenhang mit Volkelt erkenntnispsychologisch seinen unübersehbaren Anfang nahm, in seinem umfangreichen Buch von 2011 keines Wortes gewürdigt. Die ganze Schrift Steiners von 1886 nicht, wie Sie auch dem Inhaltsverzeichnis Traubs entnehmen können. So wenig wie er sich dort um Steiners Verhältnis zu Johannes Volkelt und dessen «immanent-psychologischem» Konzept der Erkenntniswissenschaft und der «reinen Erfahrung» bemühte, auf dem Steiner maßgeblich aufbaute. Beides hat er links liegen lassen, nicht ahnend, was das für Steiners Erkenntniswissenschaft zu bedeuten hat, und wie es in Steiners Schulungsweg dann wiederkehrt. Sehr viel anders ist das bei Witzenmann und seinen Anhängern auch nicht gewesen, wo man von Steiners Beziehung zu Johannes Volkelts psychologieorientierter Erkenntniswissenschaft rein gar nichts hört. An anderer Stelle sieht das kaum anders aus. Mit Ausnahme von Jaap Sijmons, der sich wenigstens mit Volkelt und Steiners Frühschriften befaßte, aber mit der «immanent psychologischen» Erkenntnistheorie Volkelts, die sich dann als «seelische Beobachtung» bei Steiner wiederfand, schon in seiner umfangreichen Dissertation nichts am sprichwörtlichen Hut hatte. Sondern, so mein Eindruck, den Antipsychologismus Husserls auch noch in Steiners Begründungswerk hineingetragen hat, ohne viel davon zu begreifen, was der psychologische Empiriker des Denkens Steiner da eigentlich macht. Und warum der so eindringlich vom «erlebten Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem» beim Denken und Erkennen redet. Zumal auch in Verbindung mit Kants Kausalitätsproblem, und im Kontrast zu Kant nach den «wirkenden Kräften der Natur» im eigenen Inneren suchte. Warum der schließlich 1917 auch unbedingt noch in ein psychologisches Laboratorium wollte, um beste Grundlagen zu legen, - das alles liegt solchen Leuten völlig fern. Dieser Kontrast wiederum ist wirklich ganz erstaunlich: Auf der einen Seite Steiners unverkennbare Bemühungen schon auf der erkenntnistheoretischen Seite unbedingt empirisch den Weg über die Psychologie zum wirkenden Geist zu nehmen: «Die Psychologie ist die erste Wissenschaft, in der es der Geist mit sich selbst zu tun hat». (Grundlinien, Erstausgabe, Kap. 18.) Was in sämtlichen Frühschriften ja wie an einer Litfaßsäule plakatiert erscheint. Während bei seinen eigenen (mit Vorrang akademischen) Nachfolgern, wie kaum etwas anderes gerade die erkenntniswissenschaftliche Psychologie, die dort durchgängig als Steiners Grundlage fungierte, mit allen Mitteln und seit vielen Jahrzehnten regelrecht mit Füßen und in die sprichwörtliche Tonne getreten wird. Zumal dann, wenn sie von Witzenmann geprägt sind. Herr Schieren behauptet folglich heute noch, dass Steiners seelische Beobachtung mit Introspektion nichts zu tun habe, wie wir oben S. 188 ff und öfter sahen. Bei diesem Anhang Witzenmanns scheint Hopfen und Malz schlicht verlorenen. So daß Steiners heutige Anhänger, zumal die Akademiker / Professoren unter ihnen, fortwährend und in großer Zahl völlig außerstande sind, Steiners Begründungswege auch nur zu erahnen. Was letztlich das Thema dieses Subkapitels um die «framende Hermeneutik» ist. In all diesen Fällen läßt sich wohl nur noch mit Steiner (Theosophie und Wissenschaft, GA-34, S. 181) resümieren: „Man geht gar nicht zu weit, wenn man sagt: es gibt augenblicklich kein größeres Hindernis gegenüber dem Verständnisse der theosophischen Behauptungen als den Besitz eines Doktortitels.„ - Das galt schon zu Steiners Zeit im frühen 20. Jahrhundert. Und heute kaum weniger und mitunter sogar mehr noch inzwischen für seine eigenen angeblichen Anhänger. Was derzeit durch Professorentitel erfahrungsgemäß wiederkehrend noch eine dramatische Steigerung erfährt, wenn man sich vor Augen führt, was da beständig und augenblicklich wieder einmal von DaVeiga und Traub geboten wird. Selbst und gerade auch «im Umfeld der eigenen Reihen», wie wir auch geradezu schlagend weiter oben bereits im Zusammenhang mit dem obskuren Sammelband der Alanushochschule feststellen mussten. - Bleiben wir beim «Übungsbuch» Philosophie der Freiheit: Nun wird ja niemand ernstlich glauben, daß er mit der Philosophie der Freiheit als bloßem «Übungsbuch» zurecht kommt, wenn er nicht einmal deren rein semantischen Zusammenhang als Schrift der Freiheitsforschung begreift, was sie ja ist, und auch 1894 war. Interessanterweise hat nun Steiner in der Zeitschrift Lucifer Gnosis (GA-34) nicht nur 1904-1905 in Form einer Aufsatzreihe den «Schulungsweg für jedermann», den in mehreren Artikeln geschriebenen Vorläufer der Schrift Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten? erstmals öffentlich dargestellt. (Zum Werdegang dieser Veröffentlichen siehe ausführlich in GA-10, hier S. 224 ff.) Sondern in derselben Zeitschrift (Lucifer Gnosis) unter dem Titel Theosophie und gegenwärtige Geistesströmungen auf S. 284 ff auch den in GA-322 skizzierten «wissenschaftlichen Weg» dargestellt, - nämlich als «dritten Weg» zu den geisteswissenschaftlichen / theosophischen Wahrheiten, der über die Philosophie der Freiheit und die wissenschaftliche Forschung läuft. Siehe dazu in GA-34, speziell zum dritten Weg S. 291 ff. (Wobei mir die GA-34 in dieser russischen PDF-Variante nach Sichtprüfung weniger Umwandlungsfehler zu enthalten scheint als die von Archive.org, die bisweilen grobe Mängel enthält. Die Variante vom Steiner-Wiki scheint mir auch weniger fehlerbehaftet zu sein.) Nach Angaben der Herausgeber wurde dieser «dritte Weg» von Steiner erstmals publiziert im Jahre 1908. (Siehe Näheres zu diesem «dritten Weg» hier auf: 378 ff; speziell S. 384 ff.) Es ist übrigens ein unbestreitbarer Verdienst von Werner Moser, in seinem 2014 publizierten Vortragszyklus Werner A. Moser, Anthroposophie als Geisteswissenschaft, Basel 2014 aus den 1970er Jahren gleich im ersten Vortrag auf diesen «dritten Weg» Steiners hingewiesen zu haben. Der zweite Vortrag folgt auch noch explizit diesem Gedankenweg. Was sich letztlich in gewisser Weise von seinem ganzen Zyklus sogar sagen läßt. Freilich fehlt in Mosers Zyklus die enge Verbindung zur Psychologie und speziell der des Denkens. Mit dem gegenwärtigen Denken hat er dort seine ganz speziellen Probleme, die wir ausführlich an anderer Stelle S. 371 ff eingehender besprochen haben. Was ebenfalls fehlt ist eine eingehende Auseinandersetzung mit Steiners kritischer Behandlung des Kausalitätsproblems, die bereits in den Grundlinien im Kapitel 14 stattfindet. Desgleichen mit der Frage des Physikalismus im allgemeinen, wie sie ja bei Steiner in der Philosophie der Freiheit gleich zu Beginn aufgeworfen wird und im zweiten Kapitel dann zur Suche nach den wirkenden Kräften im eigenen Inneren führt. Das alles fehlt bei Moser, so daß Moser sich in diesen Vorträgen die Frage hätte stellen können, was Steiner denn in einem psychologischen Laboratorium vorhat, um dort «beste Grundlagen» zu legen, wie Steiner in GA-21 schrieb. Wo ebenfalls all diese Fragen abzuhandeln wären. Womit wir dann wieder zu Popper und der Würzburger Schule kämen. Nun hat Moser ja schon sehr wertvolle Hinweise dort hinterlegt, aber man kann von seiner Vortragssammlung natürlich nicht alles erwarten, was bei Steiner substantiell ist. Deswegen will ich auch hier wieder den Leser daran erinnern, daß in der Zeit kurz nach der Jahrhundertwende, als Steiners eigene Publikation zum «dritten Weg» erschien, unter «Philosophie» nicht dasselbe zu verstehen war wie heute. Sondern seinerzeit die Psychologie samt ihrem methodischen Teil zur Erkenntniswissenschaft / Philosophie dazugehörte. Das ist zu bedenken, wenn Steiner in diesem Artikel von 1908 über die «drei Wege zu den theosophischen Wahrheiten» und über die Philosophie und vom «gründlichen Philosophieren» spricht, das ganz gewiß nicht als psychologiefreier Neukantianismus zu verstehen ist. Ergänzend bleibt deswegen noch einmal die Frage: Was will Steiner eigentlich im psychologischen Labor, - wie es in GA-21 eindringlich vorgetragen wurde, - um dort «beste Grundlagen» zu legen, indem die «Veranlagung zum Schauen» mit psychologischen Mitteln nachgewiesen wird? Die «Grundlagen» wurden ja seinen eigenen Worten zufolge bereits in Steiners Frühschriften mit psychologischen Mitteln gelegt. Folglich sind die erkenntniswissenschaftlichen Kern-Fragestellungen der Frühschriften neuerlich im psychologischen Labor mit den dort vorhandenen Möglichkeiten zu behandeln: - Wie etwa wird er dort mit dem Physikalismus des Erkennens und den wirkenden Kräften im eigenen Inneren umgehen? Alles Problemstellungen, die dort ebenso zu behandeln sind wie das sich selbst tragende Denken als Grundlage der menschlichen Freiheit und des Schulungsweges. Das alles gehört natürlich auch in die «gründliche wissenschaftliche und philosophische Forschung», von der er 1908, also neun Jahre zuvor im Aufsatz über «die drei Wege» schrieb. In dem bezeichnenderweise die Philosophie der Freiheit (damals noch die Erstausgabe von 1894) ebenfalls ihre Beleuchtung auf den Seiten 296 f fand. Wie ein «Schulungsbuch» Philosophie der Freiheit unter solchen Umständen ausgesehen hätte, wo all diese methodischen und erkenntniswissenschaftlichen Begründungsfragen zu einem Bündel zusammengschnürt worden wären, das kann sich ein verständiger Leser leicht vorstellen: Es wäre eine Bibliothek dabei entstanden, die in gewisser Weise dem nahe kommt, was Rosa Mayreder in ihrem Briefwechsel zur Philosophie Freiheit von 1894 Steiner im Brief Nr. 379 vorgeschlagen hatte. Was Steiner dort ausdrücklich im Antwortbrief Nr. 402 bestätigt hat. Vom Umfang und von der Forschungslage her gesehen war das Buch vollkommen unzureichend und mußte gewaltig erweitert werden, so auch Steiners Auffassung dazu. Wobei «ein Buch aus jedem Kapitel», wie sie empfahl, wohl nicht ganz ausgereicht hätte. Ein entsprechendes Brückenwerk zwischen Esoterik und erkenntniswissenschaftlichen Grundlagen ist zwar in Planung gewesen, kam aber nicht zustande, wie Steiner auch in der Schrift Von Seelenrätseln S. 150 schrieb, die ihrerseits mit ihrer etwas augedehnteren Behandlung des «gemeinsamen Treffpunktes von Anthropologie und Anthroposophie» eine Art Notfallösung für den Ausfall des geplanten Brückenwerkes darstellte, von dem im übrigen das Fragment Anthroposophie (GA-45) erhalten geblieben ist. Abgesehen von Vortragsergänzungen und inhaltlichen Überarbeitungen nebst vielen Hinweisen in Steiners Schrifttum ist die Philosophie der Freiheit einschließlich ihrer recht zahlreichen Überarbeitungen und Erweiterungen nicht sehr viel umfangreicher geworden als sie 1894 schon war. Und vom Ziel «ein Buch pro Kapitel» natürlich nach wie vor weit entfernt. Und damit auch in Steiners Augen 1918 nach wie vor gänzlich ungenügend. 50. Die Philosophie der Freiheit als «Partitur» Aus dieser Not machte Steiner gewissermaßen, wenn man so will, eine Tugend, und legte seinen «wissenschaftsorientierten» Zuhörern im Vortrag aus GA-322 auf S. 110 f zum Studium der Philosophie der Freiheit wiederum nahe: „daß gewissermaßen das Buch selbst nur eine Art Partitur ist und man in innerer Denktätigkeit diese Partitur lesen muß, um fortwährend aus dem Eigenen heraus von Gedanke zu Gedanke fortzuschreiten.“ - Das trifft die Sache vielleicht recht gut. Eine «Partitur» – die Musik muß der Leser selbst dazu spielen. Falls er die Noten und sonstigen musikalischen Anweisungen überhaupt lesen kann. Denn das ist ja die Voraussetzung für diese Art «Musik». Was man angesichts der beiden «Hermeneutiker» Traub und DaVeiga freilich mit guten Gründen bezweifeln kann, nämlich daß sie Steiners «Partitur» überhaupt lesen können. Wer von Steiners Lesern versteht jetzt dessen kritischen Hinweis an Eduard von Hartmann in dieser «Partitur» vom Schluß des Kapitels III: „Die unbefangene Beobachtung ergibt, daß nichts zum Wesen des Denkens gerechnet werden kann, was nicht im Denken selbst gefunden wird. Man kann nicht zu etwas kommen, was das Denken bewirkt, wenn man den Bereich des Denkens verläßt." - Das heißt: Eine äußerliche Kausalerklärung kommt als Erklärung des erkennenden Denkens grundsätzlich nicht infrage. - In diesem «Partiturhinweis» fehlt natürlich der ganze erkenntnislogische und kausalphilosophische Kontext, der erst noch näher verständlich zu machen wäre, und damit dann auch in die ersichtliche Nähe von Poppers und Eccles` Kampf gegen den Physikalismus des Erkennens führt. Womit wir dann wieder zusammen mit Popper und Eccles bei der Kausalität des Erkennens wären. Damit stehen wir auch, wie bei Edith Stein oben dargelegt, vor der Grundsatzfrage, «wie man eine Kausalerkenntnis empirisch begründen kann?» Von der Steiner seinerseits schon in den Grundlinien… im Kapitel 14 schrieb, daß darüber nur «Dogmatismen» existierten, die «an die Sache nie herankämen». Eine Einschätzung, mit der er absolut kein Einzelgänger in dieser Zeit war, sondern neben vielen anderen in Johannes Volkelt schon in den 1880er Jahren einen namhaften Mitstreiter hatte, der aus genau diesem Grunde und exakt wie Steiner in der Schrift Erfahrung und Denken, von 1886, S. 80 f eine empirische Lösung des Kausalitätsproblems im menschlichen Seelenleben suchte. Weil aus seiner Sicht eine andere nicht infrage kam. Was übrigens bis in sein Spätwerk so geblieben ist. - Solche Fragen um den Physikalismus des Erkennens, die bei Steiner bereits in der Eingangsfrage des ersten Kapitels der Philosophie der Freiheit von 1918 das Thema vorgeben, sind selbstredend vertieft aufzugreifen. Und werden in dieser Form und mit Blick auf die Logik in der Schrift Von Seelenrätseln auch mehr andeutend behandelt. Allein so eine Problemstellung um die «Kausalität» des Erkennens («mentale Kausalität») wäre heute ein Gegenstand für eine reichhaltige Spezialbibliothek. Die problematische Kausalerkenntnis in der Nachfolge Kants wurde bei Steiner bereits im Kapitel 14 der Grundlinien thematisiert und ganz unmißverständlich aufgespiesst. In der Schrift Von Seelenrätseln findet der Leser indessen auch solche weitergehenden Hinweise in Steiners verschiedenen Bemerkungen zur Logik, die freilich dort auch nur eher stenographischen Charakter haben. Das ist dann auch eine weitere Verbindung zu Poppers Antiphysikalismus des Erkennens, der bei ihm maßgeblich auf den Eigenarten der Logik gründet, die nicht aus der physikalischen Welt abzuleiten ist, wie es auch von Steiner in der Schrift Von Seelenrätseln dargelegt wird. Frau Mayreder hätte jetzt anlässlich der Zweitauflage von 1918 vielleicht und mit Recht empfohlen, aus diesem «Hinweis» vom Ende des des dritten Kapitels über «das Bewirkende» des Denkens ein ganzes Buch zu machen. Während Steiner seinerseits dieses Bewirkende des Denkens, das nur im Denken selbst gefunden werden kann, regelmäßig in sämtlichen Frühschriften einschließlich Goethes Weltanschauung (hier S. 69f) behandelte. Bis hin zur Behandlung des Kausalitätsproblems in den Grundlinien im Kapitel 14. Freilich nie in der hinreichend ausführlichen Form, wie es Mayreder dann für die Philosophie der Freiheit vorschlug, nämlich aus jedem Kapitel ein Buch. Ich meinerseits würde sagen: aus jedem Thema ein ganzes Buch, bzw. ein «Forschungsvorhaben» zu machen. Karl Popper wiederum hat aus so einem «Hinweis» um das Erwirkende des Erkennens, auch wenn er in seinem Fall nicht von Steiner kam, - neben mancherlei vergleichbaren kritischen Bemerkungen zum erkenntnistheoretischen Physikalismus in seinen Büchern, - zusammen mit Eccles ein Buch von annähernd 670 Seiten geschrieben. Damit möchte ich dem Leser nur verdeutlichen, was so ein Ausdruck wie «Partitur» in Steiners Vortrag aus GA-322 zu bedeuten hat. Im Einzelfall kann sich dahinter ein ganzes umfangreiches Forschungsprojekt verbergen, wenn man es ernst nimmt. So ein Hinweis findet sich unter vielen anderen auch zu Beginn des dritten Kapitels der Philosophie der Freiheit in der knappen Erwähnung Theodor Ziehens und dessen Leitfaden der physiologischen Psychologie. Der als zeitgenössischer Fachwissenschaftler und als Anhänger Humes und Kants im Verhältnis zu Steiner die genau gegenteilige Position bezüglich der Freiheit von Denken und Handeln vertrat. Nämlich S. 208 in dem Sinne: «Unser Handeln ist necessitiert wie unser Denken». Die physiologische Psychologie „... lehrt: unser Handeln ist streng necessitiert, das nothwendige Product unserer Empfindungen und Erinnerungsbilder. Man könnte also dem Menschen eine schlechte Handlung ebensowenig als Schuld zurechnen, wie einer Blume ihre Hässlichkeit. Die Handlung bleibt deshalb - auch psychologisch - schlecht, aber sie ist zunächst keine Schuld.“ - Der Mensch wird bei Ziehen aus der Sicht der physiologischen Psychologie zum bloßen Denk- und Handlungsautomaten, bei dem das Denken und Handeln lediglich rein zwanghaft «necessitiert» verläuft. Das ist eine der materialistischen Grundlagen nicht nur des Bolschewismus und Sozialismus, die sich ungebrochen in der gegenwärtigen Menschheit noch mit ihren politischen, menschenverachtenden Ideologien austoben, wie Steiner in späteren Vorträgen wie hier GA-174b, S. 300 ff verdeutlichte. Eine aus dem physikalistischen Denken folgende «Ethik», taugend bestenfalls für faschistische politische Zwangssysteme, deren Eliten dann den freien Willen zum gefährlichen Mythos erklären, wie unlängst wieder am Beispiel Hararis, festgestellt wurde. Es ist dieselbe physikalistische Sichtweise, gegen die mit ihren Mitteln und mit Blick auf die Würzburger Schule wiederum Popper und Eccles, wenn auch unabhängig von Steiner, aber zusammen mit Steiner kämpften. Manches von all dem, was Steiner an «Hinweisen» in seiner «Partitur» gegeben hat, hat Werner Moser in seinem Vortragszyklus auch behandelt. Als einer der ganz wenigen übrigens, die sich von anthroposophischer Seite überhaupt mit Steiners Grundlagenforschung, und zwar über die ganze Palette der erkenntniswissenschaftlichen Frühschriften Steiners, befaßt haben, wenn auch mit sehr ausgewählten und mitunter eben erstaunlich lückenhaften Akzenten. Auffallend ist vor allem das nahezu vollständige Fehlen der Psychologie bei Moser, die in Steiners Frühschriften seit Anbeginn eine ganz grundlegende Rolle spielte. Ein eklatanter Mangel Mosers, der dann auch prägend wurde für Mosers Schüler, von denen er nicht wenige hatte. So wird etwa die bei Steiner bereits 1886 unübersehbare Psychologie in der Erkenntniswissenschaft bei Moser so gut wie gar nicht behandelt, obwohl sie in Steiners Frühschriften eine ganz entscheidende Rolle spielte. Beginnend bereits 1886 im Rückgriff auf den immanent psychologischen Erkenntnistheoretiker Volkelt. Und zumal mit dem pointierten Hinweis im dortigen Psychologiekapitel 18 der Grundlinien, daß «die Psychologie die erste Wissenschaft sei, in der es der Geist mit sich selbst zu tun habe». Das alles wurde von Moser inhaltlich nicht thematisiert. So wenig wie Steiners Wunsch nach einem psychologischen Laboratorium aus der Schrift Von Seelenrätseln. Obwohl er auch diese Schrift auf S. 106 ff mit Blick auf die «Ablähmung der Begriffe» zwar erwähnt, aber eben auch von dieser Schrift kaum die rein psychologischen Aspekte näher betrachtet. Ein Zusammenhang mit dem Kausalitätsproblem Kants wird von Moser im Gegensatz zu Steiner ebenfalls nicht hergestellt. Obwohl das hoch plakativ auf der Hand lag, weil die Philosophie der Freiheit mit solchen Fragen ja startet, und Steiner bereits im Kapitel 14 der Grundlinien und an anderen Stellen dort das Kausalitätsproblem explizit und implizit kritisch aufspießt. Indes Moser Steiners Grundlinien nur streift und vom erlebten Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem im Denken, von dem bei Steiner bereits 1886 schreibt, nichts bei Moser erscheint. Bei allen wertvollen Hinweisen Mosers bleibt zu konstatieren, daß ganz maßgebliche von Steiner behandelte Fragestellungen von Moser in diesem Zyklus nicht aufgenommen wurden. - Die Frage stellt sich insofern, wie Steiner mit Kants Kausalitätsproblem im Labor umgehen würde, wo er sich schon im Kernartikel Anthropologie und Anthroposophie und anderen Stellen dort so sehr um das Verhältnis von Logik und Psychologie bemühte, wie es wiederum Popper im Zusammenhang mit dem hoffnungslosen Physikalismus und mit Blick auf die Würzburger Schule tat. Andererseits liegt natürlich auch dieses Kern-Problem der Freiheit, jenes um die Kausalität des Erkennens, an genau jenem Treffpunkt von Anthropologie und Anthroposophie, den Steiner in der Schrift Von Seelenrätseln S. 11 ff benennt, und dahingehend kennzeichnet, dass dort eine fruchtbare Verständigung zwischen Anthroposophie und Anthropologie möglich sei. Wie also behandelt man im psychologischen Labor und mit Blick auf das logische Denken das «Verhältnis von Wirkendem und Bewirktem», wie es in Steiners sämtlichen Grundlegungswerken seit 1886 bis einschließlich Goethes Weltanschauung von 1897 virulent ist? Auf der anderen Seite kann ihm die psychologische Untersuchungsmethode im Labor auch nicht ungeeignet und fremd erscheinen, wenn er ausdrücklich doch selbst dort hin will. Und mit ihm, wie er S. 171 sagt, «jeder der auf dem anthroposophischen Gesichtspunkt steht.» Das ist natürlich auch ein unmissverständlicher Hinweis darauf, welche Methoden ihm zur Untersuchung der menschlichen «Veranlagung zum Schauen» geeignet erscheinen. Dazu gehört nicht nur, aber ganz besonders auch die introspektive Labormethode, wie sie Brentano sich zwar wünschte, aber nicht umsetzen konnte, weil man ihn damals aus religionspolitischen Gründen nicht ließ. Nimmt man jetzt die Philosophie der Freiheit als in Steiners Augen erfolgreiche Rechtfertigungsschrift zur Leibfreiheit des Denkens und der menschlichen Freiheit, dann wird verständlicherweise ein Wissenschaftler, der diesen Rechtfertigungsweg Steiners erneut durchläuft, zu vergleichbaren Resultaten gelangen, - vorausgesetzt er arbeitet daran wirklich auch als «Wissenschaftler», wie es im Vortrag von 1920 in GA-322 gemeint ist, und nicht als Dilletant, der keinerlei Verständnis für die wissenschaftlich-philosophische Zeitlage und die Problemstellungen hat. Er müßte also auch verstehen, warum bei Steiner die Freiheit des Menschen an der Freiheit des erkennenden / intuitiven Denkens festgemacht wird. Das hängt nun wieder an der Frage, wie sich die Beobachtung, - die «gegenüberstellende Betrachtung im Ausnahmezustand», - dieses erkennenden / intuitiven Denkens faktisch vollzieht, und warum dieses erkennende Denken sich selbst tragen kann, und von den leiblich-physischen Bedingungen unabhängig ist, gemäß Steiners Bemerkung gegenüber Eduard von Hartmann: «Man kannn nicht zu etwas kommen was das Denken bewirkt, wenn man den Bereich des Denkens verläßt.» - Das führt, wie wir weiter oben in Verbindung auch mit Popper und Eccles sahen, bis zu Fragen des logischen Denkens und Erkennens, das nicht aus dem Physikalismus abzuleiten ist. Und folglich das logische / erkennende Denken auch nicht physikalistisch von der Hirnchemie und -physiologie kausal beherrscht sein kann. Mit allen Folgen für das Naturverständnis, die man auch bei Steiner bereits im Kapitel 9 der Philosophie der Freiheit mit Blick auf die «zurückdrängene Tätigkeit des Denkens» angedeutet findet. Dann vortragsweise ganz explizit mit Blick auf den Energieerhaltungssatz in GA-78, S. 142 f. Sie erinnern sich analog an Poppers «leere Versprechungen des Schuldscheinphysikalismus, der sich den Ast absägt, auf dem er selber sitzt», wenn er das Erkennen als physikalistischen Naturprozess erklärt. Um in diesem Zusammenhang auch noch darauf hinzuweisen, dass ihn (Popper) eine Veränderung am Energieerhaltungssatz nicht aufregt, und die Physik der Zukunft ohnehin niemand kenne. (Siehe dazu auch hier, S. 744 ff) In der Schrift Von Seelenrätseln wiederum findet der Leser wiederholt den ausdrücklichen Hinweis auf das erlebte logische Denken. Zum Beispiel S. 131 f darauf, zwecks Erkenntnis des «rein-Seelischen» das Logische im Denken vom Nicht-logischen oder A-logischen unterscheiden zu können, und anderes mehr. - Andererseits und zum näheren psychologischen Nachweis: Wenn nun wirklich die Philosophie der Freiheit ein über alle Maße erfolgreiches Übungsbuch gewesen wäre, und nur das, dann wäre dieser weitere psychologische Nachweis im Labor überflüssig gewesen. Das ist er aber offensichtlich nicht. Was freilich erst verständlich wird angesichts der Zeitlage, wo es 1894 solche Labore «nach den Vorstellungen Brentanos» eben nicht gab, wie sie Steiner in GA-21, S. 170 f zur «besten Grundlegung» vorschwebten. Sondern erst ab der Jahrhundertwende. (Siehe Näheres dazu auch hier, S. 330 - 336.) Es gibt innere Erlebnisse wie das Denken, die lassen sich selbstredend im Original nur im eigenen Inneren erleben und beobachtend begreifen. Um aber einen wissenschaftlichen Konsens darüber herzustellen, was jeder einzelne für sich dabei erlebt, und das Erlebte zu begreifen, dazu ist es zwar nicht unbedingt notwendig, aber ausgesprochen hilfreich und nützlich, das Ganze in einem psychologischen Laboratorium nach den Vorstellungen Brentanos zu demonstrieren. Das haben wir weiter oben ausführlicher am Beispiel Karl Bühlers dargelegt, der in seiner denkpsychologischen Forschung mit Hilfe von gut in der inneren Beobachtung geschulten Versuchspersonen gründlich mit dem Aberglauben seiner wissenschaftlichen Zeitgenossen aufräumte, daß es beim Denken gar nichts zu erleben gäbe. Mit denselben abergläubischen und unsubstantiierten Zeitverhältnissen bezüglich der Denk-Erlebnisse wie Bühler und Kollegen hatte vor ihnen bis 1894 natürlich auch Rudolf Steiner zu kämpfen. Was sich über mehr als ein Jahrhundert hinweg zumal bei den «Philosophen» als Aberglaube erhalten hat. So daß nicht nur heutige Philosophen wie Traub&Co nicht begreifen, was Steiner philosophisch und psychologisch eigentlich betreibt, sondern bei den Zeitgenossen Steiners war das oft nicht anders. So daß der damals namhafte Philosoph Erich Adickes in einer kurzen Besprechung von Steiners Schrift Wahrheit und Wissenschaft in der Deutschen Literaturzeitung von 1894, hier S. 132 f diesem in dieser Schrift neben «empiristischen Neigungen» gleichzeitig Rationalismus vorhielt. Offensichtlich verstand Adickes von der empirisch «unmittelbar gegebenen Denktätigkeit» und Steiners philosophischem Anliegen ungefähr ebenso viel wie mehr als 110 Jahre später der verständnislose Hartmut Traub, der diesem «unmittelbar Gegebenen» in seiner opulenten Schrift von 2011 ab S. 57 ganze Kapitel triefend von eigenem Unverstand für die psychologische Sachlage gewidmet hat. Ohne einen einzigen Schimmer von Volkelts immanent psychologischer Erkenntnistheorie zu haben, auf den und dessen Anteil für die Behandlung des «unmittelbar Gegebenen» Steiner eigens in der Schrift Wahrheit und Wissenschaft (hier S. 7) hinweist. Das auch in der Dissertationsvariante von Wahrheit und Wissenschaft gleich in den ersten Sätzen ihrer Einleitung. So ein ausdrücklicher und besonders würdigender Quellenverweis Steiners auf die «fruchtbare Vorarbeit» Volkelts an so prominenter Stelle ist neben den Grundlinien von 1886 natürlich ein entscheidender Ankerpunkt für einen hermeneutisch operierenden Interpreten oder einen Wissenschaftler, der Steiners Frühwerk als «Partitur» auffaßt. Während der Philosoph Traub den von Steiner hoch geschätzten Erkenntnistheoretiker Volkelt und dessen psychologieorientierten wegweisenden Ansatz so wenig auf dem Schirm hatte wie Steiners Grundlinien. Nämlich gar nicht. So daß er darüber weder etwas Verständnisvolles berichten, - und vor allem aber zwecks Verständnis Steiners überhaupt nichts Vernünftiges dazu fragen konnte, sondern nur Verworrenes, dem vollständig die Verbindung zu Steiners erkenntnispsychologischem Anliegen fehlte. Bis hin zu seinen abstrusen Bemerkungen von S. 350 ff bezüglich der Erkenntnis des Denkens, wo aus jeder Zeile sichtbar wurde, wie weit entfernt Traub von einer realitätshaltigen Vorstellung über das faktische Denken und dessen Erkenntnis war. Und sich stattdessen als sachfremder Philosoph etwas von einem «unendlichen Regress des Denkens» ausdachte, ohne zu ahnen, was da eigentlich bei Steiner und in der Psychologie des Denkens stattfand, und was das gegebenenfalls für philosophische und naturwissenschaftliche Konsequenzen haben könnte. (Siehe dazu ausführlicher hier, S. 351 ff.) Eine vergleichbare Situation wie bei seinen abwegigen Bemerkungen zu Steiners Vorrede zur Philosophie der Freiheit von 1918. Für einen «Hermeneutiker» ist das keine besonders überzeugende Vorstellung. In solchen Fragen war der aus der Bühler- / Külpeschule stammende Popper in der erkenntniswissenschaftlichen Fragestellung dem Philosophen Traub natürlich um Lichtjahre voraus, weil er wusste worum es bei der Klärung um den Physikalismus des Erkennens ging. Desgleichen worum es bei der Beobachtung des Denkens ging, und wie das «handwerklich» vor sich geht. Während Traub seinerseits noch nicht einmal die Eingangspforte zum Verständnis der (psychologischen) Sachlage oder zu Steiners freiheitsphilosophischen Fragestellungen gesichtet hatte. Geschweige denn zu dessen methodischen Wegen vorgedrungen war. Sondern immer noch von A bis Z, und das über eintausend Seiten entlang, in den Denkmustern aus verkanteten Zeiten träumte. Allein schon das vom philosophischen Antipsychologismus beflügelte Unverständnis der Zeitgenossen war für Steiner Anlaß genug, öffentlichkeitswirksamer und besser dokumentiert das erlebte Denken nach Art Bühlers oder den Vorstellungen Brentanos entsprechend in einem Laboratorium zu untersuchen, wozu ein relativ schmales Grundlagen-Buch von 250-300 Seiten wie die Philosophie der Freiheit natürlich gar nicht der geeignete Ort ist: Allein das dritte Kapitel der Philosophie der Freiheit von 1918, in dem die Fragestellungen um den Physikalismus, um die Erkenntnis des faktischen Denkens, und der erkenntniswissenschaftlichen Fundamentbildung auf annähernd 20 Seiten zusammengestaucht sind, hätte mindestens den Raum von zwei bis drei Büchern benötigt, um das dort «stenographisch» Verhandelte der Zeit- und der Problemlage entsprechend darzulegen, und jene wissenschaftliche Resonanz zu finden, wie es dem Forschungsgegenstand dieser Freiheitsphilosophie angemessen gewesen wäre. Auch damalige empirische Psychologen hätte Steiner damit wegen der Kürze und Gedrängtheit nicht wirklich in nennenswerter Zahl erreichen können. Entsprechend waren ja auch die Empfehlungen von Rosa Mayreder, der Steiner darin natürlich recht gab. (Siehe weiter unten.) - Alles in allem kommt es wohl doch auf etwas mehr an, als nur die reine Bewußtseinsphänomenologie. Sondern auch auf die erkenntniswissenschaftlichen Fragestellungen zur Freiheit des Menschen, die dem ganzen in der Philosophie der Freiheit erst zugrunde liegen. Das ist zum Beispiel die Kernfrage nach der Natur-Kausalität im menschlichen Denken und Handeln mit der nicht nur das erste Kapitel der Philosophie der Freiheit von 1918 startet, sondern auch das zweite der Erstausgabe von 1894. Desgleichen das dritte Kapitel der Zweitauflage mit Blick auf Theodor Ziehen, sowie auch das analoge vierte der Erstauflage. Die Frage nach der Naturnotwendigkeit respektive Kausalität im Denken und Handeln aber ist als solche und zunächst einmal auch ganz unabhängig vom «Schulungsbuch» Philosophie der Freiheit. Oder gar von der Schrift Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten? Sie ist aber als Frage nach dem Verhältnis des menschlichen Denkens und Handelns zur Naturnotwendigkeit die alles entscheidende und vorausgehende Eingangsfrage, wenn es um die «Leibfreiheit» des erkennenden Denkens geht, die dem anthroposophischen Schulungsweg zugrunde liegt. - Als Frage nach dem Verhältnis von Naturkausalität und Freiheit des menschlichen Erkennens / Handelns ist sie darüber hinaus eine grundlegende Frage jeder ernsthaften Philosophie. Auch der Philosoph Karl Popper folgte inklusive John Eccles vollkommen zu Recht diesem Anliegen, wie wir oben etwa S. 209 ff und öfter sahen. Und das vermutlich ganz ohne Schulungshintergründe im anthroposophischen Sinn, weil es natürlich für jeden seriösen Erkenntniswissenschaftler von höchstem Interesse ist, ob das menschliche Erkennen als ein rein mechanistischer Naturprozess verstanden wird, oder eine «freie» Erkenntnishandlung ist, mit entsprechenden Folgen wiederum für das Verständnis der Naturnotwendigkeit. Deswegen muß laut Steiners Vorrede von 1918 auch niemand auf die Geistesforschung Steiners «hinschielen», wenn er die Philosophie der Freiheit studiert, wie es in der Vorrede von 1918 heißt. Weil ihre Fragestellung ja nicht nur den anthroposophischen Schulungsweg, dessen Vorbereitung und ihren geisteswissenschaftlichen Hintergrund betrifft, sondern ganz generell und davon unabhängig auch die Erkenntniswissenschaft im allgemeinen nebst daraus folgendem Freiheits- und Naturverständnis, wie man an Poppers und Eccles` kritischen Bemerkungen zum «Schuldscheinphysikalismus» der Materialisten sieht. Während sie dabei gleichzeitig eine bemerkenswerte Nähe zur Psychologie der inneren Beobachtung der Würzburger Schule demonstrieren. Damit wird an Poppers und Eccles`s Behandlung dieses Erkenntnis-Themas geradezu augenfällig, daß die Philosophie der Freiheit thematisch für den Naturwissenschaftler von mindestens ebenso großem Interesse ist wie für den Philosophen, den Psychologen, oder den Vorbereiter eines anthroposophischen Schulungsweges, der wie Steiner nach der «Leibfreiheit» des erkennenden Denkens fragt. Während der anthroposophisch orientierte Wissenschaftler, der diese Schrift laut GA-322 als «Schulungsbuch für den Wissenschaftler» zur Hand nimmt, nicht nur die allgemeinphilosophische und naturwissenschaftliche Interessenlage von Popper und Eccles zu bedienen und zu würdigen hätte, sondern auch noch eine sehr spezielle der persönlichen Entwicklung auf dem anthroposophischen Schulungsweg und der Steinerschen Esoterik einnimmt, die vermutlich von Popper und Eccles so nicht geteilt wird. Er «schielt» dann als Wissenschaftler, der sich mit der Entwicklung und der Begründung des anthroposophischen Übungsweges verstehend befasst, quasi permanent auf die Geisteswissenschaft hin, was Popper und Eccles aus ihrem allgemeinen philosophisch / naturwissenschaftlichen Hintergrund und mit denselben Fragestellungen zur Naturkausalität und Freiheit des Erkennens, wahrscheinlich nicht täten. Gleichwohl aber die von Steiner behandelten Grundsatzprobleme zum erkennenden Denken und seinem Verhältnis zur Naturkausalität vollkommen ernst nehmen, wie man an ihren eigenen Gedankengängen zum «Schuldschein-Physikalismus» des erkennenden Denkens sieht. Während der anthroposophische «Wissenschaftler» zusätzlich und zwangsläufig auf den anthroposophischen Übungsweg «hinschielen» muß, um ihn aus der Leibfreiheit des Denkens heraus zu begreifen. Er tut das in diesem Fall, um Steiners Rechtfertigungsweg zu verstehen. Sollte aber nicht glauben, daß er als «Wissenschaftler» den gesamten gedanklichen Rechtfertigungsweg Steiners dabei außer Acht lassen kann und die Sache mit ein paar bewußtseinsphänomenologischen Übungen abgetan wäre. - Ganz im Gegenteil, das wird wohl jeder verstehen. - Von «Übungsbuch» spricht Steiner wie gesagt in der Philosophie der Freiheit nicht. Auf der anderen Seite ist nicht zu übersehen, dass Steiners Schrift auch jede Menge didaktischer Ziele verfolgt, indem sie auf Grundfragen der Erkenntniswissenschaft aufmerksam macht, und den Leser mit gewissen Arten der erkenntniswissenschaftlichen Tatsachen und Argumentation vertraut macht. Und das auf einem Wege, den Steiner beim reinen / sinnlichkeitsfreien oder dem intuitiven Denken ansiedelt. Das folglich anlässlich der gründlichen Erarbeitung der Schrift eingeübt und vertieft wird, weil das schon zum Studium des Buches dazu gehört. Insofern kann man hier, bei Lernprozessen und Wissensvermittlungen dieser Art, natürlich ebenfalls von «Übungen» sprechen, selbst wenn davon programmatisch nicht wörtlich die Rede ist. Daß es wiederum dem Leser nichts nützt, wenn er nur theoretisches Wissen «aufbewahrt», ist bei Freiheitsfragen der vorliegenden Art leicht nachvollziehbar. Denn in der Philosophie der Freiheit und bei ihren «seelischen Beobachtungen» handelt es sich um Anwendungswissen: Ob man im jeweiligen Fall frei handelt, das muß situativ immer individuell neu anhand der Sachkonstellation um die eigenen Handlungsentscheidungen bewertet werden. Ich muß also vereinfacht gesagt wissen, ob die Motive meines jeweiligen Handelns aus äußerem Befehl, aus dem Unterleib, aus dem Magen, aus dem Gaumen, aus einem bloßen Ärgernis bzw. Reflex, aus meinem Kontostand oder aus dem reinen Denken und vielleicht idealistischen Ideen stammen. Das aber läßt sich nicht ein für allemal schon im Vorfeld beantworten, sondern ist abhängig von der situativen Gesamtkonstellation und meiner Erkenntnis der Lage, in die ich mit meinen Handlungen eingreife. Wie wir eingangs dieses Kapitels oben ab S. 2 ff bereits sahen, ist die Entscheidung, sich dem eigenen Denken in Erkenntnisabsicht gegenüberzustellen, ebenfalls nur aus solchen bewußten Motiven auf der Grundlage des reinen Denkens und Erkennens abzuleiten. Wenn Sie als Leser darüber hinaus den Blick auf Steiners beide «Wurzelfragen» dieser Vorrede richten, wo ja auch von der Suche nach etwas gesprochen wird, was «alles andere stützen kann», dann denken Sie einmal daran, warum sich das intuitiv erlebte Denken selber stützen kann, wie wir es speziell im Zusammenhang mit Schrempf und Stein vorhin auf den Seiten 240 -246 besprochen haben. So gesehen hat das intuitiv erlebte Denken mit seiner Eigenschaft sich auf dem Erkenntniswege selbst tragen zu können, natürlich viel mit diesen beiden Wurzelfragen der Vorrede zu tun. Das am Buch zu behandeln, das wäre ein hervorragendes Übungsbeispiel dafür gewesen, wie weit man mit der Hermeneutik, von der die beiden Spezialisten der Philosophie (DaVeiga und Traub) da sprechen, kommen kann. Damit freilich wären unsere beiden Fachphilosophen ersichtlich schon völlig überfordert, wenn sie noch nicht einmal den Text der kurzen Vorrede verstehen können. Und noch viel weiter davon entfernt sind, die Grundlage der menschlichen Freiheit im sich selbst tragenden intuitiv erlebten Denken zu verstehen, da sie anscheinend gar nicht wissen, was das sein könnte. So daß dann so ein von den Verfassern frei erfundener Inhalt dieser Vorrede geltend gemacht wird, der bereits mit einer einfachen proseminaristischen Textanalyse ins Reich der hermeneutischen Phantasien und Träume befördert werden kann, weil es einfach dort nicht steht, was die beiden «philosophischen Hermeneutiker» sich da über die Vorrede zusammengereimt haben. - Freilich ist auch das nicht überraschend. Denn es handelt sich ja um die Vorrede zur Neuauflage von 1918, die von den «Hermeneutikern» in den Blick genommen wird. Die Bekanntheit mit der Erstauflage wird im Prinzip schon vorausgesetzt. Das mag zwar nicht für jeden beliebigen Leser gelten, aber gilt ganz gewiß für einen Philosophen mit wissenschaftlich hermeneutischen Ansprüchen. Der ernsthafte «Hermeneutiker» müßte eigentlich noch sehr viel mehr darüber wissen, als nur den Inhalt dieses Buches und seine Erstauflage zu kennen. Nämlich vieles davon, was Steiner im sonstigen Begründungszusammenhang der Frühschriften auch noch dazu geschrieben hat. Wie man aber sieht, scheint nicht nur davon kaum etwas bekannt zu sein, sondern es wird ja noch nicht einmal der ziemlich unmißverständliche, kurze Texte der Vorrede verstanden, ohne ihm Gewalt anzutun. Schon da also scheitern die «Hermeneutiker» bei den elementarsten Dingen des Leseverstehens. - Wie wir eingangs dieses Subkapitels (S. 255) sahen, hat Lorenzo Ravagli in seiner gemeinsam mit Günter Röschert 2003 verfaßten Schrift ähnlich konfuse und zerstörerische Thesen über die Philosophie der Freiheit in die Welt gesetzt wie Traub und DaVeiga. Dahingehend, sie sei nur ein «Schulungsbuch und keine Erkenntnistheorie». Und lehre darüber hinaus «kein Wissen, sondern nur Methoden», so Ravagli in diesem Buch auf S. 26. Womit Ravagli 2003 das Märchen von der Wissenschafts- und Wissensferne der Philosophie der Freiheit in die Welt setzte. Während Steiner schon in der Vorrede zur Neuauflage von 1918 zu dieser Schrift das genaue Gegenteil davon berichtet. Desgleichen neben unzähligen gleichlautenden Hinweisen auch an anderen Orten ausdrücklich in der Schrift Von Seelenrätseln (hier S. 58 f) die erkenntniswissenschaftlichen Hintergründe und Ziele dieses Werkes in seiner Verteidigung gegen Max Dessoir folgendermaßen herausgestellt: „Diese «Philosophie der Freiheit» nennt also Max Dessoir meinen «Erstling». Die Wahrheit ist, daß meine schriftstellerische Tätigkeit mit meinen Einführungen in Goethes naturwissenschaftliche Schriften beginnt, deren erster Band 1883 erschienen ist, elf Jahre, bevor Dessoir meinen «Erstling» ansetzt. Diesem «Erstling» gehen voran: die ausführlichen Einführungen zu drei Bänden von Goethes naturwissenschaftlichen Schriften, meine «Grundlinien einer Erkenntnistheorie der Goetheschen Weltanschauung» (1886), meine Schrift «Goethe als Vater einer neuen Ästhetik » (1889), meine für meine ganze Weltanschauung grundlegende Schrift «Wahrheit und Wissenschaft» (1892). Ich […] hätte dieses Falles von Dessoirs sonderbarer Kenntnisnahme dessen, worüber er schreibt, doch nicht Erwähnung getan, wenn nicht die Sache so läge, daß alle in meiner «Philosophie der Freiheit» vorgebrachten Grundanschauungen bereits in meinen früheren Schriften ausgesprochen und in dem genannten Buche nur in einer zusammenfassenden und sich mit den philosophisch-erkenntnistheoretischen Ansichten vom Ende des neunzehnten Jahrhunderts auseinandersetzenden Art vorgetragen sind. Ich wollte in dieser «Philosophie der Freiheit»in systematisch organischer Gliederung zur Darstellung bringen, was ich in den früheren, fast ein ganzes Jahrzehnt umfassenden Veröffentlichungen an erkenntnistheoretischer Grundlegung und an ethisch-philosophischen Folgerungen für eine auf die Erfassung der geistigen Welt zielende Anschauung niedergelegt hatte.“ - So Steiner in der Schrift Von Seelenrätseln zu seinen erkenntnistheoretischen Schriften, deren Zusammenhang, und speziell diesen Zusammenhang mit seiner Philosophie der Freiheit. Der Kontrast zu Ravaglis Märchenerzählung von 2003 könnte kaum größer sein. Der Inhalt der Frühschriften bestätigt das unabhängig von Steiners diesbezüglichen Aussagen auf seine Weise. Steiner müsste sich folglich mit solchen Worten heute nicht nur gegen Max Dessoir, sondern ersichtlich vielfach und mehr noch gegen seine eigenen angeblichen Anhänger zur Wehr setzen. Die Parallelen von Traubs und DaVeigas abwegiger Paraphrase der Vorrede von 1918 zu Ravaglis Fabel von 2003 zur angeblichen Wissenschaftsferne der Philosophie der Freiheit liegen auf der Hand. Stammend dort aus einem Buch voll von Unverständnis für substantielle Fragen in Steiners Frühwerk, das freilich trotz all seiner Verworrenheit und sinnfälligen gedanklichen Abwege in der anthroposophischen Gemeinschaft auch bei sehr namhaften Persönlichkeiten aus der Waldorfumgebung wie Johannes Kiersch erkennbare öffentliche Resonanz gefunden hat. In dem Sinne nämlich: «wie sich die monistische Entwicklung Steiners denken läßt, hätten diese beiden kompetenten Erkenntnistheoretiker [Ravagli und Röschert, MM] hinreichend geklärt.» Also sind laut Kiersch nach der Lektüre dieses Gemeinschaftsbandes von Ravagli und Röschert keine großen Fragen mehr offen. Das schrieb Kiersch noch nicht lange zurückliegend in der Vierteljahresschrift zur anthroposophischen Arbeit in Deutschland, Ostern 2018, Nr. 283, S. 71 ff, Anmerkung 6. - So ein öffentliches Urteil über «hinreichende Klärung» solcher Fragen aus dem «berufenem Munde» einer bekannten Waldorfpersönlichkeit geht natürlich nicht so schnell verloren, sondern entfaltet entsprechende Wirkungen im (wissenschaftlichen) Umfeld. Siehe dazu hier auf S. 1201, Anmerkung 396, und ebd. auf S. 1054 ff. Möglich, daß das einige «märchenhafte» Spuren im Waldorfumfeld, und eben auch bei DaVeiga und Traub hinterlassen hat, deren Quelle freilich, falls es so gewesen sein sollte, in ihrem Fall dann nicht kenntlich gemacht wurde. Was die Lage noch verschlimmert hätte, weil sie diesen ganz offensichtlichen und leicht zu widerlegenden Nonsense Ravaglis dann ebenfalls nicht via Lektüre der Originalaussagen Steiners geprüft hätten. Zumal in einem Unterkapitel zur Hermeneutik, wo es dann auch noch als einziges «Belegbeispiel» für die angeblich nicht vorhandenen Wissenschafts- und Wissensvermittlungsansprüche der Philosophie der Freiheit erscheint. Also in dieser Beziehung vollkommen deckungsgleich mit der philosophischen Märchendichtung Ravaglis ist. - Die Verfasser DaVeiga und Traub mögen sich ihrerseits laut Anmerkung 8 und Bibliographie bei Abfassung ihrer schrägen «Vorwort»wiedergabe indirekt aber auch noch auf einen weiteren (Kaiser) beziehen, der möglicherweise solches 2020 ebenfalls S. 179 und S. 209 behauptet hat, machen ihre eigene Paraphrase der Vorrede aber auch nicht näher als Entlehnung von Kaiser kenntlich. Sondern geben Kaiser nur als Referenz zum Thema im allgemeinen an. Während die Wiedergabe der Vorrede von ihnen selbst stammt. Kaiser seinerseits läßt sich in wenigen Sätzen auf S. 189 f lediglich zur Impression von Steiners «Prosa» und dem Sprachduktus um die zwei Wurzelfragen der Vorrede aus, ohne dem Sinnzusammenhang dieser Vorrede überhaupt nachzugehen, der ihn, wie gehabt, definitiv nicht interessiert. Obwohl er meint, das von Steiner einleitend Geschriebene besser formulieren zu können als Steiner seinerzeit selbst. Belegt am konkreten Fall hat er diese behauptete Qualifikation in seinem Buch freilich nicht. - Wie dem auch sei. Ohne Frage aber hat, wie Traub und DaVeiga nach der kurzen Umschreibung des «Vorwortes» auf S. 8 resümieren: „das notwendigerweise hermeneutische Konsequenzen für die Erschließung, die Diskussion und die Beurteilung des Textes“. - Ganz gewiss, so darf hinzugefügt werden, hat das gravierende «Konsequenzen», wenn allein schon der «Text des Vorwortes», den sie selbst zusammengefasst wiedergeben, dort gar nicht steht, sondern inhaltlich eine Erfindung aus der blauen Luft ist. Ob ihre eigene oder die eines Dritten, bleibt sich letztlich egal, zumal weitere Quellen zum «Erfinder» nicht angegeben sind. Aber schauen wir anschließend bei Herrn Kaiser auch einmal vorbei, ober dieser das selbst so geschrieben hat, und das Duo Traub / DaVeiga nachfolgend eventuell nur dessen exemplarische Leseschwäche mit einem exemplarischen Beispiel für «dekonstruktive Hermeneutik» verwechselt hat. Letztlich ist es aber doch unwesentlich, ob ich das Produkt einer fremden oder meiner eigenen Leseschwäche und freischwebenden Fantasie als Fallbeispiel für Hermeneutik ausgebe. Das Anliegen der Interpretation respektive Wiedergabe des vorliegenden Textes der Vorrede ist auf jeden Fall weit verfehlt. Das, obwohl sich Herr Traub sogar extra noch einen kräftigen Schluck aus den dekonstruktiven Metatheorien des Herrn Kaiser gegönnt hat, und sogar eigens einen Artikel dazu verfaßte. - Was aber nun ist das hermeneutische Resultat davon? Er dekonstruiert jetzt im Zweierkollektiv die «Vorrede zur Neuausgabe von 1918» zum «Vorwort», und zudem auch noch die einfachsten, aber ganz wesentliche Sinnzusammenhänge der annähernd 5seitigen Vorrede der Philosophie der Freiheit zu reinen Traumfantasien, die in ihm selbst ohne jeden sachlichen Anhalt dazu aufstiegen. So daß sich gut resümieren läßt: Er hat zwar von dieser Vorrede nichts verstanden, aber sie hat ihn mächtig angeregt – drauflos zu orakeln und das Ganze dann als Resultat wissenschaftlicher Forschung der Öffentlichkeit anzudienen! Wenn das kein meßbarer Erfolg der hermeneutischen Metatheorie ist?! Desgleichen womöglich aber auch der entschiedenen Absicht, dem metatheoretischen Anliegen des Herrn Kaiser, nämlich «der Dekonstruktion des anthroposophischen Dogmas» endlich mit wissenschaftlichen Mitteln Folge zu leisten? Mit dem sichtbaren Resultat: Es ist nichts dabei entstanden, was auf die Absicht Traubs und DaVeigas schließen ließe, sich dem Anliegen des Verfassers dieser Vorrede von 1918 irgendwie mit Verständnis zu nähern, da sie der Inhalt dieser Vorrede augenfällig gar nicht interessierte. Mit der weiteren daran sichtbaren Folge: Mit dem eigenen Dogma «an die Sache nie heran zu kommen», wie es Steiner schon im Kapitel 14 der Grundlinien den Kausalitätserklärern in der Nachfolge Kants ins Stammbuch geschrieben hatte. Vielleicht haben sie Herrn Kaiser aber auch nur mißverstanden und sein Ziel etwas aus den Augen verloren. Wir werden sehen. - - - 51. Ulrich Kaiser Jetzt haben wir einmal etwas genauer nachgesehen, und die Sache wird in ihrer Art - nun ja, - etwas überraschend. Deswegen habe ich den bisher hier stehenden Text an einigen Stellen etwas umgeschrieben. Dazu werden wir auch noch einmal etwas näher auf das (akademische) Umfeld schauen, auf dem solche, wie soll man sagen, «Entgleisungen», wie sie in Kaisers Buch zu beobachten sind, über Jahre hinweg vorbereitet werden. Zunächst: Nun habe ich ja nichts dagegen, wenn Herr Kaiser als Anreger Traubs und Da Veigas in seinem Buch Der Erzähler Rudolf Steiner sich kritisch um «Erzählungen» und anthroposophische oder anderweitige «Dogmen» bemüht. Da bin ich sogar ganz an seiner Seite. Was ich aber auf gar keinen Fall glaube ist, daß man mit so einer Schrift viel zum Verständnis Steiners beitragen kann, wenn man noch nicht einmal Steiners Rechtfertigungswerke in ihrem Begründungs-Zusammenhang zu kennen scheint. Denn davon ist bis auf gelegentlich winzigste herausgebrochene Fragmentlein, denen jeder Zusammenhang fehlt, bei Kaiser so gut wie nie die Rede. Sogar dort, wo man einen maßgeblichen Hinweis auf Steiners Wissenschaftskriterien und solche der Nachprüfbarkeit vermuten sollte, nämlich in Kaisers Eingangskapiteln (S. 15 – 40), die unter dem Stichwort Der Stachel des Wissenschaftsanspruches (auch in der Leseprobe) in mehreren Kapiteln vorgelegt werden, steht kein Sterbenswort von dem, was Steiner selbst zu seiner wissenschaftlichen Begründung wieder und wieder geschrieben und vorgetragen hat. Von Steiners wissenschaftlichen Grundlagen und den Kriterien der Nachprüfbarkeit, die Steiner fast unentwegt unter Hinweis auf seine Begründungswerke selbst angibt, dazu hat der «Waldorflehrer» Kaiser nicht den leistesten Anflug von Kenntnis, Problemverständnis und Interesse. Behandelt das entsprechend auch nicht, obwohl es dort unbedingt in diese programmatischen Eingangspassagen über Wissenschaftsansprüche hingehört hätte. Von Steiners wissenschaftlichen Begründungen versteht der Mann also buchstäblich nichts. Er hatte gar nicht die Absicht etwas über Steiners Wissenschaftansprüche und -begründungen zu formulieren, weil er sie eben selbst nicht kennt, und ihn das auch gar nicht interessiert. Der hintere Klappentext des Buches hebt dies indirekt auch noch ausdrücklich hervor. Dahingehend nämlich, daß «Kaiser Steiner aus dem beengenden Vergleichsrahmen der Wissenschaft herauslösen und ihn nur noch als Erzähler verstehen will». - Was soll man auch sonst noch damit machen, wenn man von Steiners wissenschaftlichen Grundlagen und einem entsprechenden «Vergleichsrahmen» definitiv nichts begreift, und auch gar nichts davon wissen will? Das tun viele andere mit Kaiser Seelenverwandte auch schon zur Genüge. Im heißen Bemühen, Steiner zu einem Geist zu verkleinern, den sie auch in ihrem Unverstand begreifen können. Von denen namentlich die Förderer für Kaisers nachweislichen akademisierenden Humbug etwa in seinen Vorbemerkungen ab S. 13 auch genannt werden. 52. Wouter Hanegraaff Da halte ich es meinerseits ganz mit Wouter Hanegraaff in seinem mit «Rudolf Steiner und die hellsehende Einbildungskraft» betitelten Vorwort zu Christian Clements SKA Bd. 8. Wo, nachdem Hanegraaff sich 14 verständnislose Seiten lang über Steiners Esoterik und dessen Methoden ausgelassen hat, zum Schluß auf S. XVIII nämlich das treffliche Resümee gezogen wird: „Die Implikationen für den Anspruch auf Wissenschaftlichkeit, den Steiner für seine Geisteswissenschaft erhebt, stellen eine zentrale Frage dar, der letztlich kein Leser dieser Bände wird ausweichen können.“ - Dazu hat er so viele Seiten gebraucht, um dort hin zu gelangen. Und kann sich offenbar gar nicht vorstellen, daß dies Steiners stets wiederkehrende eigene Ansprüche zumal an Wissenschaftler wie ihn sind. Wo solche wissenschaftlichen Kriterien und leicht nachzuvollziehenden Grundlagen wiederum bei Steiner seit mindestens 1886 und früher vorgelegt wurden. So daß Hanegraaffs seitenlang zusammenspekulierten Auslassungen über irgend eine «hellsehende Einbildungskraft» vollkommen überflüssig gewesen wären, wenn er nur einen Funken Verständnis dafür mitgebracht hätte, daß Steiners «Hellsehen» längst schon im begrifflichen / erkennenden Denken vorliegt. Davon freilich ist er gänzlich unbeleckt. Siehe dazu auch den kritischen Kommentar von Christoph Hueck über den «ahnungslosen Außensteher Hanegraaff, der seinen eigenen Unverstand auf Steiner überträgt». Hueck wörtlich: „Die »neuere Steinerforschung«, zu der sich Hanegraaff nun anscheinend selbst dazurechnet, ist dabei, Rudolf Steiner ihren eigenen Denkhorizonten anzuverkleinern.“ Das freilich gilt nicht minder für den ahnungslosen Anhang Witzenmanns wie Ravagli 2003 mit seinen schrägen Behauptungen von der Wissens- und Wissenschaftsferne der Philosophie der Freiheit. Der als dessen Schüler «vom Hofe Witzenmanns geritten» kam. Desgleichen für entsprechende Helfer wie Traub, Kaiser et al. Da muß man sich als Realist nichts vormachen. Das sind nämlich, gemessen an Steiners Werk und seinen Grundlagen, inzwischen als ausschließliche Anhänger Witzenmanns, als ahnungslose Waldorflehrer wie Kaiser, sowie als nichts ahnendende Philosophen wie Traub auch nur «Außenstehende» wie Hanegraaff. Die zumal als Anhänger Witzenmanns Steiners Grundlagen jahrzehntelang schon nicht interessierten, und die das auch heute noch so pflegen. Wie wir nicht nur oben von Wagemann gehört haben, sondern was sich auch aus ihren eigenen Beiträgen so ablesen lässt. 53. Jost Schieren etc Man muß sich dazu nur das Vorwort zur SKA Bd 1 von Jost Schieren ansehen, der im umgangssprachlichen Sinne zwar kein Außenstehender ist, aber de facto allemal. Nämlich lediglich ein Anhänger Witzenmanns innerhalb der anthroposophischen Bewegung von Anbeginn an war, der von Steiners Grundlagen nichts versteht, weil sie ihn als Anhänger Witzenmanns auch noch nie interessierten. Der aber jetzt als eine Art «intellektueller Fremdherrscher» zumal über die deutschen Anthroposophen und die Waldorfbewegung seinen eigenen Unverstand und sein Desinteresse an Steiners Grundlagen auslebt und ausbreitet. Wo dann seit Jahrzehnten ersatzweise an die Stelle Steiners die in die Irre irre führenden Witzenmannexegesen und -Elaborate gesetzt und vorangetrieben werden. Was nichts anderes ist als faktische Werkfälscherei. Wie wir am obskuren Sammelband aus der Alanushochschule oben auch gesehen haben. Wo der Herausgeber Schieren zusammen mit Wagemann mit aller Macht seinen Lehrer Witzenmann in ein akademisches Vorlesungsprojekt über die philosophischen Quellen der Anthroposophie zu pressen suchte, das mit Witzenmann beim allerbesten Willen nichts zu schaffen hatte. Die Rosstäuschereien der Vorlesungsreihe gingen bis in die obskure Gestaltung des Buchdeckels vom Info3 Verlag. Und bis hin zu akademischen Narreteien der Art treibt das seine Blüten, daß sogar der «Professor für anthroposophische Erkenntnisgrundlagen» keinen blassen Schimmer hat von Steiners eigenen Erkenntnisgrundlagen, wie wir oben im Kapitel16 darlegten. Oder nehmen Sie den geballten Unfug von DaVeiga (auch ein Witzenmannjünger wie Schieren) und Traub (ohnehin ein Außenstehender) zum «Vorwort» der Philosophie der Freiheit von 1918. Da bereits geht überall das Desaster schon los, indem man Steiner dem eigenen bzw. dem «Denkhorizont Witzenmanns anverkleinert», um mich verharmlosend an Hueck anzulehnen. Aber harmlos ist das wahrlich nicht. Denn letztlich geht es um die Zerstörung jedes Wissenschaftsanspruches der Anthroposophie aus den eigenen Reihen heraus, wie wir schon bis hier hin dargelegt haben. Das setzt sich nahtlos bei Kaiser und dessen Gönnern ebenso fort, wo dann überhaupt jeder Wissenschaftsanspruch der Anthroposophie in Abrede gestellt wird, und all das nur noch zur unwissenschaftlichen Erzählung Steiners degradiert wird, indem man sich wie Ravagli 2003 auf angebliche Aussagen von Steiner selbst beruft. Eben dieser Faden der Selbstzerstörung wird von Kaiser und Traub/ Da Veiga fortgeführt. Was darüber hinaus inzwischen auch fast zum Regelfall der SKA zu werden scheint: Daß nämlich komplett um Steiners Grundlagen verständnislose professorale Beiträge aus irgend einem Fremdmilieu, wie wir es auch bei Eckhart Förster schon zur Philosophie der Freiheit erlebten (siehe hier, etwa S. 1228 ff), zum Standardrepertoire solcher Vorwortinszenierungungen der SKA gehört. Von akademischen Titelinhabern, die von Steiners eigenem erkenntniswissenschaftlichem Denken kaum einen blassen Schimmer haben. Nun, von dort, von so viel umfassender Ahnungslosigkeit und Unverstand auf den Feldern der Erkenntniswissenschaft Steiners bis zum Einzug der globalistisch / totalitären WHO in das Goetheanum unter dem Stichwort «One Health» ist dann verständlicherweise auch kein weiter Weg mehr. Was als versuchte Etikettenschwindelei glücklicherweise viele dort Anwesende auch zu ahnen scheinen, wie der zuletzt verlinkte Bericht von Thomas Heck dazu demonstriert. Das hier allerdings mehr nebenbei, obwohl es wegen der monströsen Folgen für die Spiritualität der Anthroposophie und ihrer Menschheitsziele eigentlich mit zur Hauptsache gehören sollte. 54. Terje Sparby, Christian Clement und Steiners Verhältnis zu Hegel Wenig oder gar kein Verständnis für den erkenntniswissenschaftlichen Hintergrund der Anthroposophie. Was übrigens auch für die Einleitung der SKA 10 von Terje Sparby gilt. Der zwar irgendwie aus einem «anthroposophischen» Umfeld stammend, ebenfalls vom Zusammenhang der Steinerschen Grundlagenforschung mit dem esoterischen Werk keinerlei Verständnis aufbringt. Kaum einen Schimmer davon hat - wie Christian Clement schon, der das in seiner Einleitung zu SKA 1 immerhin recht offen und unmißverständlich einräumt, wie wenig an Verständnis der erkenntniswissenschaftlichen Grundlagen Steiners vorhanden ist. Was vielleicht im Fall Sparbys auch etwas erklärlicher wird, wenn man sich dessen Artikel über Steiners Idee der Freiheit (Rudolf Steiner’s Idea of Freedom: As Seen in the Panorama of Hegel’s Dialectic, Januar 216) anschaut. Wo bereits zum Inhalt und den Intentionen der Philosophie der Freiheit rein gar nichts Brauchbares zu lesen ist. Schon gar nichts über die Grundlagen der Freiheit im intuitiven / erkennenden Denken. - Tabula rasa! Mit derart substanzlosen Vorstellungen indes möchte Herr Sparby eine «Freiheitsaporie» auflösen, die Christian Clement bei Steiner bemerkt haben will, und in der Einleitung der SKA 2 (S. XXVIII) formuliert hat unter dem Subtitel Die Aporie der Freiheit: selbstbestimmtes Handeln oder geistige Führung? So sieht dann auch Sparbys hermeneutisches Rüstzeug zwecks Problemlösung von Clements angeblicher «Aporie» aus: Nämlich, so skizziert Sparby auf S. 174 die Lage um Steiners Freiheitsphilosophie: „Steiner’s idea of freedom is spread out in over three hundred books, and as I’ve already pointed out, when Steiner’s work is viewed as a whole, there is a certain tension at its core. Introducing Hegel will enable us to not only single out the main aspects of freedom in Steiner’s work, but also connect them in a way that can resolve the tension.“ - [Steiners Idee der Freiheit ist auf über dreihundert Bücher verteilt, und wie ich bereits erwähnt habe, gibt es, wenn man Steiners Werk als Ganzes betrachtet, eine gewisse Spannung in seinem Kern. Die Einführung in Hegel wird es uns ermöglichen, nicht nur die wichtigsten Aspekte der Freiheit in Steiners Werk herauszuarbeiten, sondern sie auch in einer Weise zu verbinden, die diese Spannung auflösen kann.] Nun kennt Herr Sparby weder «Steiners Werk als Ganzes,» noch kennt er Steiners Grundlagen, noch kennt er Steiners Freiheitsphilosophie in irgend einem nennenswerten Sinn. Da gehen solche akademischen Bemerkungen über «freiheitsphilosophische Spannungen bei Steiner», wie wir es analog auch bei Eckart Förster & Co hier in unserem Exkurs S. 1219 ff in etwas konzentrierter Form schon gekennzeichnet haben, offenbar besonders locker und von jeder Einsicht ungetrübt über die akademischen Lippen. Sparbys Generalhinweis auf die «über 300 Bücher, auf die Steiners Freiheitsphilosophie verteilt sei» ist also angesichts der ziemlich klaren Quellenlage um Steiners Freiheitsauffassung, - nun ja, - eine geradezu «unterirdische» Auskunft. Eine, die nur von jemandem stammen kann, der wirklich keinerlei Kenntnis darüber hat. «Unterirdisch» zumal angesichts der Tatsache, daß Steiner 1918 sein freiheitsphilosophisches Hauptwerk Die Philosophie der Freiheit extra in überarbeiteter Form zum zweiten Mal herausgegeben hat. Und nicht nur das, sondern darin, - wie in der Schrift Von Seelenrätseln S. 58 neben vielen anderen auch, - ganz unmissverständlich auf den Charakter dieser Schrift(en) als «begründende Schnittstelle» zwischen dem erkenntniswissenschaftlichen Frühwerk und dem esoterischen der folgenden Jahrzehnte hingewiesen hat: „Ich wollte in dieser «Philosophie der Freiheit» in systematisch- organischer Gliederung zur Darstellung bringen, was ich in den früheren, fast ein ganzes Jahrzehnt umfassenden Veröffentlichungen an erkenntnistheoretischer Grundlegung und an ethisch-philosophischen Folgerungen für eine auf die Erfassung der geistigen Welt zielende Anschauung niedergelegt hatte.“ (S. 58) Vergleichbares darüber und über den weiteren Fortgang der freiheitsphilosophischen Forschung zur geistigen Erkenntnis kann man auch in Steiners Philosophie der Freiheit in ihrer Zweitauflage von 1918 lesen. Und wahrlich nicht nur dort: Steiners eigene Geistesforschung wurzelt laut Steiners Auskunft aus guten Gründen zusammen mit seiner Freiheitsphilosophie in jenen erkenntnis- und freiheitswissenschaftlichen Grundlagen Steiners, die bei Herrn Sparby nirgendwo erscheinen, sondern statt dessen von ihm als «Freiheitsphilosophie auf über dreihundert Bücher verteilt» sind. Von Steiners eigenem Zeugnis zum Werdegang und der systematischen Verbindung seiner freiheitsphilosophischen mit seiner geistigen Forschung ist bei Herrn Sparby mit seiner «auf über 300 Büchern verbreiteten Freiheitsphilosophie» definitiv nichts in Sicht. Das aber hat als Begründungsparalogismus der Steinerschen Freiheitsphilosophie bei vielen und auch namhaften Anthroposophen durchaus Tradition: Nämlich in Gestalt einer logischen Erklärung dieser Begründungsschriften von den «Forschungsresultaten» der nachfolgenden Anthroposophie her. Da kann Steiner noch so eindringlich in der Vorrede der Philosophie der Freiheit von 1918 auf S. 4 f warnen, «nicht auf die Anthroposophie zwecks Verständnis dieses Buches hinzuschielen». Es nützte nichts: In dieser Frage sind nicht wenige gegen Steiners eigene Empfehlung gänzlich beratungsresistent. So auch Sparby, der demselben Muster folgt, indem er Steiners Freiheitsphilosophie auf dessen gesamtes Werk verteilt, damit Steiners logischen Begründungsfaden zerreißt, und über Steiners eigene beschworene Grundlagen nichts zu berichten weiß. Es interessiert auch ihn nicht, was Steiner selbst dazu sagt. Einer der bekannteren Vorläufer mit derlei Begründungs-Paralogismen war der aus dem Heidelberger Hardenberginstitut stammende und damals recht prominente Frank Teichmann. Laut Teichmann enthielt Steiners Philosophie der Freiheit «Erkenntnisse, deren Verständnis ein entwickeltes Geistorgan zur Voraussetzung haben»: „Es waren «seelische Beobachtungsresultate nach naturwissenschaftlicher Methode», Erkenntnisse, deren Verständnis ein entwickeltes Geistorgan zur Voraussetzung haben, wozu also der landläufige sogenannte «gesunde Menschenverstand» nicht hinreicht“. So 1994 die prominenten Fantastereien Teichmanns zu diesem Buch und zu seinem Verständnis der Philosophie der Freiheit. (Siehe Frank Teichmann im von Karl Martin Dietz herausgegebenen Sammelband, Rudolf Steiners Philosophie der Freiheit. Stuttgart 1994, S. 199.) Während Steiner exakt den umgekehrten Weg einschlug, und auch damals in seinen Frühschriften darstellte, als es Teichmann mit seinem «entwickelten Geistorgan» herbei fantasierte. Womit Teichmann freilich jeden Menschen, der ohne ein «entwickeltes Geistorgan» und nur mit dem «gesunden Menschenverstand» ausgestattet war, vom Verständnis der Philosophie der Freiheit ausschloß. Also mit geradezu perfekten Nebelkerzen den ernsthaften Zugang zur Philosophie der Freiheit allen mit «nur gesundem Menschenverstand ausstaffierten Lesern» komplett verriegelte. Ähnlich perfekt versiegelte, wie zuvor schon Witzenmann Steiners Freiheitsverständnis mit seiner Strukturphänomenologie und ihrem «Erzeugungsproblem» und anderem Unsinn gänzlich unzugänglich gemacht hatte. Steiner hingegen forschte den eigenen Worten zufolge zunächst über die Leibfreiheit des erkennenden / reinen Denkens. Und dieses leibfreie Denken ist für ihn die grundlegende Stufe des «Hellsehens», über die jedermann bereits in seinem normalen, erkennenden Denken verfügt. Steiner setzt also an die Stelle von Teichmanns «entwickeltem Geistorgan» ziemlich genau das Gegenteil. Nämlich das, was jeder aus dem allgemeinen Kulturzusammenhang als «Denkvermögen» bereits mitbringt. Lediglich das «reine Denken» bzw den «gesunden Menschenverstand», zu dem aus Steiners Sicht «jeder von Natur aus in der Lage ist» und «zu dem er keine besondere Schulung braucht», weil die Befähigung dazu «vererbt» ist. Wie er es auch in seinem Rechtfertigungsvortrag von 1921 in GA-255b, S. 295 ff ausdrücklich noch einmal seinen Zuhörern nahe brachte: So auf S. 299 f: „Und ich glaube, daß sich mir durch diese «Philosophie der Freiheit» nichts Geringeres ergeben hat als die übersinnliche Natur des menschlichen Denkens. Und hatte man diese übersinnliche Natur des menschlichen Denkens erkannt, dann war damit der Beweis geliefert, daß der Mensch im gewöhnlichsten Alltagsleben, wenn er sich nur erhebt zum wirklichen Denken, durch das er durch nichts anderes als durch die Motive des Denkens selbst bestimmt wird, daß er dann ein übersinnliches Element in diesem Denken vor sich hat." - Dann, auf S. 300 f Steiner weiter: „Wer dasjenige, was ich als Forschungsmethode meiner anthroposophischen Geisteswissenschaft zugrunde lege, Hellsehen nennt, der muß auch schon das gewöhnliche reine Denken, das durchaus aus dem Alltagsleben heraufströmt in das menschliche Bewußtsein, das hineinströmt in das menschliche Handeln, Hellsehen nennen. Ich selber sehe qualitativ keinen Unterschied zwischen dem reinen Denken und demjenigen, was ich als Hellsehen bezeichne. Ich sehe die Sache so, daß der Mensch sich zuerst an dem Vorgang des reinen Denkens eine Praxis heranbilden kann, wie man in seinen inneren Vorgängen unabhängig wird von seiner Leibesorganisation, wie man in dem reinen Denken etwas vollführt, woran der Leib keinen Anteil hat.“ - Weiter fährt Steiner dann fort: „Dann aber, wenn man den Vorgang kennt, durch den man zu solchem reinen Denken kommt, kann durch das, was wahre tiefergehende Philosophie gibt, etwas ausgebildet werden, was ich dann in der verschiedensten Weise als Erkenntnismethode für die höheren Welten dargestellt habe in meinem Buch «Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?» und in meiner «Geheimwissenschaft». Geradeso, wie aus den gewöhnlichen Alltagsbetätigungen der menschlichen Seele zuletzt das reine Denken hervorgeht, zu dem man keine besondere Schulung braucht, kann man, wenn man diesen Vorgang weiter ausbildet, zu dem kommen, was ich in dem genannten Buch und im zweiten Teil meiner «Geheimwissenschaft» die Stufen der höheren Erkenntnis - also Imagination, Inspiration, Intuition - genannt habe. Was sich im reinen Denken äußert, das wird uns Menschen einfach eigen dadurch, daß wir geboren sind; es ist uns in unserem jetzigen Stadium der Menschheitsentwicklung vererbt. Dasjenige, was nach dem Muster dieses reinen Denkens auftreten kann als Imagination, Inspiration, Intuition, das muß ebenso heranerzogen werden durch den erwachsenen Menschen, wie gewisse Fähigkeiten naturgemäß heranerzogen werden beim Kind." Das reine Denken wird uns gewissermassen geschenkt, indem wir in einen bestimmten Kulturzusammenhang hineingeboren werden. Damit ist dann das elementare Hellsehen / leibfreie Denken ohne unser besonderes Zutun als Fähigkeit vorhanden. Steiner nennt es in diesem Vortrag, der ohne weitere philosophische Spezialisierungen an ein Allgemeinpublikum gerichtet war, «ein wirkliches Denken, wo der Denker durch nichts anderes als durch die Motive des Denkens selbst bestimmt wird.» Ein Denken sei dies, das nicht nur «leibfrei», sondern in dieser seiner Qualität eben bereits «Hellsehen» sei. Und nachfolgend durch entsprechende Schulung fortentwickelt werden kann, und auch muss zu dem, was Steiner dann als höhere Erkenntnisstufen Imagination, Inspiration und (höhere) Intuition nennt. Während die Philosophie der Freiheit als Begründungsschrift auf dem ganz gewöhnlichen reinen Denk- / Erkenntnisvermögen – auf dem «vererbten Hellsehen des reinen Denkens» respektive dem ganz normalen gesunden Menschenverstand aufbaut. Eben auf jenem Denken, «wo man durch nichts anderes als durch die Motive des Denkens selbst bestimmt wird.» Und bereits dieses Denken, so Steiner, «wo man durch nichts anderes als die Motive des Denkens bestimmt ist», sei unabhängig von der leiblichen Organisation. Was als wissenschaftliche Feststellung eine enorme Herausforderung für jeden Naturwissenschaftler darstellen muss. Anhand der Untersuchung dieses «leibfreien» Denkens wurde Steiners Worten zufolge der anthroposophische Schulungsweg entwickelt. - Und, wie wir weiter oben auf S. 281 ff speziell S. 282 ff bereits am Beispiel des Zyklus Grenzen der Naturerkenntnis (GA-322, S. 109 ff) dargelegt haben, setzt die Ausbildung zum Vermögen der «Imagination» im Jahre 1920, dem Jahr als dieser Vortragszyklus gehalten wurde, immer noch an dem an, was sich bereits 1886 in Steiners Grundlinien im Kap. 5 in ausdrücklicher Anlehnung an Johannes Volkelt als «reine Erfahrung» findet. Während im Zyklus von 1920 unter anderem bei der Behandlung der Philosophie der Freiheit als «Schulungsbuch für den Wissenschaftler» dargelegt wird, wie man diese «reine Erfahrung» zur Stufe der «Imagination» weiter entwickelt. - Das Interesse freilich, und das Verständnis für diese Grundschriften, das haben wir bereits gesehen, und werden es weiter unten am Beispiel Christian Clements neuerlich demonstrieren, geht im akademischen Mainstream, so weit er im Umfeld der SKA, der «Steiner Studies» und der Alanushochschule anzusiedeln ist, derzeit annähernd gegen Null. Dieser Mainstream weiß damit wie Clement schlichtweg nichts anzufangen. Nicht einmal der «Professor für anthroposophische Erkenntnisgrundlagen» hat irgend einen Schimmer davon, wie wir oben auf den Seiten 132 ff demonstrierten. Wirklich Brauchbares zum Frühwerk auch in dieser Frage findet man lediglich weit weg vom Mainstream, etwa im Buch von Ginther und Diekmann, auf das wir unten auch im Kapitel 56. noch ab derzeit S. 346 zu sprechen kommen. Mit Steiners Hinweisen von 1921 in der GA-255b zudem, läßt sich für jeden Leser auch ganz pragmatisch etwas für das Verständnis beginnen. Wenn er sich einmal fragt: Wo läßt sich in diesem Buch «Philosophie der Freiheit» der Verfasser Steiner nur durch die Motive seines Denkens bestimmen? Dazu kann sich der Leser nachfolgend eine hilfreiche Vorstellung bilden, da Steiner in den Zusätzen von 1918 schreibt, „Die Darstellung dieses Buches ist aufgebaut auf dem rein geistig erlebbaren intuitiven Denken, durch das eine jegliche Wahrnehmung in die Wirklichkeit erkennend hineingestellt wird.“ (Zweiter Zusatz von 1918 im Kapitel Die Konsequenzen des Monismus, hier S. 180.) - Beachten Sie bitte: «Eine jegliche Wahrnehmung»! Das «geistig erlebbare intuitive Denken» kommt bei der Erkenntnis einer jeglichen Wahrnehmung zur Anwendung, und nicht etwa nur bei höheren Erkenntnissen. Aber eben auch bei den letzteren. Das deckt sich weitestgehend mit dem, was er 1921 im Vortrag den Zuhörern über das gewöhnliche Hellsehen des reinen Denkens / des gewöhnlichen Denkens nahe brachte: Wenn man nur den Motiven seines Denkens folgt, dann ist das bereits ein Hellsehen, weil stets reines Denken darin inbegriffen ist. Und in jedem Erkenntnisprozess wiederum reines Denken inbegriffen ist. So steht es dann noch einmal in der Philosophie der Freiheit im Zusatz von 1918, wonach die Schrift aufgebaut sei, «auf dem rein geistig erlebbaren intuitiven Denken, durch das eine jegliche Wahrnehmung in die Wirklichkeit erkennend hineingestellt wird.» Ergänzen wir das noch einmal durch das, was wir weiter oben schon (S. 1 ff; S. 5 ff; S. 77 ff; S. 97 ff; S. 117 ff; S. 188 ff; S. 249 ff) ausgeführt haben über den Wahrnehmungsbegriff der Philosophie der Freiheit, den Steiner im Kapitel VII, S. 94 präzisiert hat, dahingehend: „Man wird aus dem schon Vorangehenden, aber noch mehr aus dem später Ausgeführten ersehen, daß hier alles sinnlich und geistig an den Menschen Herantretende als Wahrnehmung aufgefaßt wird, bevor es von dem tätig erarbeiteten Begriff erfaßt ist.“ Das gilt also auch für die «geistigen» Wahrnehmungen, die eben auch nur «geistige» «Wahrnehmungen», sind, bevor sie vom tätig hervorgebrachten Begriff erfaßt sind. Solange das Letztere nicht geschieht, sind sie auch nicht erkannt / begriffen, und bleiben ebenfalls lediglich geistige «Wahrnehmungen» und sind noch keine geistigen Erkenntnisse. Die von der Sache her selbe Aussage haben wir weiter oben schon auf S. 30; S. 81 f erläutert. Nämlich hingewiesen auf die in der Zweitauflage der Grundlinien von 1924, S. 137 ff in den dortigen Anmerkungen zu Seite 27 gegebenen Erläuterungen Steiners, dass sich das im Prinzip bei der Geistesforschung der Anthroposophie ebenso verhält. Mit dem Unterschied freilich, dass bei der höheren Geistesforschung die übersinnliche Erfahrung «nach unten hin» durch den Begriff zur Erkenntnis abgeschlossen wird. «Nach unten hin», weil die späteren übersinnlichen Erfahrungen nicht nur leiblich unabhängig sind, sondern auch «oberhalb» der Erfahrungen des reinen Denkens liegen. Weswegen sie auch nicht mehr unmittelbar zu erinnern sind, sondern nur mittelbar, wie Steiner nicht nur in der Schrift Von Seelenrätseln (GA-21, S. 132 ff; S. 142 ff) dazu anmerkt. - Siehe dazu auch unsere Ausführungen oben S. 36 ff zu den einschlägigen Interpretationsirrtümern Witzenmanns in der Strukturphänomenologie und ihren Vorläuferschriften. Wo die von Steiner gemeinte «Unerinnerbarkeit des Übersinnlichen» unsinnigerweise auf sämtliche Allgemeinbegriffe ausgedehnt wurde – auch auf die des gewöhnlichen Bewußtseins. Siehe etwa Witzenmann ausführlich dazu in Goethes universalästhetischer Impuls, Kap. 12, Das Entgegenwärtigungsgesetz. Unerinnerbarkeit allgemeiner Begriffe, S. 366 ff, das sich inhaltlich auch in Witzenmanns Strukturphänomenologie wiederfindet. Dieser geflügelte interpretative Nonsense Witzenmanns wird heute noch mit kolossalem Aufwand, wie wir sahen, von seinen Anhängern ins Englische übertragen und in der ganzen Welt verbreitet. Und von dort her mit großem finanziellem und personellem Einsatz der Verständnisweg zu Steiners Erkenntnis- und Geisteswissenschaft versperrt. In analoger Weise versperrt, wie er seinerzeit von Teichmann & Co in den 1990er Jahren mit dem «entwickelten Geistorgan» und der Ablehnung des «gesunden Menschverstandes» versperrt wurde. (Übrigens wird im Anthrowiki, Stand 13. 05. 24 nach wie vor die Erzählung verbreitet, Rudolf Steiner persönlich habe Witzenmann empfohlen sich mit Philosophie zu beschäftigen. Während in Witzenmanns eigener autobiographischer Darstellung Lichtmaschen, S. 89 ff ebenso wie in Klaus Hartmanns Witzenmannbiographie Bd. 1, S. 65 ff das exakte Gegenteil davon berichtet wird. Nichts könnte also ferner liegen als Steiners Rat an Witzenmann, sich mit Philosophie zu befassen. Weil es genau anders war, so Witzenmanns persönlicher Bericht dazu, und es von Steiner entgegen seiner Erwartung nicht den leisesten Hinweis in diese Richtung gab, deswegen war Witzenmann so maßlos von seiner diesbezüglichen Unterrredung mit Steiner enttäuscht.) Nun, bei Witzenmann und seinem Anhang wurde die Sachlage nicht geklärt, in welcher für Steiner die genannte «Unerinnerbarkeit der übersinnlichen Erfahrungen» gilt: Nämlich nur für die rein geistigen Erfahrungen «oberhalb des reinen Denkens». Weil diese keine Verbindungen zur menschlichen Leiblichkeit eingehen. Während die gewöhnliche Erinnerung der Allgemein-Begriffe auf der anderen Seite an die leiblichen Voraussetzungen gebunden ist. So dass diese auch im gewöhnlichen Bewußtsein jederzeit erinnert werden können, wie Steiner auch in GA-21 und ausführlicher noch in GA-35, S. 276 ff eigens betonte. Denn, um es noch einmal zu wiederholen: Die frühen Begründungsschriften Steiners werden von ihm selbst, und das nicht nur in der Geheimwissenschaft (GA-13, S. 343 ff) auf einer «Zwischenstufe» angesiedelt, «die den Eingang in die geistige Welt / Forschung noch vermeidet». Was sich auf dieser «Zwischenstufe» ergibt, ist laut Steiner lediglich «Gedankeninhalt», aber «noch keine höhere geistige Erfahrung». Diese Verhältnisse zwischen höherer Geistesforschung und ihren erkenntniswissenschaftlichen Grundlagen wurden auch von Witzenmann und seinen Anhängern in schönster Regelmäßigkeit bis auf den Tag durcheinander geworfen. Wo dann Witzenmanns angebliche «Unerinnerbarkeit von Allgemeinbegriffen» zu einem regelrechten geflügelten Wort und Dauerläufer in diesen Anhängerpublikationen ausartete. Und von dort bis heute regelmäßig durchgereicht wurde, ohne die von Steiner gemeinte Sachlage jemals zu erhellen. So dass nicht einmal die Universalien post rem laut Witzenmann zu erinnern sind. Neben Steiners eigenen Ausführungen sei dem Leser deswegen eine erhellende Studie von Karl Bühler Über Gedankenerinnerung nahe gelegt, die er hier bei Wilhelm Humerez nachlesen kann. Oder auch hier im Original. Das gewöhnliche begriffliche Denken hat freilich einen Verbindungsfaden zu diesem leibfreien Wesen der höheren Geistigkeit aufrecht erhalten. Und zwar in Gestalt der Logik, die nicht aus den leiblichen Gesetzen stammen kann, wie Steiner nicht nur in der Schrift Von Seelenrätseln (GA-21, etwa S. 30 ff) betont. Und um Steiner in dieser Frage noch einmal zu Wort kommen zu lassen. So schreibt er dort auf S. 30 ff: „Die Anthropologie erforscht die Reiche der Sinneswelt. Sie gelangt auf ihrem Wege fortschreitend ebenfalls bis zum Menschen. Es stellt sich ihr derselbe dar, wie er die Tatsachen der Sinneswelt in seiner Leibesorganisation so zusammenfaßt, daß aus dieser Zusammenfassung das Bewußtsein entspringt, durch welches die äußere Wirklichkeit in Vorstellungen vergegenwärtigt wird. Die Vorstellungen sieht der Anthropologe aus dem menschlichen Organismus entspringen. Indem er dieses beobachtet, muß er in einem gewissen Sinne Halt machen. Einen inneren gesetzmäßigen Zusammenhang des Vorstellens kann er nicht mit der bloßen Anthropologie erfassen. Wie die Anthroposophie am Ende ihres in geistigen Erfahrungen verlaufenden Weges noch hinblickt auf das geistige Wesen des Menschen, insofern dieses durch die Wahrnehmungen der Sinne sich offenbart, so muß die Anthropologie, wenn sie am Ende ihres im Sinnesgebiete verlaufenden Weges ist, hinblicken nach der Art, wie sich der Sinnesmensch vorstellend an den Sinneswahrnehmungen betätigt. Und indem sie dieses beobachtet, findet sie diese Betätigung nicht von den Gesetzen des Leibeslebens, sondern von den Denkgesetzen der Logik getragen. Die Logik aber ist kein Gebiet, das auf dieselbe Art betreten werden kann, wie die anderen Gebiete der Anthropologie. In dem von Logik beherrschten Denken walten Gesetze, die nicht mehr als diejenigen der Leibesorganisation zu kennzeichnen sind. Indem sich der Mensch in ihnen betätigt, offenbart sich in ihm dasselbe Wesen, welches die Anthroposophie am Ende ihres Weges angetroffen hat. Nur sieht der Anthropologe dieses Wesen so, wie es von der Sinnesseite her beleuchtet ist. Er sieht die abgelähmten Vorstellungen und gibt, indem er eine Logik zugesteht, auch das zu, daß in den Vorstellungen Gesetze aus einer Welt walten, die sich mit der sinnlichen wohl zur Einheit zusammenschließt, jedoch mit ihr nicht zusammenfällt. In dem von dem logischen Wesen getragenen Vorstellungsleben offenbart sich dem Anthropologen der in die Geisteswelt hineinragende Sinnesmensch. Die Anthropologie kommt auf diesem Wege zu einer Philosophie über den Menschen, als einem letzten Ergebnisse ihrer Forschungen. Was auf ihrem Wege vorher liegt, befindet sich rein im Sinnesgebiete.* Sind die beiden Wege, der anthroposophische und der anthropologische, in rechtmäßiger Art durchwandelt, so treffen sie in einem Punkte zusammen.“ Das veröffentlichte Steiner 1917. Und mittelbar / inexplizit findet sich diese Aussage sogar am Ende des annähernd zeitgleich entstandenen dritten Kapitels der zweiten Auflage der Philosophie der Freiheit anläßlich der Auseinandersetzung mit Eduard von Hartmann. Wonach man «mit etwas, was das Denken bewirkt, zu nichts kommen kann, wenn man den Bereich des Denkens verläßt». - Das Bewirkende des Denkens kann berechtigterweise nur innerhalb des Denkens gesucht werden. Jede andere Kausalerklärung des Denkens gräbt sich selbst den Ast ab auf dem sie sitzt. Nicht nur Steiner sah das so, sondern auch Karl Popper, wie wir sahen. Ein Schlüsselgedanke also von «sinnhafter Wirksamkeit», den Steiner immerhin mit namhaften Wissenschaftsphilosophen wie Popper teilt, wie wir oben auf S. 149 ff; S. 166 und vor allem S. 213 ff am Beispiel von Poppers Auseinandersetzung mit dem «Schuldscheinphysikalismus» sahen. Bei Steiner wiederum finden Sie diesen Gesichtspunkt besonders nachdrücklich hervorgehoben in der Schrift Von Seelenrätseln, (GA-21) Kapitel Anthropologie und Anthroposophie, insbesondere S. 30 ff. Was insofern erhellend ist, weil Steiner die dort erwähnte Logikforschung als «gemeinsamen Treffpunkt» von Anthropologie und Anthroposophie betrachtet. Insofern ist es natürlich kein Zufall, dass insbesondere der mit der introspektiven Denkpsychologie vertraute Wissenschaftsphilosoph Popper mit diesen logischen Mitteln so sehr gegen den «Schuldscheinphysikalismus des Erkennens» im Gemeinschaftsband mit Eccles kämpft. (Das Ich und sein Gehirn, München, 1982, S. 130 ff; ebd. S. 105 ff.) - Die Verknüpfung freilich von Sinn / Idee und Wirksamkeit / Kausalität findet sich bei Steiner bereits in den Einleitungen in Goethes naturwissenschaftliche Schriften aus dem Jahre 1887 in der Auseinandersetzung mit Eduard von Hartmann bezüglich der Trennung von Wille und Idee. Der menschliche Wille, so Steiner dort, könne nur als Teil der Idee angesehen werden, «diese als Kraft aufgefaßt». (Hier in der Originalfassung der Kürschnerausgabe Bd. 34 auf S. XLV; und hier in der GA-1, Dornach 1987, S. 197.) Logisch denken, um das jetzt etwas abzurunden, kann heute jeder Mensch von Natur aus. Und indem und insofern er in seinem Erkennen logisch vorgeht ist er unabhängig von seiner Leiblichkeit, da die Logik nichts ist, was aus den leiblich physiologischen Gesetzen und Verhältnissen hervorgebracht werden kann, wie Steiner es insbesondere in der Schrift Von Seelenrätseln betont. Womit er sich eben mit Popper an dieser Stelle trifft. - Jetzt mit noch einmal anderen Worten resümiert: jeder erkennende Denker verfügt schon bei seinem gewöhnlichen, vom logischen Denken getragenen Erkennen über die Gabe eines rein geistig zu erlebenden Denkens, wenn er nur «eine Wahrnehmung in die Wirklichkeit erkennend hinein stellt». Weil er ohne dieses reine und vom leibesunabhängigen logischen Wesen getragene Denken eben gar nichts erkennen kann. Das ist zumal auch das, was Steiner nicht nur inhaltlich zum Ausdruck bringt, wenn Sie als Leser aufmerksam die einzelnen Kapitel der Philosophie der Freiheit durchgehen, sondern was er bereits in der Vorrede unübersehbar mit der Bemerkung verdeutlicht, dass niemand auf die spätere Anthroposophie hinschielen muß, um die Philosophie der Freiheit annehmbar zu finden. Was in den hier zitierten Zusätzen von 1918 für Steiner gilt, das gilt natürlich auch für den Leser. Auch für den Leser, an den das Buch ja adressiert ist, ist es ganz selbstverständlich: «Daß er durch das rein geistig zu erlebende intuitive Denken eine jegliche Wahrnehmung in die Wirklichkeit erkennend hineinstellt». - Er muß das nur konsequent zuende denken, dann kommt er mit dem Verständnis der Schrift, und vor allem mit den grundsätzlichen Fagen um die «geistige» Wahrnehmung schon ein gutes Stück weiter, und muss nicht im Nebel stochern. Oder in den unüberwindlichen Gestrüppen der geistigen Wahrnehmung durch «ausgebildete Geistorgane», wie es für Teichmann und seine Heidelberger Fantastenallianz galt. Die auch an anderen Orten wie etwa am Goetheanum hoch verbreitet war und immer noch ist, wie Sie an den Darlegungen des laufenden Kapitels erkennen können. Eine mächtige Allianz von ver- und zerstörenden Fantasten über alle Bildungstufen hinweg, die vor allem eines eint: nämlich nie sorgfältig auf Steiners Frühwerk hingeschaut zu haben. Das Freiheitsverständnis der Philosophie der Freiheit ist also laut Steiners Hinweisen ganz unabhängig entwickelt von Steiners späterer Geistesforschung. Darauf legt er nicht nur in der Vorrede besonderen Wert, sondern eben auch in seinem Rechtfertigungsvortrag von 1921 in der GA-255b. Und auch in der Geheimwissenschaft im Umriß (GA-13, Dornach 1989, S. 343 f) spricht er deswegen ausdrücklich von einer «Zwischenstufe» dieser frühen Schriften. Namentlich nennt er dort die Grundlinien und die Philosophie der Freiheit: „Es ist der Weg, welcher durch die Mitteilungen der Geisteswissenschaft in das sinnlichkeitsfreie Denken fuhrt, ein durchaus sicherer. Es gibt aber noch einen andern, welcher sicherer und vor allem genauer, dafür aber auch für viele Menschen schwieriger ist. Er ist in meinen Büchern «Erkenntnistheorie der Goetheschen Weltanschauung» und «Philosophie der Freiheit» dargestellt. Diese Schriften geben wieder, was der menschliche Gedanke sich erarbeiten kann, wenn das Denken sich nicht den Eindrücken der physisch-sinnlichen Außenwelt hingibt, sondern nur sich selbst. Es arbeitet dann das reine Denken, nicht das bloß in Erinnerungen an Sinnliches sich ergehende in dem Menschen, wie eine in sich lebendige Wesenheit. Dabei ist in den genannten Schriften nichts anfgenommen aus den Mitteilungen der Geisteswissenschaft selbst. Und doch ist gezeigt, daß das reine, nur in sich arbeitende Denken Aufschlüsse gewinnen kann über die Welt, das Leben und den Menschen. Es stehen diese Schriften auf einer sehr wichtigen Zwischenstufe zwischen dem Erkennen der Sinnenwelt und dem der geistigen Welt. Sie bieten dasjenige, was das Denken gewinnen kann, wenn es sich erhebt über die sinnliche Beobachtung, aber noch den Eingang vermeidet in die Geistesforschung. Wer diese Schriften auf seine ganze Seele wirken läßt, der steht schon in der geistigen Welt; nur daß sich diese ihm als Gedankenwelt gibt. Wer sich in der Lage fühlt, solch eine Zwischenstufe auf sich wirken zu lassen, der geht einen sicheren Weg; und er kann sich dadurch ein Gefühl gegenüber der höheren Welt erringen, das für alle Folgezeit ihm die schönsten Früchte tragen wird.“ - Der Nachweis der Leibfreiheit des reinen Denkens ist demzufolge sowohl die Voraussetzung für Steiners Freiheitsverständnis, wie sie ebenso die Voraussetzung für seinen nachfolgenden anthroposophischen Schulungsweg ist. Der Gegensatz zwischen Steiners eigener Bewertung der Philosophie der Freiheit nebst dem dazu erforderlichen Denken auf der einen Seite, und der Einschätzung seiner anthroposophischen Interpreten auf der anderen, könnte, wie im Falle des Heidelberger Autoren Teichmann, kaum noch größer und abwegiger sein. War in dieser Zeit der 1990er ff Jahre aber wahrlich kein Einzelfall. Wo das sogenannte «intuitive Denken» der Philosophie der Freiheit mangels Verständnis zu wüsten Fantastereien in der Interpretenzunft Anlaß gab, da es ja auch um das «Hellsehen» ging. Was in deren Fantasien unter allen Umständen etwas ganz Außerordentliches und Besonderes sein musste. Daß laut Steiner die Dinge völlig anders lagen als man sie dort träumte, konnte man sich in diesem Umfeld nicht vorstellen. Während Steiner bereits in Wahrheit und Wissenschaft Kap. IV (hier S. 37) das normale reine / erkennende Denken als «intellektuelle Anschauung» und damit als elementare Form des «Hellsehens» verstand, das in jedem Erkenntnisprozess wirksam ist. Fantasiegebilde darüber sind indessen auch heute noch vielfach hoch virulent, zumal bei Menschen, die sich für Steiners Grundlagen noch nie interessierten. Ob sie nun vorwortschreibende Professoren und / oder «Idealismusexperten» sind oder nicht. Man muß angesichts seiner Literaturliste unter Anmerkung 31 dann auch nicht mehr darüber staunen, wenn Herr Sparby jetzt ebenfalls demselben Paralogismus folgt wie die Heidelberger und andere Vordenker, und «spreads out» Steiners Freiheitsphilosophie «in over three hundred books». Er hat es nie gelernt, Steiners Grundlagen von ihrem realistischen Standort aus zu betrachten, den Steiner selbst in seinem frühen Schrifttum und in den entsprechenden Aufsätzen und Vorträgen diesbezüglich vorlegte. Entsprechend und «folgerichtig» weiß Sparby dann mangels Kenntnis der freiheitsphilosophischen Grundlagen Steiners, über ihren Ursprung und ihre Forschungsziele auch rein gar nichts zu sagen. Das alles hat wie gesagt bei Anthroposophen durchaus und anhaltende Tradition. Siehe dazu ausführlicher etwa hier, S. 1231 ff. Auch der von Sparby in der Literaturliste unter Anmerkung 31 genannte prominente anthroposophische Gesellschaftsvorstand und philosophische Fantast Prokofieff, der die Philosophie der Freiheit gar noch «überwinden» wollte (Ausführliches dazu hier), gehörte mit zu den obersten ahnungslosen Versieglern jeden Verständnisses der Philosophie der Freiheit. Nebst Michael Kirn und anderen, auf deren Zeugnis Sparby sich beruft. Wie etwa auch Jürgen Strube mit seiner Bildekräfteforschung, der sich mit Steiners Freiheitsphilosophie und Frühschriften gar nicht erst groß aufhielt, und sich schlußendlich auf seiner verzweifelten Suche nach Bildekräften wie in einer symbolischen Handlung auch noch ein Brett vor den Kopf hielt. (Siehe dazu hier, S. 1271 ff.) Wie auch immer: Aus der Freiheits-Klemme Christian Clements soll jetzt Hegel helfen und nützlich dabei sein, ein freiheitsphilosophisches Aporie-Problem bei Steiner zu lösen, das freilich niemand der beiden (Clement und Sparby) näher kennt, weil niemand der problembeteiligten «Aporisten» über Steiners Freiheitsphilosophie in einem ernst zu nehmenden Sinne etwas zu sagen weiß. Man würde es nicht glauben, wenn man so etwas nicht im akademischen Milieu lesen müsste. Aber so ein niveauloser Schmarren wird heute als akademische Arbeit zu Steiner in Fachzeitschriften respektive in «honorigen» Büchern wie der SKA feilgeboten. Das schreibt darüber hinaus jemand (Sparby), der im ganzen mehr als zwanzigseitigen Aufsatz nicht einen einzigen Nachweis dafür liefert, dass er von Steiners Grundlagen und Freiheitsphilosophie überhaupt jemals etwas gelesen, geschweige denn ernsthaft erarbeitet hätte. Beste Voraussetzungen, um mit Hegel auf Steiner los zu marschieren, würde der Real-Satiriker dazu sagen. Da herrscht, abgesehen von einer einzigen substanzlosen Behauptung anhand Steiners Briefwechsel mit Rosa Mayreder (S. 182), nur völlige Dunkelheit. Das Buch selbst, Die Philosophie der Freiheit, scheint ihm gänzlich fremd zu sein. Nun haben wir ja schon bei Witzenmanns Strukturphänomenologie mit ihrem «Erzeugungsproblem» respektive der «entscheidenden Schwierigkeit» das Phänomen, daß in Witzenmanns sogenannter «Grundstruktur» nicht nur das «Erkennen als erfahrbare Freiheitstat» ausgelöscht wurde, sondern auch Steiners erkenntniswissenschaftliche Grundlage nebst ihrem Nachweis der menschlichen Freiheit in und mit dieser Freiheitstat des Erkennens durch Witzenmanns Unverstand vernichtet wurden. Als dessen Ersatz seiner hilflosen Interpretations-Elaborate dann Witzenmanns «Grundstruktur» mit der «entscheidenden Schwierigkeit», einem «Erzeugungsproblem» und irgendeinem Erinnerungskokolores als «erkenntnistheoretischer Grundfrage, Wie aus Unbeobachtbarem Erinnerungen werden können?» aus seinem Buch Goethes universalästhetischer Impuls (Dornach 1987, S. 356, S. 386, S. 397) gesetzt wurden. Nebst einer «zur erkenntniswissenschaftlichen Fundamentalwissenschaft hochstilisierten Erinnerungskunde» ebd. S. 334 ff; S. 397 ff. - Bei den Steinerinterpretationen Witzenmanns schäumte also das Unverständnis wie eine frisch entkorkte Sektflasche. Dessen Konzentrat dann in der nachfolgenden Strukturphänomenologie Buchform annahm. Worüber wir uns hier und an anderer Stelle bereits hinreichend ausführlich verbreitet haben. Steiners empirisches Fundament wurde auf diese Weise von Witzenmann auf der Grundlage fehlenden Forschungsinteresses und Steinerverballhornungen in die sprichwörtliche Tonne getreten. So daß wir in Witzenmanns sogenannter «Grundstruktur» nur noch einen gänzlich verstümmelten Torso von Steiners Erkenntniswissenschaft / Freiheitsphilosophie ohne Kopf, Arme und Beine vorliegen haben. Aus dem fast so gut wie alles hinausgeworfen wurde, was für Steiners Freiheitsphilosophie und Erkenntniswissenschaft absolut essentiell ist. Auch als Grundlage für Steiners nachfolgenden geistige Forschung essentiell ist. So daß Witzenmanns Vertreter der Anthroposophie bis heute auch ohne jede Freiheitsgrundlage dastehen. Sich seit über 30 Jahren auch nicht einmal ernsthaft dafür interessieren, was Steiner überhaupt dazu geschrieben und gesagt hat. Und wie ich schon betonte: Eine erkenntniswissenschaftliche Analogie zu Witzenmanns gänzlich verfehlter «Grundstruktur» existiert bei Steiner schlichtweg nicht. Während bei Witzenmann der Ausdruck «Grundstruktur» für all die Entgleisungen steht, die er sich in seiner abstrusen Strukturphänomenologie und ihren exegetischen Vorläufern geleistet hat. Womit ich jetzt allerdings nicht behaupten will, dass Sparby sich hier ebenfalls an Witzenmann orientiert hätte. Dafür gibt es zumindest in seinem Hegelartikel keinen Anhalt. Witzenmann dient uns neben Teichmann und anderen hier nur als Vergleichsgröße für die kolossalen Entgleisungen und die katastrophale Leere solcher und vergleichbarer Interpretationen, die für Steiners Grundlagen überhaupt keinen Resonanzboden haben. Weder selbst einen Resonanzboden dafür repräsentieren, noch irgend ein Verständnis dafür, noch für den Leser in irgend einer Weise zielführend sind. Sondern den Leser permanent in die Irre führen. Was nämlich bei Sparby ebenso wie beim Anhang Witzenmanns in die Augen springt, ist dasselbe vollständige Fehlen jeglichen Interesses an Steiners eigenen Grundlagen wie bei diesen Anhängern. - Ein ernsthafter Nachweis von Aufmerksamkeit und Engagement für Steiners eigene Grundlagen ist bei Sparby gänzlich abwesend. Denn damit setzt er sich in gar keiner Weise auseinander, die man irgendwie und entfernt noch als Forschungsbeitrag würdigen könnte. Noch weit weniger Interesse übrigens als bei Witzenmann und seinem Anhang. Die Folge davon ist Steinerforschung von hinten durch die Brust ins Auge, und ein analoger erkenntniswissenschaftlicher Torso wie bei Witzenmann, der schlichtweg nicht ernst zu nehmen ist. Sondern besonders in Sparbys Fall inzwischen nur noch unsubstantiierte Worte über Steiners Freiheitsphilosophie verbreitet, wie etwa das hohle Schlagwort vom «Erzähler Rudolf Steiner» (Sparby, S.181), das uns weiter unten im Kapitel 60. dann auch bei Kaiser mit derselben Substanzlosigkeit über den Weg laufen wird. Es ist seltsam, wie Philosophen sich so etwas überhaupt nur einfallen lassen können und allen Ernstes auch noch der Öffentlichkeit andienen. Denn ebenso wenig erfährt man bei Sparby, abgesehen von kärgsten herausgerissenen Zitathinweisen, etwas von Steiners restlichem Begründungswerk. Von Steiners innerem Empirismus ist bei ihm ebenfalls nirgendwo die Rede. Während er paradoxerweise große Hoffnung hegt, eine von Clement in der Einleitung der SKA 2 (S. XXVIII) behauptete angebliche Aporie zwischen Steiners esoterischem und dem erkenntniswissenschaftlichen Freiheitsbegriff mit Hilfe Hegels aufzulösen. Und zwar Sparby impulsiert vor allem, - und fast nur davon, - von einem Brief Steiners an Eduard von Hartmann anlässlich Hartmanns Kritik an der Philosophie der Freiheit von 1894. Wo Steiner über sein Verhältnis zu Hegel schreibt: „Ich glaube mich von Hegel in gar nichts zu unterscheiden, sondern nur einzelne Konsequenzen seiner Lehre zu ziehen.“ (GA 39, Brief Nr. 400, S. 227) Frage: Welche einzelnen Konsequenzen hat Steiner jetzt aus Hegels Lehre gezogen? Aus der Lehre eines zwar geschätzten idealistischen Philosophen, der aber ohne Fundament dastand, wie Steiner ihm schon zwei Jahre zuvor in der Schrift Wahrheit und Wissenschaft (hier Vorrede zur ersten Auflage 1892, S. 4) attestierte. Nun, er hat ein erkenntniswissenschaftliches Fundament dafür gesucht, wie er ebenso für alle anderen geschätzten Idealisten dieser Zeit, - Goethe eingeschlossen, - die kein solches hatten, ein Fundament gesucht hat. Und zwar ein empirisches Fundament. Denn Steiner suchte nicht nach abstrakten Ideen, sondern nach wirklichen! - Nach Ideen in Wirksamkeit. - Es wäre also wirklich wichtig zu wissen, was Steiner an Hegels Stelle setzt, und worüber Steiner sich auch breit und unmissverständlich ausläßt in mindestens zwei Grundschriften: Wahrheit und Wissenschaft sowie Die Philosophie der Freiheit. Die zurückhaltendere Hegelbehandlung in den Grundlinien, (Kap 9, hier S. 49 f) ließe sich aber ähnlich schon dahingehend verstehen. Doch über dieses alles schreibt Herr Sparby bezeichnenderweise nichts. Obwohl all das der Schlüssel für Steiners Differenzen zu Hegel wäre. Und der Schlüssel wäre für die freiheitsphilosophische Differenz zu Hegel, die ja angeblich im Fokus von Sparbys Arbeit liegt. An mehreren Stellen der Vorgängerschrift Wahrheit und Wissenschaft schon ist von Steiners Differenz zu Hegel die Rede. Nicht nur in der Einleitung auf S. 7. Sondern es wird bereits zu Beginn (in der Vorrede, hier S. 5 f) von Steiner darauf aufmerksam gemacht, daß die Freiheit des Menschen in seiner aktiven Erkenntnisfähigkeit verwurzelt ist: „Das Resultat dieser Untersuchungen ist, daß die Wahrheit nicht, wie man gewöhnlich annimmt, die ideelle Abspiegelung von irgendeinem Realen ist, sondern ein freies Erzeugnis des Menschengeistes, das überhaupt nirgends existierte, wenn wir es nicht selbst hervorbrächten. Die Aufgabe der Erkenntnis ist nicht: etwas schon anderwärts Vorhandenes in begrifflicher Form zu wiederholen, sondern die: ein ganz neues Gebiet zu schaffen, das mit der sinnenfällig gegebenen Welt zusammen erst die volle Wirklichkeit ergibt. … Für die Gesetze unseres Handelns, für unsere sittlichen [] Ideale hat diese Anschauung die wichtige Konsequenz, daß auch diese nicht als das Abbild von etwas außer uns Befindlichem angesehen werden können, sondern als ein nur in uns Vorhandenes. Eine Macht, als deren Gebote wir unsere Sittengesetze ansehen müßten, ist damit ebenfalls abgewiesen. Einen «kategorischen Imperativ», gleichsam eine Stimme aus dem Jenseits, die uns vorschriebe, was wir zu tun oder zu lassen haben, kennen wir nicht. Unsere sittlichen Ideale sind unser eigenes freies Erzeugnis. Wir haben nur auszuführen, was wir uns selbst als Norm unseres Handelns vorschreiben. Die Anschauung von der Wahrheit als Freiheitstat begründet somit auch eine Sittenlehre, deren Grundlage die vollkommen freie Persönlichkeit ist.“ - Bereits das Hervorbringen der Wahrheit in der Erkenntnis, – die Erkenntnishandlung, - ist für Steiner eine Tat der Freiheit. Das wird sich auch in der nachfolgenden Philosophie der Freiheit, und auch in ihrer zweiten Auflage von 1918 nicht ändern. Von Hegels Idealismus wiederum hebt sich Steiners «objektiver Idealismus» laut eigenen Worten in der Einleitung auf S. 7 folgendermaßen ab: „Derselbe unterscheidet sich von dem Hegelschen metaphysischen, absoluten Idealismus dadurch, daß [] er den Grund für die Spaltung der Wirklichkeit in gegebenes Sein und Begriff im Erkenntnissubjekt sucht und die Vermittlung derselben nicht in einer objektiven Weltdialektik, sondern im subjektiven Erkenntnisprozesse sieht.“ - Die Wirksamkeit des Erkenntnisprozesses ist laut Steiner die entscheidende Differenzgröße zur Hegelschen «objektiven Weltdialektik», die das nicht kennt und nicht danach fragt. Deswegen ist aber auch die Suche nach Wirksamkeiten im Menscheninneren das Kernziel im zweiten Kapitel der Philosophie der Freiheit / drittes der Erstausgabe. Und sie ist ebenso nebst ihren Resultaten der Schlüssel für Steiners Freiheitsverständnis. Als «erlebter Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem» ist beides, - die Suche nach Wirksamkeit im Menscheninneren nebst ihrem Nachweis, - auch schon in beiden Vorgängerschriften vorhanden. Aus denen bereits unmißverständlich hervorgeht, wie auch in Steiners Brief Nr. 400 an Hartmann dargelegt, «dass die Idee Wirklichkeit haben muß.» Das wiederum ist nur möglich, wenn «der Erkenntnisprozeß ein realer, und kein bloß logischer ist» wie es in diesem Brief an Hartmann hieß. Wie gesagt ist das alles schon in Steiners Vorgängerschriften zur Philosophie der Freiheit längst ausgesprochen und dargelegt worden. Steiner kommt es also vor allem auf den wirklichen Denk-Prozeß an. Aber ganz sicher ist das nicht das zentrale Motiv bei Hegels Dialektik. Das letztere wird Herr Sparby sicherlich als Hegelkenner noch besser beurteilen können als ich. Und daß wiederum Hegel wie Steiner ein «seelischer Beobachter» gewesen wäre, der auch noch wie Steiner ins psychologische Labor wollte, um seine empirischen Grundlagen weiter zu demonstrieren und empirisch zu präzisieren, das wird man von Hegel ganz gewiß nicht sagen können. Zumal es solche Labore in der Hegelzeit ja noch nicht gab. Sondern die waren von Hegel, der 1831 starb, noch ungefähr ein halbes Jahrhundert entfernt, wenn man Wilhelm Wundts Leibziger Institut zum Maßstab der experimentellen Psychologie nimmt, das 1879 gegründet wurde. Während die Psycho-Physiker Weber und Fechner Hegel zeitlich etwas näher standen. Die für Steiner interessante Psychologie des Denkens indessen etablierte sich überhaupt erst mit der Würzburger Schule 1896 in Deutschland und weltweit. Es ist insofern auch nicht weiter verwunderlich, wenn Steiner bei aller Sympathie für den Idealismus in GA-322 S. 125 ff neben Schelling auch Hegel in einer „Sackgasse des abendländischen Geisteslebens“ ansiedelte. Mit Wirksamkeiten hat es also nicht nur Steiners Freiheitsphilosophie zu tun, sondern ebenso auch der Erkenntnisprozeß respektive Steiners Erkenntniswissenschaft. Denn schon die «Wahrheit ist eine Freiheitstat» für Steiner. So heißt es bei Steiner in jener Vorgängerschrift zur Philosophie der Freiheit, von der er später in GA-21, S. 58 schreibt, dass sie für «seine ganze Weltanschauung grundlegend» sei. Von Herrn Sparby indessen vermute ich, daß er Derartiges noch nie im Verlauf seiner akademischen Entwicklung gelesen, geschweige denn ernsthaft studiert hat. Andernfalls hätte so etwas in seinen Freiheits- und Hegelbemühungen unbedingt einen Eingang finden müssen, und nicht die gänzlich abstruse und an den Haaren herbeigezogene Phrase über eine «auf mehr als 300 Bücher verteilte Freiheitsauffassung» bei Steiner. Denn in der Vorgängerschrift (Wahrheit und Wissenschaft) ist eben die grundsätzliche Differenz zu Hegel bereits ausgesprochen, die auch in der Philosophie der Freiheit von 1894 im Kapitel V, S. 53 neuerlich zur Sprache kommt: Steiner geht es im Gegensatz zu Hegel um «Wirksamkeiten». Das menschliche Erkennen hingegen ist ein wirksamer Prozeß. Das ist nicht nur in Wahrheit und Wissenschaft bereits nachzulesen, sondern steht so und ebenfalls ganz unmissverständlich auch in den Grundlinien von 1886 in der Wendung vom «Denken / Erkennen als erlebter Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem». Siehe dazu Steiners rückblickenden Hinweis im Kapitel 15, hier S. 86: „Wir erinnern uns, warum eigentlich das Denken in unmittelbarer Erfahrung bereits sein Wesen enthält. Weil wir innerhalb, nicht außerhalb jenes Prozesses stehen, der aus den einzelnen Gedankenelementen Gedankenverbindungen schafft. Dadurch ist uns nicht allein der vollendete Prozeß, das Bewirkte gegeben, sondern das Wirkende.“ Im Fall Hegels lautete Steiners Korrektur-Konsequenz gemäß Steiners Brief Nr. 400 an Hartmann dann auch ganz folgerichtig: „Soll die Idee Wirklichkeit haben, dann muß der Erkenntnisprozeß ein realer und kein bloß logischer sein, das heißt Wahrnehmung und subjektiver Begriff können nur (einseitige) Momente der Wirklichkeit sein; diese selbst ist erst in der vom Erkenntnisprozeß herbeigeführten Durchdringung (in der von der Idee aufgesaugten Einzelwahrnehmung) gegeben.“ - Der «Erkenntnisprozeß muß ein realer sein, und kein bloß logischer, wenn die Idee Wirklichkeit haben soll.» Und als realer Vorgang kann er dann nicht nur eine «halbe» begriffliche Seite haben, sondern auch noch eine entsprechende Wahrnehmungsseite, die beide zusammenzufügen sind. Es reicht für Steiner nicht hin, in «einseitigen» allgemeinen Begriffen philosophisch zu hantieren, sondern die Wahrnehmungsseite gehört notwendigerweise mit dazu. Denn aus bloßen abstrakten und «einseitigen» Begriffen lassen sich Wirklichkeit und ihre Wirksamkeiten nicht deduzieren. In der Wirklichkeit haben wir es nämlich nicht mit einseitigen Abstraktionen zu tun, sondern auch mit Wirksamkeiten und Wahrnehmungen. Deswegen hat es auch Steiners Freiheitsphilosophie vorrangig mit Wirksamkeiten zu tun, weil sie wirklichkeitsorientiert ist und nicht metaphysisch / dialektisch wie bei Hegel. Was ja auch mit der Grund dafür ist, wenn Steiner 1917 ins psychologische Labor will, um dort die «Veranlagungen zum Schauen» noch einmal am wirklichen Denken zu untersuchen. Wie gesagt, seit mindestens 1886 ist das alles schon bei Steiner sichtbar. Das Besondere an der «Wahrheit als Freiheitstat» ist, daß die Verknüpfung von Wahrnehmung und Begriff im Erkennen nicht vorhanden wäre, wenn es der Mensch nicht täte. Und zwar wahrnehmbar und begreiflich täte. Und dieses «Freiheits-Tun» nicht nur als erschlossene Tatsache hypothetisch unterstellt, sondern unmittelbar erlebt wird. Weswegen die Denkhandlung als solche ebenfalls «unmittelbar gegeben sein muß, und nicht etwa nur mittelbar erschlossen sein darf», wie Steiner in Wahrheit und Wissenschaft im vierten Kapitel (hier S. 37) ausdrücklich einfordert. Von alleine fügt sich das nicht zusammen. Der Erkenntnisprozeß ist eben «ein erlebter, wirksamer Vorgang» im Menschen, der von ihm selbst wahrnehmbar und überprüfbar als «freie Tat» veranlaßt wird. - Was auch für die Erkenntnis des Denkens / Erkennens gilt. Man muß demzufolge, - «damit die Idee auch Wirklichkeit habe», - dazu auch das reale, das wirkliche Denken untersuchen. - Dort ist nämlich die Idee selber tätig, wie wir schon aus Steiners Grundlinien … Kap. 8 und anderen Frühschriften wissen. Wie wir auch aus den Einleitungen in Goethes Naturwissenschaftliche Schriften von 1887 wissen. Etwa dahingehend, dass der «menschliche Wille die Idee selber sei, diese als Kraft aufgefaßt», wie Steiner in diesen Einleitungen gegenüber Eduard von Hartmann kritisch geltend machte. (Siehe GA-1, Dornach 1987, S. 197; alternativ in der Kürschner Originalausgabe Bd. 34 von 1887, S. XLV.) Und wie wir schließlich aus der Schrift Goethes Weltanschauung von 1897 (hier S. 69 f) wissen. Deswegen muß der Mensch bei der Beobachtung des Denkens auch keine Ideen suchen, denn das ganze Geschehen ist die Idee selbst: „Wenn auch die Ideen der Inhalt dessen sind, was in den Dingen wirkt; zum erscheinenden Dasein kommen sie durch die menschliche Tätigkeit. Die eigene Natur der Ideenwelt kann also der Mensch nur erkennen, wenn er seine Tätigkeit anschaut. Bei jeder anderen Anschauung durchdringt er nur die wirkende Idee; das Ding, in dem gewirkt wird, bleibt als Wahrnehmung außerhalb seines Geistes. In der Anschauung der Idee ist Wirkendes und Bewirktes ganz in seinem Innern enthalten. Er hat den ganzen Prozeß restlos in seinem Innern gegenwärtig. Die Anschauung erscheint nicht mehr von der Idee hervorgebracht; denn die Anschauung ist jetzt selbst Idee. Diese Anschauung des sich selbst Hervorbringenden ist aber die Anschauung der Freiheit. Bei der Beobachtung des Denkens durchschaut der Mensch das Weltgeschehen. Er hat hier nicht nach einer Idee dieses Geschehens zu forschen, denn dieses Geschehen ist die Idee selbst.“ Wenn der Mensch seine eigene Denk-Tätigkeit anschaut / betrachtet / beobachtet, dann schaut er das wirkende Idelle an, «das in den Dingen wirkt». Und nur dort, im eigenen Inneren, schaut er dieses Wirkende an, weil es «nur dort zum erscheinenden Dasein kommt». Weil er nämlich nur im eigenen Inneren «den Prozeß restlos in sich gegenwärtig hat». Während ihm alles andere «nur als Wahrnehmung von außen gegeben ist». - Einen Vorläufer davon finden Sie, lieber Leser, bereits im Kapitel 14 der Grundlinien, in welchem Steiner dem «metaphysischen (Prolegomena, Vorrede)» Kausalitätserklärer Kant und seinen Anhängern vorhält, dass sie «an die Sache nie herankommen». Wohingegen Steiner hier deutlich macht, «wie er an die Sache herankommt». Das ist also alles nicht erst 1897, sondern bereits 1886 bei Steiner nachzulesen. So sieht dann auch zu jener Zeit (1894 / 1897) Steiners Alternativprojekt zu Hegel aus: «Soll die Idee Wirklichkeit haben, dann muß der Erkenntnisprozeß ein realer und kein bloß logischer sein...». Oder in Anlehnung an Steiners Worte: So sehen die «Konsequenzen» zu dieser Zeit aus, die Steiner «aus Hegels Lehre gezogen hat». Obwohl er sich angeblich und im übrigen laut Brief an Hartmann «in gar nichts von Hegel unterscheidet». Steiner sucht als Idealist den sicheren, erlebten Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem, und nicht nur abstrakte und einseitige idealistische Ideen, die diesen Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem empirisch nicht erklären können. Das ist der Weg Steiners über Hegel hinaus. Bzw. es sind «die Konsequenzen, die er für sich aus Hegels Lehre gezogen hat», wie er 1894 im Brief Nr. 400 an Hartmann schrieb. Die Konsequenzen aus seiner Suche nach «Ideen, die empirische Wirklichkeit haben» und nicht nur eine logische Scheinrealität. Das wiederum findet sich konzeptionell wie gesagt nicht nur 1897 in der Schrift Goethes Weltanschauung, S. 69 f, sondern schon 1886 in den Grundlinien in der Auskunft von der «Denktätigkeit als tätigem Gedankengehalt der Welt» im Kapitel 8. Findet sich desgleichen 1894 auch in der Philosophie der Freiheit in Steiners Abgrenzung von Hegel wieder. (Hier S. 38) Dahingehend nämlich, wie Steiner schreibt: „Ich muß einen besonderen Wert darauf legen, daß hier an dieser Stelle beachtet werde, daß ich als meinen Ausgangspunkt das Denken bezeichnet habe und nicht Begriffe und Ideen, die erst durch das Denken gewonnen werden. Diese setzen das Denken bereits voraus. Es kann daher, was ich in bezug auf die in sich selbst ruhende, durch nichts bestimmte Natur des Denkens gesagt habe, nicht einfach auf die Begriffe übertragen werden. (Ich bemerke das hier ausdrücklich, weil hier meine Differenz mit Hegel liegt. Dieser setzt den Begriff als Erstes und Ursprüngliches.)“ (GA-4, Kap. IV, hier S. 38 / In der Erstauflage von 1894 findet sich dasselbe im Kapitel V, S. 53). Mit Blick auf Steiners Differenz zu Hegel gibt es zwischen der Erst- und Zweitauflage der Philosophie der Freiheit keinen Unterschied. Steiner «untersucht den Prozess des Denkens», während Hegel sich nur an den unwirksamen Begriff hält, «der erst durch das Denken gewonnen wird», wie Steiner konstatiert. Damit aber ist die Differenz zwischen Hegel und Steiner wahrlich gewaltig, bei aller idealistischen Grundsatzübereinstimmung. Es macht eben einen himmelweiten Unterschied, ob ich mein ganz konkretes Denken seelisch beobachtend untersuche, oder ob ich nur der Logik von idealistisch orientierten Gedankenbildungen folge, die mich in beliebig irreale metaphysische Phantasiewelten und Abstraktionen führen können, da sie nicht an die Realität angebunden sind. - Die «Natur» im goetheschen Sinne besteht aus Wirksamkeitszusammenhängen. Auch wenn sie wie bei Goethe in ihren wirkenden Kräften idealistisch / spirituell gedacht wird. Also kommt es für einen modernen Idealisten, der wie Steiner naturwissenschaftlich - goetheanistisch verankert war, vor allem auf diese Wirksamkeitszusammenhänge an: „Sinnenfällig wahrnehmbar sind nur die Geschöpfe der Natur, nicht ihre schaffende Kraft. Die letztere (die Mutter) wird uns erst in der Wissenschaft vermittelt, wenn wir uns von der Natur als einer Mannichfaltigkeit von Produkten zu ihr als der Produzentin erheben. Wir müssen von den gegebenen Dingen zu den Kräften der Natur vorschreiten, von der Wirkung zu dem Wirkenden.“ So Steiner in seinem Kommentar zum Essay «Die Natur» in Goethes Naturwissenschaftliche Schriften, herausgegeben von Rudolf Steiner, Bd. 34, Berlin und Stuttgart 1887, auf S. 6. Diese Suche nach geistigen Wirksamkeiten und ihren Zusammenhängen aber prägte auch Steiners Verhältnis zu Hegel. Die Tatsache der menschlichen Freiheit stammt entsprechend für Steiner nicht aus dem Begriff, sondern aus dem Prozeß, - aus der sich selbst tragenden Wesenheit des Denkens, wie er in der Philosophie der Freiheit im ersten Zusatz des Monismuskapitels von 1918 (hier S. 179 f) eigens noch einmal bestärkt. Genauer gesagt: Aus dem Begriff nur insoweit, als er die moralische Intuition, die er in Form einer Handlung verwirklichen will, in dieser Handlung erst zu Leben und Wirksamkeit bringen muß. Denn als ethische Idee ist sie ja nicht mehr wirksam, sondern abgelähmt und tot. Nur in der menschlichen Handlung wird sie zu Wirksamkeit gebracht. – Anders und mit Steiners Worten: «Die toten Gedanken des gewöhnlichen Bewusstseins werden als Moralimpulse zur Auferstehung gebracht», wie er 1922 in GA-211, Dornach 1986, hier S. 120 f seinen Zuhörern diesen Zusammenhang verdeutlichte. Was natürlich auch für das «Erkennen als Freiheitstat» gilt, die man als «Idee des Erkennens» nur willentlich verwirklichen und «zur Auferstehung» bringen kann. Andernfalls bleibt es nur eine tote / abstrakte «Idee des Erkennens», die von selbst nicht zum Leben kommt, sondern lediglich durch eine innere menschliche Erkenntnishandlung. Auch das Erkennen ist dementsprechend eine ethische Handlung. Und als solche nur möglich, indem man die Idee des Erkennens verwirklicht. Oder wenn man Steiners Antwortbrief an Eduard von Hartmann bemühen will: Aus der «Synthese der einseitigen Wahrnehmung des Denkens mit dem einseitigen Begriff des Denkens.» Wie er es in den Zusätzen der Philosophie der Freiheit 1918 eigens noch einmal im Kapitel VII hervorhob: „Man wird aus dem schon Vorangehenden, aber noch mehr aus dem später Ausgeführten ersehen, daß hier alles sinnlich und geistig an den Menschen Herantretende als Wahrnehmung aufgefaßt wird, bevor es von dem tätig erarbeiteten Begriff erfaßt ist.“ Worauf die Selbsterklärungstatsache des eigenen Denkens basiert, das nicht nur wahrgenommen, sondern eben auch begrifflich durchdrungen wird, um es zu begreifen. Und wie er es zudem 1897 in Goethes Weltanschauung (S. 69 f) in aller Deutlichkeit gesagt hatte: „Wenn auch die Ideen der Inhalt dessen sind, was in den Dingen wirkt; zum erscheinenden Dasein kommen sie durch die menschliche Thätigkeit. Die eigene Natur der Ideenwelt kann also der Mensch nur erkennen, wenn er seine Thätigkeit anschaut. Bei jeder anderen Anschauung durchdringt er nur die wirkende Idee; das Ding, in dem gewirkt wird, bleibt als Wahrnehmung außerhalb seines Geistes. In der Anschauung der Idee ist Wirkendes und Bewirktes ganz in seinem Innern enthalten. Er hat den ganzen Prozeß restlos in seinem Innern gegenwärtig. Die Anschauung erscheint nicht mehr von der Idee hervorgebracht denn die Anschauung ist jetzt selbst Idee. Diese Anschauung des sich selbst Hervorbringenden ist aber die Anschauung der Freiheit. Bei der Beobachtung des Denkens durchschaut der Mensch das Weltgeschehen. Er hat hier nicht nach einer Idee dieses Geschehens zu forschen; denn dieses Geschehen ist die Idee selbst. Der Mensch, der diese in sich selbst ruhende Thätigkeit anschaut, fühlt die Freiheit.“ - In diesem Fall liegt die Verwirklichung der Idee des Erkennens in der Erkenntnis des Denkens selbst. Und kann als eine solche Verwirklichung natürlich auch nur als eine «Freiheitstat» verstanden werden, die im «Ausnahmezustand der Erkenntnis des Denkens» nur willentlich vollzogen werden kann. Substantiell bahnte sich das alles schon an im Kapitel 8 der Grundlinien von 1886 S. 47 unter dem Stichwort vom «Denken als tätigem Gedankengehalt der Welt.» Für Steiner ist, wie sich daran ablesen läßt, die menschliche Freiheit unmittelbar auch an das «wirkende und durchschaute Weltgeschehen» geknüpft. «Durchschauen» kann freilich niemand das Weltgeschehen, wenn er nur den Standpunkt Kants (und Humes) einnimmt, wonach Kausalität empirisch nicht begründbar ist, und dann ersatzweise mit windigen metaphysischen Vernunftschlüssen aufwartet, wie Kant beispielsweise in den Prolegomena. Folglich ist von Kants Standort auch die menschliche Freiheit niemals begründbar, sondern bleibt eine ebenso windige, rein metaphysische Glaubensangelegenheit, die man einem streng empiristisch orientierten Naturwissenschaftler der Gegenwart heute nicht mehr wird vermitteln können. Daß so etwas einem modernen Zeitgenossen mit naturwissenschaftlicher Bildung und Ausbildung nicht mehr vermittelt werden kann, das galt indessen auch für Steiner und seine Auseinandersetzung mit den idealistischen Zeitgenossen und Vorläufern, für die er ein geeignetes empirisches erkenntniswissenschaftliches Fundament suchte; wie etwa für Fichte, Schelling, Hegel und ebenso für Goethe. Den verehrten Eduard von Hartmann darf man gern dazu gesellen, dem er die Schrift Wahrheit und Wissenschaft ausdrücklich gewidmet hat. Obwohl Hartmann, wie wir bereits anmerkten, in seinem Werk Phänomenologie des sittlichen Bewußtseins (S. 451 - 457) die «angebliche» menschliche Freiheit mit der Illusion eines fallenden Steines verglich, der glaubte, das Fallen beruhe auf seiner eigenen Entscheidung. Auch diese beiden Idealisten (Steiner und Hartmann) konnten in der Grundlagen- und Freiheitsfrage kaum weiter von einander entfernt sein. Siehe Steiner dazu auch in der Philosophie der Freiheit Kap. 1, hier S. 10 f. Steiners Kerninteresse ruht, wie er ja bereits in den Grundlinien schon schrieb, und auch im Kapitel II der Philosophie der Freiheit angekündigt hatte, (neben dem Ursprung und der Bedeutung in Kap. I) vor allem auf den Wirksamkeiten im Denken. Auf den «Naturwirksamkeiten im eigenen Inneren». Dies im Kapitel II in Anlehnung an Goethes Hymnus «Die Natur». Was verständlich ist, wenn man nach der realen Idee sucht und nicht nach einer abstrakten, «bloß logischen». Steiner fühlte sich Hegel zwar sehr verbunden. Aber diese Konsequenz hat Steiner aus Hegel gezogen: «Damit die Idee auch Wirklichkeit hat», untersucht Steiner den realen Prozeß des Erkennens / Denkens, - der Begriffsbildung, - während Hegel den Begriff als Erstes und Ursprüngliches setzt. Ohne den faktischen Prozeß zu untersuchen, durch den Begriffe und Ideen respektive Erkenntnisse erst gewonnen werden. Womit Hegel natürlich nicht empirisch zur Beobachtung von wirkenden Ideen kommt. Steiner verfolgte demgegenüber eine empirisch-genetische Perspektive, die den realen Vorgang der Begriffs- und Erkenntnisgewinnung untersucht, was es bei Hegel nicht gab. Denn nur da, im realen Prozeß «hat die Idee auch Wirklichkeit». In den Abstraktionen hat sie diese nicht. Sondern dort ist sie mausetot. Denn die sind aus idealistischer Perspektive lediglich «Universalien post rem.» Während Steiner die in Wirksamkeit befindlichen suchte. Die gab es nur im wirkenden Prozeß des Denkens, aber nicht in den Abstraktionen des Denkens. Der universalienrealistischen Sachlage nach läßt sich dies auch nachvollziehen mittels Steiners späterem Autoreferat von 1908, Philosophie und Anthroposophie, und anhand seiner dortigen Ausführungen über das «dreifache Ich», (GA-35, S. 101 ff). Die nämlich baut ebenfalls auf der Tatsache auf, daß die innere Aktivität beim erkennenden reinen Denken des «Ich» nicht nur gedacht, sondern auch laut S. 98 ff als Aktualität erlebt wird. Auch dort steht der Prozeß im Vordergrund und nicht das Logische. Im dort erläuterten Fall geht es um den Begriff des «Ich», wo im Prozeß des erlebten Denkens die drei Universalien zusammenfallen: „Wenn wir das Ich im reinen Gedanken fassen, dann sind wir in einem Zentrum, wo das reine Denken zugleich essentiell sein materielles Wesen hervorbringt. Wenn Sie das Ich im Denken fassen, so ist ein dreifaches Ich vorhanden: ein reines Ich, das zu den Universalien «ante rem» gehört, ein Ich, in dem Sie drinnen sind, das zu den Universalien «in re» gehört, und ein Ich, das Sie begreifen, das zu den Universalien «post rem» gehört. Aber noch etwas ganz Besonderes ist hier: für das Ich verhält es sich so, daß, wenn man sich zum wirklichen Erfassen des Ich aufschwingt, diese drei «Ichs» zusammenfallen. Das Ich lebt in sich, indem es seinen reinen Begriff hervorbringt und im Begriff als Realität leben kann.“ Wir haben das weiter oben auf S. 171 ff schon im Zusammenhang mit dem Kausalitätsproblem etwas erläutert. Ich will das hier nur noch einmal zur Illustration der Tatsache vorbringen, daß und warum es Steiner bei all seinem Idealismus nicht nur um das Logische, sondern stets um das Wirkende im Denken, um den erlebten Prozeß des Denkens und um wirkende Ideen geht. Um das «Weltgeschehen» geht es, wie es nicht nur in der Philosophie der Freiheit heißt, sondern auch in Goethes Weltanschauung von 1897, wo es auf S. 69 f besonders plakativ herausgestellt wurde. Das gilt seit Beginn seines erkenntniswissenschaftlichen Schaffens auch für Steiners philosophisches Verhältnis zu Hegel. Dem er letztendlich einen fehlenden Realitätsbezug vorhält, infolge des schon in Wahrheit und Wissenschaft beklagten Umstandes, daß Hegel ebenso wie der Rest der geschätzten zeitgenössischen Idealisten ohne Fundament dasteht. Dass sich das aus der Sicht Steiners bei Hegel auch so verhält, das kann der Leser gelegentlich näher nachlesen in den entsprechenden Hegelabschnitten aus Steiners Schrift Die Rätsel der Philosophie. Ihnen allen, den geschätzten Idealisten, fehlt wegen dem nicht vorhandenen Fundament auch der Realitätsbezug. Denn die wirkende Idee findet sich als unmittelbar zu erlebende, - und das geht in wirklich seltener Klarheit vor allem auch aus Steiners Goetheschrift von 1897 (Goethes Weltanschauung, S. 69 ff) hervor, - nur im erlebten und beobachteten Prozeß des eigenen Denkens. Aber nicht in den idealistischen Abstraktionen. Was sich sachlich aber bereits im Kapitel 14 der Grundlinien von 1886 ablesen läßt anläßlich der Dogmatismen von Kant und Zeitgenossen, «die an die Sache nie herankommen». Und mehr noch im dortigen Kapitel 13 (hier S. 76), wo bereits das Resümee zu lesen ist: „Unsere Erkenntnistheorie führt zu dem positiven Ergebnis, daß das Denken das Wesen der Welt ist und daß das individuelle menschliche Denken die einzelne Erscheinungsform dieses Wesens ist.“ Wer also Kants und Humes Kausalitätsproblem als Idealist lösen will, der muß Kausalität / bzw. das Wirkende dort suchen, wo das «wirkende Weltwesen nach Steiners Auffassung in seiner individuellen Form auch empirisch der Erkenntnis zugänglich ist». Und das ist im erlebten Prozess des eigenen Denkens der Fall. Und nur dort. Diese Sachlage als solche durchzieht erkennbar sämtliche erkenntniswissenschaftlichen Frühschriften Steiners. Wer folglich versucht Hegel über Steiner zu stülpen, sei es über Steiners Erkenntniswissenschaft, über seine Freiheitsphilosophie, über seine Anthroposophie oder gar über Steiners soziale Dreigliederung, der ist ausgesprochen schlecht beraten. Das kann nicht gut gehen, weil es konzeptionell und erkenntniswissenschaftlich mit Steiner schlicht unverträglich ist. Bei aller Nähe Steiners zum Idealismus und zu Hegel. Man muß nicht glauben, dass man aus dem bloß abstrakten Idealismus mit seinem Ideenrealismus die menschliche Freiheit einfach logisch deduzieren könnte. Wer das glaubt, der irrt gar sehr. Den «Idealismus» fand man nämlich in dieser Zeit entsprechend auch bei den schärfsten Freiheitsleugnern wie Eduard von Hartmann, der in seiner Phänomenologie des sittlichen Bewußtseins, Berlin 2. Auflage 1879, S. 451 f als Idealist von einer «Freiheitsillusion» sprach, die «ebenso für den fallenden Stein gelten würde, wenn er Bewusstsein hätte, wie für den wollenden Menschen.» Siehe Steiner dazu im Kapitel I der Philosophie der Freiheit, hier, S. 10 f. Aber ebenso findet sich der Idealismus auch bei Freiheitsenthusiasten wie Fichte und Steiner. Die «allgemeine» philosophische Nähe zum Idealismus sagt qualitativ darüber rein gar nichts aus. Sondern ein bloß abstrakter Idealismus kann vielen Herren dienen. Kann ebenso dem Faschismus dienen wie dem freiheitlichen Individualismus. An den Faschismus gerät er um so mehr und umso leichter, je mehr über den idealistischen Abstraktionen der komplette Realitätsbezug verloren geht, und dann nur noch vom allgemeinen «Weltgeist» die Rede ist wie bei manchem einfältigen «Anthroposophen», der damit eine unverkennbare Neigung zum Welt-Totalitarismus offenbart. Was wohl die übelste Form von Faschismus ist, die ein Idealist sich heutzutage ausdenken kann. Nämlich ein «satanischer» Faschismus, dem es gar nicht um die individuelle menschliche Freiheit, sondern um eine skrupellose Weltherrschaft geht. Es kommt in Steiners Augen also gar nicht darauf an, ob jemand eine idealistische Weltanschauung vertritt oder nicht. Sondern es kommt ihm darauf an, einen Idealismus mit unmittelbarem, empirisch begründetem Realitätsbezug zu entwickeln. Den aber sah er bei seinen Zeitgenossen und Vorläufern nicht, weswegen er sich um ein entsprechend realitätsnahes Fundament für all diese bemühte. Ein erkenntniswissenschaftliches Fundament schließt bei Steiner den empirischen Wirklichkeitsbezug ein, der nur auf der Erfahrungsebene zu erreichen ist. Das alles ist bei Steiner nicht erst im Brief Nr. 400 an Eduard von Hartmann aus dem Jahr 1894 nachzulesen. Sondern diese seine Auffassung durchzieht sämtliche frühen Begründungsschriften Steiners bis einschließlich Goethes Weltanschauung von 1897 S. 69 ff. Ein Vorhaben der «Beobachtung des Denkens als Ausdruck der induktiven Beobachtung der wirkenden Idee» bei Steiner, das mit der Jahrhundertwende als allgemeines Forschungsvorhaben, - wenn auch nicht ausdrücklich an den Idealismus angebunden, - auch im denkpsychologischen Laboratorium der Würzburger Schule Oswald Külpes unternommen wurde, wie wir bereits sahen. Weil es damals möglich wurde. Entsprechend hat sich Steiner dringend veranlaßt gesehen, 1917 in der Schrift Von Seelenrätseln (S. 170 f) den Wunsch nach einem psychologischen Laboratorium zum Ausdruck zu bringen. Ein Wunsch, der ganz in der sachlogischen Konsequenz dessen liegt, was er 1894 bereits im Brief an Eduard von Hartmann schrieb und 1886 schon in den Grundlinien. Die Resultate bei Steiner sehen folglich wegen seinem unmittelbaren Wirklichkeits- und Wirksamkeitsbezug ganz anders aus als bei Hegel. Nicht nur in der Erkenntniswissenschaft, sondern auch in der Freiheitsphilosophie und Anthroposophie. Deswegen auch entwickelte Steiner später als Anthroposoph in seiner Gesellschaftsphilosophie die «soziale Dreigliederung». Etwas, was man bei Hegel und seiner Staatsphilosophie vom wirkenden Weltgeist im Staat und mit Hang zur Monarchie kaum finden wird. (Siehe Steiner zu Hegels Staatslehre in GA-18, S. 242 ff; allgemein zu Hegels Philosophie S. 235 ff) Die Konsequenzen von Steiners Hegel-Korrektur bleiben also keineswegs auf die Ideenerkenntnis, das Naturverständnis, die Freiheitsphilosophie und die geistig seelische Welt beschränkt. Sondern finden ihren Ausdruck auch in der Gestaltung des gesellschaftlich politischen Lebens. Als Ausdruck eines notwendigen «Schwellenübergangs der Menschheit» (GA-190), den man bei Hegel schwerlich formuliert finden dürfte. Und schon gar nicht in der von Steiner entwickelten Form der Dreigliederung. Denn der philosophische Rekurs auf irgend einen metaphysisch / dialektisch erschlossenen «abstrakten Weltgeist» ist dazu völlig nutzlos. Methodisch (und erkenntnistheoretisch) also könnten Steiner und Hegel bei aller von Steiner beteuerten Nähe kaum entfernter von einander sein. Was sie lediglich eint, ist eine idealistische Grundüberzeugung, wie es sich bereits bei Steiners Hegelbetrachtungen im Kapitel 9 von Steiners Grundlinien im allgemeinen abzeichnete. Indes Steiner sich mit der idealistischen Grundüberzeugung als solcher nicht zufrieden gibt. Schon bei Fichte, Eduard von Hartmann und Goethe nicht, sondern in einer agnostisch-naturwissenschaftlich geprägten Zeit, in der für die wissenschaftliche Naturerklärung bereits das Fundament fehlte, das empirische Fundament auch für den Ideenrealismus sucht. Was bei ihm zum Ausdruck kommt in der empirischen Selbsterklärungsfähigkeit des erlebten Denkens als Grundlage für jedes Erkennen. Programmatisch als Naturforschungsvorhaben ausdrücklich artikuliert in Kapitel II der Philosophie der Freiheit dahingehend, «dass die Natur im Äußeren nur gefunden werden könne, wenn man sie im Inneren bereits kennt». In der Philosophie der Freiheit eigens noch einmal besonders präzisiert in den Ergänzungen der Zweitauflage von 1918. Für einen induktiven Weg zu den Ideen, der selbstredend auf der Suche nach Wirksamkeitszusammenhängen am Prozeß des Denkens nicht vorübergehen kann. Den er deswegen auch in seiner ….Abgrenzung von Hegel ausdrücklich hervorhebt. Während in der Schrift Goethes Weltanschauung von 1897 diese Zusammenhänge von empirischer Naturforschung, Ideenrealismus, und Freiheitsforschung noch einmal in seltener Einheit gebündelt wurden im Kapitel über die Metamorphose der Welterscheinungen. _ Demgegenüber Hegel bei allem Idealismus über so ein empirisches Fundament nicht verfügt, und auch gar nicht danach suchte. Indes auch Steiners nachfolgender esoterischer Schulungsweg (siehe etwa GA-10) wiederum alles andere ist als eine psychologisch methodisierte Umsetzung von Hegels Dialektik. Sondern, wie Steiner auch in GA 255b, S. 295 ff eingehender berichtet, entwickelt anhand der Untersuchungen zur Leibesunabhängigkeit des gewöhnlichen erkennenden Denkens. Zum weitergehenden Zwecke der empirischen Erforschung des Menschen über die Schwelle des Todes hinaus, wie man es Steiners entsprechenden anthroposophischen Schulungsschriften auch entnehmen kann. Möglich ist diese spezielle Schulung, weil das gewöhnliche erkennende / intuitive Denken seinerseits unabhängig ist vom physischen Leibe. Als logisches / erkennendes Denken unabhängig überhaupt von den Naturvorgängen der äußeren physikalischen Welt, wie Steiner nicht nur in der Schrift Von Seelenrätseln (GA 21) mehrfach betont. Interessanterweise auch in den Karmavorträgen seinen Zuhörern 1924 in Breslau GA 239, S. 125 f eigens noch einmal ins Stammbuch schreibt: „Denn die äußere Natur ist ja immer etwas, was von den Gedanken wohl erfaßt werden kann, aber niemals den Gedanken hervorbringen kann. Es könnte ja sonst keine Logik geben, die unabhängig von allen Naturgesetzen sieht, was denkerisch richtig und falsch ist.“ Was in dieser markanten Form bereits in der Schrift Von Seelenrätseln aus dem Jahre 1917 etwa auf den Seiten 30; S. 132 nachzulesen ist. (Ähnlich formuliert, wie wir weiter oben etwa S. 212 ff wiederholt sahen, auch bei Popper und Eccles anläßlich ihrer Kritik des «Schuldschein-Physikalismus».) Bereits das elementarste Erkennen, das in der Lage ist zwischen richtig und falsch zu unterscheiden, beruft sich dabei auf eine Logik, die unabhängig ist von der äußeren Natur und den physiologischen Gesetzen des Leibeslebens. Und als Logik von den Vorgängen der äußeren Natur auch nicht geschaffen werden kann, wie auch Popper das in seiner Physikalismuskritik sieht. Sondern auch im (Natur)-Erkennen stets vorausgesetzt wird. Der Leser erinnert sich in diesem Zusammenhang vielleicht auch an Steiners Bemerkung gegenüber von Hartmann im Kap. III der Philosophie der Freiheit. «Man kann nicht zu etwas kommen, was das Denken bewirkt, wenn man den Bereich des Denkens verläßt.» Wer «Naturforschung im Inneren» betreibt, der muß das Bewirkende des Denkens auch im Denken selbst suchen. Das ist der Anlaß dafür, wenn Steiner im Gegensatz zu Hegel den Prozeß des Denkens untersucht, und nicht den Begriff als erstes setzt. Steiner sucht nämlich seit mindestens 1886 schon nachweisbar den wirkenden Geist und nicht nur das nur vom Geiste Bewirkte, bei dem die Wirkursachen nur mit höchsten Unsicherheiten metaphysisch und indirekt erschlossen werden könnten. «Spekulativ», wie es in Eduard von Hartmanns Philosophie des Unbewußten hieß. Wie mit Eduard von Hartmanns assoziationspsychologisch untermauerten «Spekulationen», so ist auch mit Hegel diesbezüglich in diesen empiristischen Grundlegungsfragen und in Fragen der anthroposophischen Schulung mit ihren Anwendungen wie «Todesforschung» oder der «sozialen Dreigliederung» nichts anzufangen, wie Steiner deutlich genug ausspricht. Hegel nämlich, so Steiner später in einem längeren Abschnitt, sei nur «bis zu einem toten Punkt» gekommen, von dem aus es bei Hegel nicht weiter geht. (Die Rätsel der Philosophie, GA-18, Dornach 1985, S. 338 f.) Das ist ein Resultat jener empiristischen Konsequenz, die Steiner bereits in seinen Frühschriften aus Hegels Lehre zog, obwohl er sich ihm andererseits nahe wußte. Vom Empirismus des erlebten und beobachteten Denkens nach Art der Philosophie der Freiheit und ihrer Vorgängerschriften indessen, und dem nachfolgendem Laboratoriumswunsch von 1917, um das «schauende Vermögen» des Menschen im psychologischen Laboratorium noch einmal nachzuweisen, könnte Hegels Dialektik kaum weiter weg sein. Und Sparby seinerseits ist es in seinem Artikel ebenfalls: Weit davon entfernt. Es scheint ihm bisher jeder erkenntniswissenschaftliche Zugang dorthin zu fehlen. Bleibt also die Frage, inwieweit Sparby, und mit ihm gegebenenfalls Clement diese empiristische Konsequenz Steiners nebst ihren praktischen Folgen für den anthroposophischen Schulungsweg zur anthroposophischen «Geistesforschung» überhaupt schon einmal in die Augen gefallen ist? In Sparbys Artikel kann ich davon nichts erkennen. Steiners Frühschriften fallen da bis auf sparsamste Zitate weitestgehend durch den Rost. Vor den erkenntniswissenschaftlichen Empirismus Steiners ist ein undurchsichtiger Vorhang gezogen, so daß der Empirismus des Erkennens gar nicht erst erscheint. Desgleichen auch bei Clement bislang nicht. Der wiederum, wenn man einem Bericht von Stephan Eisenhut in der Zeitschrift Die Drei vom Juni 2016, S. 67 ff folgt mit dem Titel, Von der Schwierigkeit, eine wissenschaftliche Gesprächskultur zu entwickeln, ohnehin die Auffassung vertrat, «dass sich die geistige Welt prinzipiell einem wissenschaftlichen Urteil entziehe». Clement brachte, wie Eisenhut auf S. 69 f bemerkte, auf diesem Kolloquium seine Sicht dahingehend zum Ausdruck, daß er (Clement) «sich zu einer bestimmten Form von akademischer Wissenschaft bekenne, und diese schließe inhaltliche Aussagen über eine geistige Welt aus.» Damit dürfte Eisenhut in seinem Bericht ziemlich richtig gelegen haben. Denn ein analoges Urteil läßt sich auch aus einem Originalartikel Clements entnehmen, den er kaum zwei Jahre zuvor (15. November 2014) unter dem Titel Muss man zum Verständnis eines Textes die Motivation des Autors kennen?, Über die metaphysische Sehnsucht nach der textuellen "Hinterwelt" am Beispiel der SKA-Kritik, im Egoistenblog publiziert hatte. (Dort ist er allerdings nur noch über die Anmeldung bei Google zu bekommen. Ausführlicheres zu Clements Artikel hier, S. 760 ff.) Im letzteren Artikel Clements wurde augenfällig, daß er Steiner lediglich als einen unwissenschaftlichen Literaten betrachtete, und mit den Bewertungsmaßstäben der Literaturwissenschaft über die Nachweisbarkeit von Schriftstellermotiven an Steiners Werk heranging. Mit Steiners wissenschaftlichen Grundlagen hatte er sich erkennbar noch nie ernsthaft befaßt und entsprechend auch nicht das geringste Verständnis davon. Daran hat sich im Rahmen seiner Herausgeberschaft der erkenntniswissenschaftlichen Frühwerke Steiners bislang wenig geändert, so daß von seinem verständnisvollen Zugang zu diesen Grundlagen nach wie vor nicht die Rede sein kann. Was er übrigens in seiner Einleitung zur SKA1 auf S. XXI ff auch ziemlich freimütig selbst einräumt. Das ist also nun der Sachstand der Erkenntnis von zweien, die über Hegel und Steiners Freiheitsbegriff dozieren. - Derselbe «Prozeß aber, durch den Begriffe und Ideen erst gewonnen werden», ist bei Steiner auch die Grundlage der menschlichen Freiheit. Des «Erkennens als einer Freiheitstat». Zudem garantiert er auch in seiner Form des begrifflichen Denkens die Leibesunabhängigkeit des erkennenden / intuitiven Denkens, wie Steiner ausführlicher 1921 noch einmal in GA-255b, S. 296 ff erläutert. Nach dem Motto wiederum, das Steiner kritisch im dritten Kapitel der Philosophie der Freiheit 1918 vorbrachte: «Man kann nicht zu etwas kommen was das Denken bewirkt, wenn man den Bereich des Denkens verläßt.» - Mit allen naturwissenschaftlichen Konsequenzen, die daraus auch in der Philosophie der Freiheit folgen. Die sich ebenfalls im Kapitel IX der Zweitauflage noch einmal ausdrucksstark niedergeschlagen haben in Gestalt der «Zurückdrängung» der leiblich / seelischen Organisation durch das Denken: „Nur wenn man sich zu der in der unbefangenen Beobachtung gewonnenen Anerkennung dieser Wahrheit über die intuitive Wesenheit des Denkens hindurchgerungen hat, gelingt es, den Weg frei zu bekommen für eine Anschauung der menschlichen leiblich seelischen Organisation. Man erkennt, daß diese Organisation an dem Wesen des Denkens nichts bewirken kann. Dem scheint zunächst der ganz offenbare Tatbestand zu widersprechen. Das menschliche Denken tritt für die gewöhnliche Erfahrung nur an und durch diese Organisation auf. Dieses Auftreten macht sich so stark geltend, daß es in seiner wahren Bedeutung nur von demjenigen durchschaut werden kann, der erkannt hat, wie im Wesenhaften des Denkens nichts von dieser Organisation mitspielt. Einem solchen wird es dann aber auch nicht mehr entgehen können, wie eigentümlich geartet das Verhältnis der menschlichen Organisation zum Denken ist. Diese bewirkt nämlich nichts an dem Wesenhaften des Denkens, sondern sie weicht, wenn die Tätigkeit des Denkens auftritt, zurück; sie hebt ihre eigene Tätigkeit auf, sie macht einen Platz frei; und an dem freigewordenen Platz tritt das Denken auf. Dem Wesenhaften, das im Denken wirkt, obliegt ein Doppeltes: Erstens drängt es die menschliche Organisation in deren eigener Tätigkeit zurück, und zweitens setzt es sich selbst an deren Stelle. Denn auch das erste, die Zurückdrängung der Leibesorganisation, ist Folge der Denktätigkeit. Und zwar desjenigen Teiles derselben, der das Erscheinen des Denkens vorbereitet. Man ersieht aus diesem, in welchem Sinne das Denken in der Leibesorganisation sein Gegenbild findet. Und wenn man dieses ersieht, wird man nicht mehr die Bedeutung dieses Gegenbildes für das Denken selbst verkennen können. Wer über einen erweichten Boden geht, dessen Fußspuren graben sich in dem Boden ein. Man wird nicht versucht sein, zu sagen, die Fußspurenformen seien von Kräften des Bodens, von unten herauf, getrieben worden. Man wird diesen Kräften keinen Anteil an dem Zustandekommen der Spurenformen zuschreiben. Ebensowenig wird, wer die Wesenheit des Denkens unbefangen beobachtet, den Spuren im Leibesorganismus an dieser Wesenheit einen Anteil zuschreiben, die dadurch entstehen, daß das Denken sein Erscheinen durch den Leib vorbereitet." (GA-04, hier S. 102 f) Nun ist auch das 1918 nichts grundsätzlich Neues und in der Zweitauflage lediglich Nachgeschobenes, sondern alles schon substantiell bei Steiner vorhanden seit den 1880er Jahren. Mit am markantesten vielleicht formuliert in Steiners Sendschreiben Die Natur und unsere Ideale an die Dichterin delle Grazie von 1886: «Ein erkennendes Wesen kann nicht unfrei sein!» (GA-30, Dornach 1989, S. 237 f) Das Erkennen ist ein realer, erlebter Prozeß, der als solcher nicht abhängig ist von den Gesetzen des Leiblichen, sondern von den nicht-leiblichen der Logik, wie er es in der Schrift Von Seelenrätseln von 1917 dann wiederholt verdeutlichte. Was er in seiner Schrift Von Seelenrätseln von 1917 dann auf S. 130 f ein «rein Seelisches», bzw. auf S. 133 ein «seelisch Wesenhaftes» nennt. «Ein Wollen», wie er dort ausführt, «das im denkenden Suchen nach der Wahrheit lebt». In seinen eigenen Worten: „...man verträumt das Wollen, wenn man im Denken nach Überzeugungen sucht. Doch erkennt man, daß in letzterem Falle dasjenige, wovon man träumt, kein Leibliches sein kann, denn sonst müßten die logischen Gesetze mit den physiologischen zusammenfallen. Faßt man den Begriff des im denkenden Suchen nach der Wahrheit lebenden Wollens, so ist dieser Begriff der eines seelisch Wesenhaften. ...“ Ein «Nachweis des rein seelisch Wesenhaften», neben dem auch andere möglich seien, wie er dort anschließend ausführt. Siehe Ausführlicheres dazu ebendort im Subkapitel 6. Die physischen und die geistigen Abhängigkeiten der Menschen-Wesenheit, auf S. 150 ff Wie er die Leibfreiheit des erkennenden Denkens auch im Rechtfertigungsvortrag von 1921 in GA-255b, S. 295 ff ganz unmissverständlich als Forschungsresultat seiner Frühschriften den Zuhörern nahebrachte: Das erkennende Denken ist der physischen Organisation des Menschen nicht ausgeliefert, sondern unabhängig von den Gesetzen des Leiblichen. Dieser reale Prozeß des erkennenden Denkens wiederum muß beobachtet werden zwecks induktiver Erkenntnis der Idee. Denn auch Ideen sind einer induktiven Erkenntnis zugänglich, wie Steiner bereits 1887 in den Einleitungen in Goethes naturwissenschaftliche Schriften schrieb. (GA-1, S. 126 / in der ursprünglichen Kürschnerausgabe Bd. 34 von 1887, Vorrede S. IV f.) Besonders augenfällig wird dieser induktive Weg zu den Ideen dann in der Schrift Goethes Weltanschauung von 1897, S. 69 ff. Die darüber hinaus gehenden Forschungsresultate des «Anthroposophen» Steiner sehen ihrerseits ebenfalls völlig anders aus als die Resultate der Hegelschen Dialektik oder eines aus der philosophischen Tradition übernommenen Platonismus. Nun ist weiter die Frage, ob die von Clement behauptete «Aporie der Freiheit» bei Steiner überhaupt existent ist. Daß der Mensch in jeder Hinsicht frei sei, hat Steiner wiederum noch nie behauptet. Er ist es zunächst im Erkennen / bei der Wahrheitssuche, das sich nicht an den Gesetzen des Leibeslebens orientiert sondern an den geistigen der Logik. Entsprechend der Losung in Steiners Sendschreiben von 1886: «Ein erkennendes / sich selbst erkennendes Wesen kann nicht unfrei sein». Was nachfolgend in Steiners Wahrheit und Wissenschaft in der Vorrede (hier S. 4 f) ausdrücklich noch einmal dahingehend bestätigt wurde: „...daß die Wahrheit nicht, wie man gewöhnlich annimmt, die ideelle Abspiegelung von irgendeinem Realen ist, sondern ein freies Erzeugnis des Menschengeistes, das überhaupt nirgends existierte, wenn wir es nicht selbst hervorbrächten. Die Aufgabe der Erkenntnis ist nicht: etwas schon anderwärts Vorhandenes in begrifflicher Form zu wiederholen, sondern die: ein ganz neues Gebiet zu schaffen, das mit der sinnenfällig gegebenen Welt zusammen erst die volle Wirklichkeit ergibt. Damit ist die höchste Tätigkeit des Menschen, sein geistiges Schaffen, organisch dem allgemeinen Weltgeschehen eingegliedert. Ohne diese Tätigkeit wäre das Weltgeschehen gar nicht als in sich abgeschlossene Ganzheit zu denken. Der Mensch ist dem Weltlauf gegenüber nicht ein müßiger Zuschauer, der innerhalb seines Geistes das bildlich wiederholt, was sich ohne sein Zutun im Kosmos vollzieht, sondern der tätige Mitschöpfer des Weltprozesses; und das Erkennen ist das vollendetste Glied im Organismus des Universums. [] Für die Gesetze unseres Handelns, für unsere sittlichen ... Ideale hat diese Anschauung die wichtige Konsequenz, daß auch diese nicht als das Abbild von etwas außer uns Befindlichem angesehen werden können, sondern als ein nur in uns Vorhandenes. Eine Macht, als deren Gebote wir unsere Sittengesetze ansehen müßten, ist damit ebenfalls abgewiesen. Einen «kategorischen Imperativ», gleichsam eine Stimme aus dem Jenseits, die uns vorschriebe, was wir zu tun oder zu lassen haben, kennen wir nicht. Unsere sittlichen Ideale sind unser eigenes freies Erzeugnis. Wir haben nur auszuführen, was wir uns selbst als Norm unseres Handelns vorschreiben. Die Anschauung von der Wahrheit als Freiheitstat begründet somit auch eine Sittenlehre, deren Grundlage die vollkommen freie Persönlichkeit ist. [] Diese Sätze gelten natürlich nur von jenem Teil unseres Handelns, dessen Gesetze wir in vollkommener Erkenntnis ideell durchdringen. Solange die letzteren bloß natürliche oder begrifflich noch unklare Motive sind, kann wohl ein geistig Höherstehender erkennen, inwiefern diese Gesetze unseres Tuns innerhalb unserer Individualität begründet sind, wir selbst aber empfinden sie als von außen auf uns wirkend, uns zwingend. Jedesmal, wenn es uns gelingt, ein solches Motiv klar erkennend zu durchdringen, machen wir eine Eroberung im Gebiet der Freiheit.“ Im nach außen gerichteten Handeln wiederum ist er insoweit frei, als er darin moralischen Intuitionen folgt, die aus dem erkennenden / reinen Denken stammen. Alles übrige Handeln, das aus anderen, dunkleren und undurchschauten Antrieben stammt, ist nicht frei. Es gilt also nicht die Alternative «der Mensch ist entweder frei oder nicht». Sondern er ist es auch laut Philosophie der Freiheit nur in dem Maße, als er ethische Intuitionen zu verwirklichen vermag, die ihren durchschaubaren Ursprung wiederum in der Leibfreiheit des Denkens haben, wie er auch in den Zusätzen zum Kapitel XII, Die moralische Phantasie schreibt, (hier S. 143 f). Veranlagt ist er zur Freiheit. Wobei sich die Begründung dieser Veranlagung in der «Leibfreiheit des erkennenden Denkens» findet: „In diesen Ausführungen über das menschliche Wollen ist dargestellt, was der Mensch an seinen Handlungen erleben kann, um durch dieses Erlebnis zu dem Bewußtsein zu kommen: mein Wollen ist frei. Von besonderer Bedeutung ist, daß die Berechtigung, ein Wollen als frei zu bezeichnen, durch das Erlebnis erreicht wird: in dem Wollen verwirklicht sich eine ideelle Intuition. Dies kann nur Beobachtungsresultat sein, ist es aber in dem Sinne, in dem das menschliche Wollen sich in einer Entwickelungsströmung beobachtet, deren Ziel darin liegt, solche von rein ideeller Intuition getragene Möglichkeit des Wollens zu erreichen. Sie kann erreicht werden, weil in der ideellen Intuition nichts als deren eigene auf sich gebaute Wesenheit wirkt. Ist eine solche Intuition im menschlichen Bewußtsein anwesend, dann ist sie nicht aus den Vorgängen des Organismus heraus entwickelt …., sondern die organische Tätigkeit hat sich zurückgezogen, um der ideellen Platz zu machen. Beobachte ich ein Wollen, das Abbild der Intuition ist, dann ist auch aus diesem Wollen die organisch notwendige Tätigkeit zurückgezogen. Das Wollen ist frei. Diese Freiheit des Wollens wird der nicht beobachten können, der nicht zu schauen vermag, wie das freie Wollen darin besteht, daß erst durch das intuitive Element das notwendige Wirken des menschlichen Organismus abgelähmt, zurückgedrängt, und an seine Stelle die geistige Tätigkeit des idee-erfüllten Willens gesetzt wird. Nur wer diese Beobachtung der Zweigliedrigkeit eines freien Wollens nicht machen kann, glaubt an die Unfreiheit jedes Wollens. Wer sie machen kann, ringt sich zu der Einsicht durch, daß der Mensch, insofern er den Zurückdämmungsvorgang der organischen Tätigkeit nicht zu Ende führen kann, unfrei ist; daß aber diese Unfreiheit der Freiheit zustrebt, und diese Freiheit keineswegs ein abstraktes Ideal ist, sondern eine in der menschlichen Wesenheit liegende Richtkraft. Frei ist der Mensch in dem Maße, als er in seinem Wollen dieselbe Seelenstimmung verwirklichen kann, die in ihm lebt, wenn er sich der Ausgestaltung rein ideeller (geistiger) Intuitionen bewußt ist.“ Wie der Leser sieht, wird hier im Kapitel XII neuerlich die «Zurückdrängung der leiblichen Organisation» ins Zentrum gerückt, von der bereits im Kapitel IX (hier S. 102 f) die Rede war. Um die naturwissenschaftlich relevanten Kernsätze daraus noch einmal zu wiederholen: „Ist eine solche Intuition im menschlichen Bewußtsein anwesend, dann ist sie nicht aus den Vorgängen des Organismus heraus entwickelt ..., sondern die organische Tätigkeit hat sich zurückgezogen, um der ideellen Platz zu machen. Beobachte ich ein Wollen, das Abbild der Intuition ist, dann ist auch aus diesem Wollen die organisch notwendige Tätigkeit zurückgezogen. Das Wollen ist frei. Diese Freiheit des Wollens wird der nicht beobachten können, der nicht zu schauen vermag, wie das freie Wollen darin besteht, daß erst durch das intuitive Element das notwendige Wirken des menschlichen Organismus abgelähmt, zurückgedrängt, und an seine Stelle die geistige Tätigkeit des idee-erfüllten Willens gesetzt wird. Nur wer diese Beobachtung der Zweigliedrigkeit eines freien Wollens nicht machen kann, glaubt an die Unfreiheit jedes Wollens. Wer sie machen kann, ringt sich zu der Einsicht durch, daß der Mensch, insofern er den Zurückdämmungsvorgang der organischen Tätigkeit nicht zu Ende führen kann, unfrei ist; daß aber diese Unfreiheit der Freiheit zustrebt, und diese Freiheit keineswegs ein abstraktes Ideal ist, sondern eine in der menschlichen Wesenheit liegende Richtkraft. Frei ist der Mensch in dem Maße, als er in seinem Wollen dieselbe Seelenstimmung verwirklichen kann, die in ihm lebt, wenn er sich der Ausgestaltung rein ideeller (geistiger) Intuitionen bewußt ist.“ - «Ablähmung» respektive «Zurückdrängung der organischen Tätigkeit» ist hier die entscheidende Kenngröße zum Verständnis der menschlichen Freiheit. Die wie gesagt auch im Kapitel IX auf den ersten Seiten unter dem Stichwort «Zurückdrängung» der leiblich seelischen Organisation des Menschen erscheint. Steiners ganze Auseinandersetzung mit dem Physikalismus tritt an solchen Stellen ins Zentrum der wissenschaftlichen Aufmerksamkeit, was man aber nicht nur aus diesem einen oder zwei Zusätzen zur Freiheitsfrage entnehmen kann. Ein Gesichtspunkt, den freilich trotz all seiner Eindeutigkeit die meisten Interpreten Steiners bis heute noch nicht einmal von Ferne nachvollziehen wollen oder können. Auch von Clement werden solche Darstellungen Steiners komplett ignoriert, wie man auch seinen Stellenkommentaren zum Kapitel XII in der SKA 2 entnehmen kann. In den dortigen Stellenkommentaren zum Kapitel IX sieht es anläßlich Steiners «Zurückdrängungsbeobachtungen» genauso aus, die bei Clements Kommentaren ab S. 308 ff gar nicht erst erscheinen. In den Kommentaren der SKA 1 wiederum dasselbe Desaster anlässlich der Grundlinien, wie wir etwas weiter unten noch betrachten werden. Während bei Witzenmann und seinen Schülern wegen einem angeblichen «Erzeugungsproblem» in dieser Frage ohnehin Hopfen und Malz verloren ist. Steiners ganze Auseinandersetzung mit dem Physikalismus und den physikalistischen Naturwissenschaften wie er sie dann 1921 in GA-255b auch noch einmal der Öffentlichkeit vorträgt, wird schlichtweg und geradezu flächendeckend igoriert, wie man exemplarisch auch bei Clement sieht. Während Steiner mit Blick auf die Philosophie der Freiheit und die erwähnte «Zurückdrängung» am 5. Septemer 1921 sich ausführlicher mit dem Geltungsbereich des materialistischen Kausalitätsprinzips, beziehungsweise mit dem «Energieerhaltungssatz» befaßt hat, und ihn ganz ausdrücklich für das Denken und Vorstellen wie folgt negiert: "Ich weiß alles, was eingewendet werden kann gegen die Sätze, die ich in diesem Augenblick ausspreche, aber das intuitive Erkennen führt dahin in bezug auf das Materielle, einzusehen, daß dort, wo das Denken sich entwickelt, ein Nichts vom Materiellen zu erblicken ist. Es führt dahin, zu sagen: Indem ich denke, bin ich nicht, wenn ich das materielle Sein, das man sonst als das maßgebende anerkennt, als einziges Sein gelten lasse. Es muß erst die Materie sich zurückziehen im Organismus und Platz machen dem Denken, dem Vorstellen; dann sieht dieses Denken, dieses Vorstellen, die Möglichkeit seiner Entfaltung im Menschen. Dort also, wo wir das Denken in seiner Wirklichkeit wahrnehmen, nehmen wir Abbau, Vernichtung des materiellen Daseins wahr. Wir schauen hinein, wie die Materie ins Nichts übergeht. [] Hier ist es, wo wir an der Grenze des Gesetzes von der Erhaltung der Materie und der Kraft stehen. Man muß den Ausdehnungsbereich dieses Gesetzes von Materie und Kraft erkennen, damit man den Mut fassen kann, ihm dann zu widersprechen, wenn es nötig ist. Niemals kann irgend jemand die Wesenheit des Denkens unbefangen an der Stelle, wo Materie sich selbst vernichtet, durchschauen, der das Gesetz von der Erhaltung des Stoffes als ein absolutes anerkennt, der nicht weiß, daß es gilt im Bereich dessen, was wir äußerlich überschauen im physischen, im chemischen Felde und so weiter, daß es aber nicht gilt dort, wo unser Denken auf dem Schauplatze unserer eigenen menschlichen Organisation auftritt. Wenn es nicht nötig wäre, aus gewissen Untergründen heraus diese Erkenntnis heute vor die Welt hinzustellen, man würde sich nicht all den Spöttereien und all den Einwänden aussetzen, die ganz begreiflicherweise kommen müssen von denjenigen, die aus den bekannten Voraussetzungen heraus das Gesetz von der Erhaltung der Materie und der Kraft für absolut halten, für ausnahmslos geltend ..." (GA-78, Dornach 1968, Vortrag vom 5.11.1921, S. 142 f) Ich kann dem Leser auch die anderen Vorträge aus der GA-78 nur wärmstens ans Herz legen, von denen hier des öfteren schon in Verbindung mit der Philosophie der Freiheit die Rede war. (Siehe hier in der Studie etwa S. 45; S. 73; S. 91ff; S. 110; S. 130; S. 202; S. 236 – 254 S. 269; S. 276.) Die Vorträge aus GA-78 sind in ganz besonderer Weise aufschlußreich, weil sie sehr klare Hinweise geben auf Steiners Frühschriften und ihre vielschichtige Auseinandersetzung mit einer einseitig physikalischen Weltordnung. Speziell im Zusammenhang mit dem Freiheits- und Erkenntnisproblem. Was darin ganz unzweideutig aus den verschiedensten Perspektiven von Steiner ausgeführt wird, ist die Tatsache, dass die Geltendmachung einer «alleingültigen» physikalischen Weltordung für die gesamte Realität und ausgedehnt auf ausnahmslos alle Fragen von Erkennen, Wirklichkeit, Ethik und Spiritualität, ganz zwangsläufig zur materialistischen Zerstörung nicht nur jeder Wirklichkeitsauffassung führen muß, sondern auch jeder Moralität und Freiheitsauffassung nebst der ganzen Würde des Menschen definitiv das Wasser abgräbt. Weil der Materialismus in dieser seiner Einseitigkeit vollkommen irreal und ungültig ist. Und zudem gänzlich untauglich, um aus ihm das menschliche Erkennen und / oder überhaupt nur eine Logik oder logisches Denken und Erkenntnis zu verstehen (siehe etwa auch Poppers «Schuldscheinphysikalismus» von oben Seite 212 ff kritisch dazu). Entsprechend ist dieser einseitige Materialismus auch völlig unfähig zu einem Begriff vom Menschen, von Menschenwürde oder Ethik zu gelangen. 55. Zunehmender illusionärer Materialismus der Gegenwart und die ethischen und politischen Folgen Richten wir, bevor wir mit den Rezeptionsproblemen in der anthroposophischen Grundlagenliteratur fortfahren, zum Kontrast einmal eine Weile den Blick auf die ganz konkreten Lebensverhältnisse der Gegenwart, um einen Eindruck um die Bedeutung von Steiners Freiheitsphilosophie zu erhalten. Und welche Folgen demgegenüber der materialistische Gegenentwurf der jetzigen Dezennien zeitigt: Nicht nur mit Blick auf Steiners Konzept der sozialen Dreigliederung könnte man solche Gedankengänge Steiners an die gegenwärtigen Lebensverhältnisse anbinden, sondern auch mit Blick auf die zunehmenden Verheerungen, die der Materialismus seit dem frühen 20. Jahrhundert weltweit anrichtete, und die seit einigen Jahren auf eine multiple und schauerliche Weise kulminieren. Auf eine Weise, die Steiner vielfach auch längst angekündigt hat. Dahingehend, dass die menschliche Zivilisation ohne den Impuls der wissenschaftlich gesicherten Spiritualität nicht überleben wird. Denn die überhand nehmenden und inzwischen weltweit wuchernden ideellen Metastasen aus dem Quellort eines einseitigen und illusionären Materialismus werden nicht nur zur Vorlage von literarischen Dystopien, sondern sie werden auch zu ganz realen und inzwischen vielfach schrecklichen Lebenswirklichkeiten selbst in jenen Ländern Westeuropas und der USA, in denen es bislang in den vergangenen 70 Jahren noch relativ ruhig zuging. Ein Blick vor allem in die Gegenwart und die vorbereitende jüngere Vergangenheit reicht hin, um das zu bestätigen. So ersetzte der Materialismus die Ethik seit Beginn des 20. Jahrhunderts durch eine «biologische Ethik», den Sozialdarwinismus und vergleichbare zynische Bewertungssysteme. Da der Mensch ja nichts anderes sei als ein höheres Tier. So spricht auch der Journalist Michel Salomon im Interview (alternativ bei archive.org; eine ausleihbare englische Übersetzung von 1983 ebenfalls bei archive.org) mit dem sozialistischen französischen Berater der sozialistischen Partei und zugleich Präsidentenberater Jacques Attali 1981 davon, dass man eine «biologische Moral» benötige. Und macht auch gleich damit deutlich, was er unter einer biologischen Moral versteht: „Le monde à venir, « libéral » ou «socialiste», aura besoin d’une morale «biologique», de se créer une éthique du clonage ou de l’euthanasie par exemple.“ [Die kommende Welt, ob „liberal“ oder „sozialistisch“, wird eine „biologische“ Moral brauchen, sich eine Ethik des Klonens oder der Euthanasie zum Beispiel schaffen müssen“.] - Worauf die berühmt berüchtigte Antwort des sozialistischen Beraters folgt: „L’euthanasie sera un des instruments essentiels de nos sociétés futures dans tous les cas de figures. Dans une logique socialiste, pour commencer, le problème se pose comme suit: la logique socialiste c’est la liberté et la liberté fondamentale, c’est le suicide; en conséquence, le droit au suicide direct ou indirect est donc une valeur absolue dans ce type de société. Dans une société capitaliste, des machines à tuer, des prothèses qui permettront d’éliminer la vie lorsqu’elle sera trop insupportable ou économiquement trop coûteuse, verront le jour et seront de pratique courante. Je pense donc que l’euthanasie, qu’elle soit une valeur de liberté ou de marchandise, sera une des règles de la société future.“ [„Die Euthanasie wird in allen Fällen eines der wichtigsten Instrumente unserer zukünftigen Gesellschaften sein. In einer sozialistischen Logik stellt sich das Problem zunächst wie folgt dar: Die sozialistische Logik ist Freiheit und die Grundfreiheit ist der Selbstmord; folglich ist das Recht auf direkten oder indirekten Selbstmord in dieser Art von Gesellschaft ein absoluter Wert. In einer kapitalistischen Gesellschaft werden Tötungsmaschinen und Prothesen, die das Leben auslöschen, wenn es zu unerträglich oder wirtschaftlich zu kostspielig ist, entwickelt und zur gängigen Praxis werden. Ich denke daher, dass Euthanasie, ob als Wert der Freiheit oder als Ware, eine der Regeln der zukünftigen Gesellschaft sein wird.“ Aus, Salomon, Michel: L’avenir de la vie. Paris: Éditions Seghers, 1981, S. 273f. Übersetzt mit DeepL.com] - Über seine weiteren weltanschaulichen Hintergründe siehe auch Jacques Attali, Devenir soi, 2014. - Wer sich über Attalis Begriff von «Brüderlichkeit» ein Bild machen möchte, der kann das hier im Verlag Freies Geistesleben tun in: Jacques Attali, Brüderlichkeit. Eine notwendige Utopie im Zeitalter der Globalisierung. Aus dem Französischen von Herta Luise Ott. Mit einem Nachwort von Gerald Häfner. (Hier bei Amazon eine Rezension dazu von Dr. Bruno Sandkühler / Ludwig Paul Häußner, wobei den beiden Rezensenten bei der Lektüre von Attalis Brüderlichkeits-Buch dessen Gedankenführung auch nicht ganz geheuer zu sein schien.) - Eine zeitlich näher liegende perspektivische Betrachtung über die materialistische Zukunft einer Welt der Hyperkommerzialisierung lieferte Attali in seinem Buch in neuer Auflage: Une brève histoire de l'avenir - Nouvelle édition 2010. Diese oder eine vorangehende textgleiche Ausgabe existiert bei Archive.org (auch als PDF und leicht zu übersetzende fulltext Variante.) Allerdings ohne Jahresangabe. - Des weiteren Attali, Die kannibalische Ordnung, 1981. Zu Attalis Vorstellungen von Euthanasie, Menschheitsreduktion, inszenierten Pandemien und seinem diesbezüglichen politischen Wirken siehe: - Markus Fiedler, Eine Welt voller Versuchskaninchen, sowie - Bodo Schiffmann: Jacques Attali. - Hier ein weiterer Bericht vom Finanzberater Martin Armstrong zu Attali. - Siehe auch Andreas Becker mit einem Artikel zu Attalis ideologisch / politischem Werdegang und seiner Funktion als grauer Eminenz hinter Macron: „Der Pate“ hinter Macron: Jacques Attali und dessen apokalyptische Zukunftswelt vom 17. Mai 2017. Becker schreibt aus der Sicht eines «unabhängigen Katholiken», nach der Präsentation von Attalis Werdegang und dessen politischen und «ethischen» Vorstellungen: „Wer seine Sinne beisammen hat und über ein Minimum an gesundem Hausverstand verfügt, müßte an dieser Stelle einen Krankenwagen rufen. Herr Attali wird aber nicht auf seinen psychischen Gesundheitszustand untersucht, sondern ist die graue Eminenz hinter dem neuen Staatspräsidenten Emmanuel Macron.“
Was hier dokumentiert wird, ist die zwangsläufige sozialpolitische Folge dessen, was geschieht, wenn man den Menschen seiner veranlagten Geistigkeit entkleidet und nur noch einen materiellen Rumpf des menschlichen Wesens zurück lässt. Wie es im Umfeld von illusionären materialistischen «Traumtänzern» (Steiner) geschieht. Attali ist bei weitem nicht das einzige, sondern nur ein besonders wirkmächtiges und prominentes Exemplar solcher materialistischen Traumtänzer, die den Menschen auf seine äussere, materiell-biologische Hülle reduzieren. Und in dieser Reduktion und ihren prognostizierten Folgen wiederum ist er sehr konsequent – und auch realistisch, wie man bei einem Gegenwartsvergleich gut beobachten kann. Es ist eben das, was mit höchster Wahrscheinlichkeit geschehen wird, wenn man als Materialist den Menschen nur noch als «biologisch organisierten Eiweißklumpen mit einigen Zusätzen» erklärt, und auf dieser menschen- und wirklichkeitsfernen materialistischen Grundlage staatliche, supranationale und globale Organisationen aufbaut – wie wir es seit Jahrzehnten erleben. Es lässt sich demzufolge vor dem Hintergrund von Attalis dystopischen Entwürfen auch sehr leicht vorstellen, was geschieht, wenn ein Nationalstaat seine Souveränität der Selbstorganisation vollständig an eine Superorganisation wie eine «Weltregierung auf rein materialistischer Grundlage» abgegeben hat. Und das ist ja die geo-politische Reise, die man im Westen und zumal in Mitteleuropa gegenwärtig mit aller Macht bei den sogenannten «Eliten» einzuschlagen versucht. Auch unter den Anthroposophen gibt es manchen idealistischen Träumer, der sich fern jeder Realität so etwas wie eine «Weltregierung» vorstellt. Und das nicht erst seit gestern. - Er hat sich nur noch nicht die Folgen dessen klargemacht, was dann geschieht, wenn die Dinge so verlaufen, wie es sich entsprechend wirkmächtige und sehr charakteristische materialistische / sozialistische Vertreter dieser Entwicklung wie Attali erträumen. Was dann zumindest sozialpolitisch vorgehen soll, das lässt sich ebenso den Dystopien Attalis entnehmen, wie den Vorgängen der vergangenen Jahre. Und global gesehen gibt die Angelegenheit unter einer korrupten materialistischen Weltregierung und ihren von Globalmilliardären gekauften Suborganisationen bislang nicht wirklich Anlass zur Hoffnung, dass diese Verhältnisse sich bessern könnten. Die Kernfrage wäre also bei solchen Schriften, Ideen und Vorhaben Attalis, wie es mit Attalis «sozialistischem Freiheitsbegriff» und dessen (biologischem) Ursprung bestellt ist. Was ebenso für Attalis Begriffe vom «Menschen», von «Menschenwürde», «Brüderlichkeit» und anderen «ethischen Vorstellungen» gilt, die er ja irgendwie aus seiner «biologisch fundierten» sozialistischen Philosophie herausdestillieren müsste. Und ob er da als sozialistischer Globalist mit Weltregierungsvorstellungen und Mentor von Macron (Thierry Meyssan) nicht auch nur als «ahrimanischer Ballspieler» (Steiner) auch bei der «Brüderlichkeit» waltet, wie es Steiner im April 1919 der Sozialdemokratie Deutschlands in (GA-190, S. 160 ff) bescheinigte? Die ja als gegenwärtige Sozialisten noch ganz unumwunden diese ahrimanischen Ballspiele öffentlich praktizieren, und sogar auf ihren Wahlplakaten veranschaulichen, wie sie sich ihre «kollektive Brüderlichkeit» à la „Unser Wir braucht Dich“ nebst «Freiheit» konkret vorstellen, und welche führende Rolle unter anderem Schlagwerkzeuge zum Erreichen dieses sozialistischen Brüderlichkeits- und Freiheitsideales in Gestalt des kollektiven «Wir» spielen. Das gilt nun im Kleinen auf nationaler Ebene wie im ganz großen und globalen Maßstab. Wo dann die Kleinwerkzeuge der Wahlplakate zu den großen einer frei erfundenen «pandemischen nationalen Notlage» mutieren, die wiederum von WEF, Herrn Klaus Schwab und seinem französischen Co-Autoren Malleret als «nie dagewesene pandemische Notlage von epischen Ausmaßen» und ganz große Chance für den «globalen Great Reset» hochstilisiert werden. - Alles soll auf der Basis eines monströsen medizinischen Betruges zerschlagen werden: Das alles nur um der Brüderlichkeit und Freiheit willen? Oder ist das nicht Leninscher Bolschewismus vereinigt mit den Interessen der megareichen und mächtigen Globalstrategen des Weltwirtschaftsforums und anderer vermögender Großorganisationen? Den Herren der «beweglichen Wirtschaftsmittel», den «Pluto-Autokraten», wie es Steiner um 1918 formulierte. Denen es auf dem Wege eines «Krieges aller gegen alle» um etwas völlig anderes geht. Nämlich um das exakte Gegenteil von Freiheit und Brüderlichkeit? Sondern zurück zu den feudalen Herrschaftszuständen des 16. und 17. Jahrhunderts, wie es Steiner nicht nur hier, und auch hier (GA-178, S. 232 f) den Herrschern über das Kapital und anderen einflußreichen Gruppen bescheinigte: Die Einrichtung einer neuen feudalen Weltordnung der Sklaverei hinter der betrügerischen Tarnkappe von angeblicher Freiheit, Demokratie und Brüderlichkeit. Attali jedenfalls schloß sich 2021 dieser angeblichen «Pandemie» ganz naiv und nicht nur tendentiell an, und folgte etwa den Forderungen nach einer dauerhaften Impfung auf seiner eigenen Webseite unter dem Titel: La pandémie, et après? Womit er vollkommen unkritisch inklusive Panikmache exakt den Vorstellungen von Klaus Schwab und seinem französischen Mitstreiter Malleret entsprach: „S’y préparer dès maintenant, c’est tirer les vraies leçons de la pandémie actuelle ; c’est avoir le courage de se mettre en économie de guerre pour réduire massivement toutes les activités économiques qui aggravent la probabilité d’occurrence de ces catastrophes (les énergies fossiles et les moyens de transport qui les utilisent, le plastique, la chimie, les industries textiles) ; et c’est donner une priorité absolue aux autres secteurs qui conditionnent la réponse à ces menaces : les industries médicales, les hôpitaux, la formation de médecins, la recherche, l’éducation, l’hygiène, l’alimentation, l’agriculture raisonnée, le digital, la distribution, les énergies propres, l’eau propre, la sécurité, la culture, la démocratie, la finance non spéculative et l’assurance, le logement durable). Tous ces secteurs, qui forment ce que je nomme «l’économie de la vie», ne représentent aujourd’hui pas plus de la moitié de la production d’aucun pays du monde ; dans vingt ans, cela devrait représenter les deux tiers. Cela exigera une immense reconversion ; une nouvelle vision du monde, tournée vers les générations futures ; de nouvelles valeurs, plus altruistes, de nouvelles priorités, moins futiles. Une nouvelle façon de faire de la politique. Nous n’aurons pas de seconde chance. Si nous ne nous y mettons pas sérieusement au plus vite, nous regretterons cette pandémie, comme un de nos derniers moments heureux.“ [Auf deutsch: „Sich jetzt darauf vorzubereiten bedeutet, die wahren Lehren aus der aktuellen Pandemie zu ziehen; es bedeutet, den Mut zu haben, sich in eine Kriegswirtschaft zu begeben, um alle wirtschaftlichen Aktivitäten, die die Wahrscheinlichkeit des Auftretens solcher Katastrophen erhöhen (fossile Energieträger und die Transportmittel, die sie nutzen, Plastik, Chemie, Textilindustrie), massiv einzuschränken; und es bedeutet, den anderen Sektoren, die die Antwort auf diese Bedrohungen bedingen, absolute Priorität einzuräumen: Medizinische Industrie, Krankenhäuser, Ausbildung von Ärzten, Forschung, Bildung, Hygiene, Ernährung, nachhaltige Landwirtschaft, Digitalisierung, Vertrieb, saubere Energie, sauberes Wasser, Sicherheit, Kultur, Demokratie, nicht-spekulative Finanz- und Versicherungswirtschaft, nachhaltiger Wohnungsbau). All diese Sektoren, die das bilden, was ich als „Wirtschaft des Lebens“ bezeichne, machen heute in keinem Land der Welt mehr als die Hälfte der Produktion aus; in zwanzig Jahren sollen es zwei Drittel sein. Dies wird eine immense Umstellung erfordern; eine neue Weltsicht, die auf künftige Generationen ausgerichtet ist; neue, altruistischere Werte; neue, weniger belanglose Prioritäten. Eine neue Art, Politik zu machen. Wir werden keine zweite Chance bekommen. Wenn wir nicht so schnell wie möglich ernsthaft damit beginnen, werden wir diese Pandemie als einen unserer letzten glücklichen Momente bereuen“ ] Und so weiter.… (Übersetzt mit DeepL.com) Nichts weiter wird hier von Attali vorgelegt als derselbe Bluff, den man von Schwab und Malleret schon Mitte 2020 zu lesen bekam. Derselbe Bluff zudem, den sich auch die Politiker als betrügerische medizinische Steuerinstanzen der «Pandemie-Jahre» zueigen machten, und damit nahezu weltweit und fern von wissenschaftlicher Kontrolle und Kritik die Bevölkerungen belogen, betrogen und unendlich schädigten. - Alles zum brüderlichen Schutz von Natur und Menschheit? Nun lauten drei / vier Jahre später, nach dem die ganze Inszenierung und ihre bösartigen Folgen von Lockdowns und Experimental-Massenimpfungen mit schädlichen und folgenschwersten Gentherapeutika / Biowaffen aufgeflogen sind (Stichwort etwa «RKI-Files»), die tatsächlichen «Lehren der Pandemie», dass sie, - auch in Deutschland, - nichts weiter war als ein globaler und, - vielfach inzwischen nachweislich auch geplant todbringender, - Betrug. Ein globaler Massenmord. Und ein «Abgrund von Bevölkerungsverrat». Das «größte Medizinverbrechen aller Zeiten». Mit einer klaren und rechtlich wie sprachlich nachweisbaren Beziehung zum Gedankengut des deutschen Nationalsozialismus, so Markus Fiedler im Gespräch mit dem Datenanalysten Tom Lausen über die juristischen Anwendungen und Implikationen der Corona-Maßnahmen. (Siehe auch hier bei apolut.) - Die deutsche Nazi-Justiz kehrte auch bei der Kontrolle der Corona Verordnungen wieder zurück, und wurde / wird dabei ganz unverblümt zur Anwendung gebracht. So dass nicht nur bei der Tatsache der Zwangsmassnahmen und Zwangsimpfungen mit experimentellen Gentherapeutika das deutsche Nazisystem in Teilen wieder aufblüht(e), sondern auch bei der Aburteilung von Verstössen gegen diese medizinisch verbrecherischen und folgenschwersten Massnahmen. Diese Bewertungen der angeblichen Pandemie basieren bereits allein auf den offiziell bislang herausgegebenen RKI-Dokumenten, sowie einer parallelen näheren Betrachtung der Geschehnisse in den vergangenen Jahren 2020 bis 2024. Wo die inzwischen freigeklagten RKI-Dokumente in Deutschland lediglich eine Art offiziellen Abschlußstein zu diesen längst bekannten Betrugs-Tatsachen hergaben. Gewußt hat das jeder schon vorher, der zu denken und kritisch zu prüfen in der Lage war. (Diese Bewertung ist auch ganz unabhängig von den inzwischen zusätzlich geleakten «Ergänzungen» der RKI-Files, so weit bei denen bislang die Authentizität nicht ganz sichergestellt ist, wie vor allem der Mediziner und IT-Kenner Bodo Schiffmann zu bedenken gab.) In den Jahren 2020 bis 2024 beobachten wir also einen weltweiten Putschversuch von materialistischen Globalisten und ihren politischen Helfershelfern. Durchgeführt mit medizinischen / virologischen Mitteln der gain of function Forschung. Sprich: Mit Biowaffen. So daß wir uns jetzt und in Zukunft besser auf solche «brüderlichen», weltumspannenden tödlichen Betrügereien vorbereiten und die entsprechenden Konsequenzen ziehen müssen. Derweil Steiner wiederum am 28. Juli 1924 in GA-237, S. 118 ff vorausschauend für unsere Zeit um das ausgehende 20. und beginnende 21. Jahrhundert vor seinen Anhängern von einer «Kulmination» dahingehend spricht, „wo die wahren Anthroposophen wieder dabei sein werden, aber vereinigt mit den anderen, am Ende des 20. Jahrhunderts. Bewußtsein soll der wahre Anthroposoph haben, daß es sich heute darum handelt, teilnehmend hineinzuschauen und mitzuarbeiten an dem Kampf zwischen Ahriman und Michael. Nur dadurch, daß eine solche Spiritualität, wie sie durch die anthroposophische Bewegung fließen will, sich vereinigt mit anderen Geistesströmungen, wird Michael diejenigen Impulse finden, die ihn mit der irdisch gewordenen Intelligenz, die eigentlich ihm gehört, wieder vereinigen werden.“ Zurück zum vorangehenden Interview mit Salomon: «Die sozialistische Logik ist Freiheit und die Grundfreiheit ist der Selbstmord; folglich ist das Recht auf direkten oder indirekten Selbstmord in dieser Art von Gesellschaft ein absoluter Wert.», wie Herr Attali Salomon im Interview zur Rückmeldung gibt. Demgemäß gehören entsprechend dieser «absoluten sozialistischen Selbstmord-Freiheitswerte» aus der Sicht der sozialistischen Ökonomie des Herrn Attali, der sich im Interview mittels seiner biologischen Ethik auch über die Medizin und Gesundheitsversorgung auslässt, genetische Manipulation und Euthanasie gewissermaßen zum Standardinstrument einer kommenden sozialistischen oder liberalen Staatskonstruktion nebst Gesundheits- und Altersversorgung – als Kombination von Ökonomie und sozialistischem Materialismus. Die zur Anwendung kommen, sobald der Erhalt des menschlichen Lebens nicht nur «unerträglich», sondern vor allem auch: «zu kostspielig wird». Das ökonomische Kosten-Nutzen-Argument einer biologischen «Ethik» und die zweckrationale Verwertungsideologie dieser materialistischen «Ethik» entscheidet darüber, ob und wie lange ein Mensch zu leben hat, und wann man ihn einfach wegwirft wie ein nutzloses verrostetes Fahrrad und ihn zweckmäßigerweise umbringt. Das Bild vom «nutzlosen Menschen» Hararis findet sich somit bereits 1981 bei seinem Bruder im Geiste Attali. Und auch der war wirklich nicht der Erste und Einzige, der sich im 20. Jahrhundert zu dieser folgenreichen sozialdarwinistischen Verblendung des Materialismus verstieg. In den zurückliegenden vier Jahren ab 2020 wurden die medizinischen Tore der Lügen und der Hölle in nie dagewesener Weise weit aufgemacht. Daß in diesen Jahren die Bevölkerungen ganzer Staaten massenhaft, weltweit und folgenreich, ohne jede wissenschaftliche Evidenz, auf der Basis von wissenschaftlich substanzlosen politischen Anweisungen und Lügen, und in abermillionen Fällen zwangsweise nur als unfreiwillige Versuchskaninchen der Pharmaindustrie benutzt wurden, das entspricht ganz und gar dieser sozialistischen / materialistischen / ökonomischen und eugenisch orientierten «Ethik» mit einer «animalischen Menschenwürde», die man bereits von Hitlers amerikanischen Lehrern und einem gewissen Herrn Mengele vertreten findet. Was dann nachfolgend mit sehr guten Gründen unter den Nürnberger Kodex fiel. Den man allerdings und bezeichnenderweise in den vergangenen drei bis vier Jahren wieder aushebelte: Mit der blinden Genehmigung von gentechnischen Zwangstherapien bei der gesamten Bevölkerung, deren Gefahrenpotential und Wirksamkeit, - abgesehen von den namhaften und verleumdeten frühzeitigen Kritikern und den beratenden, aber untätigen Fachleuten der Gesundheitsbehörden, - kaum jemand unter den ahnungslosen parlamentarischen Entscheidern und dem größten Teil der einfachen behandelnden Ärzte abschätzen konnte - und vor allem wollte. Wenn also die medizinische Ethikkommission in Deutschland inzwischen und während der letzten Jahre von einer Eugenikerin geführt wurde, die den astronomischen medizinischen Mißbrauch von Menschen nach Kräften auch noch beförderte, so spricht das Bände über die dahinterstehende materialistisch / eugenische Moral, die mit demselben menschenverachtenden Zynismus des Materialismus auch von Herrn Attali und Hitlers angloamerikanischen Lehrern propagiert wurde (siehe nachfolgend). Und es ist dieselbe menschenverachtende Ideologie des Materialismus, die gegenwärtig in den Staaten des Westens mit aller Macht vorangetrieben wird. Die historische Verwandtschaft mit dem Nazi-Faschismus liegt bei Betrachtung der Genese dieser materialistischen Ideologie klar auf der Hand. Wenn demnach heute wieder bekennende Nazis im Auftrage des westlichen Staatenbündnisses nicht nur Krieg gegen Russland, sondern dieses materialistische Staatenbündnis des Westens parallel dazu auch einen ideologischen und pharmazeutischen Krieg mit biologischen, wirtschaftlichen, juristischen und psychologischen Waffen gegen die eigene Bevölkerung führt, dann ist das im Sinne eines biologischen Sozialismus des Herrn Attali und der angloamerikanischen Lehrer Hitlers nur konsequent und zeugt lebhaft von deren gemeinsamen menschenverachtenden Wertvorstellungen. Es zeugt damit von nichts anderem als von der großen historischen Kontinuität auch in dieser obskur materialistischen Denkweise des Westens – jener der frühen Lehrer Hitlers über die der deutschen Nazis bis in die aktuelle Gegenwart der «immer-noch» Naziförderer und -ethusiasten. Moderne Materialisten und Menschenverächter wie Harari und Schwab oder Attali und Anhang sind mit ihren derzeit und früher schon propagierten Vernichtungs- und Eugenikerideen nichts weiter als moderne Wiedergänger der Nazis und ihrer damaligen Lehrer aus Anglo-Amerika. Oder anders gesprochen: Wenn der Materialismus des Sozialismus und eine biologische Ethik eine Allianz mit einander und mit der Staats-Ökonomie eingehen, dann entstehen solche Gesellschaften, wo, wie Herr Attali im Interview mit Salomon weiter ausführt, Kinder käuflich werden, wo Euthanasie zum alltäglichen Einsatz kommt. Und der Zeitpunkt des künstlichen Menschentodes davon abhängt, was er als Gesunder bis dahin in seinem Leben ökonomisch erwirtschaftet hat. - Nahezu identische Sichtweisen beschreibt Hermann Ploppa im Kapitel 15 ab Seite 154 in seinem Buch über Hitlers amerikanische Lehrer von den angloamerikanischen Ökonomen des frühen 20. Jahrhunderts, wenn sie das Bündnis mit der biologischen Ethik des Sozialdarwinismus eingehen. Dann wird der Wert des Menschen an einer rein ökonomischen Meßlatte festgesetzt, die sich in britschen Pfund und amerikanischen Dollar errechnen läßt. Und das Ende seines Lebens danach festgesetzt, wann seine ökonomische Wertschöpfung negativ wird. Exakt ebenso sieht das noch 1981 der französische WEF - Ökonom Attali, - der übrigens auch Berater des WEF ist, regelmäßig dort in Erscheinung tritt, und zu den Architekten des «Great Reset» gehören soll, - mit seiner biologischen Moral des Sozialisten: Er folgt als Sozialist den von Ploppa beschriebenen angloamerikanischen Vorläufern und Lehrern des sozialistischen Bruders im Geiste Hitler sozusagen auf dem Fuß. Es ist auch schwerlich vorstellbar, dass ein Ökonom, ob überzeugter materialistischer Sozialist oder libertärer Materialist, mittels einer materialistisch-biologisch fundierten Ethik bei der Bewertung des Menschen grundsätzlich irgendwoanders ankommen sollte als Herr Attali als WEF- und Präsidentenberater und Hitlers amerikanische Lehrer. Das nach außen getragene literarische Schmuckwerk der Ideologie ist lediglich verschleiernde Rhetorik, die dann in schönen Worten «Brüderlichkeit» und «Freiheit» ausrollt, wo sie in Wirklichkeit kollektivistische Zwangsinstitutionen, Gewaltherrschaft und Massemmord meint. Das Kernproblem scheint mir hier zu sein, dass diese an der Biologie / am Darwinismus entwickelten «brüderlichen» Seelen des Sozialismus und ökonomischen Nötigungs-Kollektivismus in all ihrer erkenntniswissenschaftlichen Perspektivelosigkeit gar nicht wissen, was Freiheit und Menschentum überhaupt sind, und wie sie vom biologischen / materialistischen Sozialismus auf die Weltregierung einer ebenso biologisch begründeten brüderlichen Menschheit kommen wollen? Und zwar ohne all den Unwilligen auf diesem Wege, die auf ihre individuelle Freiheit bedacht sind, und aus guten Gründen weder eine korrupte und menschenverachtend materialistische Weltregierung, noch einen ebenso korrupten, inhuman materialistischen Staatskollektivismus wollen, vorher den Schädel einzuschlagen!? In der Regel gehen daher solche irrealen Fantasien von materialistisch gemeinter «Brüderlichkeit» aka «Menschenrudel» und «Freiheit» aka «Zwangskollektiv» bei ihrer Umsetzung im Feuer und in Strömen von Blut auf. Und wenn man sie jetzt erneut im ganz großen Stil gemeinsam mit den im Materialismus und Transhumanismus vereinten Reichen und Mächtigen des WEF im globalen Maßstab umzusetzen gedenkt, um die ganze Menschheit zu versklaven, dann wird sich das kaum anders entwickeln als bei Hitlers amerikanischen Lehrern. Die biologistisch begründete globale Brüderlichkeit und Freiheit unter einer hochkorrupten materialistischen Weltregierung wird noch zeitgemäßer und noch viel feuriger und blutiger vorher enden als alles bisher Dagewesene. Salomons Interview mit Attali wurde 1981 geführt. Wobei die Stellungnahmen Attalis als ernst gemeinte ökonomische Zukunftsperspektive für liberale oder sozialistische Gesellschaften ausgesprochen wurde. Für Gesellschaften mit ausnahmslos materialistischer Prägung. Und mit einer entsprechenden, aus diesem Materialismus entlehnten ethischen Orientierung, wie von Attali dort skizziert wurde. Von einem Mann, der laut Interviewer Salomon damals «Berater der sozialistischen Partei Frankreichs» war. Die perspektivische Ernsthaftigkeit dieser Dystopie von 1981 wird durch den Vergleich mit der Gegenwart inzwischen zunehmend auch bestätigt: Denn aus einem ethischen Materialismus, so kann man unschwer folgern, läßt sich gar nichts anderes entwickeln als so ein Horrorszenario nach Art Attalis. Eine Ethik ganz ohne Menschenrecht und Menschenwürde, wie Herr Harari unmissverständlich zu verstehen gab. Attali hat also 1981 ganz folgerichtig und ungeschminkt nur ins Bild gebracht, was aus derartigen materialistischen Voraussetzungen ethisch folgt, und was wir heute auch zunehmend unter solchen Verhältnissen erleben. Heute sind wir seiner von biologisch sozialistischer Ethik getragenen Anti-Utopie daher ein gutes Stück näher gerückt: In seiner Frühzeit - während der Schwangerschaft - gilt entsprechend ein dergestalt nur noch «biologisch gewürdigter» ungeborener Mensch dann auch nur noch als «Schwangerschaftsgewebe», wie Frau Hänel im Auftrag der Sozialdemokraten und der deutschen «Grünen» 2022 im Bundestag konstatierte. Man muß deswegen auch nicht weiter darüber erstaunt sein, wenn in den USA («Planned Parenthood») inzwischen eine regelrechte medizinische Abtreibungsindustrie für den Gewinn von nutzbaren menschlichen Organen / Gewebe besteht. «Massenmordindustrie für die organische Ausplünderung von Ungeborenen» - so sieht in seinen satanischen Blüten das Menschenbild heute bei globalistischen / liberalen / sozialistischen «Fortschrittsparteien» wie den deutschen Grünen, amerikanischen Democrats, und anderen Materialisten aus dem angloamerikanischen Kulturkeis aus. Die sexuelle Ausplünderung von Kindern bereits in der frühkindlichen Erziehung ist nur die andere abartige Seite derselben materialistischen Medaille. (Siehe dazu Martin Barkhoff, Sexualität als Staatsreligion, im Europäer, Nr. 9 / 10, Juli / August 2024, S. 9-11. Und jüngst Thomas Röper in seinem Artikel, Politiker der US-Demokraten legalisieren in den USA schrittweise Pädophilie.) Das materialistische Amerika macht es uns in seiner sozialistisch-demokratischen Variante auch in dieser Frage wieder einmal vor, was von Menschenrechten zumal denen der Ungeborenen zu halten ist. Der Mensch ist lediglich ein Produkt der materialistischen Biologie. Das Resultat: Eine «Kultur des Todes», wie die CDU-Abgeordnete Susanne Wenzel dazu sagte. - Es ist insofern auch wenig verblüffend, wenn der scientistische und materialistisch orientierte Fantast Youval Harari als ahrimanisch impulsierte Gallionsfigur all der Zerstörungskräfte einer westlich / materialistisch / marxistisch / globalistisch orientierten Zivilisation, dem Menschen auch jede Würde und jedes Menschenrecht schlichtweg abspricht. Womit er als einer der Kernphilosophen des WEF auch in unverkennbarer Nähe steht zu Attali, und vor allem auch zu den deutschen Grünroten mit ihrem abstrus materialistischen Begriff von Menschenrecht und Menschenwürde. Während paradoxerweise bei den grünroten Materialisten mit biologischer Ethik und einer «Kultur des Todes» (Susanne Wenzel) wiederum nicht wenige und auch namhafte «Anhänger» Steiners inzwischen ihre «geistig-politische Heimat» gefunden haben. Um diese Sachlage ganz nüchtern zu betrachten: Das «trojanische Pferd» für diesen fundamentalen Widerspruch, wo sich anthroposophische «Geistbekenner» plötzlich in einer Gesinnungsgemeinschaft mit sozialdarwinistischen Anhängern einer materialistischen «Kultur des Todes» wiederfinden, war in vielen Fällen womöglich die mehrdeutige Kategorie «biologische Ethik». Wobei zwischen zwei Problemfeldern zu unterscheiden ist: a) Zwischen einer Ethik, die aus der Biologie heraus entwickelt wird, da man als Materialist gar keinen anderen Weg sieht, um überhaupt zu so etwas wie einer «Ethik» zu gelangen. Meinetwegen im materialistisch / darwinistischen Sinne. Und b) einer Ethik, die für lebende Systeme entwickelt wird, zu denen selbstredend auch der Mensch gehört. Die Ethik aber, egal für welchen Handlungsbereich, kann aus erkenntniswissenschaftlichen Gründen gar nicht aus der Biologie respektive aus dem Darwinismus respektive aus dem Materialismus entwickelt werden. Die Frage läuft also darauf hinaus, woher der Mensch überhaupt seine ethischen Handlungsmaximen und Begriffe wie «Moralität», «Menschlichkeit» und «Verantwortlichkeit» hat. Sei es für das zwischenmenschliche Handeln, ferner das nur ihn selbst betreffende, oder auch für seinen Umgang mit der Natur im weitesten Sinne. Womit wir mitten in der Philosophie der Freiheit und dem Ursprung der «moralischen Intuitionen aus dem erkennenden Denken» stehen. (Siehe oben, S. 310 ff.) Denn «moralische Intuitionen», - für welchen Handlungsbereich auch immer die entsprechenden Motive gesucht werden, - können aus der Materie respektive der Biologie nicht gewonnen werden. Sondern bestenfalls für diese. Der Ursprung dieser Intuitionen liegt im erkennenden / intuitiven Denken, wie wir vorhin von Steiner hörten. Einen anderen gibt es dafür nicht. Dieser Ursprung der moralischen Intuitionen aber ist dem Biologisten / Materialisten gar nicht zugänglich. Oder er glaubt das zumindest, und hält Menschenwert und Menschenwürde wie Herr Harari für leere menschliche Fiktionen. 55.1 Theodor Ziehen, das Problem der «Verantwortlichkeit» bei mechanistisch / deterministischen Bewußtseins- und Handlungsverläufen, und die materialistischen Folgen Blicken wir noch einmal kurz zu diesem speziell ethischen Thema und Rudolf Steiners Behandlung des physiologischen Psychologen Theodor Ziehen in GA-166, S. 116 bis 132, wie wir es oben ab S. 223 ff bereits angedeutet haben. Der Mann (Ziehen) ist mit seiner mechanistischen Denkweise – Motto: «Unser Handeln ist necessitiert wie unser Denken» - ganz exemplarisch für das Problem, ob und wie sich aus einem materialistischen Determinismus des Denkens und Handelns überhaupt ethische Kategorien wie «Verantwortlichkeit» entwickeln lassen. Und zwar exemplarisch nicht nur für seine Zeit vor ca 130 Jahren, sondern nicht minder für eine Gegenwart, wo der Materialismus das zugrunde liegende Problem bis heute nicht gelöst hat, weil es für den Materialisten auch prinzipiell gar nicht lösbar ist. Ob damals oder heute, das ist also einerlei. Ziehens physiologisch-psychologisches Problem mit der Verantwortlichkeit und Hararis materialistische Unfähigkeit, so etwas wie Menschenrecht oder Menschenwürde zu erkennen und anzuerkennen, sind nur verschiedene Seiten derselben materialistischen Münze. Letztendlich kann es auch bei Harai, Schwab, Attali und ihresgleichen keine Verantwortlichkeit geben, da so ein ethischer Wert wie «Verantwortlichkeit» bei einem Materialisten, - gleich welcher Coleur, - ebenfalls nur den Status einer «leeren Fiktion» haben kann, wie Harari das von Menschenrecht und Menschenwürde behauptet. Darin folgen sie also ganz und gar den Spuren ihres psychologischen Vorläufers Theodor Ziehen. Dessen grundsätzliche Schwierigkeit mit der Begründung eines ethischen Denkens gilt also auch exemplarisch für jeden Materialisten. (Siehe dazu speziell auch das obige Kapitel 42 ab S.- 232.) Die angeblich existierenden ethischen Werte von Materialisten sind demzufolge reine Willkürwerte, wo dann schließlich auch, wie von Attali schon 1981 im Interview berichtet, von sozialistischen oder liberalen Systemen jede Perversion von «Brüderlichkeit», «Freiheit» und «Massenmord» zugelassen wird, wenn es ins politische Handlungskonzept passt. Wie wir es oben bei der Euthanasie und vorhin auch auch beim organisierten mörderischen Missbrauch von Ungeborenen oder dem von lebenden Kindern sahen. Oder eben auch bei den globalen Zwangsimpfungen mit experimentellen Gentherapeutika im Rahmen einer frei erfundenen Pandemie der letzten Jahre 2020 bis 2024 und im vollendeten Gegensatz zum Nürnberger Kodex. Etwas anderes ist bei einer materialistischen Ethik kaum möglich. Ganz gleich, ob marxistischer oder eher libertärer Prägung. Der Materialismus kann aus seinen eigenen Voraussetzungen heraus und wenn er nur konsequent genug ist, grundsätzlich keine Ethik entwickeln. Schon gar kein Konzept der «Verantwortlichkeit» von «Menschenrecht» und «Menschenwürde». Deswegen nennt Steiner den Sozialismus an anderer Stelle (GA-190, S. 160 ff) auch ein Konzept, «wo Ahriman mit den Ideologen Ball spielt». Das sozialistische Maschinendenker-Resultat dieser «ahrimanischen Ballspiele» kann nur in die Zerstörung des gesamten gesellschaftlichen und kulturellen / zivilisatorischen Lebens münden. Das, was wir gegenwärtig auf breiter Front erleben. Im Vortrag von 1916 GA-166, S. 116 bis 132 beleuchtet Steiner die Tatsache, daß, und warum der materialistisch-naturwissenschaftliche «Traumtänzer» Theodor Ziehen, - Motto: «Unser Handeln ist necessitiert wie unser Denken» (Ziehen 1893, S. 208 / 1920, S. 534 f), - sich aus dem philosophischen und juristischen Problem der «Verantwortlichkeit» stiehlt. Denn unter den von Ziehen angegebenen Bedingungen, wo es laut Ziehen (Steiner, GA 166, S. 118-120) für den Physiologen mit seinen Methoden auch keinen menschlichen Willen und kein menschliches «Ich» gibt, kann es auch keinerlei menschliche Verantwortlichkeit mehr geben, da alles menschliche Denken und Handeln gemäß Ziehen physiologisch mechanistisch / deterministisch wie ein Uhrwerk abläuft. Das Handeln ist laut Ziehen «erzwungen, necessitiert wie unser Denken». Womit die Frage aufkommt: Kann einer «biologischen Maschine» dieser Art, wo alles nur zwangsweise, mit zwanghafter Notwendigkeit («necessitiert») geschieht, überhaupt Verantwortlichkeit zugeschrieben werden? Auch laut Ziehen ist das (Steiner, GA-166, S. 119 ff) nicht möglich. Obgleich Ziehen die entsprechenden Folgerungen für eine Weltanschauung daraus nicht zieht. (Siehe Ziehen dazu 1893, auf S. 208 ff.) In der Konsequenz aber sei es laut Steiner (S. 120) eben so, dass es bei so einer Sicht der Verhältnisse wie bei Ziehen letztlich ethisch und juristisch egal sei, ob man mordet oder Wohltaten austeilt: „Es ist auch ganz natürlich: träumt man nur über die äußere Natur, dann tritt uns auf der einen Seite ein Mensch entgegen, der Wohltaten austeilt, auf der anderen Seite ein anderer, der die Menschen durchprügelt für nichts und wieder nichts. So, wie die eine Blume schön ist aus Naturgesetz heraus, die andere Blume häßlich, so ist der eine Mensch ein guter Mensch, wie man sagt. Aber das Gute soll ja nicht anders gedeutet werden, als daß es etwas bedeutet wie die Schönheit bei der Blume, und das Häßliche soll nichts anderes bedeuten als das Häßliche bei einer Blume. …“ Ziehen, so fährt Steiner fort, drücke sich noch vorsichtig aus und baue hier keine Weltanschauung auf solchen zweifelhaften Überlegungen auf. Und weiter: „Aber baut man eine Weltanschauung, dann fällt alle Möglichkeit weg, den Menschen für seine Taten zur Verantwortung zu ziehen, wenn man auf dem Boden steht, auf dem hier der Verfasser [Ziehen, MM] dieses Buches, der Halter dieser Vorträge steht. Das kommt deshalb, weil von diesen Leuten über die äußere Welt geträumt wird.“ Das alles läßt sich wie gesagt ohne weiteres auf die Handlungen von materialistischen Politstrategen und Impulsatoren gleich welcher Couleur übertragen, die nach solchen Vorbildern über die Welt träumen und ihre Handlungen danach orientieren. Bei ideologischen Traumtänzern dieser Art ist es letztlich auch beliebig, wen sie umbringen und wen sie belohnen, weil ihnen sämtliche verbindlichen Masstäbe für menschliche Verantwortlichkeit abgehen. Man wechselt stattdessen nach typischer Doppeldenkermanier, und je nach dem, was gerade zweckmäßig erscheint, permanent und beliebig die Maßstäbe. So dass man am Ende auch nicht mehr darüber rätseln muß, warum verbissene materialistische Klima- und Umweltschützer mit dem Risiko gigantischer Umweltverseuchungen in der Ukraine und Russland Atomkraftwerke in Luft sprengen, und für nichts und wieder nichts zu Hunderttausenden die Menschen massakrieren lassen. Warum die Biotope ganzer Länder wie in einem ideologischen Amoklauf mit abertausenden von Megawindmühlen aus angeblichen Klimaschutzgründen geschreddert, verwüstet und vergiftet werden? Oder weltweit und millionenfach die Menschen mit Betrug und Zwang via Biowaffeninjektionen um die Existenz, um die Gesundheit und um das Leben gebracht werden. Und das Ganze auch noch als «Brüderlichkeit» und «Solidarität» verkauft wird. Was sich zeigt, ist der Bankrott jeder ethisch begründeten Lebenseinstellung, die sich an den Tatsachen des Lebens, des Seelischen und des Geistes auch zu orientieren vermag. - Typisches ahrimanisches Ballspiel oder Doppeldenk von materialistischen Träumern, denen wie Herrn Harai, Schwab, Attali und all ihren Klima- und Umwelt-Genossen mit denselben materialistischen Wurzeln jeder ethische Maßstab für Verantwortlichkeit fehlt, um mich an Steiner anzulehnen. Das gilt nun als Resultat eben für jede Form des materialistischen Denkens, die sich nur an das physisch Leibliche des Menschen hält, und mit seinen physiologischen Methoden das wirkliche Denken und Erkennen ganz zwangsläufig nicht finden kann. Er könnte ja mit seinen physiologischen Methoden noch nicht einmal Vorstellungen und Empfindungen finden, weil diese der physiologischen Außenbeobachtung generell nicht zugänglich sind, wie Steiner bereits in der Philosophie der Freiheit im Kapitel IV schrieb: „Ich bin in der Lage, die Vorgänge in meinem Organismus bis zu den Prozessen in meinem Gehirne zu verfolgen, wenn auch meine Annahmen immer hypothetischer werden, je mehr ich mich den zentralen Vorgängen des Gehirnes nähere. Der Weg der äußeren Beobachtung hört mit dem Vorgange in meinem Gehirne auf, und zwar mit jenem, den ich wahrnehmen würde, wenn ich mit physikalischen, chemischen usw. Hilfsmitteln und Methoden das Gehirn behandeln könnte. Der Weg der inneren Beobachtung fängt mit der Empfindung an und reicht bis zum Aufbau der Dinge aus dem Empfindungsmaterial. Beim Übergang von dem Hirnprozeß zur Empfindung ist der Beobachtungsweg unterbrochen“. (GA-4, hier S. 52 ) Der modernere Zeitgenosse Youval Harari äfft darin, - mit der Abschaffung von Menschenrecht und Menschenwürde als «leeren Fiktionen», - heutzutage den Physiologen Ziehen von 1893 ff nur nach. Der seinerseits damals wiederum mit seinen materialistischen «Maschinendenker-Fantasmen» als Inspirator des Bolschewismus / Sozialismus fungierte. (Zu letzterem siehe Steiner in GA-174b, S. 298 – 302). - Auf der Erkenntnisebene führt der illusionäre Materialismus des erkennenden Denkens zu dem, was Popper einen «Schuldscheinphysikalismus» nannte, der letztlich das gesamte menschliche Erkennen und damit auch die eigenen materialistischen Folgerungen zu einer illusionären Täuschung degradiert und sich damit selbst aufhebt. Die absurde materialistische Ideologie des Erkennens zerstört nicht nur alles andere, sondern ist aus der Sicht Poppers und Steiners auch selbstzerstörend. Die zerstörerischen ethischen und faktischen Folgen dieses erkenntniswissenschaftlich widersinnigigen naturwissenschaftlichen Denkens von materialistischen «Träumern» (Steiner), - diese sehr konkreten Folgen solcher naturwissenschaftlichen Träumereien freilich erleben wir gegenwärtig nicht nur darin, dass politische Gegner, die sich der unmenschlichen materialistischen Ideologie widersetzen, einfach niedergeknüppelt, wenn nicht gar umgebracht werden. Sondern auch in den über alle Maße bösartigen und weltweiten Massenmorden und gesellschaftlichen Verwüstungen einer inszenierten und erlogenen Corona Pandemie, mit nachfolgender Zwangsimpfung mit experimentellen Substanzen im Stil Mengeles, der Nazis und ihrer angloamerikanischen Lehrer. Das ideologische Unwesen der Nazischergen und ihrer Lehrer ist also nicht etwa ausgestorben, sondern wirkt munter weiter. Das alles können Sie heute nahtlos auf das Denken von materialistisch geprägten Weltanschauungen gleich welcher Art übertragen. Ob sozialistisch oder libertär – in diesen Problemen und Folgen, die sich aus dem traumtanzenden Materialismus einer modernen Naturwissenschaft ergeben, unterscheiden sie sich allesamt nicht, und die Konsequenzen bleiben – früher oder später - auch überall die selben. Die in den USA von einigen Bundesstaaten (Minnesota; Kalifornien) eingeführte Abtreibungsgesetzgebung «bis zum Tag der Geburt» ist nur die Spitze eines materialistischen Eisberges, wo es nach der materialistischen Ideologie weder Menschenrecht noch Menschenwürde noch menschliche Freiheit gibt. Weder für die abgetriebenen Kinder, noch für deren Mütter, noch für sonst irgend jemanden wie den marxistischen Leiter der WHO. Da mag noch so viel vom «Selbstbestimmungsrecht der Mütter» die Rede sein. Das ist nur politischer Schwindel von Materialisten. Oder mit Steiner zu sprechen: «Ahrimanisches Ballspiel». Denn Freiheit (und Verantwortung) kann es für den konsequenten Materialisten grundsätzlich gar nicht geben. Man muß sich an dieser Stelle und in dieser Beziehung nichts vorgaukeln: Ein materialistisch-marxistischer SPD Ideologe oder ein grünmaterialistischer «Traumtänzer» mit Brüderlichkeitsfantasien kann menschliche Freiheit und Menschenwürde ebenso wenig akzeptieren wie ein libertär materialistischer «Traumtänzer». Weil sie beide keinen intellektuellen Zugang dorthin haben. Und gegenwärtig finden sie sich darin alle «brüderlich» zusammen und vereint. Verantwortlich für den irrsinnigen weltanschaulichen Hokuspokus von «ahrimanischen Ballspielern» (Steiner), der da vor unseren Augen gerade inszeniert wird, ist gemäß ihrer eigenen materialistischen Ideologie und der von ihrem Vorläufer Theodor Ziehen, niemand. Da Verantwortlichkeit und Freiheit für den konsequenten Materialisten, wo «das Handeln necessitiert ist wie das Denken» (Ziehen), schlechterdings nicht existiert. Wenn heute noch ein Restwiderstand gegen den Materialismus und seine furchtbaren ethischen und faktischen Konsequenzen erhalten ist, dann liegt das in erheblichen Umfang an der Verwurzelung der Menschen in religiösen oder weltanschaulichen Bindungen, die sie daran hindert, die wirklichen und real erlebten Konsequenzen des Materialismus mitzutragen. Auch wenn sie intellektuell längst selbst Materialisten sind, die den Zugang zu religiösen Bindungen verloren haben. Sie sind also auch das, was Steiner «materialistische Träumer» nennt. Auch ein beträchtlicher Teil der sogenannten «Querdenker» besteht nach meinen Erfahrungen in Wirklichkeit aus Agnostikern und Materialisten, die entweder noch von ihren unbewußten Bindungen an gesellschaftlich / religiöse Konventionen, mit einem gehörigen Unrechtsbewußtsein gegenüber den staatlichen Vorgängen, oder durch ihr Gewissen daran gehindert werden den Materialismus konsequent auszuleben. Natürlich kann man auch rein formal an der gegenwärtigen materialistischen Mengelisierung und Nazifizierung der Medizin, und den damit verbundenen Verbrechen gegen die Menschlichkeit Anstoß nehmen. Unter juristischem Hinweis auf den Nürnberger Kodex, der hier in so schauerlicher Weise ganz gezielt von der Politik seit vier Jahren gebrochen wurde. Während das bewußte Erleben dieser Ungeheurlichkeiten einer medizinischen Nazifizierung und die Betroffenheit darüber und dessen gesundheitliche Folgen, sich letztendlich doch aus einer mehr unbewußt / instinktiven Einstellung und aus dem persönlichen Gewissen speist. Selbst bei Menschen aus der politischen Corona-Aufklärung und den alternativen Medien, die bisweilen vielleicht als sogenannte «Altlinke» mit Unrechtsbewußtsein ihre Sympathien bisweilen eher dem materialistischen Sozialismus der SPD oder der marxistischen Wagenknecht-Partei spenden würden. Aber als «Träumer», mit denen «Ahriman Ball spielt», um Steiner beim Wort zu nehmen, ebenfalls nicht ahnen, was das konsequenterweise für Folgen hätte, wenn man den dort gepflegen Materialismus und seine Grundlagen wirklich ernst nähme, und wie Jacques Attali in die Zukunft projiziert. Fragt man dann näher nach, dann sind auch «Aufklärer» und «Querdenker» vollkommen außerstande, dem Materialismus argumentativ irgend etwas Substantielles entgegen zu setzen, weil sie das nie gelernt haben. Was übrigens auch für den größten Teil der sogenannten «alternativen» Medien gilt, die sich auf solche Grundfragen so gut wie nie einlassen. So substantiiert das in anderer Hinsicht oft ist, was sie berichten: In der weltanschaulichen Tiefe herrscht auch da bislang und ganz überwiegend noch sehr, sehr wenig Substanz. Man muß das auch nicht als alleiniges Problem eines sogenannten linken politischen Spektrums auffassen, sondern für den vielleicht noch religiös gebundenen politischen Konservatismus auf der anderen Seite gilt dieses Problem ganz analog. Auch wenn sie bei Verbrechen gegen die Menschlichkeit noch wirksame Instanzen haben, die sich dem noch erfolgreich widersetzen, wie etwa beim «Kindsmord bis zum Tag der Geburt». Ohne solche konservativen und Gewissens-Widerstände wäre das wie in Kalifornien oder Minnesota, wo die US-demokratischen Materialisten die Nazis längst überholt haben, auch in Deutschland schon Realität, wenn man den rotgrünen und neoliberalen Materialismus so ungehindert wie dort wirken ließe. - Zur Ergänzung und mehr nebenbei gesagt, war der physiologische Psychologe Theodor Ziehen ein wissenschaftlich kontrastierender Begleiter Steiners nahezu über Steiners gesamtes Wissenschaftsleben hin. Als kontrastierender Begleiter tritt er bereits in der Ausgabe der Philosophie der Freiheit von 1894 auf, damals im vierten Kapitel. Was nur signalisiert, daß Steiner diesen sehr namhaften Zeitgenossen wenn auch kritisch, so doch ausserordentlich ernst nahm als Naturwissenschaftler. Und wenn auch als traumtanzenden, aber eben einflussreichen Naturwissenschaftler. Ziehen steht quasi mustergültig als philosophisch-naturwissenschaftlicher und auch als methodischer Konterpart für die wissenschaftliche Eingangsfrage der Philosophie der Freiheit im ersten Kapitel: „Ist der Mensch in seinem Denken und Handeln ein geistig freies Wesen oder steht er unter dem Zwange einer rein naturgesetzlichen ehernen Notwendigkeit?“ - Ziehens diesbezügliche Schlüsselpassage von 1893, S. 208 f «Unser Handeln ist necessitiert wie unser Denken», die sich 1920 auf S. 532 und öfter immer noch bei ihm findet, steht als exemplarischer Kontrast für Steiners einleitende Problemstellung der Philosophie der Freiheit. Es ist insofern nicht überraschend wenn Ziehen wie oben regelmäßig auch in späteren Vorträgen Steiners behandelt wird. Desgleichen relativ häufig und an wesentlichen Stellen auch in der Schrift Von Seelenrätseln von 1917. Wie der Leser dort auch bemerken wird, wusste Steiner den «Naturwissenschaftler» Ziehen durchaus fachlich zu schätzen, so weit der sich innerhalb seiner berechtigten naturwissenschaftlichen Beobachtungsmöglichkeiten bewegte. Steiners Kritik beginnt vor allem dort, wo Ziehen seine Schlüsse unberechtigterweise überdehnte und auf Problemstellungen und auf Felder ausweitete, die ihm mit seiner Forschung gar nicht zugänglich waren. Das beginnt, wie Steiner dort am Ende des Kapitels Anthropologie und Anthroposophie und an anderen Stellen demonstriert, bereits bei der Logik, die nicht mit anthropologischen Mitteln der Hirnphysiologie betreten werden kann, wie Steiner auf S. 29 ff demonstriert. Ziehen verfasste auch eine eigene Erkenntnistheorie namens Erkenntnistheorie auf psychologischer und physikalischer Grundlage, die 1913 in dritter Auflage im Umfang von mehr als 500 Seiten erschien. Zur Frage des erzwungenen («necessitierten») Denkens und Handelns siehe dort den § 106, S. 456 ff. Die Tatsache des «Erzwungenseins» von Denken und Handeln ist übrigens, wie er dort selbst auf S. 456 f erklärt, «nur eine näherungsweise und aus der Hirnphysiologie erschlossene». Also nicht mehr als eine bloße hirnphysiologische Hypothese, deren Beweiskraft selbst für ihn nicht gesichert ist. - Und bei solchen Voraussetzung auch grundsätzlich gar nicht sein kann, um das von meiner Seite noch anzumerken. Vorangehende Fassungen der Erkenntnistheorie Ziehens, etwa die zweite Auflage Psychophysiologische Erkenntnistheorie von 1907, waren demgegenüber nur wenig länger als 100 Seiten. Bei der innigen und konträren Verbindung zu Steiner wäre es durchaus ein lohnendes historisches Forschungsprojekt, Steiners wissenschaftliches und philosophisches Verhältnis zu Ziehen einmal etwas näher monographisch zu beleuchten. Wozu natürlich auch Ziehens spezielle «Erkenntnistheorie auf psychologischer und physikalischer Grundlage» manchen wertvollen Hinweis auf die grundlgenden Differenzen im Denken der beiden (Steiner und Ziehen) geben kann. Mehr in Einzelheiten und über das hinaus, was hier schon mit Blick auf Steiner und Ziehen behandelt worden ist. - Was aus den bisherigen und den noch nachfolgenden Seiten meiner hier vorliegenden Studie hervorgeht, ist der Umstand, daß den allermeisten heutigen wissenschaftlichen Vetretern und Interpreten der Steinerschen Erkenntniswissenschaft ein solides Verständnis dieser Grundlagen immer noch weitestgehend fehlt. Auch wenn die Interpreten aus dem näheren oder weiteren Umfeld der Anthroposophie stammen. Was nicht ohne Folgen blieb für die politischen Ambitionen vieler Anthroposophen, die sich in den letzten 30 bis 50 Jahren bemerkbar machten. Zu den frühen Gründern der deutschen grünen Partei gehörten seinerzeit neben allerlei einflußreichen und für den Natur- und Umweltschutz engagierten Anthroposophen ebenso viele oder noch weit mehr Marxisten und Materialisten aller Coleur. Neben staatlich organisierten US-amerikanischen Einflußnehmern, die als Steuerinstanzen mit von der Partie waren, wie Jutta Dithfurt als ehemaliger Bundesvorstand der Grünen 2011 im Spiegel-Interview berichtete. Auch der langjährige CDU Abgeordnete Willy Wimmer betrachtete die grüne «Kriegstreiberpartei» (Wimmer) in seinen Büchern (Und immer wieder Verailles, S. 141) und Aufsätzen als „amerikanische Dependance“. Sieht sie lediglich als «Außenstelle der Demokratischen Partei der USA». Als Tarnorganisation für amerikanische Interessen, wie man sie auch von sogenannten Farbenrevolutionen inzwischen kennt. Er versteht sie als klassische und von dort aus gesteuerte «Stellvertreterkönige der USA», die im Auftrag der USA als Partei in Deutschland die amerikanischen Interessen zu vertreten haben. Etwa wie George Friedman das in seiner Chicagoer Rede von 2015 formuliert (hier die entscheidenden Passagen Friedmans auf ca 10 Minuten in deutscher Übersetzung; hier im englische Original ab ca Std. 1): Weil die USA mit ihrer Armee ein ganzes Land nicht besetzen können, so Friedman, benötigen sie wie seinerzeit die Römer «Stellvertreterkönige» um ein Land zu beherrschen. Nichts anderes also sind diese «grünen Stellvertreterkönige», als eine amerikanische und von Amerika aus geführte Partei mit Betätigungsfeld in Deutschland, um die deutschen Vasallen damit zu beherrschen wie seinerzeit die Römer die germanischen Stämme. Eine Tatsache von Vasallenabhängigkeit und -Steuerung, die nicht nur von George Friedman, sondern auch vom namhaften Sicherheitsberater der USA Brzezinski so gesehen wurde, wie jüngst erst wieder von Norbert Häring anläßlich einer diesbezüglich unzutreffenden Fernsehaussage korrigierend festgestellt wurde. Während wiederum, wir hatten weiter oben schon darauf hingewiesen, Goetheanismus und Amerikanismus laut Steiner am 30. Juli 1918 in GA-181, S. 404, «vollkommen unvereinbar sind». Ein größerer ist kaum vorstellbar. Wobei inzwischen auch von anderer Seite, wie etwa dem WEF durch Unterwanderung und Zersetzung der politischen Parteien und des politischen Lebens solche «Stellvertreterkönige» gestellt werden, welche die Interessen dieser Organisationen über die Landesinteressen des jeweiligen Staates erheben, in denen sie wirken. Eine Unterwanderung bis in die Regierungsspitzen, die von WEF Führungspersonen wie Klaus Schwab sogar in aller Öffentlichkeit voller Zufriedenheit und Stolz zugegeben wird. - Was, wie sich inzwischen zunehmend herausgestellt hat, eben nicht nur für die Partei der Grünen gilt, sondern für die meisten «Kriegstreiberparteien», die auch im übrigen «keinerlei deutsche Interessen» mehr vertreten, um mich an Wimmer und Friedman abzulehnen. Das können eben auch Interessen von großen Vermögensverwaltern wie BlackRock sein, oder des Weltwirtschaftsforums / Globalmilliardären, die auch nicht unbedingt mit den Interessen der amerikanischen Bevölkerung respektive Staatsinteressen zusammenfallen, sondern mit denen von mächtigen außerstaatlichen Sondergruppierungen wie WEF - («Young Global Leaders»), NGOs von Soros und ähnlichem. Eine sehr disparate Konstellation von Weltanschauungen und politischen Interessenlagen, die sich damals in der Gründungszeit auch in dieser grünen «Umweltpartei» versammelten. Wo folglich anthroposophische Umweltschützer eine Allianz mit umweltschützenden Marxisten / Materialisten und staatlichen US-Organisationen / Geheimdiensten und Parteien eingingen. Und, - wenn man sich nur die an die USA angelehnte Forderung der rotgrünen Jugend nach einer Abtreibung bis zum Tag der Geburt vor Augen führt, - sich plötzlich in einer Aktionsgemeinschaft mit potentiellen «Verbrechern gegen die Menschlichkeit» wiederfanden, sofern sie denn hellwach waren. Das ist letztendlich die Folge einer sehr engen politischen Gemeinschaft von (geo)politisch reichlich naiven, und (erkenntniswissenschaftlich) vollständig ahnungslosen, aber hoch ehrgeizigen und gestaltungswilligen «Geistbekennern» mit politisch im Umweltschutz engagierten Menschen und Organisationen, denen nichts ferner lag als jede Form von geistgemäßem Natur-, und Menschenverständnis. - Ein sehr intimes politisches Bündnis also von überwiegend unwissenden «Steineranhängern» mit Unvereinbarkeiten, materialistischen Unmenschlichkeiten und vollendeter Geistlosigkeit. Während die erkenntniswissenschaftliche Ahnungslosigkeit solcher Menschen innerhalb der beteiligten «Anthroposophen» sich weitestgehend bis heute erhalten hat. Sie wissen über Steiners wissenschaftliche Begründungen immer noch herzlich wenig bis rein gar nichts, wie wir hier vielfach schon feststellten. Und weil sie dafür wenig Verständnis haben, ist die Flanke für verwirrende und zersetzende Einflüsse von außerhalb auch sperrangelweit offen. Angesichts dieser Verhältnisse ist zu bedenken: Der Terminus «biologische Ethik» kann, wie oben schon gesagt, sowohl als technischer Begriff und ganz neutral im Sinne einer Ethik für den Umgang mit biologischen Systemen / Lebewesen im allgemeinen verstanden werden kann. Denn verantwortungsvoller Umwelt- und Lebensschutz an sich ist ja keine schlechte Sache, sondern eine Lebensnotwendigkeit. Sowohl für Anthroposophen als auch für Materialisten, die um ihre biologische Lebensgrundlage und deren Verständnis im weitesten Sinne bemüht sind. Die «biologische Ethik» wird erst dann zu etwas völlig anderem, folgenreichem und höchst fragwürdig Unmenschlichem, wenn man mit nur materialistisch verwurzelten biologischen und ethischen Begriffen nicht nur an die aussermenschliche Natur, sondern auch an den Menschen selbst herangeht, weil man als Materialist über spezifisch menschliche Kategorien gar nicht verfügt. (Siehe exemplarisch Harari.) Und dann im schlimmsten Fall die massenhafte künstliche Exstirpation der biologischen «Störgröße Mensch» vom Ökosystem «Erde» lediglich als Form des Umweltschutzes begreift. Weil man wie gesagt als biologischer Materialist und Globalingenieur auch gar keine typisch menschlichen Kategorien zur Verfügung hat, um ihn anders zu bewerten als irgend eine andere biologische / systemische Stellgröße. So daß man als materialistischer Öko-, Sozial- und Globaltechniker dann auch beliebig an der Stellgröße «Mensch» drehen kann, und die im Ökosystem «überzähligen» Menschen einfach abräumt, vergiftet, abschießt, verhungern läßt und zu Tode spritzt wie eine überzählige Karnickelpopulation in Australien, bis das «ökologische Gleichgewicht» für den Materialisten wieder stimmt. All solche Unmenschlichkeiten liegen ganz und gar und ausgesprochen konsequent innerhalb der illusionären Logik eines materialistischen Denkens von ahrimanischen Ballspielern und Maschinendenkern, wie sie heute zuhauf das politische Leben der Parteien bevölkern und prägen. Ein Beispiel dafür: Der vom SPD Kanzlerkandidaten Scholz benutzte Ausdruck «Versuchskaninchen» für die unkontrollierte gentherapeutische Massenimpfung / Zwangsinjektion der letzten Jahre ist nur ein Ausdruck dieser Tatsache und dieser menschenverachtenden materialistischen Ideologie, die nur vergleichbar ist mit der nationalsozialistischen Menschenverachtung eines Herrn Mengele. Die ihrerseits, wie Hermann Ploppa in seinem Buch über Hitlers amerikanische Lehrer demonstriert, aber durchaus auch typisch war für die damalige materialistisch / sozialdarwinistische und staatsökonomische Denkweise in Anglo-Amerika. Und von dort her auf den Kriegsverlierer Deutschland übertragen wurde, - als geistiges Erbe der damaligen Sieger des ersten Weltkrieges. Demnächst haben wir dazu den marxistischen WHO-Sozial- und Globalingenenieur Tedros, der dann passenderweise nicht nur für medizinische Fragen, sondern auch für solche des Umweltschutzes zuständig sein wird. Da werden dann noch ganz andere Verheerungen auf der Basis von massiven Lügen und Täuschungen vorstellbar, die sich jetzt bereits, und zumal seit den vergangenen 4 Jahren überdeutlich abzeichnen. Verbrechen gegen die Menschlichkeit müssen solchen Materialisten, wie Herr Harari lebhaft demonstriert, vollkommen unzugängliche juristische und philosophische Entitäten sein, da es so etwas wie Menschenwert, Menschenwürde und Menschenrecht für Leute wie ihn und seinegleichen gar nicht gibt. «Menschenwürde und Menschenrecht sind wie Gott keine biologischen Realitäten, sondern lediglich leere menschliche Geschichten und Fiktionen», meint Herr Harari in seinem Vortrag. Und dafür wird er bei Materialisten jeglicher Coleur sehr viel Zustimmung erhalten. So dass es am Ende und auf der Grundlage einer solchen materialistischen Scheinethik, so muß man vor dem Hintergrund dieser vorgetragenen Vorstellungen folgern, auch einerlei ist, ob man tödliche Massenexperimente mit Tieren oder Menschen anstellt. Und ob man unerwünschte Menschen- oder Tierpopulationen einfach künstlich dezimiert und beseitigt. Im materialistisch- sozialdarwinistischen und -eugenischen Denken und Handeln des 20. Jahrhunderts ist das alles schon dagewesen. Und es wäre wirklichkeitsfremd zu glauben, so eine materialistische Ideologie der Vernichtung verschwinde einfach von selbst. Das Gegenteil ist der Fall, wie man sieht. Anthroposophischer Umweltschutz, der die Natur auch als geistige Entität begreift, sähe natürlich völlig anders aus als das, was uns die rotgrünen materialistischen Umweltschützer derzeit präsentieren, wo inzwischen selbst der angebliche Umweltschutz zunehmend zu einer reinen «Kultur des Todes» geraten ist. In der Frühzeit der Umweltbewegung waren die anthroposophischen Mitstreiter freilich weit entfernt davon, eine stichhaltige Begründung für die von Steiner verstandene «Geist-Natur» vorzulegen, weil ihnen die spezielle Art des Steinerschen Begründungsdenkens weitestgehend unzugänglich war. Was in weiten Teilen heute noch so ist, und folglich in Fragen des Umwelt- und Menschheitsschutzes zu einer Kakophonie an unvereinbaren Überzeugungen und perversen Strategien führen muß. Vor allem führt das zu einer weitgehenden Hilflosigkeit, mit der eigenen spirituellen Überzeugung solide Standpunkte innerhalb dieser verqueren Gemengelage konsistent zu vertreten. Eine materialistische Ethik, die auch den Menschen nur noch als «biologisches System» begreift, und auch keine anderen spezifisch humanen Wertmaßstäbe an ihn anzulegen vermag, wie Herr Attali und ebenso sein intellektueller Compagnon Harari demonstriert, muß zwangsläufig zu solchen katastrophalen Entwicklungen führen. Wer also zunächst in gutem Glauben einer «gutartigen» Umweltschutzpartei anhängt, der findet sich, und falls er wieder aufwacht, unversehens im marxistisch materialistischen Faschismus des Herrn Attali und grünroter Maoisten wieder. Und versteht gar nicht, wenn er die gehörige Wachheit nicht mitbringt, warum er plötzlich innerhalb einer doch wohlmeinenden Umweltpartei bei Verbrechern gegen die Menschlichkeit gelandet ist. Eine Entwicklung, die jetzt seit wenigen Jahren bereits in voller Breite wirksam ist, und uns in Mitteleuropa demnächst auch noch auf einer ganz anderen Skala heimsuchen wird als bislang, wenn die Verhältnisse so weiter laufen, wie es in den vergangenen 4 Jahren schon zu erleben war. Auf solche Zusammenhänge, die sich ganz zwangsläufig aus einer am einseitigen Materialismus orientierten Ethik und Weltauffassung ergeben, weist Steiner in einer Reihe von Vorträgen in Verbindung mit der Philosophie der Freiheit in der GA-78 hin. Aus dem Materialismus ist aber nun einmal nach Steiners Auffassung keine Ethik, keine Menschenwürde, kein Menschenrecht, keine Verantwortlichkeit und auch keine individuelle oder politische Freiheit abzuleiten. Wie auch das Wesenseigentümliche der «Erkenntnis» sich ganz grundsätzlich nicht aus dem Materialismus herauszaubern läßt. Während dem gegenüber allein in Deutschland die Freiheit, das Menschrecht und die Würde des Menschen inzwischen bereits von vier marxistisch / materialistisch orientierten Parteien, einschließlich einer inzwischen unter der zwanzigjährigen marxistischen Merkelzersetzung sozialistisch konvertierten, angeblichen «Christenpartei» im Bundestag, und damit von einer deutlichen materialistischen Block-Mehrheit in die Zange genommen wird. - Die weiteren Folgen davon für die Würde, das Recht und die politische Freiheit des Menschen liegen auf der Hand und sind leicht absehbar. - So kann man heute auch folgende verblüffenden Tatsachen beobachten: Einerseits, dass Steiners Warnung vor einer «Impfung gegen den Geist», die er 1917 in einem Dornacher Vortrag vom 07. Oktober in der GA-177, S. 97 aussprach, inzwischen Gegenstand einer eigenen Recherche geworden ist. Übrigens wurde die Warnung Steiners in diesem Vortrag unter kritischem Hinweis auf den ersten Eugenikerkongress von 1912 ausgesprochen, den und dessen «Eugeniker-Hohlköpfe» (Steiner) er ausführlicher auch auf S. 90 ff behandelt. Wie überhaupt der ganze Vortrag charakteristisch dafür ist, was Steiner vom «materialistischen Eugeniker-Unfug» dieser Zeit hielt. So heißt es etwa bei Rudolf Steiner ab S. 97: „Wie damals auf jenem Konzil in Konstantinopel der Geist abgeschafft worden ist, das heißt wie man dogmatisch bestimmt hat: Der Mensch besteht nur aus Leib und Seele, von einem Geist zu sprechen ist ketzerisch -, so wird man in einer andern Form anstreben, die Seele abzuschaffen, das Seelenleben. Und die Zeit wird kommen, vielleicht gar nicht in so ferner Zukunft, wo sich auf solch einem Kongreß wie dem, welcher 1912 stattgefunden hat, noch ganz anderes entwickeln wird, wo noch ganz andere Tendenzen auftreten werden, wo man sagen wird: Es ist schon krankhaft beim Menschen, wenn er überhaupt an Geist und Seele denkt. Gesund sind nur diejenigen Menschen, die überhaupt nur vom Leibe reden. - Man wird es als ein Krankheitssymptom ansehen, wenn der Mensch sich so entwickelt, daß er auf den Begriff kommen kann: Es gibt einen Geist oder eine Seele. - Das werden kranke Menschen sein. Und man wird finden - da können Sie ganz sicher sein - das entsprechende Arzneimittel, durch das man wirken wird. Damals schaffte man den Geist ab. Die Seele wird man abschaffen durch ein Arzneimittel. Man wird aus einer «gesunden Anschauung» heraus einen Impfstoff finden, durch den der Organismus so bearbeitet wird in möglichst früher Jugend, möglichst gleich bei der Geburt, daß dieser menschliche Leib nicht zu dem Gedanken kommt: Es gibt eine Seele und einen Geist. - So scharf werden sich die beiden Weltanschauungsströmungen gegenübertreten. Die eine wird nachzudenken haben, wie Begriffe und Vorstellungen auszubilden sind, damit sie der realen Wirklichkeit, der Geist- und Seelenwirklichkeit gewachsen sind. Die andern, die Nachfolger der heutigen Materialisten, werden den Impfstoff suchen, der den Körper «gesund» macht, das heißt so macht, daß dieser Körper durch seine Konstitution nicht mehr von solch albernen Dingen redet wie von Seele und Geist, sondern «gesund» redet von den Kräften, die in Maschinen und Chemie leben, die im Weltennebel Planeten und Sonnen konstituieren. Das wird man durch körperliche Prozeduren herbeiführen. Den materialistischen Medizinern wird man es übergeben, die Seelen auszutreiben aus der Menschheit.“ Analoge Aussagen zu einer «Impfung gegen den Geist» gibt es von Steiner häufiger, und nicht nur in diesem einen durch die damalige Eugenik geprägten Zusammenhang. Siehe exemplarisch dazu etwa auch GA-178, S. 89 f: „Es wird die Sehnsucht entstehen, daß allgemeines Urteil wird: Das Spirituelle, das Geistige ist Narretei, ist Wahnsinn! - Das wird man dadurch zu erreichen versuchen, daß man dagegen Impfmittel herausbringt, dass man, so wie man auf Impfmittel gekommen ist zum Schutz gegen Krankheiten, nun auf gewisse Impfmittel kommt, die den menschlichen Leib so beeinflussen, daß er den spirituellen Neigungen der Seele keine Wohnung gewährt. Man wird die Menschen gegen die Anlage für geistige Ideen impfen. Das wird man wenigstens anstreben: man wird Impfmittel versuchen, so daß die Menschen schon in der Kindheit den Drang zum geistigen Leben verlieren.“ Ausgesprochen von Steiner am 6. November 1917 in Zürich in einem Vortrag, wo es noch um ganze andere Machinationen dieser Art geht. - Gut möglich also, daß solche Impfungen gegen den Geist dann vom marxistischen Leiter der WHO angeordnet werden, der jetzt schon den Corona-Impfgegnern ganz unverholen droht. Das ist inzwischen die sich zunehmend verschärfende materialistische Realität. Man kann nun also beobachten, dass die Warnung Steiners vor einer «Impfung gegen den Geist» inzwischen ihren Weg bis in einen Reese-Report vom Mai 2024 gefunden hat; (derselbe Titel auch bei Bitchute: Die Zerstörung unserer Verbindung zu Gott mit Gene-Editing-Injektionen; The Reese Report – Deutsch). Wo man im Report mit investigativen Mitteln versuchte, anhand einer Rekonstruktion der faktischen genomverändernden Forschung nachzuzeichnen, dass es tatsächlich zu dem gekommen sei, wovor Steiner warnte. - Auf der anderen Seite, und das ist wohl ebenso verblüffend, haben wir inzwischen eine von einem Marxisten geführte materialistische WHO, die exakt solche gentechnischen Veränderungen per Impfung des Menschen plant respektive deren experimentelle Anwendung an den menschlichen «Versuchskaninchen» befürwortet, und diese für alle verbindlich machen will. Ein Marxist (Tedros) an der Spitze, der den Impfgegnern unter den «Versuchskaninchen» inzwischen auch ganz unverfroren droht. Wobei er sich auf die Unterstützung von Attalis Schützling Macron voll verlassen kann. (Siehe auch hier.) Attalis und Macrons Frankreich ist auf dem Weg in den pharmazeutischen Mengele-Faschismus sichtbar schon um einiges weiter als der Rest der EU, und untersagt bei Strafe sogar die Kritik an den mRNA-Impfungen. Womit sich die Regierung Macrons faktisch selbst einen rückwirkenden Persilschein für die erzwungenen, kollektiven und mörderischen mRNA-Zwangsinjektionen der Vorjahre ausgestellt hat. In Deutschland unterdessen, - wo sogar dem damaligen Kanzlerkandidaten Scholz bekannt war, dass die Geimpften nichts anderes waren als «Versuchskaninchen», - waren es vor allem die «freiheitlichen» und «brüderlichen» Rotgrünen, welche mit hervorstechender Unerbittlichkeit, Geschlossenheit und mit mengeleschem Eifer im Bundestag den gesundheitlichen Totalschaden einer Zwangsimpfung für alle - (hier das Bundestagsprotokoll dazu) - mit unbekannten experimentellen Gentherapien forderten. Und im Anschluß, und angesichts des angerichteten kolossalen Schadens, aus verständlichen Gründen als Täter, und «glücklicherweise» auch als Richter in eigener Sache, ebenso unerbittlich die entschiedene Aufklärung um diese kriminellen / nazistischen und menschenverachtenden Vorgänge und die Entschädigung der Betroffenen mit windigen Argumenten ablehnten. Während die materialistisch geprägte Weltorganisation von «hohlköpfigen Eugenikern und Materialisten» um den Marxisten Tedros, um die Sachlage einmal mit Steiners anthroposophischer Beurteilung von 1917 zu kontrastieren, nun wiederum unter dem Stichwort «One Health» von anthroposophischen Medizinern des Goetheanums, nun ja: «regelrecht hofiert» wird, wie wir oben auf S. 284 dargelegt haben. Womit der materialistische und menschenverachtende medizinische Irrsinn auch auf «anthroposophischer» Seite regelrecht auf die Spitze getrieben wird, wie es zuvor schon bei der engen Kooperation mit den geistfernen und menschenverachtenden grünen «Umweltschützern» der Fall war. Im Reese-Report bildet Steiners Hinweis auf die «Impfung gegen den Geist» nur einen Ankerpunkt für die weitere Recherche. Ob die Autoren dieses Reports mehr von Steiners Hintergründen verstehen, geht aus dem Bericht nicht hervor. Deutlich ist allerdings, dass sie mit diesem Hinweis Steiners im Rahmen seiner kritischen Stellungnahme zur materialistischen Eugenik, eine sehr auskunftsreiche Quelle aufgetan haben. Denn die von ihnen gezogenen Parallelen zur eugenischen Entwicklung der Gegenwart liegen auf der Hand. Der Report ist kritisch angebunden an die gentechnischen Manipultionen der Impfkampagnen der vergangenen Jahre, und zeigt insofern, dass bei den Verfassern des Berichts doch ein Bewußtsein vorhanden ist für die Zielrichtung des derzeitigen materialistischen Globalismus, und so weit er mit pharmazeutischen und medizinischen Methoden die menschliche Entgeistigung und Entseelung vorantreibt. Zum Beispiel, indem er daran geht, mit genetischen Veränderungen der Hirnfunktion dahingehend Einfluß zu nehmen, daß dort spezifische Denkvorgänge über Geist und Spiritualität nicht mehr stattfinden können. Was eben nur heißen kann, dass man die Menschheit durch diese Art von Biowaffen / Gentherapeutika ganz gezielt, und demnächst orchestriert durch einen marxistisch-materialistischen WHO-Putsch von oben, gewaltsam künstlich verblödet und animalisiert. Um im vorliegenden Fall nur diese eine Seite des globalistischen medizinischen Faschismus anzudeuten. Dessen weitere Dimensionen mindestens ebenso schauerlich sind, wenn nicht noch viel mehr. Wobei die «künstliche Verblödung und Animalisierung» des Menschen im einfachsten medizinischen Fall darauf beruht, ihm mit gentechnischen oder anderen in den Organismus verbrachten Mitteln zwecks funktionaler Störung, die Fähigkeit des rein begrifflichen / logischen Denkens zu nehmen, und damit auch die Selbststeuerungsfähigkeit. So dass er zunehmend nur von dem gelenkt wird, was von Aussen auf ihn einwirkt: Stichwort «Rudelbewusstsein». Und / oder was ungesteuert aus seiner animalisch / unbewußten Triebsphäre stammt. Denn das Spirituelle setzt am reinen, erkennenden Denken an. Oder um Steiner im Vortrag von 1921 in GA-255b S. 300 zu folgen: An dem, wo er „...durch nichts anderes als durch die Motive des Denkens selbst bestimmt wird …“. Die Menschen werden also mit medizinischen Mitteln buchstäblich um ihren Verstand und die Selbststeuerung gebracht. Denn das reine / begriffliche Denken ist die Voraussetzung für jede spirituelle Gedankenbildung und die menschliche Selbststeuerung. Und sofern dessen Abschaffung mit gentechnischen Manipulationen geschieht, die auch genetische Veränderungen zur Folge haben, wie sie sich jetzt bei den mRNA – Manipulationen nachweislich schon abzeichnen, kann man auch davon ausgehen, dass hier sogar eine vererbbare Verblödung und Vertierung des Menschen herangezüchtet wird. Womit Lenins Traum von der Züchtung des neuen Menschen medizinisch in Erfüllung gehen wird. Auf einem Wege, der im Falle des Kleinkindes, wie von Steiner im Eugenik-Vortrag angedeutet, die naturgegebenen Reifungsvorgänge des frühkindlichen Gehirns unterbindet und in künstliche Bahnen lenkt. - Es wäre vor diesem Hintergrund die Frage zu stellen, warum die mRNA-Manipulationen bei Schwangeren, obwohl deren ungeheures Schadenspotential bei gleichzeitiger epidemiologischer Nutzlosigkeit inzwischen feststeht, nach wie vor empfohlen wird. Stand Mai 2024. Siehe dazu hier und hier. Indes die dazu parallelen Entgleisungen, Entseelungen und Entgeistigungen innerhalb der anthoposophischen Bewegung wie bei den Medizinern überhaupt nur möglich sind angesichts der Tatsache, dass bei den naturwissenschaftlich geprägten Fachleuten aus der Umgebung der Anthroposophie keinerlei Verständnis für das Verhältnis von Steiners Anthroposophie zur Naturwissenschaft vorliegt. Vor allem kaum Verständnis für die erkenntniswissenschaftlichen Begründungen Steiners. Was wir bereits an anderer Stelle unter anderem ab S. 1026; desgleichen ebd, S. 847 ff ausführlicher beleuchtet haben. Interpreten wiederum wie Christian Clement offenbaren ebenfalls nicht die leiseste Vorstellung darüber, was Steiners Freiheitsphilosophie mit den Naturwissenschaften überhaupt zu tun haben könnte. Obwohl Steiner das schon gleich im ersten Satz des ersten Kapitels der Philosophie der Freiheit ankündigt. - Bei Sparbys Hegelphantasien zur Steinerschen Freiheitsphilosophie braucht man zu diesem Thema gar nicht weiter nachfragen, denn da ist bislang ebenfalls Hopfen und Malz verloren. - Man darf hinzufügen: Das in einer Zeit, in welcher der materialistische Faschismus der Globalisten die freiheitlichen Zivilisationen Europas und möglichst weltweit niederwalzt. In dieser Zeit fällt den freiheitsphilosophischen Interpreten Steiners zu diesem Thema rein gar nichts ein. Obwohl Steiners Begründungswerk voll von dieser empirischen Auseinandersetzung mit dem Materialismus ist. 56. Rezeptionsprobleme bei Christian Clement und Terje Sparby Den Vorwurf, der Reinkarnationsgedanke widerspreche dem Freiheitsprinzip, hat Steiner stets zurückgewiesen. Unter anderem mit dem Hinweis: Wer sich ein Haus baut, und darin wohnt, der ist den baulichen Beschränkungen seines eigenen Planens und Handelns dann zwar unterworfen, aber nicht unfrei. Übertragen auf die Reinkarnation: Er schafft sich durch sein Handeln im Leben nur die Voraussetzungen für künftige Lebensräume, die ihn infolge der karmischen Notwendigkeiten in den neuerlichen Lebensverhältnissen in dem Umfang einschränken, den er vorher selbst «geplant» und «geschaffen» hat. Eingeschränkt ist er dann zwar gemäß dieser Planung und ihren karmischen Folgen, aber keineswegs dadurch in jeder Hinsicht unfrei. Besser: keineswegs vollständig determiniert durch diese Verhältnisse, deren Ursachen er selbst gelegt hat. Also ist das kein karmisches Analogon zum religiösen Fatalismus, bei dem ausnahmslos alles durch göttliche Mächte vorherbestimmt wäre. Im Denken / Erkennen schon gar nicht. Das letztere aber ist wiederum die Kardinalinstanz für die menschliche Freiheit. Denn die menschliche Freiheit basiert auf der Freiheit des intuitiven / erkennenden Denkens. Das ist die eigentliche und ursprüngliche Quelle der menschlichen Freiheit. Eine andere Quelle dafür gibt es laut Steiner nicht. Wozu wir gleich noch einmal kommen werden. (Einen ausführlichen Vortrag zur Frage Freiheit und karmische Notwendigkeit finden Sie in GA-235, S. 49 ff; Dornach, 23. Feburar 1924. Alternativ auch hier.) Das Weitere kann ich hier nicht in allen Einzelheiten betrachten, sondern nur Grundsätzliches dazu besprechen: Bereits in Clements Grundpräsentation dieser angeblichen «Aporie der Freiheit» fehlen die elementarsten Bestandsstücke, die Steiner mit dem freien Denken und Handeln verknüpft: Nämlich die Begründung der Freiheit im intuitiven / intuitiv erlebten Denken, in der jede Form von Freiheit wiederum wurzelt. Wo die Aktivität des Denkens unmittelbar als Tatsache auch erlebt und nicht bloß von philosophischen Quellen entlehnt ist. Darauf haben wir weiter oben bereits im Zusammenhang mit der Voraussetzungslosigkeit hingewiesen. Während Clement auf S. XXVIII f seiner Einleitung zur SKA 2 nur wenig aussagekräftige Sentenzen vorlegt, aber bis zu diesem Kern von Steiners freiheitsphilosophischer Begründung gar nicht erst vordringt, sondern weit entfernt davon ist. Es existieren bei Clement keine Stellenkommentare zu jenen Zusätzen von 1918 im Kapitel Die Konsequenzen des Monismus, welche das dort thematisierte «intuitive / intuitiv erlebte Denken» und Steiners letztendliche Begründung der Freiheit in der sich selbst tragenden Wesenheit des intuitiven Denkens (hier S. 179 ff) aufnehmen würden. Clements Kommentare sind zu dieser Frage bei beiden Zusätzen von 1918 vollständig leer. Er thematisiert das alles nicht, was dort von über das intuitive / intuitiv erlebte Denken und die Begründung der Freiheit in diesem Denken gesagt wurde. Steiners Begründung der Freiheit ist ihm also vollkommen fern. (Ebenso wie nachfolgend Sparby.) Auf dieser fragwürdigen Basis glaubt Clement nun Aporien in Steiners Freiheitsauffassung ausmachen zu können. Dazu aber fehlt ihm das Grundlagenverständnis. Also sollte er der Sache doch erst einmal auf den Grund gehen, um Steiners Freiheitsauffassung überhaupt zu verstehen, bevor er Unverstandenes vergleicht, und auf diesem Wege zu möglicherweise irrealen Aporie-Resultaten kommt, welche lediglich dieser seiner Unkenntnis geschuldet sind. Das wäre mein ernstlich wohlmeinender Vorschlag dazu. Denn auch im übrigen triefen Clements Kommentare wie die Einleitung von Halbwahrheiten und schlichter Unkenntnis, was sich hier nicht in Einzelheiten auflisten läßt. Einiges und sehr Entscheidendes dazu werden wir unten im Zusammenhang mit Steiners Grundlinien und der SKA1 vorbringen. Bei Sparby wiederum und seinem Hilfsangebot zu Clements «Aporien» via Hegel sieht die Sache mit dem Steinerverständnis noch viel düsterer aus als bei Clement, der das Buch ja wenigstens gelesen zu haben scheint. Ein Eindruck, den man von seinem Helfer Sparby nicht hat. Daß er ebenfalls nicht auf den Gedanken verfällt, vielleicht erst einmal Steiners Freiheitsbegriff zu klären, bevor man illusionäre Aporien darin behauptet und mit vollkommen untauglichen Mitteln scheinbar heilt, ist die zwangsläufige Folge seiner eigenen Unwissenheit hinsichtlich Steiners Freiheitsbegründung und auch sonst nicht vorhandener Kenntnis von Steiners restlichen Begründungsschriften. Im folgenden möchte ich lediglich noch auf einige fundamentale Mängel hinweisen, die sowohl Sparbys Hegelvergleich in seiner Abhandlung, und Clements Behauptung von der «Freiheits – Aporie» auszeichnen. Die Mängel bestehen wie gesagt im vollständigen Fehlen der Steinerschen Erkenntnisgrundlagen zur Freiheitsphilosophie. Das sowohl bei Sparby mit seinem Heilungsangebot via Hegel, wie auch bei Clement mit seiner Aporie-Behauptung. Clement hat zwar leider Recht mit seiner Bemerkung in der späteren Einleitung zur SKA1, S. XXI ff, daß kaum anthroposophische Grundlagenforschung existiert. Dem kann ich mich innnerhalb gewisser Grenzen nur anschließen. «Innerhalb gewisser Grenzen», weil es nämlich durchaus brauchbare Grundlagenforschung zu Steiner und dessen Erkenntniswissenschaft gibt. Nur gehört die nicht zu jenem akademischen «Mainstream», der hier eine so trostlose Vorstellung inszeniert. - Ein Beispiel für niveauvolle und zielführende Grundlagenforschung finden Sie etwa im Buch von Malte Diekmann und Johann Michael Ginther mit dem Titel: Die Erkenntnis-Auffassung bei Rudolf Steiner und Christoph Lindenberg, Sammatz 2008. (Falls Sie es nicht mehr bekommen sollten, dann wenden Sie sich bitte an den Verlag direkt.) Dort wird Steiners Erkenntnisbegriff sehr ausführlich und anspruchsvoll mit den entsprechenden Interpretationen Christoph Lindenbergs kritisch auf annähernd 300 Seiten verglichen. Und zwar in einer Sorgfalt, von der die hier momentan behandelte Sekundärliteratur weit entfernt ist. Doch nicht nur wegen seiner Gründlichkeit kann man das nur weiter empfehlen, sondern auch, weil es in mancher anderen Hinsicht, etwa zu Fragen der reinen Wahrnehmung und Steiners «Seelenumschwung» in der eigenen sinnlichen Wahrnehmung, den er in seinem Lebensgang, GA-28 auf Kap. XXII, S. 316 ff beschreibt, ausgesprochen erhellend ist. Desgleichen mit Blick auf das, was wir weiter oben im Kapitel 47. auf derzeit S. 281 ff zu Steiners Zyklus Grenzen der Naturerkenntnis GA-322, S. 113 ff und dessen Verbindung zu Steiners Begriff der «reinen Erfahrung» kurz betrachtet haben. Zu dieser Frage legen Ginther und Diekmann in ihrem Buch sehr wertvolle und zielführende Hinweise vor. Das dort Behandelte ist um Größenordnungen solider und für das Verständnis brauchbarer, als das, was uns im hier im Umfeld des akademischen Mainstreams der SKA zu Steiners Grundlagen derzeit an Abwegigem geboten wird. - Deswegen wäre es für die Forschung überaus hilfreich und in meinen Augen auch sehr dringlich, wenn Ginther und Diekmann ihr Buch auch in einer digitalen Variante, meinetwegen als e-book im Internet zugänglich machen, damit es viel mehr Verbreitung findet. Darauf nämlich kommt es in Zeiten wie den unsrigen an, daß wirklich fruchtbare Forschung nicht verstaubt, sondern auch ihren Adressaten in hinreichender Zahl erreicht. Denn wie lange letzteres heute und in näherer Zukunft überhaupt noch möglich ist, das ist schon sehr die Frage. Da ist also Konsequenz und entsprechendes Zeitmanagement gefragt. Denn so, wie es sich derzeit anbahnt, könnte das Forschungs-Fenster zum Geist vielleicht schneller geschlossen sein als mancher erwartet. Die Möglichkeit jedenfalls besteht. Der «Mangel an Grundlagenforschung» gilt indessen laut schätzenswerter Eigenaussage vor allem auch für Clement selbst. Bereits seine Behauptung dort von S. XXI, daß «Goethes und Fichtes Gedanken gewissermaßen die ersten Gefäße waren, in welche Steiner seine eigenen Anschauungen und Erlebnisse zu gießen versuchte», sind nicht mehr als halbe oder gar nur Viertelwahrheiten, wenn man sich Steiners Grundwerke wirklich näher anschaut. Während die ganze erkenntnistheoretische Konzeption Steiners, die in Anlehnung an Johannes Volkelt, auf der seelischen Beobachtung und reiner Erfahrung aufbaute, bei Clement komplett unter den Tisch fällt. Wie sich insbesondere und geradezu schlagend wieder in der SKA1 offenbart. Dazu weiter unten. Und studieren Sie, lieber Leser, einmal Steiners Frühschriften darauf hin, wie weit Fichte, an dem Steiner in diesen Frühschriften kaum ein gutes Haar ließ, «das Gefäß war, in das Steiner seine Gedanken zu gießen versuchte». So ein Gefäß konnte Fichte gar nicht sein. Denn auch Fichte fehlte wie Hegel das erkenntnistheoretische Fundament. Deswegen auch «schrieb Steiner Fichte um», wie wir oben im Kapitel von S. 153 ff sahen. Dasselbe gilt in grundsätzlicher Beziehung für Goethe, der ohne Fundament dastand. Weswegen Steiner sich auch von Goethe ebenso unabhängig machte wie von all den anderen Idealisten, «die ohne Fundament dastanden». Auch dazu weiter unten mehr. Man muß die Tatsachen wirklich schon ganz massiv verbiegen, um ein «Fichtesches Gefäß» zu sehen. Und solches in dieser Einseitigkeit mit Clement zu behaupten. Wovon auch unten bei Behandlung Clements noch die Rede sein wird. Um die Tätigkeit des eigenen Denkens wiederum zu erleben, dazu benötige ich weder Fichte noch Hegel noch Schelling. Spannend vor dem Hintergrund der Weltvorgänge wird die Angelegenheit zudem erst, wenn ich empirisch orientierte Fragen an die erlebte Denktätigkeit richte. Darauf aber legte Steiner Wert mit seiner gegenüber Eduard von Hartmann im Brief Nr. 400 geforderten «Wirklichkeit der Idee». Diese Forderung nach Realität / Wirklichkeit ist zugleich geknüpft, insbesondere in Wahrheit und Wissenschaft, an die der erkenntniswissenschaftlichen Voraussetzungslosigkeit, wie wir weiter oben auf den Seiten 223 ff und 228 ff dargetan haben. Nur so lassen sich erkenntniswissenschaftliche Fundamente errichten. Deswegen auch geht Steiner, wie Volkelt das 1918 auf S. 38 ff nannte, «immanent-psychologisch» / seelisch beobachtend vor, und nicht dialektisch wie Hegel. Zudem hätten bei beiden (Clement und Sparby) bei so einem behaupteten «Aporie-Problem» respektive dem nachfolgenden «problemlösenden» Vergleich mit Hegel bei Sparby, schon die Warnlampen leuchten müssen anläßlich Steiners Bemerkung aus Wahrheit und Wissenschaft (Vorrede 1892 / 93, S. 4) über die fehlenden Grundlagen bei seinen idealistischen Vorläufern. Da fragt also der Taube (Clement) den Blinden (Sparby) was der sieht, um die behauptete Aporie des Gehörlosen abzuklären. Das ist hoffnungslos. Nun ist Sparby, der über Hegel promoviert hat, mit Hegel sicherlich einigermaßen gut bekannt. Das gibt seiner Studie zwar einen gewissen akademischen Glanz, nützt zur Beurteilung von Steiners Freiheitsphilosophie aber rein gar nichts, wenn er diese nicht kennt, und es ihm daher an vergleichbar solider Kenntnis der Steinerschen Grundlagen weitestgehend mangelt. Über die liegt bei Sparby nichts Solides vor, wie sich schon seinem Artikel ablesen läßt. Da fehlt vollständig jede ernst zu nehmende Grundlagenforschung zu Steiner. – Wie gesagt hat Clement darin Recht mit seinem Fazit einer ungenügenden Forschung dazu, die er in seiner Einleitung zur SKA 1 generalisiert. Das wiederum gilt nicht nur für Clement, sondern für Sparby gleichermaßen. Ganz schlechte Voraussetzungen für einen freiheitsphilosophischen Vergleich Steiners mit Hegel. Was soll man denn da vergleichen, wenn man die eine Seite gar nicht kennt? Daß den Akademikern die Unsinnigkeit so eines Vorhabens heute nicht einmal mehr auffällt, läßt wiederum tief blicken. Um diese Lage etwas humoristisch zu fassen: Ein bekanntes Hammer-Nagel-Problem besteht darin, dass jemand nur mit einem Hammer als Werkzeug bewaffnet in der Welt herumgeht, und, mit diesem Allzweckhilfsmittel ausgestattet, in sämtlichen Problemen nur Nägel erblickt, die er mit diesem einen Hammer «bewältigen» kann. Weil er eben nur einen Hammer hat. Will sagen: Sparby bearbeitet jetzt mit «Hegels Hammer» Clements «Scheinproblem der Freiheit», weil alle beide keine Vorstellung davon haben, wie Steiner das Freiheitsproblem eigentlich löst, und worauf diese Lösung basiert, da sie beide an Steiners Grundlagen nie ein wirkliches Interesse hatten. Sparby noch weit weniger als Clement. Was aber insoweit auch für Clements angebliche Freiheits-Aporie bei Steiner gilt, die er in der Einleitung zur SKA 2 gesichtet haben will. Mit Hegel als Hammer freilich läßt sich Steiners empirischer Weg zur Freiheit, der zugleich der empirische Weg zur Idee ist, nicht bewältigen, weil Hegel solche empirischen Wege nie beschritt. Weder zur Freiheit noch zur Idee, worauf Steiner wiederholt selbst hinweist, wie wir zeigten. Man muß demzufolge bei Unsicherheiten über den Geltungsbereich von Steiners Freiheitsbegriff, sich zunächst einmal den empirischen Weg anschauen, den Steiner zur Lösung der Freiheitsfrage beschritt. Erst danach kann man sachlich begründet beurteilen, wo der Geltungshorizont seines Freiheitsbegriffes liegt. Es gibt einen bezeichnenden Hinweis auch in der SKA 2, die ja neben der Philosophie der Freiheit auch Steiners Schrift Wahrheit und Wissenschaft enthält. Da ist es sehr aufschlußreich, wenn bei Clement zu einer entscheidenden Passage der Vorrede zu Wahrheit und Wissenschaft keinerlei Kommentar erscheint. (SKA2, S. 12; oder alternativ in der GA-3, S. 4) Und zwar lautet die Passage in Steiners Vorrede, hier in der SKA-2, und hier GA-3, S. 4: „Die zeitlich an ihn [Kant, MM] anknüpfende deutsche Philosophie entwickelte sich daher überall im Gegensatz zu Kant. Fichte, Schelling, Hegel kümmerten sich nicht weiter um die von ihrem Vorgänger abgesteckten Grenzen unseres Erkennens und suchten die Urprinzipien der Dinge innerhalb des Diesseits der menschlichen Vernunft. Selbst Schopenhauer, der doch behauptet, die Resultate der Kantschen Vernunftkritik seien ewig unumstößliche Wahrheiten, kann nicht umhin, von denen seines Meisters abweichende Wege zur Erkenntnis der letzten Weltursachen einzuschlagen. Das Verhängnis dieser Denker war, daß sie Erkenntnisse der höchsten Wahrheiten suchten, ohne für solches Beginnen durch eine Untersuchung der Natur des Erkennens selbst den Grund gelegt zu haben. Die stolzen Gedankengebäude Fichtes, Schellings und Hegels stehen daher ohne Fundament da. Der Mangel eines solchen wirkte aber auch schädigend auf die Gedankengänge der Philosophen. Ohne Kenntnis der Bedeutung der [..] reinen Ideenwelt und ihrer Beziehung zum Gebiet der Sinneswahnehmung bauten dieselben Irrtum auf Irrtum, Einseitigkeit auf Einseitigkeit. Kein Wunder, daß die allzukühnen Systeme den Stürmen einer philosophiefeindlichen Zeit nicht zu trotzen vermochten, und viel Gutes, das sie enthielten, mit dem Schlechten erbarmungslos hinweggeweht worden ist.“ - Das schreibt Steiner in Wahrheit und Wissenschaft, einer Frühschrift, in der er sich ausdrücklich auch von Goethe unabhängig erklärt hat. Eine Schrift übrigens auch, die er 1917 in der Schrift Von Seelenrätseln auf S. 58 f als «grundlegend für seine ganze Weltanschauung» bezeichnet. Alle stehen sie als Idealisten ohne erkenntniswissenschaftliche Grundlagen da. Auch Fichte und Hegel stehen so da! „Das Verhängnis dieser Denker war, daß sie Erkenntnisse der höchsten Wahrheiten suchten, ohne für solches Beginnen durch eine Untersuchung der Natur des Erkennens selbst den Grund gelegt zu haben.“ So lautet Steiners Resümee über die eigentlich hoch geschätzten Idealisten dieser Zeit. Zu denen auch Hegel und Fichte gehörten. Aber neben Hegel und Fichte stehen auch Christian Clement und Terje Sparby als verstehen wollende Bearbeiter von Steiners Werk vollständig ohne solche Grundlagen da. Denn nur über das Verständnis dieser Grundlagen läßt sich ein sinnhaltiger Vergleich mit Hegel und anderen Idealisten anstellen, die ihrerseits, - ohne die entprechenden Grundlagen und Grundlegungsintentionen, - vollständig anders in ihrer Philosophie vorgehen als Steiner. Während Steiner diesem Mangel mit seiner Erkenntniswissenschaft erklärtermaßen abhelfen will. Bezeichnenderweise auch schon vorausdeutend in Wahrheit und Wissenschaft auf die unmittelbar nachfolgende Philosophie der Freiheit. Das müßte eigentlich jedem einleuchten. Das kann man mit Blick auf Sparby und Clement jetzt noch etwas weiter durchdeklinieren: Auch diese beiden stehen ohne Steiners Grundlagen da. Von Steiners Grundlagen schreibt nämlich keiner von beiden etwas Vertiefendes oder Brauchbares, da sie kaum oder gar nichts dazu verstehen bzw wissen. Was hier nicht aus dem blauen Dunst behauptet ist, sondern was wir bei Clement unten noch anhand von Steiners Grundlinien… näher und exemplarisch vertiefen werden. Es ist wirklich nichts vorhanden. Und schon gar nichts wissen sie beide darüber, dass, wie, und warum die Freiheitsgrundlagen Steiners im intuitiv erlebten / erkennenden Denken wurzeln. Und zwar die Grundlage jeder Freiheit. Was Steiner bereits 1886 im Sendschreiben an die Dichterin delle Grazie darlegte. (GA-30, Dornach 1989, S. 238 f) - «Ein erkennendes Wesen» respektive «ein sich selbst erkennendes Wesen kann nicht unfrei sein.» Das gab Steiner der Dichterin damals schon mit auf den Weg: Die Wurzel der menschlichen Freiheit liegt in der Eigenart des menschlichen Erkennens. - Wir haben über die Freiheitswurzel im intuitiv erlebten Denken oben im Zusammenhang mit Christoph Schrempf auf den Seiten S. 239 ff schon gesprochen. Ich will hier nur noch einmal Steiners Kennzeichnung dessen in den Zusätzen von 1918 anfügen. Näheres dazu finden Sie auch im obigen Schrempf-Exkurs, S. 241 ff. Dasselbe, - wie 1886 gegenüber der Dichterin delle Grazie schon im Grundsatz Ausgesprochene, - lesen wir dann mehr als dreißig Jahre später in den Zusätzen zur Neuauflage der Philosophie der Freiheit, in der Ausgabe von 1918. Über den Zusammenhang «Freiheit der Handlung» und «Freiheit des erkennenden / intuitiven Denkens» schreibt Steiner in der Philosophie der Freiheit, im 1. Zusatz des Kapitels Die Konsequenzen des Monismus, (hier S. 179 f): „Dazu war notwendig, aus dem Gesamtgebiete des menschlichen Handelns diejenigen Teile auszusondern, denen gegenüber bei unbefangener Selbstbeobachtung von Freiheit gesprochen werden kann. Es sind diejenigen Handlungen, die sich als Verwirklichungen ideeller Intuitionen darstellen. Andere Handlungen wird kein unbefangenes Betrachten als freie ansprechen. Aber der Mensch wird eben bei unbefangener Selbstbeobachtung sich für veranlagt halten müssen zum Fortschreiten auf der Bahn nach ethischen Intuitionen und deren Verwirklichung. Diese unbefangene Beobachtung des ethischen Wesens des Menschen kann aber für sich keine letzte Entscheidung über die Freiheit bringen. Denn wäre das intuitive Denken selbst aus irgendeiner andern Wesenheit entspringend, wäre seine Wesenheit nicht eine auf sich selbst ruhende, so erwiese sich das aus dem Ethischen fließende Freiheitsbewußtsein als ein Scheingebilde. Aber der zweite Teil dieses Buches findet seine naturgemäße Stütze in dem ersten. Dieser stellt das intuitive Denken als erlebte innere Geistbetätigung des Menschen hin. Diese Wesenheit des Denkens erlebend verstehen, kommt aber der Erkenntnis von der Freiheit des intuitiven Denkens gleich. Und weiß man, daß dieses Denken frei ist, dann sieht man auch den Umkreis des Wollens, dem die Freiheit zuzusprechen ist. Den handelnden Menschen wird für frei halten derjenige, welcher dem intuitiven Denkerleben eine in sich ruhende Wesenheit auf Grund der inneren Erfahrung zuschreiben darf. Wer solches nicht vermag, der wird wohl keinen irgendwie unanfechtbaren Weg zur Annahme der Freiheit finden können. Die hier geltend gemachte Erfahrung findet im Bewußtsein das intuitive Denken, das nicht bloß im Bewußtsein Wirklichkeit hat.“ Langer Rede kurzer Sinn: Die Freiheit des Menschen wurzelt laut Steiner in der Freiheit des intuitiven / erkennenden Denkens. „Und weiß man, daß dieses Denken frei ist, dann sieht man auch den Umkreis des Wollens, dem die Freiheit zuzusprechen ist. Den handelnden Menschen wird für frei halten derjenige, welcher dem intuitiven Denkerleben eine in sich ruhende Wesenheit auf Grund der inneren Erfahrung zuschreiben darf. Wer solches nicht vermag, der wird wohl keinen irgendwie unanfechtbaren Weg zur Annahme der Freiheit finden können. Wer solches nicht vermag, der wird wohl keinen irgendwie unanfechtbaren Weg zur Annahme der Freiheit finden können.“ - Steiner ist da ganz unmißverständlich und klar. Das zu einer Zeit, - 1918, als der esoterische Entwicklungsweg nebst anthroposophischer Forschung schon lange Jahre veröffentlicht war. Ein esoterischer Entwicklungsweg, der, wie Steiner 1921 in GA 255b, S. 295 ff vorträgt, auf der Leibfreiheit des erkennenden Denkens basiert. Den «Umkreis des Wollens, dem die Freiheit zuzusprechen ist, sieht man nur, wenn man weiß, dass das intuitive Denken frei ist». Weiß man das nicht, und weiß man noch nicht einmal was das intuitive Denken ist, dann sieht man erklärlicherweise auch diesen Umkreis des Wollens nicht, dem die Freiheit zuzusprechen ist. Dann kann man sich auch jeden ernsthaften freiheitsphilosophischen Vergleich mit anderen Philosophen wie Hegel und anderen schenken, weil man dann nur im Nebel stochert. Das gilt darüber hinaus sowohl für das Wollen im gewöhnlichen Handeln wie für das Handeln des esoterisch Geschulten. Wer jetzt ohne dieses Verständnis von den Wurzeln der Freiheit im intuiven / erkennenden Denken über Freiheits-Aporien bei Steiner spekuliert, oder wer solche erspekulierten Freiheits-Aporien zwischen dem esoterischen und dem erkenntniswissenschaftlichen Steiner mit Hegels «Hammer» auflösen will, der muß sich wohl oder über erst einmal mit der «Freiheit des intuitiven Denkens» und Steiners diesbezüglichen Begründungen befassen. Denn dann «sieht er auch den Umkreis des Wollens, dem die Freiheit zuzusprechen ist.» Will sagen: Bevor der Interpret Aporien postuliert, wo möglicherweise keine sind, und wer darauf einen Hegelschen Hammer niedersausen läßt, der dazu gar nicht taugt, der muß sich zunächst einmal mit dem intuitiven Denken bei Steiner befassen, bevor er sich in lauter Sinnlosigkeiten der Steinerdeutung verliert. Sonst artet das alles in leeres akademisches Gerede aus und stielt den Lesern nur unnötig die Zeit. Das ist eine unmissverständliche und eigentlich auch wohl bekannte hermeneutische Forderung, die geradewegs zur Standardausrüstung jedes philosophischen Interpreten gehört, der es ernst meint. Bevor man also jetzt Steiners Gedanken in irgend welche «Gefäße gießen» läßt, die gar nicht da waren, und Freiheitsprobleme wittert, wo keine sind, muß man sich mit den Grundwerken Steiners schon etwas genauer befassen, als es die beiden «Problemlöser» Clement und Sparby vorexerzieren. Für Terje Sparby gilt das umso mehr, als er eine besondere Neigung zu älteren esoterischen Schulungstraditionen mitbringt, die er auch als, - nun ja, - «esoterischer Lehrer» lehrt. Siehe nachfolgend. Da ist die Frage, ob solche alten Schulungs-Traditionen dem Gegenwartsmenschen Mitteleuropas und seinem Freiheitsbedürfnis überhaupt noch zuträglich sind. Oder ob er seine Klienten womöglich damit nicht auch noch um ihre Freiheit bringt? Das ist mir eine sehr ernste Frage. Weil ich bereits etliche Menschen kenne, die mit alten Schulungswegen zwar ihre innere Empfänglichkeit / Empfindsamkeit schulen bis zum Platzen. Aber das gewöhnliche Denken nicht. Und dann nach etlichen Jahren dieser «Vorbereitung» von einer grotesk wahnhaften Vorstellung in die nächste fallen und das innere Gleichgewicht verlieren. Denn der moderne und zeitgemäße Schulungsweg Steiners basiert auf der Freiheit des intuitiven / erkennenden Denkens. Weswegen Steiner nicht ohne dringenden Anlaß die anthroposophische Schulung an die unerläßlichen «Grund»- respektive die sogenannten «Nebenübungen» knüpft. Siehe zu diesem Thema auch den Exkurs hier, S. 839 ff. Das intuitive / erkennende Denken gab es in früheren kulturellen Epochen, die Jahrhunderte oder gar Jahrtausende zurück liegen, so nicht. Weil die Bewußtseinsverfassung der damaligen Menschen nicht die heutige war. Für den modernen Schulungsweg Steiners gilt deswegen in erster Linie die Förderung und Ausbildung des klaren und sachlichen Denkens. Was wiederum, wie an Steiners Grundübungen / «Nebenübungen» sichtbar wird, mit den übrigen Seelenkräften in einen Ausgleich zu bringen ist. Das muß ein esoterischer Lehrer berücksichtigen, wenn er in die Wundertüte esoterischer Schulungsanweisungen aus verschiedensten Epochen, Jahrtausenden und Kulturen greift. Da ist die Frage schon sehr berechtigt, ob ein Sammelsurium von alten und neuen Schulungswegen wirklich zielführend ist. Um das aus anthroposophischer Sicht wissenschaftlich zu beurteilen, dazu braucht man allerdings nicht nur ein Verständnis von Steiners Übungsweg, sondern auch ein Verständnis von dessen Grundlagen im erkennenden / intuitiven Denken. - Da sehe ich bei Sparby bislang auch noch nichts, was Anlaß zur Beruhigung gäbe. Was weiter eklatant wird, wenn man sich diesen Grundlagenmangel und Sparbys Literaturhinweise unter seiner Anmerkung 31, sowie seine Rezeptionsliste darüber hinaus anschaut. Desgleichen auf S. 181 (in der PDF Variante) seine aufschlussreichen Bemerkungen zum Briefwechsel mit Rosa Mayreder und unter der Anmerkung 32, wo es bei Sparby heißt: „To repeat, Steiner understands the significance of philosophy to be the development of the human personality. 30 This is also how Steiner himself understands his Philosophie der Freiheit: 31 «Ich lehre nicht, ich erzähle, was ich innerlich durchlebt habe. Ich erzähle es so, wie ich es gelebt habe. Es ist alles in meinem Buche persönlich [emphasis added] gemeint.» … In other words, the content of the book, Steiner’s philosophy, is not separate from his personality.“ (Auf deutsch: „Um es noch einmal zu sagen: Steiner versteht die Bedeutung der Philosophie in der Entwicklung der menschlichen Persönlichkeit. ... So versteht auch Steiner selbst seine Philosophie der Freiheit: ... "Ich lehre nicht, ich erzähle, was ich innerlich durchlebt habe. Ich erzähle es so, wie ich es gelebt habe. Es ist alles in meiner Buchhaltung persönlich [...] gemeint." ... Mit anderen Worten, der Inhalt des Buches, Steiners Philosophie, ist nicht von seiner Persönlichkeit getrennt.“) - Was Sparby hier über den Briefwechsel Steiners mit Mayreder zum Besten gibt, ist dieselbe substanzlose und nicht weiter belegte, geschweige denn näher am Briefwechsel und seinem Anlass untersuchte Lesart, die uns weiter unten dann bei Kaiser begegnen wird. Wo wir nachfolgend im Kapitel 60 ausführlicher auf eine derart abstruse Ausdeutung dieses Briefwechsels mit Mayreder eingehen werden, die jede sachliche Analyse über Inhalt und Anlass dieses Briefwechsels vermissen läßt. Und nur darauf gestützt, leere Behauptungen über Steiners Wissenschaftsansprüche in die Welt setzt. Vergleichbar substanzlose Behauptungen über diesen Briefwechsel präsentiert auch Sparby. Weder der Inhalt noch der Anlaß des Briefwechsels interessierten ihn dabei. Was dabei herauskommt ist auch in seinem Fall lediglich philosophisch sich gebender Kokolores. Das bei einem Philosophen, der Steiners Freiheitsphilosophie mit Hegel zu vergleichen vorgibt und auch noch esoterische Schulungswege lehrt. Auf nähere Einzelheiten werden wir im Zusammenhang mit Kaiser unten im Kapitel 60 eingehen. Hier vorab nur so viel zu Steiners Antwortbrief auf Mayreders Schreiben: Freilich ist die Philosophie der Freiheit zunächst einmal nicht von Steiners Persönlichkeit zu trennen. Das ist eine Binsenweisheit. Doch mehr als diese gehaltlose Trivialität fiel auch Sparby dazu nicht ein. Aber was besagt diese Banalität und die Auskunft von lediglich zwei Sätzen schon in diesem seitenlangen Briefwechsel über die Philosophie der Freiheit, wenn man den ganzen Rest der Briefe einschließlich Inhalt der Philosophie der Freiheit dabei nicht berücksichtigt? Doch auch bei Sparby geht es bei diesem Briefwechsel über so eine Binsenwahrheit nicht hinaus, da er sich dazu mit dem Inhalt der Philosophie der Freiheit nicht befaßt, auf den es primär in diesem Briefwechsel mit Mayreder ankam. So daß wir hier infolge von komplettem Unverständnis bei Sparby auf dasselbe Problem stoßen, wie es uns weiter unten im Kapitel 60 noch beim annähernd vergleichbar unverständigen Kaiser begegnen wird, wo dasselbe geschieht. Abgesehen von ein wenig mehr philosophischem Hegel-Hintergrund bei Sparby, der ihm indes zum Verständnis des Steinerschen Fundierungsanliegens so gut wie gar nichts nützte. Weil er das spezifische empirische, «naturforschende» Anliegen und Vorgehen Steiners nicht begriff, da er ganz er offensichtlich den Grundlagen Steiners noch nie ernsthaft im Rahmen einer quellenbasierten Steinerforschung nachgegangen war. Diese Umstände einer extrem mangelhaften Grundlagenforschung liegen auch seiner substanzlosen Interpretation des Briefwechsels mit Mayreder zugrunde. Daß nun Menschen mit derart ungenügenden erkenntniswissenschaftlichen Grundlagen dann auch Steiners speziellen gegenwartsorientierten esoterischen Weg nicht mehr begreifen, sondern stattdessen als sogenannte «Akademiker» nur unverbindlich gleichgültig vom «Modell Anthroposophie» oder von Steiners «esoterischem Modell» bafeln, wie Sparby geradezu in Endlosschleife in seiner Einleitung zur SKA 10, das liegt unter solchen Rahmenbedingungen geradezu zwangsläufig auf der Hand. Wo man zum krönenden Schluß schließlich als «kulturübergreifender Meditationslehrer» ohne jedes Verständnis für das zeitgemäße Anliegen der Anthroposophie und ihren Hintergrund mit einem okkultistischen Eintopf in Erscheinung tritt, der dann auch ohne Klarheit und Differenzierungsvermögen alles mögliche an historisch gewordenem «geistigem Rüstzeug» durcheinander gerührt hat, und unterschiedslos seinen Klienten verabreicht. Oder sollte man vielleicht besser sagen: verantwortungslos? - Das alles muß bei derart verworrenen Grundlagen und vordergründig seichtem Esoterik-Verständnis niemanden mehr verblüffen, weil es die zwangsläufige Folge der «pseudowissenschaftlichen Vorbereitung» des Kandidaten durch ebenso verständnislose Wegweiser und Seilschaften ist, die auf diese Weise ihre Blüten treibt. Und im Falle von Sparby wesentlich auch über Heidelberg bewerkstelligt wurde. Der wissenschaftliche Weg der Philosophie der Freiheit laut GA-322, bzw Steiners «dritter Weg» (GA-34) zu den anthroposophischen Wahrheiten ist damit ganz sicher nicht beschritten. Vielmehr sehr weit davon entfernt. Die Frage in diesem Zusammenhang ist infolgedessen auch: Wie weit ein (wissenschaftlicher) esoterischer Lehrer der Anthroposophie auch die wissenschaftlichen Grundlagen Steiners verstehen muß um als esoterischer Lehrer überhaupt solche (akademische) Ansprüche vertreten zu können? - So weit hier bereits sichtbar geworden ist, wird man, wenn überhaupt, jedenfalls nicht viele davon finden. Abgesehen von Steiner selbst. Es stellt sich weiter die Frage, wer wohl ein Interesse daran haben könnte, dass Steiners esoterische Werke nur als «esoterisches Modell» in der Einleitung der SKA-10 der Öffentlichkeit angedient werden. Und Steiners erkenntniswissenschaftliche Begründung als unverbindliche «bloße Erzählung», nicht nur von Sparby, sondern ebenso krass weiter unten dann Kaiser. Wer also könnte an einer so offenkundigen Entkernung von Steiners Grundlagen ein Interesse haben? Und zwar ohne hinreichende Kenntnis dieser Grundlagen. Und doch zugleich mit dem Anspruch eines esoterischen Lehrers daher kommen? (Siehe ergänzend zu diesem Thema auch Steiner in GA-35, S. 390 - 408) Ein letzte Zwischenbemerkung noch zu Sparbys Einleitung in die SKA 10 und den dort im Kapitel über Anthroposophische Meditation genannten amerikanischen Psychologen Edward B. Titchener. Der, so schreibt Sparby, habe neben anderen einen sogenannten ›first-person-Ansatz‹ entwickelt. Eine Methode der inneren Beobachtung, „die ursprünglich im Kontext der psychologischen Forschung von Wissenschaftlern wie Edward B. Titchener entwickelt wurde.“ - Nur der Vollständigkeit und historischen Gerechtigeit halber sei erwähnt, daß dieser «first person Ansatz» Titcheners zumal zur Erforschung des Denkens zuerst von der «Würzburger Schule» der Denkpsychologie um Oswald Külpe entwickelt wurde. Diese Würzburger um Külpe haben diesen Ansatz damals erfolgreich aus der Taufe gehoben, an den Titchener sich nachfolgend dann dranhängte. Titchener wiederum studierte Psychologie bei Wilhelm Wundt unter dessen damaligem Assistenten Oswald Külpe, der danach die Würzburger Schule der Denk-Psychologie leitete. Später dann führte Titchener an der Cornell University dieses Projekt fort und geriet bezeichnenderweise in der Frage des sinnlichkeitsfreien Denkens mit der Külpeschule in Gegensatz. Das nämlich bestritt Titchener rundheraus, während die Forscher der Külpeschule auch darauf als erste Psychologen des Denkens gestoßen waren, und ihm außerordentlich große Bedeutung beilegten, wie Sie bei Külpe persönlich nachlesen können. (Külpe im Jahre 1912 in, Internationale Monatsschrift für Wissenschaft, Kunst und Technik, 6, 1912, Sp. 1069-1110. Zum sinnlichkeitsfreien / anschauungslosen Denken siehe dort die Spalten 1084 ff.) Der Konflikt zwischen Titchener und der Külpeschule wurde 1951 sehr niveauvoll zugunsten der Külpeschule behandelt vom hier schon genannten Briten George Humphrey in dessen Buch Thinking. Dort speziell auf den Seiten 64 und im Kapitel zur Kritik an der Würzburger Schule auf den Seiten 106 ff. Ich erwähne dies hier nicht nur, weil es Steiner 1917 in der Schrift Von Seelenrätseln (S. 170 f) ja selbst in ein psychologisches Laboratorium zog, um dort die «Veranlagung zum Schauen» nachzuweisen, die bekanntlich für Steiner im reinen Denken liegt. Um den Kontakt zur Würzburger Schule wiederum hatte sich Friedrich Rittelmeyer bemüht, der ein persönlicher philosophischer Schüler Oswald Külpes war. (Siehe dazu oben, S. 247 ff.) Wie schon gesagt: Die akademische Grundlagenforschung zur Anthroposophie liefert bei ihren Vertretern bislang ein wenig beruhigendes Bild ihrer diesbezüglichen Leistungsfähigkeit ab. 57. Christian Clements Kommentare in der SKA1 Bleibt fest zu halten: Die (akademischen) Seilschaften und Rezeptionsräder der Verständnislosigkeit über Steiners Begründungswerk greifen, wie man exemplarisch bereits an Sparbys Anmerkungsapparat zu seinem Freiheitsartikel sieht, so auch in der SKA alle in einander. Deren Herausgeber Clement hat ohnehin davon bis heute keinen ernstlichen Sachverstand. Was er übrigens sehr freimütig in seiner Einleitung zur SKA 1 auf S. XXIII und vorangehend und nachfolgend auch andeutet, daß es nicht seine Aufgabe sei, Steinerinterpretationen zu geben, und das auch nicht innerhalb seiner bisherigen Möglichkeiten liege, Steiner hinlänglich zu interpretieren. [Das wird übrigens auf der Adressleiste der Onlineversion irrtümlich als Einleitung zu Band 4 der SKA ausgewiesen, was aber falsch ist, wie der Leser selbst prüfen kann. Der Band 4 der SKA enthält Steiners Rätsel der Philosophie nebst Vorläufern. Offenbar gibt es da noch technische Probleme mit dem Online-Auftritt der SKA.] Clement hängt also die Messlatte für seine eigenen Deutungen realistischerweise nicht allzu hoch. So daß er den Erfolg von Steinerinterpretationen überhaupt erst in viel späteren Zeiten verortet. Man hat auch eher den Eindruck bei seinen recht übersichtlichen persönlichen Deutungsexkursen in der SKA 1, er habe sich jetzt überhaupt zum allerersten Mal mit diesen Grundlagen-Werken Steiners beschäftigt und vorher noch nie, so unausgereift und auf Anfängerniveau kommt manches daher, was er dazu schreibt. Was ja nur eine Folge davon ist, daß das Pferd der SKA von der falschen Seite her, nämlich von der esoterischen her aufgezäumt wurde. So daß man sich jetzt wundert, warum man aus der realen Leere des Unverstandes deren wissenschaftliche Grundlagen nicht begreift, nachdem man sich viele Jahrzehnte lang nicht damit beschäftigt hat. Was sich exemplarisch, - um jetzt nicht nur aus dem hohlen Bauch heraus etwas zu behaupten, - nicht nur an Clements verhungerter halber Kommentarseite 351 der SKA1 zu den drei Kapiteln 8, 9 und 10 über das Denken in Steiners Grundlinien ablesen läßt. Sondern auch beim Blick auf das Kapitel 14 der Grundlinien, das Clement gleich ganz aus seiner Kommentierung gestrichen hat. Wo dem Herausgeber Clement also gar nichts dazu eingefallen ist. Während es bei Steiner speziell im Kapitel 14 der Grundlinien um die fundamental wichtige Auseinandersetzung mit dem Kausalitätsprinzip geht. Ein Problem- und Forschungsfeld, - eins der spannendsten und fundamentalsten überhaupt in Steiners Frühwerk, - zu dem angesichts von Steiners Grundlagen sehr viel, außerordentlich viel sogar zu sagen wäre, wenn man sich nur Kants Prolegomena (Vorrrede) und seine dortigen und sonstigen im Buch zahlreichen Hinweise auf Hume anschaut. Im Kapitel 14 der Grundlinien trifft der Universalienrealismus Steiners (und Goethes) auf eine hochproblematische Kausalerkenntnis von Kant (und Hume), «die an die Sache nie herankommt», wie es Steiner in diesem Kapitel 14 auf S. 82 hervorhebt. Während Steiner selbst für sich einen «erlebten Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem im Denken und Erkennen» in Anspruch nimmt, was ein Kapitel später auf S. 86 ausdrücklich noch einmal rückblickend betont wird. Was faktisch der Vorläufer von Steiners späterer Bemerkung vom Ende des zweiten Kapitels der Philosophie der Freiheit ist, wonach «die äußere Natur erst zu finden ist, wenn man sie im eigenen Inneren schon kennt» (hier S. 20 f). Deswegen Steiners explizite Suche nach den «wirkenden Kräften der Natur im eigenen Inneren.» Womit in dieser Schrift (GA-4) die Suche nach diesen «wirkenden Kräften der Natur im eigenen Inneren» auch ausdrücklich eingeleitet wird, nachdem 1886 schon unübersehbar sämtliche Signale darauf hinwiesen. Jetzt kontrastieren Sie das Kapitel 14 der Grundlinien einmal mit Steiners kritischer Bemerkung gegenüber E. v. Hartmann vom Ende des Kapitels III der Philosophie der Freiheit: „Man kann nicht zu etwas kommen, was das Denken bewirkt, wenn man den Bereich des Denkens verläßt.“ - Die Parallelen zum kausalitätskritischen Kapitel 14 der Grundlinien und zum Kapitel II der Philosophie der Freiheit in Richtung «wirkende Kräfte im eigenen Inneren und das Problem der Kausalität» liegen weithin sichtbar auf der Hand: Sichere Erkenntnis von Ursache und Wirkung gibt es nicht von außerhalb, sondern auch nur beim eigenen Denken und Erkennen, weil sie uns so nahe stehen wie nichts anderes sonst. - Daß ich selbst der Erwirkende meiner eigenen Erkenntnis bin, das ist der empirische Ankerpunkt von Steiners Erkenntniswissenschaft. Da ist aus vielen Gründen heraus, - teils logischen und teils bewußtseinsphänomenologischen, - mit äußerlichen Kausalerklärungen nichts zu holen und nichts zu erklären. Wie wir auch am Beispiel von Poppers kritisiertem «Schuldscheinphysikalismus» oben auf den Seiten 212 ff darlegten. Deswegen auch «durchschaut der Mensch bei der Beobachtung des Denkens das Weltgeschehen», wie es dann 1897 auf S. 69 f in Goethes Weltanschauung hieß. Während das Weltgeschehen laut Kant und Hume grundsätzlich nicht zu durchschauen ist. Sondern wo man laut Steiner «an die Sache nie herankommt». Und damit auch von der «Natur-Erkenntnis» im eigenen Inneren unendlich weit entfernt ist. Denn was dieser Dogmatismus von Kant & Co behauptet, legitimiert er nur im hoch zweifelhaften Rückgriff auf die Metaphysik und nicht auf Erfahrungsbasis, wie der Leser von Kant in den Prolegomena erklärt bekommt. Alles Kausalerklären ist laut Kant letztlich nur ein metaphysisch begründeter Vernunftschluß, aber kein empirisch begründeter, wie es dort bereits in der Vorrede S. 6 f und in enger Anlehnung an Hume heißt. Während David Hume wiederum jede Kausalerkenntnis rundheraus zur Illusion erklärte, wie der Leser sehr übersichtlich zusammengefaßt bei Reininger, München 1922, auf S. 169 f nachlesen kann. Nun, Herr Clement hat zu dem ganzen Schlüsselthema von Steiners Erkenntnistheorie, - der hochproblematischen physikalistischen Kausalerkenntnis auf der einen Seite, und Steiners universalienrealistischem Lösungsweg mit dem erlebten erwirkenden Denken und Erkennen auf der anderen, - schlechterdings gar nichts zu sagen, sondern läßt das komplette Kapitel 14 in seinen Kommentaren einfach weg. So viel ist ihm zum Punkt «Steiner und die Kausalerkenntnis» an dieser Stelle eingefallen: Kein Literaturhinweis. Keine Sachanmerkung zum Problemfeld bei Kant und Hume. Rein gar nichts! Das an einer Stelle, wo es nicht nur im Hinblick auf die moderne kausale Naturerkenntnis, sondern auch im Hinblick auf Goethes «Geist-Natur» wirklich ums «Eingemachte» geht, da hat der Herausgeber der SKA 1 ganz im Gegensatz zu Steiner definitiv nichts vorzuweisen, nichts anzumelden und nichts Substantielles und Erhellendes zu verkünden, sondern macht stattdessen nur das Licht aus und verläßt den Untersuchungsraum. Es ist nicht die einzige Stelle, wo von Clement in dieser Frage das Licht gelöscht wird. Denn Analoges geschieht (SKA1, S. 351) im Kommentar zum Kapitel 8 der Grundlinien. Von wo aus Clement einen Schwenk zu Steiners Schrift Goethes Weltanschauung (GA-6) und in das dortige Kapitel Die Metamorphose der Welterscheinungen vorlegt, von dem man nicht recht weiß, was Clement damit überhaupt verdeutlichen will. Denn bei Steiner geht es im Kapitel 8 der Grundlinien ebenso wie in den Metamorphosenpassagen von GA-6 um den erlebten Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem beim Denken und Erkennen. Und damit auch um die Kausalitätsfrage. - Zudem geht es im Metamorphosenkapitel von GA-6 um die Ideenerkenntnis via Beobachtung des Denkens. Was eigentlich nahtlos anknüpft an die Grundlinien, wenn dort im Kapitel 8 (hier S. 47) der «Gedankengehalt der Welt als Tätigkeit unseres Bewußtseins» erscheint. Und desgleichen geht es in GA-6 um das durchschaute Weltgeschehen via Beobachtung des Denkens. - Das sind mindestens drei und mehr ganz essentielle Aspekte in Steiners idealistischer Erkenntniswissenschaft, - nämlich Kausalitätsforschung; Universalienrealismus, Beobachtung des Denkens und Beobachtung des Weltgeschehens, - die sowohl in den Grundlinien als auch in GA-6 weitgehend im selben Sinn behandelt werden. Was in den Grundlinien freilich noch nicht ausgesprochen wird, ist Steiners ausdrückliche Kritik an Goethe, die erst in GA-6 (S. 56 ff) beziehungsweise 1897, S. 69 ff klar formuliert erscheint, indem Steiner auf seine wesentliche Differenz zu Goethe hinweist: Steiner nämlich sucht die Erkenntnis der wirkenden Idee, - und damit des inneren Weltgeschehens, - über die Beobachtung des eigenen Denkens. Ein Punkt, von dem Steiner 1897 schreibt, daß Goethe darauf nie verfallen wäre. Weswegen Goethe weder zu einer aussagefähigen Erkenntnistheorie, noch zu einer tragfähigen Freiheitsphilosophie gekommen sei, die beide in derselben Sachlage des sich selbst erkennenden Denkens wurzeln. - Das ist wiederum der Teil, den Clement auf S. 351 arg verkürzend und weitgehend zusammenhanglos im Kommentar etwas hervohebt, ohne ihn wirklich zu erhellen, da ihm offenbar das Verständnis für die grundlegenden Zusammenhänge fehlt. Wie gesagt, man weiß nicht recht was er mit diesem Hinweis auf Goethes Weltanschauung überhaupt erreichen will. Thematisiert wird folglich bei Clement auch nicht, und das ist noch viel erstaunlicher, daß Steiner im Metamorphosenabschnitt (hier S. 56 f) nicht nur konstatiert, «via Beobachtung des Denkens das Weltgeschehen zu durchschauen», sondern an dieser Stelle auch die «wirkende Idee anzuschauen». Weil er den Prozeß (von Denken und Erkennen) «restlos im Inneren gegenwärtig» hat, wie es auch schon in den Grundlinien im Kapitel 8, und daran erinnernd noch einmal im Kapitel 15 (hier S. 86) hieß. Wobei letzteres eine geradezu schlagende Parallele darstellt zum Metamorphosenkapitel aus Goethes Weltanschauung. Die man im vorliegenden Fall auch noch um die Philosophie der Freiheit ergänzen müßte. Denn das alles und noch mehr kulminiert jetzt in dieser Zusammenschau des Metamorphosenkapitels von 1897. - Das einzige freilich, was Herr Clement in seinem Verweis auf die Schrift Goethes Weltanschauung am Ende von Kapitel 8 der Grundlinen aufgreift, hat noch nicht einmal etwas mit dem Inhalt dieses achten Kapitels der Grundlinien zu tun. Denn da ist von Steiners Differenzen zu Goethe in keiner Weise explizit die Rede, so daß es zumindest ausdrücklich erläutert werden müßte, worum es in diesem Kommentar Clements überhaupt geht. Also nicht nur in Clements Kommentaren wird das Licht ausgemacht, sondern auch in seiner längeren Einleitung im Zusammenhang mit Steiners Grundlinien ab S. XLVI. Das aber ist ganz und gar typisch für diese SKA und ihr intellektuell / intellektualistisches Umfeld mit seinem universitären Halo von in der behandelten Sache weitgehend ahnungslosen Akademikern und Professoren. So daß Clement natürlich Recht damit hat, wenn er auf S. XVIII ff seiner Einleitung auf die verbreitete Unbekanntheit der Steinerschen Rechtfertigungen und Grundlagen hinweist. Was faktisch einem Offenbarungseid zur anthroposophischen Grundlagenforschung gleichkommt. - Man darf ergänzen, daß dort, wo überhaupt Steiners Grundlagen noch irgendwie thematisiert werden, seit langen Jahren vielfach nur noch Werkfälschung im Interesse Witzenmanns betrieben wird, aber keine seriöse und ernst zu nehmende Steinerforschung, die diesen Namen auch verdient. Bei Clement muß man sich entsprechend auch kaum darüber wundern, daß er mit dem Kapitel 14 der Grundlinien nichts anzufangen weiß. Er hat ebenso wenig einen Verständnisfundus dafür wie Steiners restlicher Anhang. Die Anhänger und Promoter Witzenmanns fallen zudem in dieser Kausalitäts-Frage ohnehin gänzlich durch den Rost, weil sie solche Begründungsschriften Steiners kaum oder gar nicht interessieren. Das war bei Witzenmann schon so, der anstelle dessen lieber das abstruse erkenntniswissenschaftliche Schrapnell des «Erzeugungsproblems» der Strukturphänomenologie und ihrer Vorgängerpublikationen setzte. Was sich einschließlich der Interesselosigkeit am restlichen Frühwerk Steiners seither sich bis auf dessen Schüler und heutige Herolde weiter tradierte. - Suchen Sie beim Witzenmannvertreter und -Propagandisten Renatus Ziegler einmal irgend etwas Sinnhaltiges zu Steiners Grundlinien oder zu Wahrheit und Wissenschaft. Oder zu den Einleitungen in Goethes Naturwissenschaftliche Schriften, und gar zu Goethes Weltanschauung: Sie werden definitiv nichts finden, was der Rede wert wäre! Ernstzunehmende anthroposophische Grundlagenforschung, die seriös an die zeitgenössischen Quellen angebunden wäre, ist auch Zieglers Sache nicht. Und so geht es auch im wesentlichen mit dem restlichen Anhang Witzenmanns. Das Begründungswerk Steiners ist schlichtweg nicht präsent und wird selbst in den eigenen akademischen Reihen nicht verstanden, sondern fast flächendeckend ignoriert. So daß man nur gelegentlich und auch nur auszugsweise noch etwas von Steiners Philosophie der Freiheit zu lesen bekommt. Hier scheint mir deswegen ein durchgängiger und ganz systematischer Mangel auch in Clements Zugang zu Steiners Frühwerk vorzuliegen, der nicht nur charakteristisch ist für Clement, sondern fast durchweg verbreitet ist. Dieser Mangel besteht in der katastrophalen und kompletten Mißachtung des Kausalitätsproblems von Kant (und Hume) bei Steiners Interpreten. Und der nahezu vollständigen Ausblendung der unübersehbaren Rolle, welche dieses Grundproblem des modernen Empirismus seit Hume in Steiners eigenen Grundlagen spielte. Nebenbei gesagt spielte dieses Grundproblem der Naturwissenschaft seine große Rolle auch bei Steiners Anreger und fruchtbarem erkenntniswissenschaftlichem Zuarbeiter Johannes Volkelt, wo es ebenfalls eine ganz zentrale Stellung einnahm, wie Sie Volkelts Schrift Erfahrung und Denken von 1886 auf den Seiten 81 ff entnehmen können. Wo Ihnen deutlich wird, daß auch Volkelt, selbst wenn er nicht von Goethes Idealismus kam, doch wie Steiner die Kausalität, Kräfte, Regelmäßigkeiten und Zusammenhänge der «Natur» zuallererst im eigenen Inneren suchte, da sie außen nicht zu finden waren. Ein Forschungsanliegen, das in dieser Zeit einfach «dran war», um es einmal vereinfachend zu formulieren. Wie Sie es exemplarisch 1894 (S. 1309-1407) auch bei Wilhelm Dilthey nachlesen können, der diese seinerzeit weitverbreitete Problemstellung der empiristischen Erkenntnistheorie und naturwissenschaftlichen Grundlagenforschung damit nur zu einem angemessenen Ausdruck vor der preussischen Akademie der Wissenschaften brachte. Dabei (S. 1320 ff) ebenso wie Steiner und Volkelt die erkenntnistheoretische Grundlagenforschung in der «seelischen Beobachtung» ansiedelte. Erkenntnistheorie sei «Psychologie in Bewegung», so lautete Diltheys Motto dort auf S. 1321. Was wiederum Volkelt in den Jahren nach 1886 ebenfalls konsequent weiter verfolgte, und in der «endgültigen Gestalt» seiner Erkenntnistheorie von 1918 Steiner auf den Seiten 141 ff auf seine Art wohl auch am nächsten kam. Dieses erstaunliche Zusammenstimmen zwischen beiden / allen dreien nicht nur in Volkelts psychologischer Erkenntnistheorie der reinen Erfahrung, sondern auch in den Grundlagenfragen der empiristischen Kausalitäts-Forschung etwa mit Blick auf Dilthey und andere, wäre bereits ein eingehendes Forschungsprojekt schon für sich allein. Siehe nähere Einzelheiten dazu hier, die Kapitel 6b - 6g ab S. 112 ff. Desgleichen zu Dilthey ebd. S. 772 ff, Anm. 336. - Typische Grundlagen-Wissenschaftsfragen in Steiners Zeit, zu denen mit seinem Anliegen auch Rudolf Steiner gehörte, der sich selbst auch ganz explizit dort eingliederte. Wie er es dann in seinem Rechtfertigungsvortrag von 1921 in GA-255b, S. 295 ff vortragsweise noch einmal öffentlich darlegte. Während die sogenannte «professionelle» Steinerforschung der Akademien dazu heute, und das seit vielen Jahren (und Jahrzehnten) schon, nur das sprichwörtliche Blech redet. Blind wie die Maulwürfe lediglich Tunnel durch Steiners Werk gräbt, die nirgendwo hin führen als eben zu Würmern und Engerlingen. Zudem unter den eigenen «anthroposophischen» Leuten, zumal beim Anhang Witzenmanns sehr nachhaltig und ebenfalls seit vielen Jahrzehnten bereits darum bemüht ist, Steiners Erkenntniswissenschaft endlich den wirkenden Geist auszutreiben, um den es in Steiners Begründungswerk permanent geht. So ist es auch bei Clement. Daß es bei Steiner in den frühen Begründungswerken durchgängig und mit aller Ankündigung, wie etwa in den Grundlinien Kap. 14 und in der Philosophie der Freiheit, um das Thema «Kausalität und Wirksamkeit» gehen könnte, darauf freilich kommt nicht nur Clement nicht, sondern darauf kommt auch von den allermeisten seiner Rest-Interpreten niemand. Während Steiner, dem es gleichrangig mit der Objektivität vor allem um erlebte Wirksamkeiten im Denken geht, darauf - auf den erlebten Verursachungszusammenhang (im Erkennen), - ein Hauptaugenmerk richtet. Wie es nicht nur am Kapitel 14 der Grundlinien ganz plakativ bereits dargelegt ist. Sondern das ist auch in sämtlichen anderen erkenntniswissenschaftlichen Frühschriften Steiners der Fall. Der Erkenntnis- und Denkprozeß stellt einen erlebten Verursachungszusammenhang dar. Denn die Erkenntnis wird ja vom Menschen erwirkt. Infolgedessen stellen Denken und Erkennen denjenigen Verursachungszusammenhang dar, der uns von sämtlichen Verursachungszusammenhängen naturgemäß am allernächsten steht. Dieser erlebte Verursachungszusammenhang wiederum kann grundsätzlich äußerlich kausal aus mancherlei Gründen (methodischen, logischen und psychologischen) nicht erklärt werden, sondern nur aus dem unmittelbar erlebten seelischen Innenleben heraus. Das ist Steiners erklärte Auffassung durch alle erkenntniswissenschaftlichen Frühschriften hindurch. Bis hin zu Goethes Weltanschauung von 1897, wo es besonders eindrucksvoll noch einmal ab S. 69 ff demonstriert wird. Was zu diesem Zeitpunkt schon seit mindestens 1886 in Steiners Frühwerk nachzulesen war. Halten wir fest: Die Frage nach Kausalität und erkennbaren Wirksamkeitszusammenhängen im eigenen Inneren ist ein absolutes Schlüsselelement in Steiners sämtlichen frühen Begründungsschriften. Während dies von Steiners Interpreten äußerst selten, oder so gut wie nie überhaupt nur in Betracht gezogen wird. Als wären alle von derselben intellektuellen Augenkrankheit befallen, so daß sie das nicht wahrnehmen können. Diese intellektuelle Blindheit für die grundlegende Themensetzung bei Steiner ist ebenfalls im höchsten Maße erstaunlich, weil die Problemstellung als solche eigentlich sofort bei jedem wachen und gebildeten Leser in die Augen springen müsste. Zumal sie aus Steiners Leitfrage zur Philosophie der Freiheit im Kapitel I ebenfalls unmissverständlich hervorgeht. Aber Steiners Interpreten sind in der Regel nicht wach, egal woher sie kommen. Sondern da scheint vielfach alle Tage Sonntag zu sein. So daß dort auch nicht begriffen wird, wie nahe die weiter oben behandelte Physikalismuskritik Poppers und Eccles` der Physikalismuskritik Steiners steht. Sogar in der Argumentationsweise, die bei Steiner in der Schrift Von Seelenrätseln (GA-21) noch eine beträchtliche explizite Erweiterung um das Element der Logik enthielt, die in den Frühschriften nur implizit vorhanden war. Das ausgedehnte Vakuum in Clements Verständnis offenbart sich allein und vor allem schon darin, daß ihm überhaupt der zentrale Abschnitt C der Grundlinen, der in drei Einzelkapiteln das Denken behandelt, und sich je nach Ausgabe über rund 18-20 Seiten erstreckt, lediglich eine halbe Seite 351 der SKA-1 mit zwei mageren Verweisen wert ist. Inhaltlich hat Clement auch zu diesen entscheidenden drei Kapiteln über das Denken rein gar nichts vorzutragen. Er hat folglich nicht den geringsten Resonanzboden dafür, was in diesem Abschnitt C substantiell von Steiner verhandelt wird. Wie gesagt: Ein Offenbarungseid. Mit dieser Konkurserklärung aber ist er mehr oder weniger auch kennzeichnend dafür, was in dieser Frage auch im akademisch / anthroposophischen Mainstream bislang an Aufklärungsarbeit dazu geleistet worden ist worden ist. Nämlich so gut wie gar nichts! - Immerhin ist Clement offen genug, die intellektuelle Insolvenz der Grundlagenforschung zu Steiner in den Eingangsseiten seiner Einleitung, auch deutlich auszusprechen. Wo eben nichts an einschlägiger Forschung vorhanden ist, da ist dann auch auch bei der Behandlung der Grundlinien in Clements Einleitung von einem entscheidenden Problem Kants und einem ebenso entscheidenden Lösungs-Begriff der Grundlinien nie die Rede: Vom Begriff des «erlebten Zusammenhangs von Wirkendem und Bewirktem» in diesen Grundlinien, den Steiner rückblickend im Kapitel 15 eigens noch einmal in Erinnerung ruft: „Wir erinnern uns, warum eigentlich das Denken in unmittelbarer Erfahrung bereits sein Wesen enthält. Weil wir innerhalb, nicht außerhalb jenes Prozesses stehen, der aus den einzelnen Gedankenelementen Gedankenverbindungen schafft. Dadurch ist uns nicht allein der vollendete Prozeß, das Bewirkte gegeben, sondern das Wirkende.“ (Hier, GA-2, S. 86) Im Zusammenhang mit dem Kapitel 14 der Grundlinien und den Kapiteln 8 ff ist das ein Signal wie eine Leuchtrakete auf hoher See in Richtung «Kausalitätsproblem und seine Lösung». Und es ist eine Tatsache, die bereits in Anlehnung an Goethes Naturverständnis im Kapitel 8 der Grundlinien entfaltet wird: Das Denken / Erkennen ist der einzige Wirklichkeits- / Erfahrungsprozess, in dem Wirkendes und Bewirktes in ihrem Zusammenhang unmittelbar und sicher erfahrbar sind. Was bei Kant (und Hume) bekanntlich niemals der Fall ist. Während bei Steiner die erkenntniswissenschaftliche / naturwissenschaftliche Bilanz doch sehr anders aussieht als bei Kant und Hume: Die Triebkräfte hinter einer Erscheinung der Außenwelt sind uns nicht unmittelbar gegeben. Die inneren dagegen schon: „Bei jedem äußeren Objekt bin ich gewiß, daß es meinen Sinnen zunächst nur seine Außenseite zuwendet; beim Gedanken weiß ich genau, daß das, was er mir zuwendet, zugleich sein Alles ist, daß er als in sich vollendete Ganzheit in mein Bewußtsein eintritt. Die äußeren Triebkräfte, die wir bei einem Sinnenobjekte stets voraussetzen müssen, sind beim Gedanken nicht vorhanden. Sie sind es ja, denen wir es zuschreiben müssen, daß uns die Sinneserscheinung als etwas Fertiges entgegentritt; ihnen müssen wir das Werden derselben zurechnen. Beim Gedanken bin ich mir klar, daß jenes Werden ohne meine Tätigkeit nicht möglich ist. Ich muß den Gedanken durcharbeiten, muß seinen Inhalt nachschaffen, muß ihn innerlich durchleben bis in seine kleinsten Teile, wenn er überhaupt irgendwelche Bedeutung für mich haben soll.“ - So Steiner dazu im Kapitel 8 auf S. 45 f Die inneren «Triebkräfte» des Denkens sind bei Steiner Gegenstand der unmittelbaren Erfahrung. Was dem Denken als Erfahrungsgegenstand seine erkenntniswissenschaftliche Vorzugsrolle gegenüber der Außenerfahrung sichert. Während die letztere (Außenerfahrung) damit, - mit der unmittelbaren Erfahrung dieser «Triebkräfte», - niemals aufwarten kann. Was mit Blick auf die Außenerfahrung wiederum auch Kants und Humes Credo ist. Während beide, anders als Steiner, auch gegenüber der ursächlichen Innenerfahrung des Denkens mit leeren Händen dastehen. Es ist schon angesichts dieser Passagen von 1886 wenig überraschend, wenn Steiner dann im zweiten Kapitel der Philosophie der Freiheit das Wirkende der Natur vorrangig im eigenen Inneren sucht. Da es außen grundsätzlich nicht unmittelbar vorliegt, wie es bereits 1886 im Kapitel 8 hieß. Wenn der Leser in Goethes Weltanschauung hier S. 69 f blickt, dann wird er sehen, dass sich an dieser Sichtweise Steiners auch 1897 nichts verändert hat. Mit der empirischen Psychologie und der inneren Beobachtung wiederum konnte Kant nichts beginnen. Und schon gar nichts zwecks empiristischer Begründung jeder Welterklärung. Vielmehr waren sie (Psychologie und innere Beobachtung) in seinen Augen nicht nur weit entfernt von jeder Wissenschaft. Sondern, so Kant, sie würden den Charakter einer ernst zu nehmenden Wissenschaft auch niemals erreichen. Siehe etwa zum Thema Kants Metaphysische Anfangsgründe der Naturwissenschaft, Vorrede in der Ausgabe von Alois Höfler, 1900. Wonach auf S. 7 die Psychologie des «inneren Sinns» keinerlei Aussicht hat, überhaupt jemals eine empirische und ernst zu nehmende Wissenschaft zu werden, die ursächliche Zusammenhänge sicher zu erforschen vermag. Was bei Hume nicht anders aussieht, wie der Leser hier von Reininger zusammengefaßt auf S. 168 ff nachlesen kann. Der Zusammenhang von Ursache und Wirkung liegt bei beiden (Kant und Hume) nicht nur außen, sondern auch innen weit jenseits jeder Erfahrung. Da auch die «innere Erfahrung» bei beiden darin keine Ausnahme macht. Was bei Steiner bereits in den Grundlinien von 1886 ersichtlich vollkommen anders ist. (Siehe zu diesem Thema etwa auch hier, S. 231 ff und öfter. Ausführlicher etwa das Kapitel 8 auf S. 276 ff.) Der empiristische Gegensatz zwischen dem frühen Steiner und Kant könnte also kaum größer ausfallen: Auf der einen Seite ein Steiner, der die wirkenden Kräfte der Natur im eigenen Inneren sucht, da sie außen nicht zu finden waren. Was besonders plakativ in den Grundlinien (Kapitel 8 und 14) sowie in der Philosophie der Freiheit (Kapitel II), sowie in Goethes Weltanschauung (im Metamorphosenkapitel) zum Ausdruck kam. Auf der anderen Seite Kant, für den laut Prolegomena, Vorrede die Kausalität wegen des «Humeschen Problems» in der Erfahrung nicht zu finden war, sondern nur im Rückgriff auf die Metaphysik. Während die innere Beobachtung bei Kant wiederum für derlei empiristische Lösungen des Kausalitätsproblems grundsätzlich nicht infrage kam. Da, wie er in den Metaphysischen Anfangsgründen der Naturwissenschaft in der Vorrede auf S. 7 der Höfler-Ausgabe von 1900 geltend machte: „Noch weiter aber, als selbst Chemie, muss empirische Seelenlehre jederzeit von dem Range einer eigentlich so zu nennenden Naturwissenschaft entfernt bleiben, erstlich, weil Mathematik auf die Phänomene des inneren Sinnes und ihre Gesetze nicht anwendbar ist,... […] Aber auch nicht einmal als systematische Zergliederungskunst oder Experimentallehre kann sie der Chemie jemals nahe kommen, weil sich in ihr das Mannigfaltige der inneren Beobachtung nur durch blosse Gedankentheilung von einander absondern, nicht aber abgesondert aufbehalten und beliebig wiederum verknüpfen, noch weniger aber ein anderes denkendes Subject sich unseren Versuchen, der Absicht angemessen, von uns unterwerfen lässt, und selbst die Beobachtung an sich schon den Zustand des beobachteten Gegenstandes alterirt und verstellt. Sie kann daher niemals etwas mehr als eine historische, und, als solche, so viel möglich systematische Naturlehre des inneren Sinnes, d. i. eine Naturbeschreibung der Seele, aber nicht Seelenwissenschaft, ja nicht einmal psychologische Experimentallehre werden;...“ - Wobei zum Vergleich zu bedenken ist, daß selbst die Chemie in dieser Vorrede Kants alles andere als eine ernst zu nehmende Wissenschaft war. Indessen noch weit unterhalb der Chemie siedelt er dort die «Psychologie des inneren Sinns» an. Der Gegensatz zu Steiners innerem erkenntniswissenschaftlichem Grundlegungsweg könnte folglich sprechender kaum zum Ausdruck gebracht werden. Während Herr Clement solches alles wohl nicht wissend oder es nur nicht bedenkend auf S. XLIX seinerseits irrigerweise der Meinung ist, Steiner baue in den Grundlinien mit dem Erfahrungsbegriff einen «Gegenbegriff zum Denken» auf. Was schon in der Sache nicht so ohne weiteres paßt, wo Steiner doch das Denken als «höhere Erfahrung innerhalb der Erfahrung» betrachtet, nachdem er bereits im Kapitel 4 mit der Forderung aufwartet, „Wir müssen das Denken innerhalb der Erfahrungstatsachen selbst als eine solche aufsuchen.» Zu diesem Zweck wird von Steiner bereits im Kapitel 4 der Grundlinien (hier S. 28 f) der Begriff der «betrachtenden Gegenüberstellung» eingeführt, den er dann auch im Kapitel III der Philosophie der Freiheit (hier S. 27) zwecks Erkenntnis des Denkens verwendet. Also wenn schon «Gegenbegriff», dann muß neben der spezifischen Leistung dieses Denkens auch seine Erfahrungsform klar herausgestellt werden. Die spezifische Leistung des Denkens gegenüber der bloßen Erfahrung besteht laut Grundlinien in der Erkenntnis des Erfahrenen. Das aber, und das wird gern übersehen, gilt ebenso für das nur erfahrene Denken. Auch das rein erfahrene tätige Denken muß erst vom Denken erkannt werden. Der aktive Denkprozeß ist folglich sowohl Erkenntnismittel als auch wahrgenommener Erkenntnisgegenstand dieser frühen Erkenntnistheorie Steiners von 1886. Und zwar nicht nur dort. Es nimmt beide Rollen ein, - nämlich die eines nur Erfahrenen, und die eines aktiven Erkenntnismittels, mit dem nicht nur alles andere zu erkennen ist, sondern auch das Denken selbst, - weswegen die Kennzeichnung des Denkens als «Gegenbegriff zur Erfahrung» natürlich seine Grenzen hat. In der Philosophie der Freiheit hat Steiner entsprechend in der Zweitauflage (hier S. 94) den Wahrnehmungsbegriff ausdrücklich dahingehend erweitert: „Bedacht sollte auch werden, daß die Idee von der Wahrnehmung, wie sie in dieser Schrift entwickelt wird, nicht verwechselt werden darf mit derjenigen von äußerer Sinneswahrnehmung, die nur ein Spezialfall von ihr ist. Man wird aus dem schon Vorangehenden, aber noch mehr aus dem später Ausgeführten ersehen, daß hier alles sinnlich und geistig an den Menschen Herantretende als Wahrnehmung aufgefaßt wird, bevor es von dem tätig erarbeiteten Begriff erfaßt ist.“ Wobei die «tätige Erarbeitung der Begriffe», wie weiter oben schon gesagt, ihrerseits eine erfahrene Tatsache ist. Zur «gegenüberstellenden Betrachtung» sowohl in den Grundlinen als auch in der Philosophie der Freiheit gehört entsprechend auch der erfahrene / wahrgenommene Erwirkungsprozeß des Denkens, auf den Steiner bereits im Kapitel 8 der Grundlinien derart viel Wert legt, so daß er S. 46 davon spricht, «das Denken zeige infolge dieses Umstandes sein Alles». Nämlich den erlebten Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem, weil der Denker mitten im Prozeß steht und nicht außerhalb. Was wie gesagt bei der Erkenntnis von äußeren Wahrnehmungsgegebenheiten nie der Fall ist. Dort nämlich können die wirkenden Kräfte grundsätzlich nicht unmittelbar wahrgenommen werden, die sie hervortreiben. Während das beim Denken / Erkennen vollkommen anders ist, da der Denker / Erkennende mitten in diesem Prozeß steht, der ja von ihm selbst seinen Ausgang nimmt. Zur bewußten Erkenntnis gehört bei Steiner laut Philosophie der Freiheit ein bewußter Entschluß, wie wir auf den ersten Seiten 1 - 7 dieses Studienabschnitts bereits hervorhoben. Der Leser wird sich vielleicht erinnern: „Beobachtung und Denken sind die beiden Ausgangspunkte für alles geistige Streben des Menschen, insoferne er sich eines solchen bewußt ist.“ So lautet die entsprechende Passage im dritten Kapitel der Philosophie der Freiheit (hier S. 22). Den eigenen Denk- und Erkenntnisprozeß erlebt also jeder selbst und bewußt, der sich zu seiner Erkenntnis auch bewußt entschlossen hat. Und ebenso erlebt er den aktiven Erkenntnisweg und das Resultat, das auf dieser beschlossenen Erkenntnistätigkeit beruht. Er weiß daher unmittelbar, in welcher Verbindung die erkennende / denkende Tätigkeit zu ihm und dem Resultat dieser Tätigkeit des Erkennens / Denkens stehen. - Der «erlebte Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem». Was bei der erkennenden Beobachtung des Denkens im engeren Sinn nicht anders ist, wie wir wiederholt hier dargelegt haben: Auch das «gegenüberstellende Betrachten» des Denkens zwecks Erkenntnis ist ein erwirkter Prozeß des Denkens / Erkennens, in welchem der Betrachter bzw. Denker erlebend steht. Ganz zwangsläufig, da er sich zur Erkenntnis des Denkens im sogenannten «Ausnahmezustand» bewußt entschlossen hat, wie wir bereits eingangs dieses Studienabschnitts auf den ersten Seiten 1 – 7 schon sahen. Denn in den sogenannten «Ausnahmezustand» tritt eigentlich nur ein, wer sich dazu zwecks Erkenntnis des Denkens bewußt entschließt. Deswegen in diesem Fall ein erlebter Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem, weil der Denker / Erkennende mitten im erlebten Prozeß steht. Ein durchgängig von Steiner verwendetes empiristisches Argument, das in den Frühschriften bis 1897 Verwendung findet, und in der Schrift Goethes Weltanschauung (hier S. 69 f) noch einmal besonders plastisch und goethekritisch mit dem Idealismus Goethes verknüpft wird. Wer sein Denken und Erkennen hingegen verschläft, für den gilt das freilich nicht in dieser Stringenz, wie Steiner 1921 vortragsweise noch einmal in GA-78, S. 33 - 42 darlegte. Während er dort (S. 42) von der Philosophie der Freiheit hervorhebt, «aus dem vollen Erleben der Aktivität des Denkens» seien die Sätze geschrieben, „Im Denken haben wir das Weltgeschehen selber an einem Zipfel erfaßt!“ - Wobei er sich dabei auch auf die erste Auflage von 1894 bezog. Nichts von all dem findet bei Clement einen Resonanzboden. Da herrscht wahrlich tabula rasa. Obwohl es konkreter von Steiner kaum gesagt werden könnte. So daß man schon beim Herausgeber Clement den Eindruck hat, daß hier ein ganz unbedachter Frühsemester irgendwie an Steiners Grundlagen herumwerkelt, aber kein gewachsener Kenner dieses Frühwerkes. Und so wird es wohl auch sein. Nicht nur bei Clement. - Daß wiederum Johannes Volkelt, auf dem Steiner methodisch maßgeblich aufbaute, laut Clement zu den «illusionären Neukantianern» dieser Zeit gehörte, das hat Steiner bei mancherlei kritischer Distanz zu Volkelt noch nie behauptet. War auch nicht der Fall. Volkelt war kein Illusionist, sah aber die akute Gefahr des Illusionismus, die von Kant und Humes Kausalitätsproblem ausging. Suchte deswegen jahrzehntelang, und zwar bis 1918 mit psychologischen Mitteln diesem sich dadurch andeutenden Illusionismus zu entkommen. Man darf auch zur Klärung dieser Sachlage nicht an Volkelts Frühwerk bis 1886 stehen bleiben, sondern muß den Rest und zumal die «endgültige Gestalt» seiner Erkenntnistheorie von 1918 zum Verständnis seiner Intentionen mit einbeziehen. (Siehe dazu hier, Kap. 6a bis 6g) Alles in allem soll das besagen, daß Volkelt wie Steiner auch, die Regelmäßigkeiten, Zusammenhänge und Wirksamkeiten zuallererst im eigenen Inneren suchte, da sie außen wie gesagt nicht zu finden waren. Sonst hätte Steiner wohl auch kaum auf Volkelts Erfahrungskonzept aufgebaut. Steiner kritisiert in seinen Frühschriften lediglich eine Inkonsistenz, die er bei Volkelts Vorstellungsbegriff zu erkennen meinte. Was ihn aber nicht hinderte, Volkelts überzeugendes immanent-psychologisches Konzept der Erkenntniswissenschaft für seine eigenen Forschungsziele dienstbar zu machen, worauf er eigens in Wahrheit und Wissenschaft (hier S. 7) hinwies. Als «Illusionisten» verstand Steiner Volkelt nie. Zu Steiners späterer Einschätzung Volkelts bei Betrachtung des erkenntnistheoretischen Neukantianismus / Illusionismus siehe GA-18, S. 472 ff und öfter. Volkelts Behandlung endet dort auf S. 476 f beim Übergangswerk Volkelts von 1906, das laut Volkelts eigener Einschätzung nur einen vorläufigen Charakter hatte. Während er seine Schrift von 1918 als die «endgültige Gestalt seiner Erkenntnistheorie» bezeichnete, die Steiner wie gesagt wohl am nächsten kam. Vor allem, wenn man sich die Seiten 140 ff anschaut. Auch das Verhältnis Steiners zu Volkelt wäre ein äußerst ergiebiges Forschungsprojekt zu den erkenntniswissenschaftlichen Grundlagen Steiners. Vorrangig in methodischer Hinsicht mit Blick auf die innere Beobachtung. Wo Volkelt ein ausgesprochener Pionier in dieser Zeit war und dazu regelmäßig Stellung bezog. Wie der Leser beispielsweise hier an Volkelts Aufsatz über Psychologische Streitfragen von 1887, sowie an der nachfolgenden weitläufigen Entgegnung darauf durch Wilhelm Wundt, - einem der damals namhaftesten Psychologen in dieser Angelegenheit, - über Selbstbeobachtung und innere Wahrnehmung, 1888 erkennen kann. 58. Schierens Vorwort zur SKA1 Wie es sich beim Herausgeber Clement bereits ankündigte, so zeigt sich auch im Jost Schierens Vorwort zur SKA Bd. 1 kaum ein Funken von Verständnis und Sachwissen. Wo man zum erkenntniswissenschaftlichen Inhalt der Grundlinien und der Einleitungen in Goethes naturwissenschaftliche Schriften nichts zu hören bekommt, was irgendwie für das Verständnis von Steiners Erkenntniswissenschaft wesentlich wäre. Man hat angesichts dieses Vorwortes von Schieren gar nicht den Eindruck, daß es bei der SKA 1 in irgend einem konstruktiv aufklärenden und verständnisvollen Sinne um Steiners wissenschaftliches Frühwerk geht. Schieren läßt nämlich kaum einen Hauch davon erkennen, was in den Grundlinien und im Rest des an Goethe angebundenen Frühwerkes von Steiner an erkenntniswissenschaftlicher Begründung vorgetragen wird. Es kommt ihm entschieden mehr darauf an, gleich in den allerersten Sätzen die «Umstrittenheit von Werk und Person Steiners» wie ein Herold der Wissenschaft ganz markig zu verlautbaren: „Werk und Person Rudolf Steiners sind bis heute, beinahe hundert Jahre nach seinem Tod, umstritten. Die spirituell-esoterische Weltsicht seiner Anthroposophie erscheint vielen Zeitgenossen mit einer empirischen Naturwissenschaft unvereinbar und die von ihm selbst beanspruchte Wissenschaftlichkeit seines Werkes wird weithin als illegitim zurückgewiesen.“ - So geht das bei Schieren schon gleich zu Beginn los. Man fühlt sich fast ins Fernsehstudio versetzt zu Lanz und Aiwanger: «Talkshow bei Anwesenheit eines Vertreters der freien Wähler neben drei Kontrahenten, und Lanz legt zum Einstieg los». - Was ich damit sagen will: Wer solche verschlafenen und ahnungslosen öffentlichen Anwälte und Sachwalter wie Schieren in der eigenen Angelegenheit hat, so mein Eindruck, der braucht wie in der Fernsehshow der Herr Aiwanger auch keinen Ankläger mehr. Während ich persönlich mich doch eher fragen möchte, was die Umstrittenheit von Steiners Werk eventuell mit der Gleichgültigkeit von Steiners wissenschaftlichen «Vertretern» zu tun hat, von denen Schieren nur einer ist, der nicht an der Seite Steiners, sondern vor allem auf der Seite Witzenmanns antritt und gegenüber Steiners Begründungsschriften weitestgehend gleichgültig und unwissend, weil er diese wissenschaftlichen Grundlagen jahrzehntelang ignoriert und verschlafen hat. Zusammen mit allerlei weiteren die wir oben behandelten. - Denn eine wissenschaftsorientierte Witzenmannbewegung, die ihre Zeit und Ressourcen jahrelang damit verbrennt, aufwändige Übersetzungen von Witzenmanns Strukturphänomenologie, zu schaffen und zu verbreiten, (hier die frei zugängliche PDF-Variante), (hier noch einige weitere Ergänzungen dazu), und die Aufhellung der Beziehungen zwischen Steiner und Witzenmann in eine blaue Zukunft verlagert, wie Wagemann dort auf S. 45 erklärte: Nun, eine solche Bewegung hat ersichtlich auch wenig Zeit, Ressourcen und Neigung für den Zugang zu Steiners eigener wissenschaftlicher Gedankenwelt. Denn sie hat etwas «Besseres und Wichtigeres» zu tun als Steinerforschung zu betreiben. Da ist es sehr naheliegend, daß darin einer der Haupt-Gründe liegt für das Unverständnis, das Steiner oft entgegengebracht wird: Die jahrzehntelange Gleichgültigkeit der Anhänger Witzenmanns gegenüber Steiners Begründungswerk. Da fehlte nur noch der sorgfältig moderierende «Ankläger» Schieren von der Seite Witzenmanns. «Realsatire», «Scheinheiligkeit» und «Doppeldenk» gemischt mit Krokodilstränen über das bedauernswerte Ansehen von Steiner und seinem Werk! So möchte man das nennen, und ergänzend mit Hanegraaff energisch die Erforschung von Steiners eigenen Grundlagen fordern, und nicht das gründliche Dauer-Verkleistern dieser Grundlagen Steiners mit den zweifelhaften Ersatz-Exegesen Witzenmanns. Was Schieren allerdings augenfällig eine Herzensanliegen zu sein scheint, das angebliche Negativum der Umstrittenheit von Steiner und dessen Werk gleich einleitungsweise vor aller Welt wie die ersten Sätze eines neuen Evangeliums im Vorwort zu verkünden: «Am Anfang standen die umstrittene Person und das ebenso umstrittene Werk Rudolf Steiners.» Während ihm, - das ist daran wiederum so bezeichnend, - ein wissenschaftliches Gegengewicht dazu in gar keiner Weise einfällt, weil er offensichtlich auch kaum eins kennt, abgesehen von allgemeinen Worthülsen. Man fragt sich: Wäre ein guter Freund und passabler Kenner von Rudolf Steiner und dessen Werk wohl auch so vorgegangen? - Was aber ist dann mit all jenen Leuten, die weder das eine noch das andere sind, sondern nur noch ganz akademisch intellektualistisch, und ohne jedes Verständnis auf das Werk Steiners hinstieren wie Traub, Zander & Co? 59. SKA 1: Nur Goethe-Deutung in den Grundlinien einer Erkenntnistheorie der Goetheschen Weltanschauung? Andererseits und aus dem wissenschaftsgenetischen Gesichtswinkel: Man muß ja bedenken, es geht bei dieser SKA 1 vorrangig nicht um das Werk Goethes, sondern um dasjenige Steiners, so weit dieser an Goethe anknüpft. Jedenfalls, wenn das Interesse vorrangig auf Steiners Erkenntniswissenschaft ruht. Wer sich dafür wenig oder gar nicht interessiert, der krallt sich dann ersatzweise vielleicht an den philologischen Fragen einer richtigen oder falschen Goethedeutung durch Steiner fest, und läßt Steiners Begründungswerk mehr oder weniger links liegen. Beides ist möglich und auch zu beobachten. Schon der Titel der SKA 1 «Frühe Schriften zur Goethe-Deutung» ist schillernd, und verschleiert mehr, als er zum Ausdruck bringt. Denn Steiners eigene erkenntniswissenschaftliche Grundlagen werden mit diesem Titel nicht erfasst, sondern schlicht weggelassen. Sachlich ist dieser Titel also ganz augenfällig falsch und irreführend, indem er die Signale schon in eine wirklichkeitsfremde und einseitige Richtung von «nur Goethe-Deutung» lenkt. Da fragt man sich bereits: Wer mit wieviel Sachverstand hat sich wohl so etwas wie diesen Titel ausgedacht? Ein akzeptabler Kenner von Steiners Frühwerk kann es jedenfalls nicht gewesen sein. Wo die Wirklichkeit darum doch sehr anders aussah als es dieser halbwahre Titel suggeriert. Denn schon die Einleitungen in Goethes naturwissenschaftliche Schriften sind von erkenntnistheoretischen Fragen durchzogen, die unmittelbar und nur mit Goethe nicht zusammenhängen, sondern mit erkenntniswissenschaftlichen Begründungsfragen, die über Goethe hinausgingen, und bei Goethe selbst nicht zu finden, sondern bestenfalls «angelegt» waren. Diese Durchsetzung der Einleitungen mit zeitgenössischen Fragen der Erkenntnistheorie zeigt sich ganz unmissverständlich in der Kürschnerausgabe von 1887, S. XIII ff, im Kapitel Goethes Erkenntnistheorie. Wo Steiner selbst darauf aufmerksam macht, daß eine systematische Geschlossenheit des wissenschaftlichen Goetheschen Denkens nicht vorliege: „Wir haben schon im vorigen Kapitel angedeutet, daß Goethes wissenschaftliche Weltanschauung als abgeschlossenes Ganzes, aus einem Prinzipe entwickelt, nicht vorliegt. Wir haben es nur mit einzelnen Manifestationen zu tun, aus denen wir sehen, wie sich dieser oder jener Gedanke im Lichte seiner Denkweise ausnimmt. Es ist dies der Fall in seinen wissenschaftlichen Werken, in den kurzen Andeutungen über diesen oder jenen Begriff, wie er sie in den «Sprüchen in Prosa» gibt, und in den Briefen an seine Freunde. Damit aber, daß wir rückhaltlos zugeben, daß Goethes Grundprinzipien von ihm nie als zusammenhängendes Ganzes ausgesprochen worden sind, wollen wir durchaus nicht zugleich die Behauptung gerechtfertigt finden, daß Goethes Weltanschauung nicht aus einem ideellen Zentrum entspringt, das sich in eine streng wissenschaftliche Fassung bringen läßt. ...“ Siehe alternativ die GA-1, S. 141 ff. Anders, als es der Titel der SKA 1 signalisiert, geht es eben nicht nur um Steiners «Goethe-Deutung», sondern auch um «erkenntniswissenschaftliche Grundlagen für Steiner und Goethe», die wiederum eingebettet sind in Steiners Herausgeberschaft von Goethes naturwissenschaftlichen Schriften. Die erkenntniswissenschaftliche Grundlegung / Fundierung von Goethes und Steiners Werk freilich ist keineswegs nur «Goethe-Deutung», und war auch mit den alleinigen Mitteln Goethes für Steiner aus den in der zitierten Einleitung angegebenen Gründen grundsätzlich nicht zu bekommen. Sondern, wie es sich bereits im besagten Einleitungskapitel ab S. XV abzeichnet, nur im Rückgriff auf die Erkenntnistheorie von außerhalb Goethes, und mit Unterstützung von eigenen Zeitgenossen, wie etwa im vorliegenden Fall der «reinen Erfahrung» von Johannes Volkelt. Den Steiner dort sowohl affirmativ als auch kritisch aufgreift. Im Dienste einer von Steiner zu zeichnenden «Goetheschen Erkenntnistheorie», die zugleich auch Steiners eigene war. Weswegen Steiner sich andererseits auch in Wahrheit und Wissenschaft (hier S. 6) mit Recht und mit Blick auf diese Mittel als unabhängig von Goethe erklärte. Was schon allein aus dem genannten Grunde aus der Einleitung namens Goethes Erkenntnistheorie heraus zu erhellen wäre. Alles, was Steiner an erkenntniswissenschaftlichen Auseinandersetzung mit späteren Zeitgenossen wie etwa Eduard von Hartmann (GA-1 S. 195 ff), Volkelt und anderen in diesen Einleitungen präsentierte, gehört streng genommen schon nicht mehr zur Goethe-«Deutung», sondern zu den erkenntniswissenschaftlichen Fundierungsfragen, die sowohl Goethe als auch Steiner gleichermaßen betreffen. Bei Goethe allerdings in dieser Form nie zu finden waren. Das wurde erst von Steiner besorgt. Zum Begründungswerk Steiners und seinem Verhältnis zu Goethe gäbe es daher ausgesprochen viel zu sagen. Darüber etwa, wie weit Steiner an Goethe direkt anknüpft, und wie weit er in erkenntniswissenschaftlichen Fundierungsfragen unabhängig von Goethe operierte. Eigenständig auch sein mußte, weil in fundamentalen Fragen der Erkenntniswissenschaft das entsprechende Rüstzeug bei Goethe schlechterdings nicht vorhanden war. Sondern nur unabhängig von Goethe zu erhalten war, weil der keines hatte. So daß in der Kürschnerausgabe von 1887 im Kapitel Goethes Erkenntnistheorie in Fragen der Erfahrung auch die Erkenntnistheorie Volkelts zu Wort kommt, wie bereits in den Grundlinien von 1886. Und sich gleichzeitig (S. 5 ff) auch in Steiners Kommentierung des «Hymnus über die Natur» in dieser Kürschnerausgabe von 1887 derselbe Universalienrealismus offenbart wie in den Grundlinien. Goethes Hymnus wiederum fand dann seinen Weg auch in die Philosophie der Freiheit, (hier S. 20 f Kapitel II, Zweitauflage; respektive S. 28 f der Erstauflage, Kapitel III). Als erkenntniswissenschaftlich zwar nur illustrierender, aber gleichwohl exemplarischer und keineswegs zufälliger, wegweisender philosophischer Begleiter bei Steiners Suche nach den wirkenden Kräften der Natur im eigenen Inneren, von denen schon in Goethes «Hymnus» und in Steiners Kommentierung dieses Hymnus in der Kürschnerausgabe von 1887 ab S. 5 die Rede ist, als jenen geistigen Kräften, die der Natur und dem Menschen selbst zugrunde liegen. Hier, S. 28 f im dritten Kapitel der Erstauflage; hier S. 20 f im zweiten Kapitel der Neuauflage von 1918. Beides, Idealismus und zeitgenössische Erkenntniswissenschaft gehört zu Steiners idealistischem und erfahrungswissenschaftlichem Begründungswerk im Umfeld der jüngeren idealistischen Strömungen seiner Zeit. Wobei er speziell mit Blick auf die Idealisten in der Vorrede, S. 4 in Wahrheit und Wissenschaft klar stellte, dass sie allesamt ohne Fundament dastehen. Was natürlich ebenso für den idealistischen «Erfahrungswissenschaftler» Goethe galt, der «ohne Fundament dastand». Da dieses notwendige Fundament bei den Idealisten also nicht zu bekommen war, mußte es «eigenständig» von anderer Seite besorgt werden. Speziell in der Psychologie und dort wiederum bei der Beobachtung des Denkens, worauf Steiner nicht nur sein eigenes, sondern auch das Fundament der Goetheschen Weltanschauung in den Grundlinien von 1886 veranlagte. Die sich als erkenntniswissenschaftliche Schrift ganz ausdrücklich als Grundlinien einer Erkenntnistheorie der Goetheschen Weltanschauung verstanden. Mit Mitteln allerdings diese Grundlinien und goetheanistischen Erkenntnisprinzipien gezeichnet, die eben nur in Teilen von Goethe stammen konnten. So weit, daß sich andere schon vor vielen Jahren aus dem Umfeld der Anthroposophen fragten, was denn diese Grundlinien «mit Goethe überhaupt zu tun haben?» (Es war, so weit ich weiß, Christoph Gögelein in seinem Buch über Goethes Begriff von Wissenschaft / alternativ hier aus dem Jahre 1972, S. 192.) In den entscheidenden Teilen nämlich werden diese Goetheschen Erkenntnisprinzipien von Steiner fundiert mit psychologischen Mitteln, - der Erfahrung und Beobachtung des Denkens, - die sich nicht bei Goethe fanden, sondern bei der zeitgenössischen Psychologie Steiners und vor allem bei Johannes Volkelt, auf den Steiner sich in Wahrheit und Wissenschaft (hier S. 7) immer noch beruft. Werner Moser hätte in seiner Art vielleicht vom «Guru Denken» (S. 30 ff) gesprochen, bei dem das Fundament für die Idealisten und speziell auch für Goethe besorgt werden mußte. Nun gibt es den «Guru-Denken» auch nicht so ganz kostenlos und gratis ohne jede gedankliche Gegenleistung, sondern man muß schon wissen und in Erfahrung bringen, welche komplexen Fragestellungen überhaupt damit verbunden sein können. Zum Beispiel Fragen um die innige Beziehung zwischen Kausalerklärung und Logik. - Siehe etwa dazu oben Kap 38; 39. und andere. Karl Popper und der «Schuldscheinphysikalismus» des Erkennens. Wo Popper dieselbe Unmöglichkeit einer (abstrusen) physikalistischen Kausalerklärung des Denkens und Erkennens behauptet wie Rudolf Steiner am Ende von Kapitel III der Philosophie der Freiheit. «Man kann nicht zu etwas kommen was das Denken bewirkt, wenn man den Bereich des Denkens verläßt», so Steiner dort im folgenschweren Einklang mit dem späteren Popper. - Wenn man indessen nicht so etwas und Vergleichbares, sondern nur wesenloses Zeug fragt, dann antwortet der «Guru Denken» nicht. Ist letzteres aber der Fall, und hat man vernünftige und zielführende Fragen nicht zur Hand, dann läßt man selbst als «Anthroposoph» auch Steiners eigene Fragen um die Kausalität in aller Naivität einfach weg, und zugleich auch Steiners Kernfragestellungen aus dem Kausalitäts-Kapitel 14 der Grundlinien, oder den Kapiteln Eins und Zwei der Philosophie der Freiheit, oder aus der Schrift Von Seelenrätseln. Und beginnt bequemerweise gleich mit Kapitel Drei der Philosophie der Freiheit weil die anderen Leitfragen Steiners weder interessieren noch überhaupt verstanden werden. Das kann man alles in der Steinerrezeption auch bei sehr namhaften Vertretern beobachten. - Zu diesen wirklich wesentlichen Dingen um Steiners unabhängige Goetherezeption und Fundierung in der Erkenntniswissenschaft dringt aber auch Herr Schieren leider nicht vor.
Eigenständig Steiner, so weit es um sein eigenes erkenntniswissenschaftliches Vorhaben geht, das sich wiederum als eine Grundlegung von Goethes wissenschaftlichem Idealismus mit Mitteln des 19. Jahrhunderts versteht, die Goethe noch nicht zugänglich waren. Wie etwa die psychologische Erkenntnistheorie eines Johannes Volkelt, der 1886 in den Grundlinen eine maßgebliche Rolle auch bei der erkenntniswissenschaftlichen Begründung des Goetheschen Idealismus spielte. Was ja 1897 dann als «Beobachtung von Denken, Weltgeschehen und Idee» in der Schrift Goethes Weltanschauung, S. 69 ff neuerlich zusammengführt wird. Wo Steiner indessen besonders deutlich nicht nur das Gemeinsame, sondern auch die Grenzen klar benennt, die zwischen ihm und Goethe liegen. Während Wahrheit und Wissenschaft ganz ausdrücklich unabhängig von Goethe formuliert ist. Indes die Philosophie der Freiheit Goethes Naturverständnis zwar nennt, und sich daran S. 20 f vorsichtig anlehnt, aber nicht im begründenden Sinn. Anders gesagt: Man kann Steiners Frühwerk schlechterdings nicht nur auf seine Goetherezeption reduzieren, von dem er sich auch öffentlich ausdrücklich unabhängig gemacht hat. Sondern muß schon näher und differenzierter hinschauen, was er davon aufgreift und was er eigenständig für sein persönliches erkenntniswissenschaftliches Frühwerk verwendet, das sich wie gesagt auch als Grundlegung der Goetheschen Weltanschauung verstand. Sei es die Erkenntniswissenschaft oder sei es Steiners Freiheitsphilosophie, die ja nicht zu trennen sind. Doch noch nicht einmal von Goethes Ideenlehre ist bei Schieren angemessen die Rede. Die vom frühen Steiner in den Einleitungen / respektive in seiner Vorrede zu Bd 34 der Kürschnerausgabe, 1887, S. IV (GA-1, 1987, S. 120 ff) unter dem Hinweis aufgenommen wurde, einen induktiven Weg zur Idee aufzutun, der dann über die Beobachtung des Denkens verläuft, und nachfolgend besonders plakativ 1897 in Goethes Weltanschauung gezeichnet wurde, nebst S. 69 ff Steiners Differenzen zu Goethe, die sich freilich in den Grundlinien von 1886 schon abzeichneten. Während er seine Eigenständigkeit von Goethe in Wahrheit und Wissenschaft (hier S. 6) öffentlich auch bekannt gab. Diese Dinge muß man schon auseinander halten, zumal eine eigenständige Erkenntnistheorie von Goethe wie gesagt ja nicht vorlag. Der Nachweis von wissenschaftlicher Konsistenz im Steinerschen Frühwerk und dessen Zusammenhang mit dem Forschungsumfeld seiner Zeit freilich ist Schieren völlig fern gelegen und fremd, da er sich als Anhänger Witzenmanns in den zurückliegenden Dezennien noch kaum darum bemüht hat. So daß ihm der Inhalt dieses Frühwerkes und dessen innerer Zusammenhang augenfällig auch keine vergleichbare Herzensangelegenheit war, wie die Umstrittenheit von Steiner und dessen Werk, das gleich als rhetorischer Aufmacher initial hingepfahlt wird, als sei dies das Allerwichtigste und Leuchtendste an Steiner und seinem Werk, was bei ihm in der Erinnerung noch haften geblieben ist. Während zum eigentlichen Inhalt dieser Frühschriften Steiners (Grundlinien / Einleitungen in Goethes naturwissenschaftliche Schriften / Goethes Weltanschauung) Schieren definitiv nichts Erhellendes einfällt, mit dem sich erkenntniswissenschaftlich irgend etwas Nennenswertes zum Verständnis Steiners anfangen ließe. Schon gar nichts zur erkenntniswissenschaftlichen Konsistenz dieses Frühwerkes. Er kommt nicht einmal wie Haanegraaff darauf, daß man die Grundlagen Steiners vielleicht einmal gründlich aufarbeiten müsste. Oder gar darauf, daß die wissenschaftliche Umstrittenheit Steiners vielleicht an Leuten wie ihm (Schieren) selbst liegen könnte, die sich seit Jahrzehnten nie um dieses Werk und seinen wissenschaftlichen Aufbau kümmerten, sondern stattdessen um die Verbreitung Witzenmanns und die törichte / destruktive Substituierung Steiners durch Witzenmann. Dabei hätte Schieren eigentlich längst klar sein müssen, daß die Beobachtung des Denkens und eine immanent psychologische Erkenntnistheorie in Steiners Grundlinien, die sich ausdrücklich an Steiners Zeitgenossen Johannes Volkelt anlehnte, nichts war, was man bei Goethe hätte ansiedeln können. So wenig wie eine darauf aufbauende Freiheitsphilosophie. Worauf Steiner in der Schrift Goethes Weltanschauung von 1897 (S. 69 ff) eigens ganz explizit hinweist, nachdem er sich in seiner Dissertation / Wahrheit und Wissenschaft ausdrücklich als unabhängig von Goethe erklärt hatte, während er es faktisch ja in den maßgeblichen Teilen bereits in den Grundlinien war. Und nachfolgend die Philosophie der Freiheit wiederum lediglich im zweiten Kapitel eine durchaus bedeutende Verbindung zu Goethes Naturverständnis schlägt in der literarischen Anlehnung an dessen «Hymnus über die Natur», wo es um die wirkenden Kräfte der Natur im eigenen Inneren geht. Dies wie gesagt allerdings nicht im begründenden Sinne, sondern im Kapitel II nur anlehnend. Verständlich wird diese bloße Anlehnung, weil natürlich auch Goethes eigene Weltanschauung «ohne Fundament» dastand, wie all die restlichen idealistischen Systeme dieser Zeit, wie Steiner in Wahrheit und Wissenschaft reklamierte. So daß Steiner Goethe, dem er gleichwohl aus empiristischen und idealistischen Gesichtspunkten ausgesprochen nahe stand, ihm ein Fundament im Rückgriff auf die Mittel seiner eigenen Zeit zu geben trachtete, auf die Goethe seinerseits nie gekommen wäre. Auch zeitbedingt gar nicht hätte kommen können, da es diese psychologisch / erkenntniswissenschaftlichen Mittel zu Goethes eigener Zeit noch nicht gab. Wenn Steiner in Wahrheit und Wissenschaft (S. 37) die «intellektuelle Anschauung», - also das «Hellsehen» respektive die «übersinnliche Wahrnehmung», - im reinen Denken ansiedelt, dann wäre Goethe darauf vermutlich nie verfallen. Und schon gar nicht über die systematische erkenntniswissenschaftliche Beobachtung des eigenen Denkens, wie es bei Steiner mit Volkelts Hilfe dann der Fall war. Bei aller Hingezogenheit Goethes zur «Anschauenden Urteilskraft» Kants (Kürschnerausgabe Bd. 33, 1884, S. 115 f), respektive dem «Intellectus archetypus» oder «göttlichen Verstand» aus Kants Kritik der Urteilskraft bzw aus der Kritik der reinen Vernunft. Auf Steiners Lösung zudem, daß in jedem begrifflichen Denken ein Prozeß des «Hellsehens» bereits realisiert wird, wie es später besonders markant auch 1921 vortragsweise hier S. 300 f öffentlich gesagt wurde, darauf wäre Goethe erst recht nicht gekommen. So wenig, wie Goethe auf dieser erkenntniswissenschaftlichen Basis eine Lösung des Freiheitsproblems angestrebt hätte. Während Steiner seinerseits wiederum in seiner Geheimwissenschaft im Umriß (GA-13; hier S. 343 f) die Grundlinien von 1886, - also die Grundlinien einer Erkenntnistheorie der Goetheschen Weltanschauung, - als eine sichere und wesentliche «Zwischenstufe» zur eigenen «Geisteswissenschaft» betrachtet, wozu man gern von Herrn Schieren in diesem Vorwort zur SKA 1 etwas Substantielles gehört hätte, warum das wohl so ist. Siehe gleich nachfolgend. Jedenfalls waren Popper und Eccles mit ihrer Physikalismuskritik und der Nähe zur Psychologie des Denkens sachlich sicherlich entschieden näher an Steiners Grundlagenforschung als drei Professoren, wo der eine etwas mit Idealismus und der andere etwas mit Esoterik studiert hat, und der dritte schließlich etwas mit Goethe, Kant und Witzenmann. Aber alle drei von Steiners Grundlagenkonzeption buchstäblich nichts verstehen. Immerhin aber thematisiert Wouter Hanegraaff im Gegensatz zu Schieren ja noch sehr eindringlich die notwendigen Wissenschaftskriterien und -ansprüche der Anthroposophie als Forderung. Was man ihm hoch anrechnen müsste, denn damit hat er ja vollkommen Recht, auch als Außenstehender. Zumal er sich damit bei allem Unverständnis auch besonders positiv und wohltuend von den dubiosen Anhängern Witzenmanns abhebt, wo das ja schon seit Jahren gar nicht mehr der Fall ist, und solche Forderungen nach gründlicher Steinerforschung nicht einmal mehr erhoben werden. Weil es offensichtlich auch gar nicht im eigenen Interesse des Witzenmann-Anhangs liegt. - Bleibt nur die Schlußfolgerung: Denn wer will schon als Anhänger Witzenmanns solide Steinerforschung betreiben? Er würde ja Gefahr laufen, sich als Anhänger dieses Unsinns durch eine ernsthafte Steinerforschung permanent selbst zu widerlegen! So daß, wenn dann beim «Waldorf-Binnen-Erzähler» Kaiser solche Ansprüche weder verstanden noch überhaupt erhoben werden, ihm das sicherlich einige Sympathien bei den Witzenmannvertretern von Info3 eingetragen hat. Weil bei Kaiser ganz außerhalb jedes Wissenschaftsrahmens und ohne jeden Schimmer von derlei Begründungen Steiners nur noch ganz akademisch wirr drauflos «gefabelt» wird. Und er damit ein gern gesehener Gast in der Provinz des Widersinns von Heisterkamp, Da Veiga, Traub und Schieren ist. Da wir nun gerade mit Herrn Hanegraaff bei Steiners Geheimwissenschaft, GA-13, angelangt sind, die ja auch Gegenstand der SKA 8 ist, darf ich den Leser noch einmal nachdrücklich darauf hinweisen, dass Steiner im Methodenteil der Geheimwissenschaft im Umriß auf S. 343 ff energisch seinen Leser darauf hinweist, dass es einen sichereren Weg zu den übersinnlichen Wahrheiten gibt. Der als «sicherer Zwischenschritt» wiederum, so Steiner dort, dargelegt sei in seinen Grundschriften Grundlinien einer Erkenntnistheorie der Goetheschen Weltanschauung und Philosophie der Freiheit. Entsprechend und parallel dazu macht Steiner auch in der Philosophie der Freiheit in den Zusätzen von 1918 auf diese Tatsache hier auf den Seiten 180 f und auf dieses Zwischenstadium aufmerksam. 60. Ulrich Kaiser Vollkommen frei von jeder Wissenschaft geht es dann bei Kaiser zu, der buchstäblich keinen Hauch des Verstehens von dem hat, worüber er redet. Weder von der Philosophie der Freiheit von 1894, noch von jener von 1918, auf deren «seelische Beobachtung» er dann noch einmal auf S. 219 vordergründig betrachtend kommt. Wo er sich lediglich darüber wundert, wie es zu dieser Titelverwandlung gegenüber 1894 hat kommen können. Es fällt ihm buchstäblich nichts dazu ein, daß dies in der Sache selbst liegen könnte und sich gleichwohl an Inhalt und Methode der Schrift bis auf Ergänzungen nichts verändert hat, da es immer noch um die selbe Angelegenheit geht wie 1894. Sich allerdings die Zeitverhältnisse seit 1894 derart verändert hatten, daß diese Art seelischer Beobachtung jetzt auch akzeptierte Laboratoriums-Forschung geworden war, was 1894 so noch nicht der Fall war. So daß Steiner gute Gründe hatte, das eigens noch einmal im Untertitel besonders zu akzentuieren. Es gibt zudem noch einen sehr speziellen Anlaß zu dieser markanten Hervorhebung der «seelischen Beobachtung» im Untertitel der Philosophie der Freiheit, den die Schrift Von Seelenrätseln (GA-21) besonders nahe legt, mit dem dort wiederholt erläuterten Begriff des «rein Seelischen» (S. 15 ff) respektive «seelisch Wesenhaftes» (S. 129 ff). Der nämlich spielt dort eine maßgebliche Rolle nicht nur bei der Wahrnehmung intimer seelischer Vorgänge im dortigen Kapitel Anthropologie und Anthroposophie. Sondern auch beim Erkennen, das sich vom Streben nach Wahrheit leiten läßt und sich demgemäß an den Gesetzen der Logik orientiert, die wiederum laut GA-21 keine leiblichen Gesetze sein können, sondern geistige. Bevor ich auf den Inhalt etwas näher eingehe, möchte ich nur den Hinweis geben, daß die Schrift Von Seelenrätseln mit ihrer Behandlung des «rein Seelischen» zirka ein Jahr vor der Zweitauflage der Philosophie der Freiheit erschien. Und insofern die Philosophie der Freiheit dem Beobachten des Erkennens gewidmet ist, widmet sie sich gemäß der Schrift Von Seelenrätseln auch schwerpunktmäßig diesem «rein Seelischen», von dem bereits ein Jahr vorher schon die Rede war. Und zwar anläßlich von Fragestellungen, die Steiner in der Schrift Von Seelenrätseln ausdrücklich am Treffpunkt und im «gemeinsamen Forschungsfeld von Anthropologie und Anthroposophie» ansiedelt. Wohin ihrem Thema und Forschungsziel nach auch die Philosophie der Freiheit gehört. Auch wenn Steiner in der Philosophie der Freiheit den speziellen Terminus «rein Seelisches» nicht verwendet, ist verständlicherweise das in GA-21 genannte «rein Seelische» als Thema des Erkennens auch in der Philosophie der Freiheit behandelt und untersucht. Das werden wir in Kürze anschließend in Form eines kurzen Binnenexkurses noch etwas weiter verfolgen, der zur besseren Unterscheidung auch vom Format her etwas vom normalen Text abgehoben sein wird.
Es geht um seelische Beobachtungen, welche die Grundlage zu dem darstellen, woraus Kaiser dann nur noch seinen akademisch sich gebenden Erzählernonsens geformt hat, weil er eben alles das nicht weiß, was zum wissenschaftlichen Verständnis Steiners nötig wäre. Nämlich, von diesem Buch und von Steiners frühem Begründungswerk weiß Kaiser buchstäblich nichts, und schreibt auch nichts, was überhaupt nur der Rede wert wäre. Darin scheint er mir ein symptomatisches Beispiel dafür zu sein, was aus an sich nicht unklugen Waldorflehrern werden kann, die über die erkenntniswissenschaftlichen Grundlagen der eigenen Waldorfpädagogik buchstäblich nichts brauchbares wissen, womit sie als wissenschaftlich Interessierte etwas anfangen könnten. Und dann aus ihrer Verständnisnot heraus zu solchen Verständnisabwegen greifen, um das «Begründungsrätsel» von Steiners Anthroposophie irgendwie und mit vollkommen ungeeigneten Mitteln auf eigene Faust zu lösen. Was alles nichts Neues in dieser Bewegung ist, wie ich hier schon auf S. 1238 ff erläutert habe. Was mir zudem eins der Kernprobleme auch dieser Waldorf-Pädagogik überhaupt zu sein scheint: Die weitestgehende Unbekanntheit ihrer wissenschaftlichen Grundlagen bei jenen, die sie ausüben und vertreten. Einschließlich Schieren, Da Veiga & Co. Das gipfelt am Ende wie bei Kaiser buchstäblich im akademisch maskierten Zerstörungswerk. Und ist damit die Kehrseite dessen, was im Zusammenhang mit der SKA vorhin moniert wurde. Worin mir Herr Clement auf seine Art sogar mit seiner in die SKA 1 Recht gibt: Daß Steiners Erkenntnisgrundlagen viel zu wenig bekannt sind. Selbst bei den eigenen langjährigen Mitarbeitern und führenden Vertretern dieser Bewegung sind sie nicht bekannt, wie wir anhand von Kaiser, und bei DaVeiga und Schieren sehen. Werden wir etwas konkreter: Noch nicht einmal Steiners Briefwechsel mit Rosa Mayreder wird von Kaiser näher ins Auge gefaßt, aus dem das Stichwort «Erzähler» stammt, das dann bis in die Höhe seiner Titelgebung vom Erzähler Rudolf Steiner aufgestiegen ist. Dieser Sachzusammenhang des Briefwechsels interessierte den Verfasser Kaiser ebenfalls gar nicht, sondern wird ausnahmslos weggelassen. Was Kaiser im Zusammenhang mit Rosa Mayreder und Steiners Briefwechsel mit ihr unter dem Stichwort «Erzähler» auf S. 217 ff vorlegt, macht sich gar nicht erst die Mühe, den näheren Anlaß von Steiners «Erzähler-Antwort» auf Mayreders Vorschlag im Brief Nr. 379, GA-39, S. 387 einzubeziehen, in dem es hieß: „Aber ich glaube fast, Ihr Werk wird erst eine allgemeinere Wirkung üben, wenn Sie aus jedem Kapitel desselben ein ganzes Buch machen.“ Aus jedem Kapitel soll Steiner laut Mayreder ein ganzes Buch machen! - Mayreders umfangreicher Erweiterungs-Vorschlag in diesem Brief folgte aus dem unvollständigen, gedrängten Inhalt der Schrift Philosophie der Freiheit. Aus ihrer «lapidaren Kürze». Das bestätigte Steiner ihr unumwunden im Antwortbrief Nr. 402, S. 232. Während bei Kaiser nicht einmal Mayreders Brief, der ja den Anlass für Steiners Zustimmung und dessen Selbsteinschätzung als «Erzähler» gab, einer näheren Betrachtung unterzieht. Und ebenso wenig Steiners Antwortbrief, mit Ausnahme der zwei zitierten «Erzählersätze». Bei Kaiser schäumte also die Fantasie, während ihn der zugrunde liegende Sachverhalt und die Tatsachenkonstellation um die Philosophie der Freiheit gar nicht interessierte, auf dem er seine Kreation vom «Erzähler Rudolf Steiner» an dieser Stelle aufbaut. Der gesamte Sinnzusammenhang um diesen Briefwechsel, - das ist der Inhalt der Philosophie der Freiheit einschließlich Briefwechsel, - fehlt bei Kaiser. Er stellt sich gar nicht die Frage, warum das Buch in beider Augen wohl viel zu kurz ist, und warum Steiner seiner Briefpartnerin mit Blick auf den vorläufigen und viel zu kurzen Inhalt rundheraus Recht gibt. Stattdessen präsentiert Kaiser lediglich als Ausschnitt aus diesem gesamten Briefwechsel den Briefpassus von Steiner: „Ich lehre nicht; ich erzähle, was ich innerlich durchlebt habe. Ich erzähle es so, wie ich es gelebt habe.“ Woraus Kaiser auf S. 217 ohne jeden weiteren Hintergrund folgert: „Wichtig ist ihm [Steiner, MM] zunächst die Unterscheidung von Lehren und Erzählen. Und indem er das Erzählen gegenüber dem Lehren bevorzugt, macht er zugleich zweierlei deutlich: Seine Haltung ist erfahrungsorientiert, er möchte seine eigene, nicht nur erlebten, sondern – tiefer noch gelebten Denk-Erfahrungen sichtbar machen. Und er möchte auf jeden Gestus der Belehrung verzichten. …“. Ganz vordergründig läßt sich das natürlich so sagen, daß Steiner nicht belehren möchte, denn so steht es ja auch im Brief. Was freilich die Frage um den großen Rest und den Gesamtzusammenhang des Briefwechsels nicht beantwortet. Im Gegenteil, denn damit erst fangen die qualifizierteren Fragen an. Es fragt sich eben, was in den Briefen sonst noch steht. Vor allem aber stellt sich die Frage, warum Steiner zwar in der besprochen Schrift nicht belehren möchte, aber es als Möglichkeit ausdrücklich auf später vertagt. Er hat also durchaus Lehransprüche. Aber eben jetzt und in diesem Buch noch nicht. Und die leicht aus dem Gesamtzusammenhang zu beantwortende Frage lautet: Warum das im Fall des Buches noch nicht so war, und Lehransprüche dort noch nicht geltend gemacht werden (konnten)? Die noch weiter gehende Frage lautet dann, warum Kaiser den gesamten Zusammenhang dieses Briefwechsels um Steiners Schrift, nach dem jeder ernsthafte Leser fragen würde, warum ausgerechnet Kaiser ihn in sämtlichen Einzelheiten wegläßt? Dazu nun, zur Klärung dieser Frage nach einem künftigen Lehrinhalt der Schrift und zur Erzählerfrage überhaupt, gehört die Kenntnis dieser Schrift Philosophie der Freiheit und ihrer Fragestellung, weil Mayreder und Steiner sich darauf beziehen. Und nur darauf. Man kann also an ihrem Wechselgespräch in den Briefen nicht mit Verständnis teilhaben, wenn man den Gegenstand und seine Problemzonen gar nicht kennt, um den es dabei ging, und was sie zu diesen ihren Bewertungen und Prognosen auf kommende Möglichkeiten brachte. Das wäre die Minimalvoraussetzung, um ihre Einschätzungen dazu überhaupt verstehen, und vor allem aber bewerten zu können. Das freilich liegt nicht im Aufmerksamkeitsfokus von Herrn Kaiser. Es interessierte ihn gar nicht, was in der Philosophie der Freiheit stand und was sie dazu sagten. Damit fehlte ihm jede Urteilsgrundlage zur Bewertung dieses Briefwechsels. Was einen als Leser nicht weiter wundert, weil schon Steiners Erkenntniswissenschaft im allgemeinen Kaiser nicht interessierte. Also auch nicht die Frage, was in dem Briefwechsel mit Mayreder über Steiners Erkenntniswissenschaft und Freiheitsphilosophie behandelt wurde, und warum Steiner speziell in diesem Buch nicht belehren möchte, weil dem Interpreten Kaiser die Erstauflage der Philosophie der Freiheit als zentraler Gesprächsgegenstand der beiden Briefpartner am Interessenshorizont vollständig vorbei ging, und damit auch Inhalt und Gegenstand ihres Briefwechsels. Kaiser hatte von all dem buchstäblich keine Ahnung und auch gar kein Interesse daran. So eilt dann die Fantasie Kaisers aus dem blauen Dunst heraus von Gedanke zu Folgerung und neuer Vermutung weiter, ohne sich überhaupt um den konkreten Hintergrund und die Aussagen des Briefwechsels zu kümmern. Folglich interessiert es ihn auch nicht, was Steiner selbst zur Frage des Belehrens und über zukünftige Lehrabsichten sagt. Das Desinteresse an jedem Verständnis für Steiners eigene ausdrückliche Begründungen und Vorhaben steht hinter Kaisers Passage um den Briefwechsl. Anti-Hermeneutik gewissermaßen! Als Analyseresultat, gestützt auf so wenig Material, um nicht zu sagen: fast gar kein Material, ist das unsubstantiiert und leer. Zumal der viel näher liegende Anlaß für das Wort vom «Erzähler» gar nicht erst in Betracht gezogen wird, obwohl er infolge des Briefwechsels geradezu auf der Hand liegt. Von «Denk-Erfahrungen», wie Kaiser das erläutert, spricht Steiner nicht einmal explizit im Antwortbrief. Und es waren ja noch andere berichtete seelische Erfahrungen dabei, wie Frustration und Verzweiflung sowie Zuversicht und Freude über einen bedeutenden Fund, der freilich zunächst nur für ihn persönlich galt. Von dem er aber begründet meinte, daß man daraus künftig etwas wissenschaftlich außerordentlich Anspruchsvolles machen kann. Weswegen der Weg zu diesem Fund in seinen Augen auch unbedingt das Recht hatte, anderen mitgeteilt zu werden, bevor der Inhalt der Schrift ein sehr gut validierter Lehrgegenstand geworden ist. Was dort also nachvollziehbar im Briefwechsel von beiden Briefpartnern thematisiert wurde, sind Werdeprozesse einer Forschung, die, bevor sie vollständig heran- und ausgereift ist, sich im Stadium des Unabgeschlossenen und der Vorläufigkeit befindet. Steiner standen die Grenzen des im Buch Erreichten und das noch zu Leistende ziemlich klar vor Augen, das wird in diesem Briefwechsel ausgesprochen plastisch dargelegt. Im Wissenschaftbetrieb geht es übrigens regelmäßig so zu. Es ist geradezu das Standardformat für bedeutende Entdeckungen. Erst kommen die Ideen, dann erste Aufsätze zu diesem Forschungsgegenstand, dann Bücher und andauernd Streit bis hin zur Verleumdung. Und manchmal zum Schluß der Nobelpreis. Wo dann manche bedeutenden Entdeckungen während vieler Jahrzehnte und oft auch jahrhundertelang sich durchkämpfen müssen, bis aus einem individuellen Erkenntnisfund schließlich ein ausgereifter Lehrgegenstand auch für die Universitäten geworden ist. Ein simples Beispiel dafür ist Alfred Wegeners Plattentektonik, deren Keime bereits um etwa 1910 heranreiften. Während sie als wissenschaftliche Lehrmeinung erst ab den 1960er Jahren begann sich akademisch durchzusetzen. Im erfahrungswissenschaftlichen Betrieb ist so etwas ein ganz gewöhnlicher Vorgang, dem der namhafte Thomas Kuhn ein eingehendes Buch über die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen gewidmet hat. So war das auch bei Steiner. Da keimte in ihm nach viel Vorarbeit eine bedeutende Lösung für das Freiheitsproblem. Und die machte er öffentlich, weil er ihr begründet außerordentliche Zukunftschancen einräumte, trotz ihrer eingestandenen Vorläufigkeit. Von so etwas sprechen die beiden Briefpartner Mayreder und Steiner. Weil ihnen beiden, im Gegensatz zu Kaiser, diese Sachlage vollkommen klar war: Jede (große) Forschungsidee und Problemlösung kann zu Beginn ganz naturgemäß nur eine vorläufige sein. Zumal es bei einer Freiheitsphilosophie ja nicht nur um Erfahrungen des Denkens geht, sondern vorrangig um die erkennende Lösung der vielschichtigen wissenschaftlichen Problemlage mit der menschlichen Freiheit. Daß diese Klärung als Erkenntnisklärung wiederum ein persönliches Erlebnis ist, das ist ebenfalls trivial. Wie sollte das anders sein? Wenn aber nun Steiners ganz persönliche Klärung der Freiheitsfrage noch nicht den Status eines ausgereiften Lehrinhaltes erreicht hat, wie Steiner unverkennbar im Brief ausspricht, dann ist es einleuchtend und ebenso trivial, wenn der Buch- und Briefschreiber Steiner sich auch nicht als «lehrender» Übermittler eines solchen reifen Lehrinhaltes versteht, weil der eben noch gar nicht vorhanden ist. Sondern die Dinge in ihrer Vorläufigkeit und auf dem zunächst nur persönlichen Klärungsniveau darstellt, wie sie eben waren. So Steiner im Antwortbrief an Mayreder: „Sie sagen mir: das Buch ist zu kurz; es hätte aus jedem Kapitel ein Buch gemacht werden sollen. Ich kann dieser Bemerkung, sofern sie objektiv gemeint ist, nicht widersprechen. Die Erklärung dafür ist aber in meiner Subjektivität gegeben. Ich lehre nicht; ich erzähle, was ich innerlich durchlebt habe. Ich erzähle es so, wie ich es gelebt habe. Es ist alles in meinem Buche persönlich gemeint. Auch die Form der Gedanken. Eine lehrhafte Natur könnte die Sache erweitern. Ich vielleicht auch zu seiner Zeit. Zunächst wollte ich die Biographie einer sich zur Freiheit emporringenden Seele zeigen. Man kann da nichts tun für jene, welche mit einem über Klippen und Abgründe wollen. Man muß selbst sehen, darüberzukommen. Stehenzubleiben und erst anderen klarmachen: wie sie am leichtesten darüberkommen, dazu brennt im Innern zu sehr die Sehnsucht nach dem Ziele. Ich glaube auch, ich wäre gestürzt: hätte ich versucht, die geeigneten Wege sogleich für andere zu suchen. Ich bin meinen gegangen, so gut ich konnte; hinterher habe ich diesen Weg beschrieben. Wie andere gehen sollen, dafür könnte ich vielleicht hinterher hundert Weisen finden. Zunächst wollte ich von diesen keine zu Papier bringen. Willkürlich, ganz individuell ist bei mir manche Klippe übersprungen, durch Dickicht habe ich mich in meiner nur mir eigenen Weise durchgearbeitet. ...“ - Steiner an Rosa Mayreder im Antwortbrief Nr. 402. Das spricht für sich. Da wird alles angegeben, was man im Zusammenhang mit bedeutenden Entdeckungen auch wissenschaftsgeschichtlich studieren kann: Bis eine große und zielführende Forschungsidee nach möglichst allen Seiten hin abgesichert und akzeptiert ist, braucht es einen sehr langen Atem bei dem, der sie verfolgt. Mit allen Phasen der Ungewißheit und Unvollständigkeit, die das für den Forscher mit sich bringt, und wie es Steiner auch in seinem Brief an Mayreder sehr plastisch zum Ausdruck brachte. Daß er sich da nicht als Verfasser eines Lehrbuches versteht und folglich auch nicht als Lehrenden, sondern als Berichterstatter und Erzähler über seinen persönlichen Forschungsweg, das ist ganz selbstverständlich, und nur ein Zeichen dafür, daß ihm jeder Anflug von wissenschaftlichem Größenwahn fehlte: Also ganz und gar kein Lehrbuch, und folglich Steiner auch kein Lehrender. So einfach liegen die Verhältnisse um den «Erzähler» Rudolf Steiner in diesem Briefwechsel. Jeder andere ernstzunehmende Forscher würde zu Beginn eines umfassenden Forschungsvorhabens oder eines laufenden anspruchsvollen Projektes doch ebenso verfahren, und nicht gleich im ersten zusammenfassenden Buch darüber Lehransprüche anmelden. Sondern die eines ernsthaften Berichterstatters über dieses Erkenntnis-Projekt, von dem er persönlich sehr überzeugt ist, und das er substantiell und mit sehr guten Gründen für zielführend hält. Der Mann, Naturwissenschaftler und Goetheforscher, der er war, wußte sich selbst, seine Leistung und noch fehlende Bestandsstücke auf dem Feld seiner Freiheitsforschung, im Gegensatz zu vielen seiner Anhänger und Interpreten, sehr gut einzuschätzen. Weil er einen soliden Begriff von Wissenschaft, von der Forschungslage und ihren Problemstellungen hatte. Auch ganz im Gegensatz zu vielen seiner Anhänger und Interpreten. Daß er da womöglich noch an viel weitergehende Ziele dachte, die über die Freiheitsforschung beträchtlich hinausgingen, wie er es 1921 in seinem Stuttgarter Rechtfertigungsvortrag (GA 255b, S. 295 ff) erläuterte, ist ebenfalls denkbar, muß aber jetzt nicht unbedingt behandelt werden, weil wir das bereits wiederholt besprochen haben. Nur der Hinweis: Abgesehen vom Physikalismusproblem aus dem ersten Kapitel / (zweites der Erstauflage) beginnt das bereits mit der Frage nach dem Ursprung des Denkens. Ebenfalls aus dem ersten Kapitel (zweites der Erstauflage), zu dem es ja reichlich Anlass zu fragen schon in den Vorgängerschriften aus der idealistischen Sicht gegeben hat. Denn wenn das menschliche Denken der «tätige Gedankengehalt der Welt» ist, wie es bereits 1886 im Kapitel 8, S. 43 f der Grundlinien hieß, dann bekommt der Ursprung des Denkens natürlich einen Frageimpuls, der in Richtung «induktive» Forschung zur «wirkenden Idee» und zur späteren Anthroposophie deutet. Wie Steiner das ja auch in den Anmerkungen zur Neuauflage der Grundlinen (hier, S. 142) von der Psychologie hervorhob. Wie es wiederum auch in der Schrift Goethes Weltanschauung von 1897, S. 69 f ganz ausdrücklich formuliert wurde, wo der «Beobachter des Denkens das Weltgeschehen durchschaut, und dieses die Idee selbst ist». Steiner dort wörtlich: „Wenn auch die Ideen der Inhalt dessen sind, was in den Dingen wirkt; zum erscheinenden Dasein kommen sie durch die menschliche Thätigkeit. Die eigene Natur der Ideenwelt kann also der Mensch nur erkennen, wenn er seine Thätigkeit anschaut. Bei jeder anderen Anschauung durchdringt er nur die wirkende Idee; das Ding, in dem gewirkt wird, bleibt als Wahrnehmung außerhalb seines Geistes. In der Anschauung der Idee ist Wirkendes und Bewirktes ganz in seinem Innern enthalten. Er hat den ganzen Prozeß restlos in seinem Innern gegenwärtig. Die Anschauung erscheint nicht mehr von der Idee hervorgebracht denn die Anschauung ist jetzt selbst Idee. Diese Anschauung des sich selbst Hervorbringenden ist aber die Anschauung der Freiheit. Bei der Beobachtung des Denkens durchschaut der Mensch das Weltgeschehen. Er hat hier nicht nach einer Idee dieses Geschehens zu forschen; denn dieses Geschehen ist die Idee selbst. Der Mensch, der diese in sich selbst ruhende Thätigkeit anschaut, fühlt die Freiheit.“ - Das ist jetzt wieder weit stärker an den Idealismus Goethes angebunden als es die Philosophie der Freiheit war. Die Nähe zur Philosophie der Freiheit und zum restlichen Begründungswerk indessen ist in sämtlichen Einzelheiten unübersehbar. Auch die Nähe zu Steiners Rechtfertigungsvortrag von 1921 in GA-255b, S. 294 ff ist damit gegeben. Wo Steiner seine frühe erkenntniswissenschaftliche Forschung zur «Leibfreiheit des Denkens» besonders hervorhebt. Als wissenschaftliche Voraussetzung seines späteren anthroposophischen Schulungsweges, der sich dann ausdrücklich an dieser «Leibfreiheit des erkennenden Denkens» orientiert. Wo es letztendlich dann um «Todesforschung» geht, wie Steiner das später regelmäßig im Zusammenhang mit den Zielen und Erfahrungen des Schulungsweges dargelegt hat. Siehe dazu ausführlicher hier, S. 1210 ff. Die spätere empirische «Todesforschung» des Anthroposophen Steiner ist wissenschaftlich begründet im Nachweis der «Leibfreiheit des erkennenden Denkens». - Was ich damit schlußendlich sagen will, ist: Daß bei komplexen Forschungsfragen dieser Art die Problemlage nicht auf annähernd dreihundert Seiten abgehandelt und auch noch zufriedenstellend bewältigt werden kann, das sollte eigentlich jedem einleuchten, der sich damit schon einmal auseinandergesetzt hat, und im übrigen kein traumtanzender Fantast ist. Wie man die Sache auch betrachtet. Ob allein das Freiheitsproblem für sich genommen, oder weitaus mehr, wie die darauf aufbauende spätere «Todesforschung» Steiners: Auf jeden Fall haben wir es laut Briefwechsel und seinem Gegenstand, bei der Schrift Philosophie der Freiheit, mit einem außerordentlich anspruchsvollen Forschungsprojekt zu tun. Das prall gefüllt war mit Forschungsfragen, schon über die Vorgängerschriften. Und das, lange bevor irgend ein anthroposophischer Schulungsweg anhand dieser Forschung entwickelt war. Daß so ein wissenschaftlich-freiheitsphilosophischer Klärungsprozeß ein persönliches Erlebnis ist, das ist zunächst einmal wie gesagt: vollkommen trivial. Aber dabei bleibt es ja nicht, sondern Steiner spricht ganz ausdrücklich auch von der Unvollständigkeit dieses persönlichen Klärungsprozesses. „Ich glaube auch, ich wäre gestürzt: hätte ich versucht, die geeigneten Wege sogleich für andere zu suchen. Ich bin meinen gegangen, so gut ich konnte; hinterher habe ich diesen Weg beschrieben. Wie andere gehen sollen, dafür könnte ich vielleicht hinterher hundert Weisen finden. Zunächst wollte ich von diesen keine zu Papier bringen. Willkürlich, ganz individuell ist bei mir manche Klippe übersprungen, durch Dickicht habe ich mich in meiner nur mir eigenen Weise durchgearbeitet.“ - Um es noch einmal zu wiederholen: das Buch hat auch in Steiners Selbstverständnis noch nicht die Reife eines freiheitswissenschaftlichen Lehrgegenstandes, sondern stellt erst einen persönlichen Anlauf in diese Richtung «Lehrgegenstand» dar. Der, das wird ja ebenfalls angedeutet, zu passender Zeit dieses Niveau auch erreichen kann: „Eine lehrhafte Natur könnte die Sache erweitern. Ich vielleicht auch zu seiner Zeit. Zunächst wollte ich die Biographie einer sich zur Freiheit emporringenden Seele zeigen.“ - Steiner «erzählt» in dem Buch lediglich seine persönlichen Erkenntniserlebnisse respektive seinen Erkenntnisweg bei einer derart vorläufigen Lösung des Freiheitsproblems, die wegen dieser ihrer Vorläufigkeit noch kein wissenschaftliches Lehrgut sein kann. Dazu nämlich gehören umfangreiche weitere Abklärungen und inhaltliche Erweiterungen: «Ein Buch pro Kapitel», wie Mayreder meinte. Steiner überträgt die Reifung und Erweiterung dieses unvollständigen Klärungsprozesses auf spätere Zeiten. Später, so viel deutet er damit an, könnte «aus jedem Kapitel ein Buch» gemacht werden, wie es Mayreder mit seiner eigenen Bekräftigung vorschlug. Damit wäre die Angelegenheit dann auch ein ausgereifter Lehrgegenstand, den man mit der entsprechenden sachlichen Berechtigung auch lehren kann. An eine «lehrhafte Natur» denkt er dabei. Und eben auch an sich selbst «zu passender Zeit». So viel bringt er zum Ausdruck. Nicht viel mehr, aber auch nicht viel weniger. Das ist alles aus der Sache selbst heraus ganz plausibel und angemessen. Daß dem so ist, und der angestrebte «Lehrgegenstand», der mehr wäre als eine bloß «persönliche Erkenntniserzählung», daß dieser erst über eine entsprechende Erweiterung vom Niveau «ein Buch pro Kapitel» erreicht werden kann, dieses Einverständnis zwischen Mayreder und Steiner wäre für einen Interpreten des Briefwechsels qualitativ freilich erst aus dem verstandenen Inhalt der Philosophie der Freiheit und der dort behandelten Problemlage um die menschliche Freiheit nachzuvollziehen und zu bewerten. Anhand der dort behandelten Sachfragen, die ja in den ersten und späteren Kapiteln artikuliert werden. Problemlagen und Herausforderungen übrigens, die wahrhaft gewaltig waren, nicht nur in dieser Zeit. Das alles aber liegt ganz außerhalb des Horizonts von Herrn Kaiser, der stattdessen zusammen mit dem Verlag Info3 aus seinem eigenen Unverstand ein wissenschaftliches Prinzip macht. Man muß sich doch nur die Frage stellen: Wie weit ist es Steiner in der Erstauflage der Philosophie der Freiheit gelungen, die in dieser Schrift vorgelegten programmatischen Eingangsfragen mit Blick auf «Freiheit und Naturnotwendigkeit», «Ursprung des Denkens» und «wirkende Kräften der Natur im Inneren», «Erkenntnis des Denkens» der ersten und späteren Kapitel zufriedenstellend einzulösen? Und was wäre gegebenenfalls zusätzlich noch an Detailklärung nötig gewesen, damit daraus ein wissenschaftlicher Lehrgegenstand geworden wäre und nicht nur eine «vorläufige Erzählung» über einen persönlichen wissenschaftlichen Klärungsprozess um die Freiheitsfrage? Das scheint mir der primäre Maßstab zu sein, mit dem man den Briefwechsel mit Mayreder hätte verständlich erläutern können. Ohne die inhaltliche Klärung der Philosophie der Freiheit geht das freilich in gar keinem Fall, weil man sonst ihre beiderseitigen Bewertungen der Philosophie der Freiheit und den Grad der Unvollständigkeit des Buches gar nicht ermessen kann, wenn man weder das behandelte Buch, noch die Problemstellen darin kennt, von denen sie sprechen. Und die Steiner zumal mit Blick auf sich als «Erzähler» andeutet. Eine solche inhaltliche Betrachtung der Philosophie der Freiheit, die ihm den geeigneten wissenschaftlichen Bewertungsmaßstab zwecks Beurteilung des Briefwechsels hätte an die Hand geben können, fehlt allerdings in Kaisers Buch komplett. Stattdessen eine rigide Form von De-Kontextualisierung, die selbst auf jeden näheren Sinnzusammenhang eines kleinen herausgerissenen Textfragmentes pfeift. Wo der Leser ohne jede Chance ist, sich ein eigenes Urteil über Kaisers Erzählervorstellung zu bilden, weil ihm auch sämtliche entscheidenden Stellen des Briefwechsels vorenthalten werden. Wo nämlich bis auf ein winziges Zitat der gesamte Briefwechsel von beiden Briefpartnern fehlt, der ihre darin geäußerten Auffassungen erst verständlich machen kann. Mayreder fehlt gänzlich und Steiner fast zur Gänze. Und die Philosophie der Freiheit fehlt als Gesprächsinhalt und Gegenstand der beiden Briefpartner ohnehin komplett. Abgesehen von zwei minimalen und ohne den Kontext aussagelosen Sätzen aus Steiners Antwortbrief wird aber eine nähere Erläuterung über den Anlaß und Inhalt dieses Briefwechsels nicht vorgelegt, um ein weitreichendes Urteil über den «Erzähler Rudolf Steiner» zu substantiieren. Zum Verständnis und als Urteilsgrundlage des Lesers aber langen ein paar aus dem Zusammenhang gerissene Text-Brösel, die da von Kaiser hingeworfen werden, nun einmal nicht hin. Was wir hier vorliegen haben, ist eine weitestgehend sinnfreie Interpretations-Erzählung, die sich lediglich an zwei herausgelösten Sätzen aus Steiners Antwortbrief festklammert, und sich in keiner Weise um den Gesamtzusammenhang dieses Briefwechsels und gar um seinen literarischen Anlaß bemüht. Wie gesagt: Anti-Hermeneutik. - Die Interpretation berücksichtigt ja noch nicht einmal den näheren Inhalt des Steinerschen Antwortbriefes. Denn keineswegs ist es so, dass Steiner «nicht lehren» will. Sondern er will es nur in diesem Buche nicht, weil es, wie Mayreder offen mit Steiners Zustimmung ausspricht, viel zu unvollständig ist. Deswegen vertagt Steiner das Lehren vernünftigerweise auf später: „Eine lehrhafte Natur könnte die Sache erweitern. Ich vielleicht auch zu seiner Zeit.“ (GA-39, Brief Nr. 402, S. 232) Mit Hermeneutik hat die am Briefwechsel demonstrierte Fabel um den «Erzähler» Steiner nichts zu tun. Mit Dekonstruktion / Zerstörung, Unverstand und frei flatternder Fantasie indessen sehr viel. Aber schon gar nichts mit der Philosophie der Freiheit und ihrem Verständnis, denn die kommt in Kaisers Buch bis auf wenige, winzigste zusammengestoppelte Erwähnungen inhaltlich gar nicht vor. Sondern ist mit ihrem wissenschaftlichen Hintergrund und dem Briefwechsel darum dem Erzähler Kaiser ebenso wurscht wie seinem Verlag und seinem Lektor. Die wiederum den beklagenswerten Steiner dann zusammen mit der armen Mayreder auf das Deckblatt der kaiserlichen Traumtänze hievten, die mit Steiners Philosophie der Freiheit so wenig etwas zu tun haben, wie mit dem Briefwechsel zwischen Steiner und Mayreder. Ein weniger freundlicher Zeitgenosse würde dazu sagen, dies sei entweder ein Resultat von vollendetem Unverstand und Pfusch, oder einfach nur philosophische Falschmünzerei. Im Resultat macht das keinen nennenswerten Unterschied. Sondern allenfalls mit Blick auf die Motivationslage der jeweiligen Stümper. Denn das scheint mir jetzt fast noch bemerkenswerter zu sein als der zusammenhanglose Buchinhalt von Kaiser selbst: nämlich die chaotisierenden Intentionen beim Verlag, der solchen Schmarrn Kaisers auf den Markt warf. Denn diese im höchsten Maße unvollständige, unsolide und verständnislose Anbindung an den Briefwechsel mit Mayreder stammt zwar von Kaiser, wird aber vom Verlag Info3 sang- und klanglos wie ein Aushängeschild für die Titelgebung übernommen. Die damit schon auf dem Buchdeckel und den Seiten 4 und 5 signalisiert, Kaisers Buch habe irgend etwas mit Steiners Philosophie der Freiheit zu tun. Obwohl diese Schrift Steiners in dem Buch Kaisers definitiv nicht behandelt wird. Weder quantitativ noch qualitativ. Und schon gar nicht auf eine Weise, wo es ernsthaft um ihr Verständnis geht. Die wenigen zusammenhanglosen Sätze, die von Kaiser dazu hinterlegt wurden sind der Rede nicht wert. Da werden also vom Verlag Info3 weithin sichtbare falsche Fährten für den Leser gelegt, die ins Nichts führen. Und das unter dem vordergründig plakatierten Label: «Philosophie der Freiheit». Während das ganze Buch, das kann man anhand von Kaisers eigenem angeblichem «Klärungsprozedere» exemplarisch ersehen, buchstäblich nur auf Sand gebaut ist. Ohne jedes Bemühen um Sinnzusammenhänge. Sowie ohne jedes Verständnis für, und ohne jede Intention um Verständnisgrundlagen auch beim Verlag. Wo auch von Steiners Briefwechsel mit Mayreder bei Kaiser persönlich nirgendwo die Rede ist, so daß sich daran irgend ein ernsthafter Versuch um Klärung des Sachverhaltes überhaupt ablesen ließe. Wie auch nirgendwo in diesem Buch in einem ernsthaften Sinne davon die Rede ist, daß Steiners Anthroposophie eine erkenntniswissenschaftliche Begründung hat, dem er ernsthaft nachgegangen wäre. Das Thema «Erkenntniswissenschaft und Begründungswerk Steiners für die Anthroposophie» ist ihm dem Buch zufolge fast noch nie über den Weg gekommen. Geschweige denn, daß er sich auch nur entfernt und ahnungsweise damit auskennen und dazu etwas schreiben würde. Keinen einzigen Fingerzeig dazu gibt es in seiner Schrift, sondern Steiners Erkenntniswissenschaft glänzt dort durch weitgehende Abwesenheit. Wie diese ja ganz analog bereits in der ominösen Paraphrase Traubs und DaVeigas von Steiners Vorrede von 1918 durch vollständige Abwesenheit glänzte, obwohl Steiner sie in dieser Vorrede ausdrücklich als sein Ziel und Inhalt anführte. Das allerdings scheint mir überhaupt das Aussagekräftigste an dieser Schrift zu sein: Daß Kaiser unter diesen Voraussetzungen trefflichen Grund hatte völlig zusammenhangloses Material über Steiner und dessen verworrene Rezeption einzusammeln, wo ihm selbst jeder Maßstab für den Zusammenhang fehlt, um Steiner und dessen Forschung überhaupt nur von Ferne einordnen zu können. Das nämlich ist symptomatisch auch für die zahllosen Beispiele, die er selbst bringt. Es fehlt jeder hermeneutisch ernst zu nehmende Maßstab in seiner Abhandlung. Bleibt bei Kaisers Erzählungen letzthin nur die Frage, was sein Buchtitel überhaupt mit der Philosophie der Freiheit zu tun hat. Denn dieser Angelegenheit ist er gar nicht nachgegangen. Es sei denn, er ist so verwegen und betrachtet seine wenigen dahingeworfenen Bemerkungen über zwei Sätze aus Steiners Briefwechsel als sachliche Verbindung dorthin. Aussagekräftig freilich ist daher der ebenso verworrene hintere äußere Klappentext vom Info3 Verlag, dessen Verfasser augenfällig ebenso wenig von Steiners Grundlagenwerk verstand wie Kaiser selbst, und nun ernstlich meint, «Kaiser schlage hier einen neuen Weg ein. Er wolle ihn aus dem beengenden Vergleichsrahmen der Wissenschaft herauslösen und ihn als Erzähler verstehen.» Keine Wissenschaft, sondern nur Steiners persönliche Erzählung. Die allgemeine Konfusion wird nun zum System gemacht. Da bleibt dem Leser der Mund offen stehen. Und die verworrenen Traumtänzer (Verlag Info3 und der Autor Kaiser) bleiben programmatisch «fern von jeder Wissenschaft» ganz unter sich, während sie damit auf denselben verständnislosen Wegen erklärtermaßen weiter wursteln wie jene, die Kaiser in seiner Schrift aufgabelt, und solche, die ihn bei diesem wissenschaftsfernen Anliegen auch noch unterstützt haben. Ob es vielleicht nicht überhaupt zum Verlagsprogramm von Info3, - von einem Anhänger Witzenmanns, - gehört, Steiner öffentlich als «bloßen Erzähler, fern von jeder Wissenschaft» zu verkaufen, das will ich jetzt nicht näher erörtern, liegt aber nahe. Naheliegend ist es nicht nur im allgemeinen, sondern auch bei solchen offenkundigen Erscheinungen eines verlegerischen Framings des Steinerschen Werkes als «fern von jeder Wissenschaft» allemal. Zumal es darin auch noch zur seltsamen Paraphrase von Traub und DaVeiga paßt, die Steiners Philosophie der Freiheit anhand eines angeblichen «Vorwortes» ebenfalls als «bloßes Übungsbuch fern von jeder Erkenntniswissenschaft und Wissensvermittlung» dem Leser suggerieren. In ihrem Fall mit akademischen Mitteln unter dem Stichwort «Hermeneutik». Wobei sie sich ausdrücklich laut Anmerkung auch auf Kaisers Buch beziehen. Folglich mit ihrer eigenen Fehlinterpretation und mit pseudowissenschaftlichen Mitteln Steiners Grundlagenwerk ebenso als «Nichtwissenschaft» framen wie schon der Verlag Info3. Entsprechend schlagend ist dann bei Kaisers Buch auch der innere vordere Klappentext des Verlages, der seinerseits das Buch ebenso zusammenhanglos wie Kaiser an den Briefwechsel Steiners mit Mayreder anbindet. Bei Kaiser lediglich die zwei Sätze ergänzt um substanzlose Erklärungen dazu. Im übrigen aber ebenso leer wie der Klappentext. Einmal auf dem vorderen inneren Klappentext als Zitat. Und dann noch einmal auf S. 5 mit der Quelle unter Anmerkung 1: „Brief von Rudolf Steiner am 4. November 1894 an Rosa Mayreder über seine ›Philosophie der Freiheit‹, in: (GA 39, 232) Hervorhebungen im Original.“ Man fragt sich, wie Steiners Briefwechsel mit Mayreder zur Philosophie der Freiheit überhaupt an so exponierte Stelle in den Klappentext und auf die Seiten 4 und 5 geraten konnte. Das also gleich zweimal, obwohl die Philosophie der Freiheit mit Kaisers Buch sachlich gar nichts zu tun hat. Die einleitende Verlagsbemerkung und signalsetzende zweifache Anbindung an die Philosophie der Freiheit insinuiert hingegen eine kontextuelle und sinnhaltige Verbindung, die faktisch in gar keiner Weise vorhanden ist. Ebenso, wie schon Kaisers sinnfreie und zusammenhanglose Erzählung vom Briefwechsel keine solche ernst zu nehmende inhaltliche Verbindungen zur Philosophie der Freiheit enthält. Das irreführende «Verlagsetikett» Philosophie der Freiheit gibt also vor allem eine Auskunft über den Verlag und seine Motive, aber ganz gewiß keine über Rudolf Steiners mit Mayreder thematisierte Forschungsvorhaben. Beim Verlag nämlich journalistische De-Kontextualisierung von entscheidenden Aussagen zu anderen Zwecken, wie er regelmäßig im Propagandabetrieb zu finden ist. Wo es nicht darum geht den Leser, Hörer oder Zuschauer über Sachverhalte objektiv zu unterrichten, sondern durch herausgerissene, kontextfreie Zitate Eindrücke zu erzeugen, die nicht der Aufklärung dienen sondern darum, einen Sachverhalt in ein spezifisches propagandistisches Licht zu rücken, indem man den Sinnzusammenhang löscht. Und die Philosophie der Freiheit dadurch in Kaisers «wissenschaftsferner Erzählerregion» anzusiedeln, wie es ganz analog und in Anlehnung an Kaiser dann auch Traub und DaVeiga mit dem angeblichen «Vorwort» der Philosophie der Freiheit bewerkstelligen. Wie gesagt, Kaiser schreibt zu diesem Thema um Steiners Briefwechsel mit Mayreder schon gar nichts, was, weil völlig frei vom Kontext, ernst zu nehmen wäre. Der Verlag wiederum folgt ihm da in noch weit ärgerer Verkürzung, und bugsiert auch noch Kaisers Träumereien vom Briefwechsel um die Philosophie der Freiheit auf den Buchdeckel und die Seiten 4 und 5. Obwohl der Briefwechsel gar nicht schwer zu verstehen gewesen wäre, anlässlich Mayreders Bedenken zur Wirksamkeit der Philosophie der Freiheit im Brief Nr. 379. Denn daß man in einem Buch von annähernd 250 Seiten die zahllosen daranhängenden Fragen zu Freiheit und Naturkausalität nebst Methodenfragen der inneren Beobachtung nicht zufriedenstellend für ein wissenschaftliches Publikum beantworten kann, sondern dazu «aus jedem Kapitel mindestens ein ganzes Buch hätte gemacht werden müssen,» wie Mayreder empfahl, das versteht sich für jeden, der die Sachlage etwas kennt, ganz von selbst. Da muß er nicht einmal Hermeneutiker sein, um das zu begreifen, sondern nur etwas Sachverstand mitbringen. Weswegen Steiner Rosa Mayreder darin im Brief Nr. 402 natürlich Recht gibt. Mit der Bemerkung versehen, «daß eine lehrhafte Natur die Sache erweitern könne und er zu gegebener Zeit vielleicht auch». Er sah das genau so wie sie! Das Buch war auch in seinen eigenen Augen im allerhöchsten Maße unvollständig. Weswegen er auch zur Antwort gab, daß er zunächst einmal vor allem für sich selbst die Freiheitsfragen habe beantworten wollen. Alles sehr verständlich angesichts der enormen Herausforderungen, denen er sich in diesem Buche stellte. Wenn er zu dieser Zeit bereits zwecks Grundlagenforschung in einem psychologischen Laboratorium hätte arbeiten können, wie es ihm 1917 in GA-21 vorschwebte, dann hätte er auf entsprechende Laboratoriumsforschung bereits 1894 verweisen können, wie es Popper und Eccles später ebenfalls mit Verweis auf die Würzburger Schule taten. So weit war es aber leider Gottes 1894 noch nicht, weil es so etwas eben nicht gab, und die entscheidenden Beobachtungen nur ganz persönlich durchgeführt werden konnten. Wenn er sich deswegen im Antwortbrief an Mayreder auf seine ganz persönlichen Erlebnisse beruft, so ist das vor diesem Hintergrund ebenfalls leicht zu verstehen und vollkommen trivial, weil bereits aus dem damaligen Forschungszusammenhang heraus zu begreifen. Zum anderen ist die Frage nach den «wirkenden Kräften der Natur im eigenen Inneren», wie sie Steiner im zweiten Kapitel der Philosophie der Freiheit von 1918, und 1894 im dritten Kapitel stellte, nun einmal nur anhand persönlicher Erlebnisse zu beantworten, weil sie erklärtermaßen ja dort auch gesucht werden. Was ebenso für die Beobachtung des Denkens gilt, die als innere Beobachtung ebenso im eigenen Denk-Erleben angesiedelt wird, auch wenn man dazu wie die spätere Külpeschule arbeitsteilig auf Versuchspersonen zurückgreift. Das sind nur wenige Beispiele neben vielen weiteren möglichen dafür, daß Steiner als innerer Beobachter mit dem Verweis auf seine persönlichen Erlebnisse auch die wissenschaftliche Sachlage traf. Sowohl was die Unvollständigkeit der Schrift als auch den Gegenstand seiner Untersuchung betraf. Aber solche Verständnisfragen nach dem Inhalt und Grund des Briefwechsels und Steiners Antwort an Mayreder liegen auch dem Schreiber des Klappentextes vom Info3-Verlag völlig fern. Während Herr Kaiser wiederum als Hermeneutiker in seiner eigenen Schrift überhaupt nicht nach Steiners erkenntniswissenschaftlichen Begründungen fragt. So wenig wie bei Steiners Briefwechsel mit Mayreder. Kaisers Untersuchung liegt stattdessen vollkommen abseits von den Problemstellungen der Philosophie der Freiheit und dem erkenntniswissenschaftlichen Selbstverständnis Steiners, weil er diesem wissenschaftlichen Selbstverständnis Steiners nie nachgegangen ist. Jedenfalls in seinem Buch an keiner einzigen Stelle. Wie überhaupt die Zusammenhanglosigkeit ein Kernmerkmal seiner Schrift zu sein scheint. Mir will es so scheinen, als hätten wir es in Kaisers Fall mit einem jener «Rätsellöser» zu tun, die ich hier in meiner längeren Studie anhand einiger exemplarischer Fälle skizziert habe. Das sind zum Teil um die Anthroposophie sehr engagierte Menschen, die allerdings vom Sachhintergrund der Steinerschen Frühschriften und ihrem Zusammenhang mit Steiners Anthroposophie wenig bis gar nichts verstehen. Dann aber anhand einzelner unverstandener Kapitel und Gedankengänge der Philosophie der Freiheit oder sonstiger Frühschriften nach Lösungen von Rätseln suchen, die Steiner seinen Anhängern in diesen Schriften über eine geheimnisvolle Sprache bewußt hinterlassen habe, und die man erst entschlüsseln muß. - Das sind auch «Hermeneutiker» auf ihre etwas seltsame Art. Aber das ist natürlich krudes Zeug, das in Wirklichkeit nur auf einer mangelhaften Kenntnis der philosophischen Sachlage und manchmal auch nur der Textzusammenhänge basiert. Dazu aber kann man alle Akademiker, die sich auf den Spuren von Traub, DaVeiga und Kaiser befinden, getrost ebenfalls rechnen. Die einen versuchen dann Sprachrätsel zu lösen, und die anderen Erzählrätsel. Keiner indessen nimmt den «Sprecher» oder «Erzähler» irgendwie ernst, sondern plagt sich in Wirklichkeit nur mit seinem eigenen Wahrnehmungsproblem für die Gedanken anderer, wie wir schlagend bei Traub und DaVeiga schon sahen, die «Texte» Steiners wiedergeben, die da gar nicht stehen, sondern ihre freie Erfindung sind. Auch «Rätsellöser» auf ihre seltsame Art. Bei Kaiser wiederholt sich das neuerlich auf seine Weise. Der erfindet das Rätsel um den «Erzähler» Rudolf Steiner. Formt ein ganzes Buch aus diesem Erzähler-Rätsel, ohne dem Sinn des «Erzählerwortes» anläßlich der Philosophie der Freiheit jemals nahe gekommen zu sein, weil er, desinteressiert wie er war, auf den Sachzusammenhang gar nicht einging, in dem es fiel. - Wo also ist ein nennenswerter Unterschied? Die einen treten nur als Laien an und die anderen als doktorierte Akademiker, die sogar als Professoren mit Blick auf Steiners Grundlagen vom selben Unverstand gebeutelt sind wie jene Laien, die davon auch nichts wissen, und wie die Akademiker keinen Faden in der Hand halten, um Steiners Intentionen näher zu kommen. Also wird fleißig darauf los gesponnen bis zur willkürlichen Textverzerrung, die nichts mehr von dem findet, was im Original für jedermann sichtbar gestanden hat, wie wir bei Traub und Da Veiga sahen. Dann bei Kaiser. Und schlußendlich auch noch beim Klappentextschreiber vom Info3-Verlag. Kaisers Verleger wiederum benutzt ein winzigstes zusammenhangloses Fragment von zwei Sätzen aus Steiners Briefwechsel mit Mayreder zur Philosophie der Freiheit, ohne sich mit dem Sinnzusammenhang dieses Briefwechsels überhaupt zu befassen. Aber das Verständnis von Briefwechsel und Steiners Aussage gegenüber Mayreder wäre eben nur über den (verstandenen) Inhalt der Philosophie der Freiheit von 1894 möglich, um den es ausschließlich in diesem Briefwechsel ging. Wenn man den freilich nicht kennt und schon gar nicht versteht, dann schreibt man stattdessen sinnlose Klappentexte für ein Buch vom «Erzähler Rudolf Steiner» und löst gleich noch ein paar andere «Rätsel» mit, die gar nicht existent wären, wenn man sie nicht selbst geschaffen und Steiners Schrift vorher begriffen hätte. Die sonst also nicht da wären, wenn man etwas von Steiners Grundlagen verstanden hätte. So formt man dann ein neues Rätsel mit Kaiser, in dem man angeblich «einen neuen Weg einschlägt». Wie es im hinteren Klappentext von Kaisers Buch heißt. Wo Kaiser dann Steiner «aus dem beengenden Vergleichsrahmen der Wissenschaft herauslöst. Und Steiner nur noch als Erzähler verstehen will». In der Tat «löst man Steiner damit aus dem Vergleichsrahmen der Wissenschaft heraus». Weil man nämlich gar nicht weiß, was der wissenschaftlich macht, weil es auch nicht interessierte. Traub und DaVeiga interessierte Steiners Vorrede nicht, Herrn Kaiser interessierte der Briefwechsel mit Mayreder und die Philosophie der Freiheit nicht, und den Verlag interessierte das alles schon gar nicht. So schreibt man dann auch wie Kaiser ein akademisches Buch über solche Rätsel und unbegriffene «Erzählungen», die nur dem eigenen Unverstand und Desinteresse geschuldet sind wie bei den übrigen Rätsellösern. Die einen reden dann von der «geheimnisvollen Sprache» Steiners, und Herr Kaiser aus derselben Verständnislosigkeit heraus von «Steiners Erzählungen». Abgesehen vom akademischen Aufwand ist der Unterschied zwischen dem Laien und dem akademischen Rätsellöser zu vernachlässigen. Der eine spricht analogen Nonsense wie der andere, nur mit geschmeidiger Zunge und im akademischen Jargon. Gewonnen ist in beiden Fällen für das Verständnis definitiv nichts. Abgesehen von einer Art stiller Post. Wo jeder etwas weiter erzählt was ein anderer schon erzählt hat, und am Ende niemanden mehr interessiert, was denn Herr Steiner selbst gesagt hat und warum. Wie am krudesten der Klappentextschreiber vom Verlag Info3 demonstriert. Der, gleichgültig wie er war, auf jeden Sinnzusammenhang pfeift, aus dem er sein kurzes Zitat von zwei Sätzen gerissen hat, weil ihn dieser Sinnzusammenhang gar nicht interessierte. Denn er brauchte ja nur einen eingängigen Vermarktungsslogan auf dem Buchdeckel und den ersten Seiten. Das auch noch bei einer Verlagsbemerkung zu einem Buch, das man dort als «wissenschaftlich» vertreibt. Wo man folglich auch beim Verlag selbst doch etwas ernsthaftere Maßstäbe bei der Rahmengestaltung und Vermarktungsstrategie erwarten müsste und nicht das Niveau von Boulevardjournalismus. Aber was soll`s? - Weil überhaupt das, was Steiner persönlich zu seinem Grundlegungswerk geschrieben hat, definitiv nicht interessiert. Was wir hier ja auch des öfteren schon feststellen mussten. Denn bei den Anhängern Witzenmanns wie DaVeiga et al ist das inzwischen ja fast schon zum etablierten Forschungsstil geworden, sich für Steiner und das, was er selbst schrieb, gar nicht zu interessieren, sondern es als «Desiderat» in eine unbestimmte Zukunft zu verschieben, wie wir oben von Wagemann hörten. So kommt es dann, daß Herr Kaiser (S. 74 ff) verzweifelt nach Erklärungen für Steiners «Hellsehen» ruft. Das immer noch ganz genau so, wie vor über 100 Jahren schon der oben auf S. 240 ff behandelte Philosoph Christoph Schrempf in der Zeitschrift Die Tat, S. 420 f. Doch weil dem Herrn Kaiser heute noch exakt wie dem Herrn Schrempf vor einem Jahrhundert jeder rote Faden zum Verständnis fehlt, und ihm exakt ebenso wie dem Herrn Schrempf in all seiner Gleichgültigkeit jedes Interesse an Steiners Grundlagenwerken abgeht, deswegen dreht er erst einmal die Kurve über Herrn Zanders Erzählung, ob nicht Herr Steiner sich mit seiner Hellseherei gar an die spiritistische Seance seiner Zeit angelehnt habe. Weist das aber auf S. 75 zurück, nur um nachfolgend einige seiner eigenen freischwebenden Fantasiegebilde über Herrn Steiners «Hellseherei» zu entwerfen. - Nun, Herr Kaiser wußte ebenso wenig wie damals Herr Schrempf und heute Herr Zander, daß er es aus Steiners Sicht im Prinzip längst kann. Und ebenso wenig wußte er, daß sich Steiner in der Schrift Von Seelenrätseln (S. 170 f) dringend ein psychologisches Labor wünschte, um dort die allgemeine Veranlagung zu diesem Hellsehen mit psychologischen Mitteln noch einmal nachzuweisen. Das alles hatte Herr Kaiser von seinen Miterzählern noch nie gehört, die da manchmal eher an spiritistische Anwandlungen bei Herrn Steiner glaubten. Was Herr Kaiser von seinen Miterzählern auch noch nicht gehört hat war, daß Steiner nicht nur mit dem Begriff der «intellektuellen Anschauung» in Wahrheit und Wissenschaft (hier, S. 37) oder dem «intuitiv erlebten Denken» in der Philosophie der Freiheit die Verhältnisse längst geklärt hatte. Und daß er nicht nur im Rechtfertigungsvortrag von 1921 ausdrücklich darauf hinweist: „Wer dasjenige, was ich als Forschungsmethode meiner anthroposophischen Geisteswissenschaft zugrunde lege, Hellsehen nennt, der muß auch schon das gewöhnliche reine Denken, das durchaus aus dem Alltagsleben heraufströmt in das menschliche Bewußtsein, das hineinströmt in das menschliche Handeln, Hellsehen nennen. Ich selber sehe qualitativ keinen Unterschied zwischen dem reinen Denken und demjenigen, was ich als Hellsehen bezeichne. Ich sehe die Sache so, daß der Mensch sich zuerst an dem Vorgang des reinen Denkens eine Praxis heranbilden kann, wie man in seinen inneren Vorgängen unabhängig wird von seiner Leibesorganisation, wie man in dem reinen Denken etwas vollführt, woran der Leib keinen Anteil hat.“ (GA-255b, S. 300 f) Siehe Steiner im selben Sinne auch in GA-146, Dornach 1992, Vortr. Helsingfors, 29. Mai 1913, S. 33 ff. Auf diese Zusammenhänge wies bereits Werner Moser in seinem Vortragszyklus S. 98 ff und unter der Anmerkung 20 hin. Das alles wußte Herr Kaiser nicht. So wenig wie Herr Schrempf es damals vor hundert Jahren wußte. Herr Kaiser wußte auch nicht, daß Herrn Steiners Hinweise auf den Zusammenhang des reinen Denkens mit dem «Hellsehen» alles keine Ausnahmen sind, sondern diese Zusammenhänge mit dem reinen Denken längst in Herrn Steiners frühen Grundlegungsschriften, Aufsätzen und Vorträgen darüber dargelegt wurden. So auch noch einmal gegen Ende der Philosophie der Freiheit, wo Herr Steiner in längerer Passage ausführt: „Damit ist in dem Denken das Element gekennzeichnet, durch das der Mensch in die Wirklichkeit sich geistig hineinlebt. (Und niemand sollte eigentlich diese auf das erlebte Denken gebaute Weltanschauung mit einem bloßen Rationalismus verwechseln.) Aber andrerseits geht doch wohl aus dem ganzen Geiste dieser Darlegungen hervor, daß das Wahrnehmungselement für die menschliche Erkenntnis eine Wirklichkeitsbestimmung erst erhalt, wenn es im Denken ergriffen wird. Außer dem Denken kann die Kennzeichnung als Wirklichkeit nicht liegen. Also darf nicht etwa vorgestellt werden, daß die sinnliche Art des Wahrnehmens die einzige Wirklichkeit verbürge. Was als Wahrnehmung auftritt, das muß der Mensch auf seinem Lebenswege schlechterdings erwarten. Es könnte sich nur fragen: darf aus dem Gesichtspunkte, der sich bloß aus dem intuitiv erlebten Denken ergibt, berechtigt erwartet werden, daß der Mensch außer dem Sinnlichen auch Geistiges wahrnehmen könne? Dies darf erwartet werden. Denn, wenn auch einerseits das intuitiv erlebte Denken ein im Menschengeiste sich vollziehender tätiger Vorgang ist, so ist es andererseits zugleich eine geistige, ohne sinnliches Organ erfaßte Wahrnehmung. Es ist eine Wahrnehmung, in der der Wahrnehmende selbst tätig ist, und es ist eine Selbstbetätigung, die zugleich wahrgenommen wird. Im intuitiv erlebten Denken ist der Mensch in eine geistige Welt auch als Wahrnehmender versetzt. Was ihm innerhalb dieser Welt als Wahrnehmung so entgegentritt wie die geistige Welt seines eigenen Denkens, das erkennt der Mensch als geistige Wahrnehmungswelt. Zu dem Denken hätte diese Wahrnehmungswelt dasselbe Verhältnis wie nach der Sinnenseite hin die sinnliche Wahrnehmungswelt. Die geistige Wahrnehmungswelt kann dem Menschen, sobald er sie erlebt, nichts Fremdes sein, weil er im intuitiven Denken schon ein Erlebnis hat, das rein geistigen Charakter trägt. Von einer solchen geistigen Wahrnehmungswelt sprechen eine Anzahl der von mir nach diesem Buche veröffentlichten Schriften. Diese «Philosophie der Freiheit» ist die philosophische Grundlegung für diese späteren Schriften. Denn in diesem Buche wird versucht, zu zeigen, daß richtig verstandenes Denk-Erleben schon Geist-Erleben ist. Deshalb scheint es dem Verfasser, daß derjenige nicht vor dem Betreten der geistigen Wahrnehmungsweit haltmachen wird, der in vollem Ernste den Gesichtspunkt des Verfassers dieser «Philosophie der Freiheit» einnehmen kann. Logisch ableiten - durch Schlußfolgerungen - läßt sich aus dem Inhalte dieses Buches allerdings nicht, was in des Verfassers späteren Büchern dargestellt ist. Vom lebendigen Ergreifen des in diesem Buche gemeinten intuitiven Denkens wird sich aber naturgemäß der weitere lebendige Eintritt in die geistige Wahrnehmungswelt ergeben.“ (GA-04, hier S. 180 f) Das alles wird da breit, vielfältig, unmissverständlich und unübersehbar an zahllosen Stellen in Steiners Werk berichtet. Wurde oft und oft von Herrn Steiner erzählt und für seine Leser aufgeschrieben. Ganz besonders eben in Steiners erkenntniswissenschaftlichen Begründungswerken, die sich am allermeisten um das Hellsehen und dessen Nachweis kümmerten. Derweil es Rätsellösern wie Herrn Kaiser gar nicht erst in den Sinn kommt in den Begründungswerken Steiners nach solchen Hinweisen auf das «Hellsehen» zu suchen. Da bleibt also noch reichlich Zeit und Gelegenheit für viele Rätsellöser, um viel konfuses Zeug zu erfinden und zu erzählen wie der Klappentextschreiber vom Info3-Verlag, wie DaVeiga und Traub, wie Kaiser und wie die Anhänger Witzenmanns. Wobei die Allianz zwischen ahnungslosen Anhängern Witzenmanns und ebenso ahnungslosen Philosophen wohl die ideale Konstellation ist, um Steiners Werk komplett in den Nebel der Verständnislosigkeit und «fern von aller Wissenschaft» vor die Wand zu erzählen. Ein exemplarisches Sammelsurium von tatsächlichen oder angeblichen Dogmen oder Mißverständnissen um die Anthroposophie wie bei Herrn Kaiser nützt nun ebenfalls herzlich wenig, um dem Verständnis Steiners näher zu kommen. Daß wiederum die Hermeneutik sich nicht um Zusammenhänge, sondern lediglich um die Anhäufung von exemplarischen Zusammenhanglosigkeiten und daraus resultierenden Mißverständnissen / Dogmen bemüht wie bei Herrn Kaiser, wäre mir ebenfalls neu. Was das erkenntniswissenschaftliche Frühwerk Steiners jetzt mit Steiners Anthroposophie und dem Briefwechsel mit Rosa Mayreder zu tun hat, das ist dem Verfasser stattdessen ebenso ein Buch mit sieben Siegeln wie seinem Leser und dem Klappentextschreiber vom Verlag. Aus leicht verständlichen Gründen. Das Thema «Steiners Erkenntniswissenschaft» kümmerte ihn, soweit an dem Buch erkennbar, definitiv nicht, und schon gar nicht ihr Zusammenhang mit der Psychologie und Steiners Anthroposophie, obwohl Steiner ständig von der erkenntniswissenschaftlichen Grundlage seiner Anthroposophie redet. Bei Traub und DaVeiga jedenfalls war Kaisers Erzählung offenbar derart erfolgreich, daß sie jetzt völlig frei drehend drauflos fantasieren, was allein schon in Steiners «Vorwort» von 1918 angeblich stehen soll, obwohl nichts davon dort zu lesen ist. Das scheint mir nicht unbedingt für eine Hermeneutik zu sprechen, die nach Art des Herrn Kaiser dem Leser Vorschläge unterbreitet, wie man mit Dogmen und Erzählungen zur Anthroposophie umzugehen habe, wenn die derart Angeregten jetzt nachweislich den Rest von Lesekompetenz schon bei einer so kurzen Vorrede auch noch an den Nagel hängen. Und stattdessen ohne jeden erkennbaren sachlichen Anlaß wirr drauflos orakeln, als hätten sie beim Besuch irgend einer Phytia zu viel vom Rauch eingesogen. Man fragt sich schlußendlich bei all dem unwissenschaftlichen Nonsense, der da von verschiedenen Seiten geboten wird, wer von anthroposophischer Seite so etwas in die Welt setzt, was aussieht wie eine konzertierte Aktion, wenn man sich allein die Publikationsförderer für Elaborate dieser Art anschaut, die Kaiser in seinen Vorbemerkungen ab S. 13 nennt: „Dass sie [die Texte, MM] entstanden, ist auch dem Interesse der Redakteurinnen und Redakteure der Zeitschrift [Die Drei, MM] zu verdanken, zunächst Stephan Stockmar und Lydia Fechner, später Claudius Weise. Diese haben auch zur besseren Lesbarkeit beigetragen. Die Vorstudien reichen Jahre zurück. Im Jahr 2007/8 erhielt ich von der Pädagogischen Forschungsstelle des Bundes der Freien Waldorfschulen sowie vom Forschungsfonds der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland Fördermittel zur Ermöglichung eines Sabbatical, die für eine bisher nicht abgeschlossene Forschungsarbeit und Publikation zum Thema »Atlantis« vorgesehen waren und mir in diesem Zug die Grundlagenstudien ermöglichten, welche in die hier vorgelegten methodisch orientierten Texte eingeflossen sind. Sie stellen insofern Vorstudien für das größere Projekt dar. [] Ich danke stellvertretend den Geschäftsführern, zunächst dem inzwischen verstorbenen Hansjörg Hofrichter, dem Initiator, und seinem Nachfolger Christian Boettger und dem Beirat der Pädagogischen Forschungsstelle, dass ich die Möglichkeit erhielt, mich in die bei diesem Projekt recht diverse Forschungsliteratur einzuarbeiten. Einen anregenden Rahmen verdanke ich zunächst einigen innerhalb der Forschungsstelle von mir veranstalteten Forschungskolloquien zu »Atlantis« und über die Jahre auch den von Michael M. Zech im Rahmen der Forschungsstelle abgehaltenen kulturwissenschaftlichen Kolloquien in Kassel. Eine Förderung der Zukunftsstiftung Bildung der GTS Bochum ermöglichte mir schließlich den Abschluss dieser Studien und ihre Zusammenführung. Den Druck förderte ein Zuschuss des Rudolf Steiner Bildungswerkes Hamburg-Bergstedt. Achim Hatzius danke ich für die freundliche Erlaubnis, zwei Bilder aus seiner Werkreihe deduschka verwenden zu dürfen. Johannes Kiersch schließlich förderte dies Buch durch Zuspruch und die konstante, immer unaufdringliche Nachfrage nach Fortgang und Abschluss.“ Man kann das bislang noch online abrufen in der vom Verlag Info3 bereitgestellten Leseprobe mit Stand vom 02. 12. 23, die derzeit noch den gesamten Eingangsteil bis S. 27 enthält. Maßgeblich daran beteiligt ist demnach nicht nur, aber auch der Bund der Waldorfschulen. Allein das wäre schon ein Forschungsprojekt für sich. Nämlich eine wie konzertiert erscheinende Aktion dieser Art zu untersuchen. Das einmal in Augenschein zu nehmen und sich zu fragen, wer von den Förderern und Förderinstitutionen wohl ein Interesse daran haben könnte, Steiner als «Erzähler, fern von jeder Wissenschaft» der Öffentlichkeit anzudienen? Und zwar im vorliegenden Fall durch einen Verfasser, der, so weit im Buch erkennbar, von der Wissenschaftlichkeit Steiners nicht den leisesten Begriff hat. Es ist wohl auch kein Zufall, dass Unwissenschaftlichkeits-Nonsense dieser Art von ahnungslosen Vertretern der Alanushochschule wie Traub und DaVeiga unkritisch und unbedarft weiter verbreitet wird, wie es eben geschieht. Eine quasi konzertierte Aktion, um mit Scheinlegitimationen dieser Art Steiners Werk den Anspruch der Wissenschaftlichkeit abzusprechen? Was 2003 bereits seinen sichtbaren Ausgang nahm durch Ravaglis zweifelhafte und unsubstantiierte Behauptung, Steiners Philosophie der Freiheit sei keine Erkenntnistheorie. Und sie vermittle auch kein Wissen, sondern nur eine Methode. Eine an sich schon absurde Behauptung bei Anbetracht der Steinerschen Schrift. - Dem folgte (unabhängig davon?) Jahre später eine Scheinlegitimation durch Kaiser vom «Erzähler» Rudolf Steiner. Ebenfalls in höchst zweifelhafter Art verknüpft mit der Philosophie der Freiheit über einen nicht analysierten, sondern nur benutzten Briefwechsel von 1894 dazu. Daran wiederum hängten sich nachfolgend Traub und DaVeiga von den Steiner-Studies, um neuerlich die Mär von der Nichtwissenschaftlichkeit der Philosophie der Freiheit in die Welt zu tragen. Wonach angeblich das «Vorwort» der Philosophie der Freiheit von 1918 das selbst so zum Ausdruck bringe. - Man fragt sich: Ist das alles nur geballter Unfug und pseudowissenschaftlicher Aktionismus, dessen Substanzlosigkeit schon auf den ersten Blick in all diesen Einzelfällen zu durchschauen ist? Galoppierender und sich selbst verstärkender Unverstand von ahnungslosen Anhängern Witzenmanns und ihren Helfern, die mit aller Macht versuchen Steiner ihrem eigenen Denkhorizont anzuverkleinern, um mit Hueck zu sprechen? Klar ist jedenfalls die Zielrichtung dahingehend, auch noch Steiners Wissenschaftsansprüche öffentlich und aus den eigenen Reihen heraus zu diskreditieren und zu delegitimieren, indem man sich zum Schein auf angebliche Aussagen von Steiner persönlich beruft. Wahrlich bizarre geistige Gewächse, die sich da inzwischen im Laufe von 120 Jahren aus einer verständnislosen und gleichgültigen Anthroposophengemeinschaft herausentwickelt haben. - Der Blick auf Steiners begründende und speziell naturwissenschaftlich orientierte Frühschriften fällt vielfach weg. Wie auch zuvor bei den versammelten Autoren aus dem Sammelband der Alanushochschule. Auch in solchen Fällen hartnäckiger Verständnisblockaden könnten die Vortragsausführungen Steiners zu diesem Thema vom 25. Mai 1921, in GA-255b, S. 295 ff neben seinen erwähnten Hinweisen in GA-78 gegebenenfalls wahre Wunder bewirken. Wo ja in Steiners Rückbetrachtung von 1921 in GA-255b augenfällig wird, wie sehr er in seinem Frühwerk um eine empirisch psychologisch basierte Erkenntnis des leibfreien Denkens rang. Ohne die Psychologie als Wissenschaft vorauszusetzten, wie es bei Volkelt schon der Fall war. Was sich anhand sämtlicher Frühschriften auch jederzeit unmissverständlich belegen läßt. Während das «Können des begrifflichen Denkens» als solches durch den Kulturzusammenhang einfach vererbt wird, wie er dort in GA-255b auf S. 300 berichtet. 61. Nochmals Günther Röschert und die «intime Bekanntheit des Denkens ohne Beobachtung» Schwerwiegender fast noch scheint mir speziell an Röscherts Kennzeichnung von weiter oben zu sein, zu sein, daß hier eine wesentliche Eigenschaft der Beobachtung des Denkens übersehen wird - die Tatsache nämlich, daß sich auch diese Beobachtung nur über Intuitionen vollziehen kann. - Nehmen wir nur den einfachsten denkbaren, aber grundlegenden Fall: Steiners Frage vom Beginn des ersten Kapitels der Philosophie der Freiheit, „Ist der Mensch in seinem Denken und Handeln ein geistig freies Wesen oder steht er unter dem Zwange einer rein naturgesetzlichen ehernen Notwendigkeit?“ - Um so eine Frage mit empirischer Intention zu stellen und beantworten zu können, muß ich natürlich mit Begriffen arbeiten, die, wie wir inzwischen wissen, nur auf dem Wege von Intuitionen gewonnen werden können. Ich benötige, als Naturwissenschaftler zumal, der ja Steiner war, die Begriffe von Kausalität, Naturnotwendigkeit und geistiger Freiheit und Unabhängigkeit davon. Muß mich also in die Fragen der Naturnotwendigkeit, Kausalität und ihre möglichen Grenzen erst einmal einarbeiten, um die dabei gewonnenen Begriffe und Problemstellungen auf ein erlebtes Denken und Handeln überhaupt anwenden zu können. Durch «das intuitive Denken, durch das eine jegliche Wahrnehmung in die Wirklichkeit erkennend hineingestellt wird», wie Steiner es gegen Ende der Schrift (hier, S. 180) ausspricht. Beziehungsweise mit dem «intuitiv erlebten Denken,» das sowohl Wahrnehmungscharakter als auch gleichzeitig erlebten Tätigkeitscharakter hat, wie er dort nachfolgend ausführt. Wen die Fragen nach Naturkausalität und ihren fraglichen Geltungsbereich im Denken freilich nicht interessieren, wie es etwa bei Husserl der Fall war, der nicht im Traum daran dachte, so etwas nach dem Vorbild Steiners empirisch zu untersuchen; - der stellte solche Fragen dann eben nicht. Wie etwa seine mit dieser Frage von ihm im Stich gelassene Assistentin Edith Stein sie stellte, wie wir oben darlegten. Was als besonders spektakulärer, aber auch bezeichnender Fall die Differenz Steiners zu manchem seiner Zeitgenossen veranschaulicht. Manchmal helfen ja solche besonders starken Kontraste sehr, Steiners eigenes Anliegen etwas konturierter ins rechte Licht zu rücken. Halten wir also fest: Auch auf die Wahrnehmungen des eigenen Denkens müssen solche intuitiv gewonnenen Begriffe angewendet werden, um es zu erkennen. In der Form einer Synthese von Wahrnehmung und Begriff, wie Steiner das Erkennen auch in der Zweitauflage der Grundlinien … (hier S. 138 f) eigens noch einmal charakterisiert. Solche intuitiv erarbeiteten Begriffe gilt es also auf die konkreten Erfahrungen des Denkens anzuwenden. Dahingehend, ob sie zutreffen oder nicht, und was gegebenenfalls als Alternative von Kausalursachen oder zwanghafter Naturnotwendigkeit des Denkens und Handelns in Frage kommt. Die ihrerseits wiederum nur auf intuitivem Wege zu erarbeiten und mit entsprechender empirischer Gründlichkeit auf die Erfahrungen des Denkens anzuwenden sind vor dem Hintergrund der Problemstellung: Was wirkt da eigentlich, wenn wir denken? Wir müssen also an die Erfahrungen des Denkens den Begriff der «Wirksamkeit» herantragen, wie es bei Steiner ja bereits in den Grundlinien … der Fall war, wie wir sahen. Hier S. 85, dahingehend, „Weil wir innerhalb, nicht außerhalb jenes Prozesses stehen, der aus den einzelnen Gedankenelementen Gedankenverbindungen schafft. Dadurch ist uns nicht allein der voll endete Prozeß, das Bewirkte gegeben, sondern das Wirkende.“ Hier ist nur allgemeiner von «Wirksamkeit» die Rede, nicht einmal von Kausalität, der ja ein rein naturwissenschaftlich bzw. mechanistisch verengter Begriff ist, und in dieser Form auf seelische Verhältnisse gar nicht mehr anwendbar ist, wie laut Walther Wimmenauer (hier S. 28) Steiners prominenter Zeitgenosse Wilhelm Dilthey bereits betonte. Während der allgemeinere und offenere Begriff der «Wirksamkeit» eine solche enge Spezifizierung und kausalphilosophische / mechanistische Konnotation noch nicht enthält. Steiner ist da also sehr vorsichtig in den Grundlinien ..., wenn er nur von einem erlebten «Wirkenden und Bewirkten im Denkprozeß» spricht. Was im Falle einer inneren psychologischen Beobachtung auch sinnvoll ist, da ja über die nähere Natur der erlebten Wirksamkeit anfänglich noch nicht viel gesagt werden kann. Nur eben so viel, daß am Beginn eine bewußt geführte und erlebte innere Aktivität oder Tätigkeit des individuellen Menschen steht, und am Ende ein Resultat dieses erlebten Wirksamkeitsprozesses in Form einer Erkenntnis, die dabei erarbeitet wurde. - Egal wie man es nimmt, ohne Intuitionen aber sind an das erlebte Denken keine Begriffe heranzutragen, nicht einmal Fragen zu stellen, geschweige denn solche Antworten zu geben. Als Folge dieses Nicht-Bemerkens wird bei Röschert implizit eine substantielle Differenz zwischen Intuition und Beobachtung des Denkens unterstellt, die in Wirklichkeit nicht besteht. Tatsächlich sind beide, das Denken und seine erkennende Beobachtung laut Steiner wesensgleich, worauf sich nach Steiner überhaupt die Selbsterklärungsfähigkeit des Denkens gründet, wie wir oben schon gezeigt haben: „Der beobachtete Gegenstand ist qualitativ derselbe wie die Tätigkeit, die sich auf ihn richtet. Und das ist wieder eine charakteristische Eigentümlichkeit des Denkens. Wenn wir es zum Betrachtungsobjekt machen, sehen wir uns nicht gezwungen, dies mit Hilfe eines Qualitativ-Verschiedenen zu tun, sondern wir können in demselben Element verbleiben.“ (hier S. 30). In dieser Tatsache der Wesensgleichheit von beobachtendem und beobachtetem Denken ist schließlich Steiners archimedischer Hebel der Welterklärung verankert (hier S. 33). Intuition ist folglich nicht nur die Form, in der Begriffe und Ideen im allgemeinen wahrgenommen werden, sondern auch diejenige, in der das beobachtende Denken das Denken sieht respektive erkennt. Da beobachtendes und beobachtetes Denken zwar zeitverschieden aber wesensgleich sind, ist es folglich diejenige Form, in der das Denken sich selber sieht und erkennt. Genauer gesagt: Sich erkennt, indem es die Erfahrungen / Wahrnehmungen des Denkens mit Begriffen durchtränkt, die auf intuitivem Wege gewonnen wurden. Mit anderen Worten: Wie haben es hier bei der erkennenden Beobachtung des Denkens durch das wesensgleiche intuitive Denken, - «durch welches bekanntlich eine jegliche Wahrnehmung in die Wirklichkeit erkennend hinein gestellt wird», - mit einem intuitiv erlebten Denken zu tun, wie es Steiner in den Zusätzen von 1918 (hier S. 180 f) ausdrücklich vermerkte. «Mit einer Wahrnehmung, in welcher der Wahrnehmende selbst tätig ist. Und mit einer Selbstbetätigung, die zugleich wahrgenommen wird.» Worauf Steiner auch am Ende des dritten Kapitels (hier S. 36 f) eigens noch einmal hinweist mit der Bemerkung, „es kommt darauf an, daß nichts gewollt wird, was, indem es sich vollzieht, vor dem «Ich» nicht restlos als seine eigene, von ihm überschaubare Tätigkeit erscheint.“ Wie es dann ergänzend im neunten Kapitel heißt: „Im Betrachten des Denkens selbst fallen in eines zusammen, was sonst immer getrennt auftreten muß: Begriff und Wahrnehmung.“ Wie wir ebenfalls schon häufig jetzt vermerkt haben, ist dieser Gedankengang 1894 oder 1918 wahrlich nicht neu, sondern in einer Vorläuferstufe bereits längst nachzulesen in den Grundlinien … von 1886 in Steiners rückblickenden Worten von Kapitel 15. Hier in der Originalausgabe von 1886 auf S. 56: „Wir erinnern uns, warum eigentlich das Denken in unmittelbarer Erfahrung bereits sein Wesen enthält. Weil wir innerhalb, nicht außerhalb jenes Prozesses stehen, der aus den einzelnen Gedankenelementen Gedankenverbindungen schafft. Dadurch ist uns nicht allein der vollendete Prozeß, das Bewirkte gegeben, sondern das Wirkende.“ Und genau das ist beim «intuitiv erlebten» Denken ja der Fall, wie Steiner 1918 eigens noch einmal hervorhebt. Erkenntnisse im allgemeinen werden durch innere menschliche Tätigkeit «erwirkt». Von der Erkenntnis des Denkens durch das wesensgleiche Denken gilt nichts anderes. So daß nicht nur bei einer Erkenntnis im allgemeinen Wirkendes und Bewirktes des Erkenntnisprozesses zu erleben sind, - nämlich die innere Erkenntnishandlung als solche und ihr nachfolgendes Resultat, - sondern für die Erkenntnis des Denkens im speziellen gilt genau dasselbe. Was in den Zusätzen von 1918 zwar ausdrücklich noch einmal von Steiner unterstrichen wird, aber schon 1886 längst bei ihm zu lesen war. Der erlebte Zusammenhang von Wirkendem und Bewirktem ist somit auch das Schlüsselelement des intuitiv erlebten Denkens; und damit auch zur Erhellung jenes «Prozesse, durch den Begriffe und Ideen erst gewonnen werden», - um neuerlich an Steiners abgrenzende Bemerkung gegenüber Hegel anzuknüpfen. Das Begreifen des Denkens geschieht eben auch nur auf dem Wege von Intuitionen, die anhand einer betrachtenden Gegenüberstellung von Erfahrungen des Denkens gewonnen werden. Wobei natürlich auch in diesem Fall des sogenannten Ausnahmezustandes einer Erkenntnis des Denkens durch das wesensgleiche Denken gilt, daß Wirkendes und Bewirktes und ihr Zusammenhang unmittelbar vorliegen. - Übrigens sind sind solche Tatsachen ohne weiteres auch empirisch überprüfbar. Stand 05. 09. 24 Steiner deutet bei seiner ersten Charakterisierung der Intuition (S. 95 PdF) schon auf diesen ihren Wahrnehmungscharakter hin, wenn er schreibt: "Sie [die Intuition] ist für das Denken, was die Beobachtung für die Wahrnehmung ist." Gemäß Steiners Kennzeichnung stehen Denken und Intuition in einem analogen Verhältnis wie Beobachtung und sinnliche Wahrnehmung. Intuition und (Sinnes) Beobachtung entsprechen damit einander in gewisser Weise in ihren Funktionen. Was die eine in bezug auf die sinnliche Welt leistet, das leistet die andere in bezug auf die ideelle Welt. Oder, um das mit Steiners obiger Erläuterung aus der Schrift Von Seelenrätseln, GA-21, S. 61 zu präzisieren: „Ich sage also hier: Intuition wolle ich als Ausdruck für die Form gebrauchen, in der die im Gedankeninhalt verankerte geistige Wirklichkeit zunächst in der menschlichen Seele auftritt, bevor diese erkannt hat, daß in dieser gedanklichen Innenerfahrung die in der Wahrnehmung noch nicht gegebene Seite der Wirklichkeit enthalten ist. Deshalb sage ich: Intuition ist «für das Denken, was die Beobachtung für die Wahrnehmung ist … Mir gilt eben Intuition nicht «bloß» als die «Form, in der ein Gedankeninhalt zunächst hervortritt», sondern als die Offenbarung eines Geistig-Wirklichen, wie die Wahrnehmung als diejenige des Stofflich-Wirklichen.“ In seinem Aufsatz Intuition und Beobachtung (Siehe Anmerkung 66) erläutert Herbert Witzenmann (S. 76), »Steiner nenne die besondere Art des Gegenüberstehens, in der [sinnliche] Wahrnehmungen einem Subjekt gegeben sind Beobachtung und die besondere Art des Gegenüberstehens, in der Begriffe und Ideen einem Subjekt gegeben sind Intuition.« Man kann Witzenmann hier - allerdings mit Einschränkungen - zustimmen. Mit Vorbehalt, weil seine Erläuterung zum Text der Philosophie der Freiheit nicht vollständig kompatibel ist. Das liegt aber in diesem Fall an Steiners Sprachgebrauch, der nach allem, was ich erkennen kann, in sich nicht konsistent ist. 107c Auf jeden Fall scheint mir Witzenmanns Lesart in bezug auf diese Textstelle bislang die plausibelste zu sein. Steiners Charakterisierung der Intuition läßt sich dahingehend paraphrasieren: »Die Intuition ist für die Wahrnehmung von Begriffen und Ideen, was die Beobachtung für die Wahrnehmung der sinnlichen Welt ist.« Nun gehört für Steiner das Denken der geistigen Welt an - es ist nämlich nichts anderes als kraftende, wirkende Idee. In den Grundlinien ... heißt es dazu: "Unsere Erkenntnistheorie führt zu dem positiven Ergebnis, daß das Denken das Wesen der Welt ist und daß das individuelle menschliche Denken die einzelne Erscheinungsform dieses Wesens ist." (GA-2, 1979 S. 79). Im selben Sinne etwas ausführlicher in der Schrift "Goethes Weltanschauung (GA-6, Taschenbuchausgabe Dornach 1979, S. 86): "Die eigene Natur der Ideenwelt kann also der Mensch nur erkennen, wenn er seine Tätigkeit anschaut. Bei jeder anderen Anschauung durchdringt er nur die wirkende Idee; das Ding, in dem gewirkt wird, bleibt als Wahrnehmung außerhalb seines Geistes. In der Anschauung der Idee ist Wirkendes und Bewirktes ganz in seinem Innern enthalten. Er hat den ganzen Prozeß restlos in seinem Innern gegenwärtig. Die Anschauung erscheint nicht mehr von der Idee hervorgebracht; denn die Anschauung ist jetzt selbst Idee. Diese Anschauung des sich selbst Hervorbringenden ist aber die Anschauung der Freiheit. Bei der Beobachtung des Denkens durchschaut der Mensch das Weltgeschehen. Er hat hier nicht nach einer Idee dieses Geschehens zu forschen, denn dieses Geschehen ist die Idee selbst." Wenn Ideen nur via Intuition wahrgenommen werden können, und das Denken selbst kraftende Idee ist, - genauer: die individuelle Erscheinungsform des Weltwesens -, so gilt diese intuitive Form der Auffassung konsequenterweise auch für das Denken. Wie auch könnte das geistige Wesen der Welt anders wahrgenommen werden als eben geistig? Es nimmt sich folglich bei seiner Selbstbeobachtung über Intuitionen wahr. Das heißt, das Nachdenken über Erfahrungen des Denkens (gleich Beobachtung oder Selbstbetrachtung des Denkens) führt zu Intuitionen des Denkens, das ist: zu seiner geistigen Wahrnehmung oder Anschauung. Das deckt sich übrigens mit einer Erläuterung, die Steiner in seiner Schrift Von Seelenrätseln (GA-21; Dornach 1976) zum Intuitionsbegriff der Philosophie der Freiheit macht, wenn er dort (S. 61) anläßlich einer Replik auf Max Dessoir schreibt: "Mir gilt eben Intuition nicht «bloß» als die «Form, in der ein Gedankeninhalt zunächst hervortritt», sondern als die Offenbarung eines Geistig-Wirklichen, wie die [sinnliche, MM] Wahrnehmung als diejenige des Stofflich Wirklichen." Das Denken, so läßt sich diese Erläuterung aufnehmen, offenbahrt sich dem betrachtenden oder beobachtenden Denken in seiner geistigen Wirklichkeit in Form von Intuitionen. Und zwar offenbahrt es sich hier nicht nur von seiner bloß ideell-inhaltlichen, sondern zugleich von seiner ideellen und kraftenden Seite als wirkende Idee, denn der gesamte Prozeß des Wirkens ist restlos im Innern gegenwärtig. Und in dieser seiner kraftenden Natur wird Ideelles sonst eben nicht wahrgenommen, wo uns das Ding, in dem gewirkt wird, ein Äußeres bleibt. (Man kommt übrigens, wenn man diesen kraftenden Aspekt der Idee weiterverfolgt auf den Begriff des Äther- oder Bildekräfteleibes, der die eigentlich wirkende Instanz für das Denken ist. Zu diesem Thema siehe meine Arbeit über Walter Johannes Stein auf dieser Homepage.) Analoges wie für Günter Röschert gilt auch für die Studie von Dietrich Rapp (Dietrich Rapp, Von der Intuition zur Erfahrung. Denkbeobachtungen über ihren inneren Zusammenhang. In: Karl-Martin Dietz (Hgr.), Rudolf Steiners "Philosophie der Freiheit", Stuttgart 1994, S. 223-256.) Auch bei ihm wird eigentlich nicht wirklich klar, was die Erkenntnis des Denkens ist und wie sie methodisch stattfindet. Rapp schreibt in enger Anlehnung an Steiners Darstellung unter anderem auf S. 232: "Mit einer weiteren Beobachtung vergewissert sich das Denken tiefer seines Wesens: Es macht sich nicht nur mit seiner Tätigkeit, sondern mit deren Ursprünglichkeit in seiner eigenen Wesenheit bekannt, indem es diese als einen «festen Grund» in sich ergreift, als «ein Prinzip, das durch sich selbst besteht» ... Das Denken entdeckt sich als ein «Weltgeschehen», «wo wir dabei sein müssen, wenn etwas zustande kommen soll» ... Indem das Denken sich selbst beobachtet, schließt es sich mit sich selbst zusammen: «Der beobachtete Gegenstand ist qualitativ derselbe wie die Tätigkeit, die sich auf ihn richtet.»" ... Dieser Vorgang kann mit dem Terminus <Denken des Denkens> beschrieben werden - wenn zugleich das Mißverständnis abgewehrt wird, als ob es sich dabei um eine nachträgliche Reflexion von Gedankenzusammenhängen, um eine Art von Meta-Denken handelte." Bei Rapp wird alles recht anschaulich und sicher zutreffend beschrieben, aber man hat den Eindruck, als lege sich etwas wie ein Nebel oder Schleier vor ein abschließendes Verständnis dessen, was die Beobachtung und Erkenntnis des Denkens der Sache nach ist. Schauen wir uns einmal die Ausdrücke an, mit denen Dietrich Rapp das Beobachten oder "Denken" des Denkens umschreibt: Da ist (S. 232) von einer "Vergewisserung" die Rede und von einem "Beobachten"; von einem "Sich Bekanntmachen" - es wird etwas "ergriffen" und etwas "entdeckt" - ein "Zusammenschluß findet statt" - etwas wird "durchdrungen" - das Denken "stößt auf etwas" - es "kommt etwas zur Erfahrung" - das Denken "identifiziert sich mit etwas" - und es "erfaßt sich selbst". Das alles sind gewiß hilfreiche und sachlich zutreffende Umschreibungen für die Tätigkeit des Sich-Selbst-Beobachtens und -Erkennens des Denkens. Aber wie macht das Denken das? Wie beobachtet es? Wie vergewissert es sich? Wie ergreift und entdeckt es? Wie stößt es auf etwas und durchdringt dieses? - Es ist interessant zu sehen, daß Dietrich Rapp den Begriff der «Erkenntnis des Denkens» an dieser Stelle nicht explizit bildet, obwohl er ihn in Form von Metaphern beständig indirekt handhabt. Ich meine, das liegt daran, daß ihm das methodische Verfahren der Beobachtung des Denkens noch nicht deutlich ist. Das wird vor allem auch beispielhaft an seiner Bemerkung sichtbar, das Mißverständnis solle abgewehrt werden, "als ob es sich dabei um eine nachträgliche Reflexion von Gedankenzusammenhängen, um eine Art von Meta-Denken handelte." Denn eben das ist es - ein Meta-Denken über Denk-Erfahrungen, zu denen selbstverständlich (nicht nur, aber auch) die genannten Gedankenzusammenhänge gehören. Denn auch über diese muß eigens weiter nachgedacht werden, wenn man zusätzlich zu ihrer bloßen Inhaltlichkeit mehr über sie wissen will. Renatus Ziegler liegt da näher an den Tatsachen, wenn er in seinem Buch (Renatus Ziegler, Selbstreflexion, Dornach 1991, S. 99) an einem ausgewählten Fallbeispiel hervorhebt: " ... das Gewahrwerden des Denkinhaltes (Gesetz) muß von der Gewahrwerdung seiner inneren Notwendigkeit sowie Widerständigkeit und Unveränderlichkeit unterschieden werden. Diese Erlebnisse treten alle im selben Wahrnehmungsfelde auf und offenbaren sich durch das anschauend tätige Denken, müssen jedoch als voneinander verschiedene Erfahrungsinhalte erkannt und in ihrer unterschiedlichen begrifflichen Bedeutung und Tragweite durchschaut werden." Deutlicher kann man es kaum sagen. Um sich dies klar zu machen, braucht man nur einen Menschen, der keinen spezifisch philosophischen Bildungsgang durchlaufen hat, nach den von Ziegler genannten Eigenschaften von Begriffen zu fragen. Er wird angesichts einer derartigen Aufforderung sprachlos sein, weil er natürlich darüber apriori nichts weiß, obwohl er, wie schon betont, in der Lage ist richtig zu denken. Er muß die verschiedenen Aspekte des Denkens erst allmählich erkennen. Zieglers Bemerkungen sind folglich von exemplarischer Geltung: Die verschiedenen Erfahrungsdetails des Denkens sind jeweils gesondert für sich zu beurteilen und zu durchschauen. Wobei es im Beispiel ausdrücklich um weitere Attribute von Gedankenzusammenhängen geht: Um das Gewahrwerden ihrer inneren Notwendigkeit sowie Widerständigkeit und Unveränderlichkeit - übrigens Eigenschaften, die wir zum Teil aus der Sphäre der seelischen Erlebnisse des Willens, sowie des Tastens und Berührens kennen, die jetzt auf die ideelle Wahrnehmung übertragen werden, so daß man hier durchaus von geistig-seelischen Tast- oder Berührungserlebnissen sprechen kann. Ein Bild, das Ziegler auf S. 92 f selbst auch gebraucht: "Dieses <tätig-tastende> Eintauchen muß so geschehen, daß die zur Erscheinung gebrachten Begriffsinhalte konsequent in sich selbst reflektiert werden. Nur so kann die auf sich selbst beruhende Struktur rein gedachter Grundgesetze erfaßt werden, nur so wird sich ihre innere Natur der Denkerfahrung erschließen. Vergleichsweise verhält sich dieses denkende <Ertasten> zu den dabei tätig zur Anschauung gebrachten Gesetzen wie das tastende Erfassen (tastende Anschauen) zur Gewahrwerdung des Reliefs einer Marmorstatue." Diese Eigenschaften ergeben sich aus dem denkenden Erleben von Gedankeninhalten, oder in Steiners Worten gesagt: aus einem intuitiven Erleben des Denkens. Sie müssen als seelische Erlebnisse bemerkt und begrifflich näher spezifiziert werden. Das alles - Ziegler sagt das nicht explizit, aber es ergibt sich zwingend aus seiner Bewertung des Sachverhaltes - geht nur auf dem Wege von separaten Intuitionen. Den erforderlichen gedanklichen Aufwand stellt er auf den Seiten 94 ff klar heraus. An vielen Stellen seiner Schrift spricht er ausdrücklich und mit Recht von "Denk-Experimenten" ( etwa S. 24; S. 99; S. 178), denen er ab S. 85 ein ganzes Kapitel gewidmet hat. Diese "Denk-Experimente" dienen dazu, sich mit subtilen Beschaffenheiten von Begriffen vertraut zu machen, die wir nicht ohne weiteres kennen, die auch ohne ein sorfältiges denkendes Probieren und Sondieren nicht hervortreten. Die von Ziegler erwähnten Qualitäten Notwendigkeit, Widerständigkeit und Unveränderlichkeit sind invariante Eigenschaften von Begriffen - mit anderen Worten: Gesetzmäßigkeiten, die über das nur Inhaltliche dieser Entitäten hinausgehen. Man könnte sagen, daß Begriffe neben dem rein Bedeutungshaften, das sie auszeichnet, noch so etwas wie eine morphologische oder gestalthafte Komponente an sich haben, die durch Denk-Experimente sichtbar wird. Zieglers Auffassung ist im Grundsatz ohne Einschränkungen zuzustimmen; man muß sie im Hinblick auf elementare Aspekte nur noch weiter verschärfen und erklären: Sämtliche sachhaltigen Aussagen, die wir über das selbsterlebte Denken machen, sind Resultate einer - zumeist unsystematisch durchgeführten und längst vergessenen - Denk-Beobachtung und entsprechender Intuitionen, in der spezifische Erfahrungen beurteilt und unterschieden werden müssen. Wenn Steiner daher im dritten Kapitel der Philosophie der Freiheit (S. 42) die simple Aussage "Ich denke über einen Tisch." bereits der Denk-Beobachtung zurechnet, so ist das sehr konsequent. Auf der anderen Seite muß man sagen, daß auch die meisten philosophischen oder denkpsychologischen Laien ihr Denken schon häufig wenigstens in anfänglicher Weise beobachtet haben, sofern sie nämlich zu bestimmten Begrifflichkeiten und Unterscheidungen bezüglich ihrer Denktätigkeit gekommen sind. Sie wissen nur nichts um diese Tatsache, weil oft genug hinter der Denk-Beobachtung etwas Geheimnisvolles und schwer Zugängliches vermutet wird. Zudem wird diese Art von Denk-Beobachtung zumeist ohne ein gebührendes methodisches Bewußtsein und entsprechende Zielstrebigkeit, sondern eher beiläufig gemacht, deswegen fehlt in der Regel auch die entsprechende Konsequenz sowie Übersicht ordnender Begriffe. Unstreitig gibt es also einen eklatanten Unterschied zwischen der spontanen Handhabung durchschaubarer gedanklicher Inhalte und der Einsicht in diese Angelegenheit via Intuition, und ebenso zwischen der bloßen Wahrnehmung von ideellen Entitäten und dem Wissen um diese Sachlage. Um ein Verständnis davon zu haben ist erforderlich, daß das Denken sich zuvor diesen Erfahrungen im Umgang mit Begriffen und Ideen zuwendet und sich damit gesondert auseinandersetzt. Und das Mittel dazu ist die Beobachtung oder Betrachtung des Denkens, die zu entsprechenden Intuitionen beziehungsweise einer Erkenntnis des Denkens führt. Das heißt, es muß über spezifische Erfahrungen des Denkens separat nachgedacht werden, erst dann wird begreiflich, daß Ideen nicht erzeugt sondern wahrgenommen werden. Kurz und prägnant kann man es auch so formulieren: Begriffe und Ideen im allgemeinen nimmt jeder wahr - oder sieht im Prinzip jeder -, der zu denken vermag. Das Denken im speziellen kann nur sehen, wer eigens über die Erfahrungen des Denkens nachdenkt. Nur dann ist er in der Lage sich das zu erwerben, was man einen Begriff oder eine Anschauung des Denkens nennen kann. Begriffe und Ideen sind zweifelsohne auch dann Inhalt oder Thema des Denkens, wenn dieses sich selbst betrachtet, denn sie gehören ja schließlich (mit) zu den Erfahrungen des Denkens, die betrachtet werden. Soweit sie also spezielle Betrachtungsgegenstände des Denkens im Zuge seiner Selbstaufklärung sind, ist es evident, daß sie dann auch wahrgenommen werden, und somit Wahrnehmung und Begriff bei der Betrachtung des Denkens zusammenfallen. Aber es gibt bei der Selbstbetrachtung des Denkens, die zu seiner Erkenntnis führt, noch eine weitere Dimension des Zusammenfallens, die sich nicht auf diese eben genannte Form reduzieren läßt, sondern darüber hinausreicht. Die Wahrnehmung des Denkens selbst ist ein ganz einzigartiger Typ dieses Zusammenfallens. In diesem Fall ist nämlich die lebendige oder kraftende Idee selbst Gegenstand der Wahrnehmung. Im Kapitel IV, Die Welt als Wahrnehmung seiner Philosophie der Freiheit, S. 62, sieht sich Steiner veranlaßt seinen Gebrauch des Ausdrucks Wahrnehmung zu klären. Als Wahrnehmung bezeichnet er hier nicht den Vorgang der Beobachtung, sondern das Objekt dieser Beobachtung. Und zwar einerseits die unmittelbaren Empfindungsobjekte, "... insoferne das bewußte Subjekt von ihnen durch Beobachtung Kenntnis nimmt...". Ferner die Gefühle: "Auch von meinem Gefühle erhalte ich dadurch Kenntnis, daß es Wahrnehmung für mich wird." Und schließlich das Denken selbst: " ... die Art, wie wir durch Beobachtung Kenntnis von unserem Denken erhalten, ist eine solche, daß wir auch das Denken in seinem ersten Auftreten für unser Bewußtsein Wahrnehmung nennen können." Man beachte, daß entsprechend dem dritten Kapitel der Philosophie der Freiheit das Denken nur durch das Denken beobachtet werden kann. Und daß die Beobachtung nur in einem zweiten Denkakt erfolgen kann, der dem beobachteten Denkvorgang nachfolgt. Das Resultat dieser zeitversetzten Beobachtung oder denkenden Betrachtung wird hier im Zuge der Klärung des Sprachgebrauchs als Wahrnehmung bezeichnet. Das Interessante und für das Verständnis wichtige an dieser Formulierung ist, daß die Beobachtung des Denkens nicht nur zur Kenntnisnahme des Denkens führt, vergleichbar den Sinnes und Gefühlswahrnehmungen, sondern gleichzeitig auch zu seiner Erkenntnis. Kenntnisnahme und Erkenntnis fallen hier zusammen. Während Empfindungs- und Gefühlsobjekte als Wahrnehmungen lediglich zur Kenntnis genommen werden und der weiteren begrifflichen Ergänzung bedürftig sind, um auch erkannt zu werden, ist dieser zusätzliche Schritt bei der Wahrnehmung des Denkens nicht erforderlich, weil das Denken als Wahrnehmungsobjekt im Sinne und in der Konsequenz des Steinerschen Sprachgebrauchs bereits erkanntes Objekt ist. Das Wahrnehmen ist hier ein Erkennen. Wenngleich noch nicht in seinem vollen Umfang und in sämtlichen Aspekten. Wahrnehmen und Erkennen sind eines - und das hat die Beobachtung des Denkens mit der Wahrnehmung respektive Erkenntnis der übrigen Begriffe und Ideen gemeinsam. Siehe dazu das eingangs dieses Kapitels Ausgeführte. Das Denken tritt als Denken überhaupt erst für das Bewußtsein auf, wenn es vom Denken selbst beobachtet worden ist. Erst dann ist es im Sinne Steiners Wahrnehmungsobjekt für das Bewußtsein. Ein nur erlebtes Denken kann diesem Sprachgebrauch gemäß noch kein wahrgenommenes Denken sein, sondern zunächst nur ein geistig-seelisches Erlebnis. Das Geistige wird in einer Einheit mit diesem Seelischen erlebt. Und der geistige Charakter dieses Erlebnisses wird erst sichtbar, bewußt und zugleich erkannt in einer nachfolgenden denkenden Betrachtung. Deswegen Steiners Bemerkung von S. 256, im zweiten Zusatz zur Neuausgabe 1918, " ... daß richtig verstandenes Denk-Erleben schon Geist-Erleben ist." [Fettdruck MM] Nun läßt sich das Denken nur erkennen, indem man es beschreibt, das heißt, über die Erfahrungen des Denkens nachdenkt und diese auf beschreibende Begriffe bringt. Wenn wir jetzt dem eben erwähnten Sprachgebrauch Steiners und den Gedankengängen des dritten Kapitels der Philosophie der Freiheit folgen, dann haben wir auch in diesem Fall ein Zusammenfallen von Wahrnehmung und Begriff: Hier fällt die Wahrnehmung des Denkens mit seinem beschreibenden Begriff zusammen - was dasselbe ist wie seine Erkenntnis, oder besser gesagt, die Erkenntnis eines seiner vielfältigen Aspekte. Das Wahrnehmen ist hier ein Begreifen. Und das ist nach meiner Auffassung gemeint, wenn Steiner wie eingangs zitiert auf S. 146 der Philosophie der Freiheit sagt: "Im Betrachten des Denkens selbst fallen in eines zusammen, was sonst immer getrennt auftreten muß: Begriff und Wahrnehmung." Das Denken wird für den Betrachter oder Beobachter im eigentlichen Sinne erst sichtbar, wenn, indem, und so weit er es begreift. Das Begreifen des Denkens ist ein Wahrnehmen - ein aktives, tätiges, und oft mühevolles geistiges Wahrnehmen. Eine Wahrnehmung, " ... in der der Wahrnehmende selbst tätig ist, und es ist eine Selbstbetätigung, die zugleich wahrgenommen wird." (GA-04, S. 256) Erlebt werden kann das Denken mit hinreichender Mühe und Aufmerksamkeit eigentlich immer - aber gesehen wird es nur, wenn man das Erlebte auf die richtigen Begriffe bringt und unterscheiden kann. Nehmen wir ein Beispiel: Ein philosophischer Laie weiß gewöhnlich nicht sehr genau was Begriffe sind, obwohl er den Ausdruck Begriff sicherlich häufiger gebraucht. Vielfach werden Begriffe deswegen auch mit Worten verwechselt, obwohl sie vom Wesen her etwas ganz anderes sind. Allmählich erst, in dem Maße, wie er sich gedanklich mit den Eigenschaften von Begriffen befaßt, bekommt er einen Eindruck davon, was sie eigentlich sind und was sie etwa von sprachlichen Gebilden unterscheidet. In dem Umfang, wie ihm das begrifflich klar wird, beginnt er jene Eigenarten oder Wesensmerkmale des Denkens zu sehen, die man als Begriff bezeichnet, ungeachtet dessen, daß er sie natürlich immer schon hatte und mit ihnen hantierte. Er wußte nur nichts von ihnen. Wer sich mit grundlegenden Fragen der Denk-Beobachtung beziehungsweise des Sehens des Denkens auf einer ganz pragmatischen Ebene auseinandersetzen will, dem sei das oben erwähnte Buch von Renatus Ziegler wärmstens empfohlen. Ziegler behandelt zwar über Strecken hin Probleme der Mathematik und reinen Logik, doch die Art seines Vorgehens macht auch dem Laien in paradigmatischer Form verständlich worum es geht. Dieser Prozeß des Sehenlernens des Denkens ist in etwa vergleichbar mit jenem, der sich abspielt, wenn wir uns das Bild eines großen Malers erschließen. Wenn wir nicht gerade Fachleute der Ästhetik sind, werden wir häufig auch nicht allzuviel entdecken, was über die triviale Wahrnehmung hinausgeht. Sobald wir jedoch beginnen uns in Kunstepochen, Stilrichtungen und künstlerische Ausdrucksmittel zu vertiefen, wird das Bild zunehmend reicher, obwohl es materialiter nichts anderes enthält, als wir beim ersten Mal schon gesehen haben. Für das Denken gilt nichts anderes: mit der Einsicht in seine Gebilde wächst scheinbar sein Gehalt an Eigenschaften, der gleichwohl immer schon da war. Seine innere Differenzierung nimmt dann für den Betrachter zu, so wie eine nur schemenhaft sichtbare Gestalt allmählich deutlichere und gegliedertere Formen annimmt, wenn wir uns ihr nähern. Nur spielt sich eben beim Denken alles auf der gedanklich-begrifflichen Ebene ab, während es in der Malerei auch um sinnlich Wahrnehmbares geht. Hinzu kommt, daß wir mit dem Prozeß des Denkens aufs Innigste verbunden sind, und daher unsere Beobachtungen prinzipiell immer an den Tatsachen prüfen und gegebenenfalls korrigieren können. Mit weit größerer Sicherheit als die Interpretation eines Kunstwerkes, die stets hypothetische Reste enthält, weil wir hierbei immer auf Außeninformationen angewiesen sind, deren Status fraglich sein kann. Die Einsicht in einen charakteristischen Aspekt des Denkens ist somit ein geistiges Analogon zu einem herkömmlichen Wahrnehmungsvorgang und geschieht auf dem Wege der Intuition. Was gegenüber sinnlichen Gegenständen deren Wahrnehmung ist, ist gegenüber dem Denken Einsicht. Auf keinem anderen Wege als auf dem der Intuition kann uns eine Einsicht zuteil werden - das Denken als Beobachtungs- und Erkenntnisgegenstand macht davon keine Ausnahme. Die Selbsterklärung des Denkens geschieht also dadurch, daß wir ihm gegenüber die entsprechenden Intuitionen ausbilden. Es wird folglich mittels Intuitionen gesehen, angeschaut, betrachtet oder wahrgenommen. Erst vor diesem Hintergrund bekommt die Wendung, daß das Denken vom Denken gesehen oder angeschaut werde, einen plausiblen Sinn. Die besondere Art, das Denken in dieser Weise zu beobachten oder anzuschauen, nennt Steiner intuitives Denken. Das intuitive Denken ist sowohl die Methode, das Denken zu beobachten, wie auch die Idee der Freiheit - zumindest ist es diejenige, auf die er sich in der Philosophie der Freiheit explizit beruft. Im Zusatz von 1918 auf S. 255 ff der Philosophie der Freiheit macht ihr Verfasser eine Angabe über die Forschungsmethode, welche diesem Buche zugrunde liegt, und bezeichnet sie als "intuitives Denken" : "Die Darstellung dieses Buches ist aufgebaut auf dem rein geistig erlebbaren intuitiven Denken, durch das eine jegliche Wahrnehmung in die Wirklichkeit erkennend hineingestellt wird." Das intuitive Denken hat es Steiners Charakterisierung zufolge primär mit Wahrnehmungen zu tun. Man beachte auch, daß hier von "einer jeglichen Wahrnehmung" gesprochen wird. Demnach geht es sowohl um sinnliche, wie seelische und geistige Wahrnehmungen. Es gibt keinen Wahrnehmungsbereich, den dieses Denken exclusiv für sich reserviert hätte - etwa nur den geistig-ideellen - sondern es operiert bereichsübergreifend. All diese sinnlichen, seelischen und geistigen Wahrnehmungen werden "in die Wirklichkeit erkennend hineingestellt", das heißt sie werden sowohl im Hinblick auf ihr Wesen oder Was untersucht, aber auch in ihrer Beziehung zueinander und zur Gesamtwirklichkeit. Im Ausdruck des Hineinstellens schwingt mit, daß es sich hierbei um einen produktiv-schöpferischen Vorgang handelt, durch den der Wirklichkeit etwas gegeben oder hinzugefügt wird. Exemplarisch sichtbar wird dieser gedankliche Umgang mit Fragen der Wahrnehmung vor allem in den Kapiteln III bis VIII der Schrift, die sich sehr ausgedehnt dieser Thematik widmen. Insgesamt läßt sich sagen, daß der Aktionsbereich des intuitiven Denkens entsprechend der Steinerschen Kennzeichnung ein sehr weiter ist. Diese Weite kommt auch zum Ausdruck wenn er auf S. 143 dafür alternativ die Wendung "intuitiv-denkerische Durchdringung des Daseins" gebraucht. So gesehen scheint dieses Denken also gar nichts Außergewöhnliches zu sein, sondern bedeutet in genereller Hinsicht, sich rein gedanklich mit dem Dasein auseinanderzusetzen, um dieses Dasein zu erkennen. Damit deckt es sich als Methode der Philosophie der Freiheit in bemerkenswertem Umfang mit der Methode einer rein gedanklich operierenden klassischen Philosophie, wie es die thematische Entfaltung der Philosophie der Freiheit ja auch zeigt und wie Steiner selbst ausdrücklich an anderer Stelle hervorhebt: "Wer diese meine früheren Schriften [«Wahrheit und Wissenschaft» und «Philosophie der Freiheit», MM] aber unbefangen liest, wird bemerken können, daß die in ihnen entwickelten Ergebnisse durch rein philosophische Forschung gewonnen sind, und daß deshalb die Zustimmung zu dem in ihnen geltend Gemachten nicht abhängig ist von der Stellung, die jemand zu der von mir vertretenen «Geisteswissenschaft» einnimmt. Ich habe mich bewußt in jenen Büchern der Denkmittel und der Methodik allein bedient, die man gewöhnt ist, in philosophischen Arbeiten zu finden." (Die Geisteswissenschaft als Anthroposophie und die zeitgenössische Erkenntnistheorie. Persönlich-Unpersönliches (1917). In: GA-35, 1984, S. 319). Soweit das intuitive Denken der Philosophie der Freiheit als Methode zugrunde liegt ist es folglich identisch mit den "Denkmitteln" und der "Methodik", "die man gewöhnt ist, in philosophischen Arbeiten zu finden". Es deckt sich aber nicht nur mit dem philosophischen Denken im speziellen, sondern überhaupt mit jenem Denken, das zu einer gegebenen Wahrnehmung den Begriff findet oder wahrnimmt, der dann in der Synthese mit der Wahrnehmung zur Erkenntnis des Wahrnehmungsgegenstandes, der Vereinigung von Wahrnehmung und Begriff führt. Jenem Denken, das zu jeder Wahrnehmung das zu ihr gehörige ideelle Gegenstück auf dem Wege der Intuition geistig wahrnimmt. Darauf deutet Steiner hin wenn er oben sagt, durch das intuitive Denken werde "eine jegliche Wahrnehmung in die Wirklichkeit erkennend hineingestellt". Und dann den Gedanken (Philosophie der Freiheit, S. 255) fortführt: "Und es [das intuitive Denken, MM] fordert, daß es im Erkenntnisvorgang als in sich ruhendes Erlebnis nicht verleugnet werde. Daß ihm die Fähigkeit nicht abgesprochen werde, zusammen mit der Wahrnehmung die Wirklichkeit zu erleben, statt diese erst zu suchen in einer außerhalb dieses Erlebens liegenden, zu erschließenden Welt, der gegenüber die menschliche Denkbetätigung nur ein Subjektives sei." Zusammenfassend formuliert: Das intuitive Denken ist eben jenes, von dem in den erkenntnistheoretischen Schriften Steiners im Zusammenhang mit der Erläuterung des Erkenntnisprozesses die Rede ist, und von dem dort gesagt wird, es nehme den Ideengehalt der Welt wahr. Über dieses Denken verfügt jeder normal organisierte Mensch und übt es bereits aus, wenn er versucht den Ideengehalt der Welt zu erfassen, und zwar schon dann wenn er zu einer herkömmlichen sinnlichen Wahrnehmung den Begriff sucht und findet. Denn auch der gehört selbstverständlich zum Ideengehalt der Welt, wie Steiner in seinen philosophischen Schriften eindringlich versucht klarzumachen. So daß vielleicht die grundlegendste Eigenschaft, die man dem intuitiven Denken beilegen kann, lautet: Es ist jenes Denken, das auf dem Wege von Intuitionen den Ideengehalt der Welt wahrnimmt. Die wohl elementarste und häufigste Frage, die sich das intuitive Denken stellen kann lautet daher: Was ist das? Es versucht dann vielleicht zu einer gegebenen Wahrnehmung den zugehörigen Begriff zu finden, den es dann aus der ideellen Sphäre schöpft und mit der Wahrnehmung zur Erkenntnis des Wahrnehmungsgegenstandes vereinigt. Das intuitive Denken kann sich daneben im einzelnen auch mit ausgesprochen erkenntnistheoretischen oder erkenntnisphänomenologischen Fragen befassen - etwa: Wie erkennen wir? Was ist eine Wahrnehmung? Welche Typen von Wahrnehmung gibt es? Aber auch mit solchen, die man eher zur Psychologie zählen würde - indem es etwa das Verhältnis von Denken, Fühlen und Wollen untersucht oder die nähere Natur oder Eigenschaften dieser speziellen Wahrnehmungen. Ein ganz besonderer Fall von Wahrnehmung, dem sich das intuitive Denken erkennend zuwenden kann, ist die Wahrnehmung des Denkens selbst. Es kann sich schließlich auch, wie die Programmatik der Steinerschen Schrift andeutet, einer einzelnen Idee widmen und sie beobachten, beziehungsweise sich mit der Wahrnehmung dieser Idee auseinandersetzen. In diesem speziellen Fall lautet die Frage: Freiheit - was ist das? Betrachtet man die Philosophie der Freiheit, wie ich es oben und in Anmerkung 107b angedeutet habe, als den Versuch, die Idee der Freiheit zu beobachten, dann heißt dies: Das intuitive Denken ist die Methode, mittels derer Steiner die Idee der Freiheit nach eigenen Angaben beobachtet hat. Etwas gemeinverständlicher formuliert: Er hat sich dieser Aufgabe zugewandt, indem er über die dafür relevanten Bereiche des Daseins gründlich nachgedacht hat, ganz speziell und ausdrücklich auch über die Erlebnisse, die man am Denken selbst haben kann - soviel sagt uns sein obiger Methodenhinweis. Für die Erlebnisse am Denken selbst, wie wir sie an Zieglers Beispiel oben musterhaft aufgezeigt haben, verwendet Steiner auch den Ausdruck intuitives Denk-Erleben. Nun schließt die Beobachtung der Freiheitsidee notwendigerweise eine Beobachtung des Denkens ein, denn ohne eine zumindest grundlegende Erkenntnis des Denkens ist nach Steiner auch keine Einsicht in die Idee der Freiheit möglich. Das heißt, wenn wir uns an den ausgesprochenen Wahrnehmungsbezug des intuitiven Denkens erinnern: Die wirklichkeitsgemäße Wahrnehmung der Freiheitsidee setzt die Wahrnehmung oder Beobachtung des Denkens voraus. Es kommt infolgedessen sehr viel darauf an, wie man das Denken wahrnimmt oder beobachtet. In der Vorrede von 1918 macht er auf diesen Umstand aufmerksam, wenn er (S. 7) darauf hinweist, daß die Lösung der Freiheitsfrage abhängig sei von der Lösung der Erkenntnisfrage. Im ähnlichen Sinne ein Zusatz von 1918 auf S. 203 f, und gegen Ende der Schrift auf S. 253 f dann wie eine Spiegelung der Vorrede noch einmal der eindringliche Hinweis, daß die Freiheit des Handelns auf der Freiheit des intuitiven Denkens basiert: "Im zweiten Teile dieses Buches wurde versucht, eine Begründung dafür zu geben, daß die Freiheit in der Wirklichkeit des menschlichen Handelns zu finden ist. Dazu war notwendig, aus dem Gesamtgebiete des menschlichen Handelns diejenigen Teile auszusondern, denen gegenüber bei unbefangener Selbstbeobachtung von Freiheit gesprochen werden kann. Es sind diejenigen Handlungen, die sich als Verwirklichungen ideeller Intuitionen darstellen. Andere Handlungen wird kein unbefangenes Betrachten als freie ansprechen. Aber der Mensch wird eben bei unbefangener Selbstbeobachtung sich für veranlagt halten müssen zum Fortschreiten auf der Bahn nach ethischen Intuitionen und deren Verwirklichung. Diese unbefangene Beobachtung des ethischen Wesens des Menschen kann aber für sich keine letzte Entscheidung über die Freiheit bringen. Denn wäre das intuitive Denken selbst aus irgendeiner andern Wesenheit entspringend, wäre seine Wesenheit nicht eine auf sich selbst ruhende, so erwiese sich das aus dem Ethischen fließende Freiheitsbewußtsein als ein Scheingebilde. Aber der zweite Teil dieses Buches findet seine naturgemäße Stütze in dem ersten. Dieser stellt das intuitive Denken als erlebte innere Geistbetätigung des Menschen hin. Diese Wesenheit des Denkens erlebend verstehen, kommt aber der Erkenntnis von der Freiheit des intuitiven Denkens gleich. Und weiß man, daß dieses Denken frei ist, dann sieht man auch den Umkreis des Wollens, dem die Freiheit zuzusprechen ist. Den handelnden Menschen wird für frei halten derjenige, welcher dem intuitiven Denkerleben eine in sich ruhende Wesenheit auf Grund der inneren Erfahrung zuschreiben darf. Wer solches nicht vermag, der wird wohl keinen irgendwie unanfechtbaren Weg zur Annahme der Freiheit finden können. " Die in der Schrift vorhandenen Passagen zum Thema Erkenntnis und Denken gehören damit, wie in ihrer Vorrede bereits angedeutet ist, zum unentbehrlichen sachlichen Umkreis des Freiheitsgedankens, obwohl die Philosophie der Freiheit im eigentlichen Sinne keine Erkenntnistheorie ist, sondern eben eine Freiheitsphilosophie. Aber als solche muß sie sich zu Erkenntnisfragen äußern, denn bevor man sagen kann, ob und unter welchen Umständen der Mensch frei ist, sind Fragen der Art zu klären: Was ist Erkenntnis? Gibt es ein sicheres Fundament der Erkenntnis? Wie erkennt man das Denken? Der gelegentlich aufkeimenden Diskussion darüber, ob die Philosophie der Freiheit eine Erkenntnistheorie sei oder nicht, läßt sich also mit einem "Nein - aber" begegnen. Sie ist eigentlich keine, - keine bloße Theorie, sondern alles andere als das. Ihr Untersuchungsgegenstand erfordert wegen der vorhandenen Abhängigkeitsbeziehungen, daß sie zu diesen Fragen empirisch Stellung bezieht. Ohne die entsprechenden empirischen Fundierungen wäre die Freiheitsphilosophie nicht ausführbar beziehungsweise: wäre die Idee der Freiheit nicht angemessen wahrnehmbar. Dieser Zusammenhang erklärt auch, warum Steiner selbst in seiner 1917 erschienenen Schrift Von Seelenrätseln (GA-21, 1976, S. 62) ausdrücklich auf den erkenntnistheoretischen Charakter der Philosophie der Freiheit hinweist: "Im Zusammenhange meiner Veröffentlichungen ist meine «Philosophie der Freiheit» die erkenntnistheoretische Grundlegung für die von mir vertretene anthroposophisch orientierte Geisteswissenschaft. Ich habe dies in einem besonderen Abschnitt meines Buches «Die Rätsel der Philosophie» dargelegt."
Das intuitive Denken ist demnach alles andere als irgend ein rätselhaft-mystisches, geistig-seelisches Agens, über das man erst im Laufe langjähriger esoterischer Schulung verfügt. Es ist also auf gar keinen Fall zutreffend, was beispielsweise Michael Kirn in seinem Buch Das große Denk-Ereignis, Dornach 1998, auf S. 40 stellvertretend für manchen anderen anthroposophischen Autoren behauptet, wenn er dort sagt, Steiner meine mit dem intuitiven Denken "eine dem einzelnen erreichbare Geisteshaltung jenseits der Philosophie." Mit dieser Bemerkung macht Kirn das intuitive Denken für seinen Leser faktisch unsichtbar. Und was noch ärger ist: Entsprechend unzugänglich wird für diesen nachfolgend auch all dasjenige, was Steiner an freiheitsphilosophischen Überlegungen an dieses intuitive Denken knüpft, weil ihm der Verständniszugang dorthin blockiert ist. Denn wer keine Vorstellung davon hat was das intuitive Denken ist, der kann natürlich auch kaum eine davon entwickeln was die Freiheit des intuitiven Denkens ist. Und da für Steiner die Freiheit des Handelns in der Freiheit des intuitiven Denkens gründet, wird ihm folglich das Anliegen der Philosophie der Freiheit im wesentlichen ein Buch mit sieben Siegeln bleiben. Ein Leser, der dem Hinweis Kirns und seiner Geistesverwandten folgt, wird das intuitive Denken nicht mehr finden, weil er es jetzt an der falschen Stelle sucht. Was doppelt tragisch für ihn ist, da er nämlich über dieses Denken im Regelfall längst verfügt und es auch ausübt. Im Gegensatz zu Kirns Auffassung stützt sich jede Philosophie, die erkennend auf den ideellen Gehalt der Wirklichkeit abzielt, auf eben dieses Denken. Denn das intuitive Denken ist als Fähigkeit den ideellen Gehalt der Wirklichkeit wahrzunehmen integraler Bestandteil der Grundausstattung menschlichen Seelenvermögens. Es ist das Denk-Verfahren zu einer beliebigen Wahrnehmung den Begriff zu finden und ebenso das methodische Verfahren, mit dem neben anderen Ideen die Idee der Freiheit beobachtet respektive wahrgenommen oder erkannt wird, wie es die Methode der Selbstbeobachtung, der Selbsterklärung beziehungsweise Selbsterkenntnis oder Selbstwahrnehmung des Denkens ist. Wenn also ein Leser für sich das Stadium des intuitiven Denkens mit Sicherheit erreichen will, dann könnte er das exemplarisch zum Beispiel auf drei Wegen tun, die eng miteinander verwandt sind: Erstens könnte er sich einer ungewohnten Wahrnehmung aussetzen, etwa einer solchen, die er in einer Kükelhausausstellung machen kann, und sich fragen, was das jeweils ist, dem er sich da wahrnehmend aussetzt. Zweitens könnte er sich in irgend ein philosophisches Problem vertiefen und versuchen es zu lösen - beispielsweise in das Problem, was Kraft, Kausalität oder Güte ihrem Wesen nach sind und zu einem Begriff dieser Entitäten vorzustoßen. Drittens könnte er sich einmal mit der Frage befassen, wonach er sich beim Denken richtet und über die entsprechenden Erfahrungen seines Denkens nachdenken. Damit bekommt er nicht nur einen Einblick in die Natur des intuitiven Denkens, - letzteres ist auch der entscheidende Schritt zur Einsicht in die Freiheit des intuitiven Denkens. Erst wenn man durchschaut hat, daß das intuitive Denken frei ist, sieht man auch den Bereich, demgegenüber von freien Handlungen gesprochen werden kann. Die Einsicht in die Freiheit des intuitiven Denkens ist nach Steiner die Vorbedingung zur Einsicht eines freien Wollens überhaupt. Und die Freiheit des intuitiven Denkens wiederum gründet in der Selbstbeobachtungs- respektive Selbsterklärungsfähigkeit des Denkens - in der Tasache, daß seine Wesenheit eine auf sich selbst ruhende ist, sich selbst betrachten und beschreiben kann. Der Umstand, daß beobachtendes und beobachtetes Denken qualitativ gleichwertig sind, wie im dritten Kapitel der Philosophie der Freiheit betont wird, ist Fundament und Garantie für Freiheit überhaupt. Frei ist ein Denken, das sich an durchsichtigen begrifflich-logischen Zusammenhängen orientiert und nicht den Notwendigkeiten der Hirnphysiologie oder einer leiblich-seelischen Organisation folgen muß. (Eine Schlüsselaussage Steiners aus dem dritten Kapitel (S. 45) hierzu lautet: "Meine Beobachtung ergibt, daß mir für meine Gedankenverbindungen nichts vorliegt, nach dem ich mich richte, als der Inhalt meiner Gedanken; nicht nach den materiellen Vorgängen in meinem Gehirn richte ich mich." Eine philosophische Vertiefung dieses Aspektes der Philosophie der Freiheit führt auf die Frage der Beziehung zwischen Logik und Psychologie oder Physiologie, wie sie in der Psychologismusdebatte in der Logik um die Wende vom 19. zum 20. Jh. geführt wurde. Steiner macht in seiner Schrift Von Seelenrätseln [GA-21] 1976, unter anderem auf S. 31 f; S. 132 f; einige Bemerkungen in dieser Richtung. Ein entscheidender Gesichtspunkt hier ist, daß beim denkenden Suchen nach der Wahrheit sich das Wollen an begrifflich-logischen Bestimmungen ausrichtet. Diese können aber nicht zugleich physiologische Kausalbestimmungen sein, da sich sonst eine logische Vorstellungsverknüpfung nicht von einer unlogischen oder einer a-logischen respektive einer rein assoziativen unterscheiden ließe. Und ferner dann die logischen Gesetze mit den physiologischen zusammenfallen müßten, was grundsätzlich nicht möglich ist. Das Phänomen der Einsicht reicht also weit hinaus über dasjenige, was mit den Gesetzen der Hirnphysiologie zu erfassen ist. Man sieht auch wie sich hier die Forschungsfelder von Anthroposophie, Logik, Erkenntnistheorie, Psychologie und Physiologie mit äußerst spannenden und weitreichenden Fragestellungen begegnen - ein Grund, warum Steiner in dieser Schrift auf die Möglichkeit einer "wirklich fruchtbaren Verständigung" (S. 32) zwischen Anthroposophie und Anthropologie hinweist. Letzten Endes ist auch der unter Anmerkung 107 b erwähnte Roger Penrose mit seiner physikalischen Problemstellung hier anzusiedeln. Siehe aus nichtanthroposophisch-philosophischer Sicht auch: Palàgyi, Melchior, Der Streit der Psychologisten und Formalisten in der modernen Logik, Leipzig 1902.; Sowie: Moog, Willy, Logik, Psychologie und Psychologismus, Halle a. S., 1919; Sowie: Husserl, E. , Logische Untersuchungen. Textkritische Ausgabe von E. Holenstein. Bd. 1, Prolegomena zur reinen Logik, Den Haag, 1975. Nachtrag 28.11.03 zu Penrose: Wie sehr sich die Frage des freien Denkens mit physikalischen Problemen berührt dürfte offensichtlich sein. Denn der Nachweis des freien Denkens (und Handelns) hat natürlich physikalische Implikationen dahingehend, daß dieses freie Denkens und Handeln nicht mehr durch Naturkausalität bestimmt sein kann. Das Kausalitätsprinzip ist an dieser Stelle nicht mehr gültig. Physikalisch ist das von der allergrößten Tragweite, weil damit der Energieerhaltungssatz außer Kraft gesetzt wird. Diese physikalische Bedeutung des Denkens wird auch von Steiner klar gesehen und ausdrücklich hervorgehoben. In der Philosophie der Freiheit spricht er diesbezüglich (Kap. IX, S. 146 ff) von einer Zurückdrängung der leiblichen Organisation durch das Denken. Diese Zurückdrängung ist durchaus auch im Sinne einer physiologisch-physikalischen Wirksamkeit gemeint. Und auf diese Zurückdrängung bezogen sagt Steiner (GA-78, Dornach 1968, Vortrag vom 5.11.1921, S. 143): "Hier ist es, wo wir an der Grenze des Gesetzes von der Erhaltung der Materie und der Kraft stehen. Man muß den Ausdehnungsbereich dieses Gesetzes von Materie und Kraft erkennen, damit man den Mut fassen kann, ihm dann zu widersprechen, wenn es nötig ist." Vor diesem Hintergrund ist der Versuch von Roger Penrose, mittels einer Bewußtseinstheorie die moderne Physik zu revolutionieren, aus anthroposophischer Sicht überaus interessant und konsequent und sollte weiter beobachtet werden. Denn es sind nicht beliebige Bewußtseinsvorgänge, die Penrose bei seiner Auffassung geltend macht, sondern vor allem die Tätigkeit des Denkens und Erkennens. ) Daß sich die Einsicht in die Natur des Denkens nur auf dem Wege von Intuitionen ergeben kann, haben wir schon wiederholt erörtert. Mit diesem Sachverhalt decken sich auch Steiners Angaben hinsichtlich der von ihm angewandten Forschungsmethode des intuitiven Denkens. Somit läßt sich sagen, daß sein Ausdruck des intuitiven Denkens auf jeden Fall auf das sich selbst betrachtende Denken anzuwenden ist. Das heißt, ein Denken, daß sich im Zuge seiner Selbstaufklärung auf seine unmittelbaren Erfahrungen richtet und sich beobachtet respektive über diese Erfahrungen nachdenkt, ist notwendigerweise immer auch ein intuitives Denken. Sowohl sein Beobachtungsgegenstand ist in der Form der Intuition gegeben, als auch die Art der Beschäftigung mit ihm. Sowohl seine Verlaufsform als auch die Art seiner Wahrnehmung oder Erkenntnis, beziehungsweise seines Erfassens, hat den Charakter der Intuition wie Steiner anmerkt: Es ist eine "auf sich ruhende geistige Wesenhaftigkeit. Und von dieser kann er [der Denker] sagen, daß sie ihm durch Intuition im Bewußtsein gegenwärtig wird. Intuition ist das im rein Geistigen verlaufende bewußte Erleben eines rein geistigen Inhaltes. Nur durch eine Intuition kann die Wesenheit des Denkens erfaßt werden." (PdF, S. 146). Das intuitive Denken hat Steiners Schilderungen zufolge also einen ausgesprochenen geistigen Wahrnehmungcharakter: - Es nimmt Begriffe und Ideen wahr, und es nimmt sich selber wahr, wie er auf S. 256 hervorhebt: " ... darf aus dem Gesichtspunkte, der sich bloß aus dem intuitiv erlebten Denken ergibt, berechtigt erwartet werden, daß der Mensch außer dem Sinnlichen auch Geistiges wahrnehmen könne? Dies darf erwartet werden. Denn, wenn auch einerseits das intuitiv erlebte Denken ein im Menschengeiste sich vollziehender tätiger Vorgang ist, so ist es andererseits zugleich eine geistige, ohne sinnliches Organ erfaßte Wahrnehmung. Es ist eine Wahrnehmung, in der der Wahrnehmende selbst tätig ist, und es ist eine Selbstbetätigung, die zugleich wahrgenommen wird. Im intuitiv erlebten Denken ist der Mensch in eine geistige Welt auch als Wahrnehmender versetzt. Was ihm innerhalb dieser Welt als Wahrnehmung so entgegentritt wie die geistige Welt seines eigenen Denkens, das erkennt der Mensch als geistige Wahrnehmungswelt. Zu dem Denken hätte diese Wahrnehmungswelt dasselbe Verhältnis wie nach der Sinnenseite hin die sinnliche Wahrnehmungswelt. Die geistige Wahrnehmungswelt kann dem Menschen, sobald er sie erlebt, nichts Fremdes sein, weil er im intuitiven Denken schon ein Erlebnis hat, das rein geistigen Charakter trägt". (Man beachte allerdings in diesem Zusammenhang auch den Unterschied zwischen intuitivem Denken und intuitiv erlebtem Denken. Weiteres dazu finden Sie hier. ) Eine Frage, die sich hier aufdrängt, aber an dieser Stelle nicht ausführlicher behandelt werden kann, ist die folgende: Hat dieses Anschauen oder Sehen des Denkens durch das Denken beziehungsweise durch beschreibende Begriffe nicht bereits den Charakter von Imaginationen? Denn die Beschreibungen des Denkens sind, wie man den von Steiner vielfach dargelegten Beispielen entnehmen kann, Veranschaulichungen oder Verbildlichungen des Denkens, die einerseits selbst der Sphäre des reinen Denkens angehören, damit auch zum übersinnlichen, "schauenden Bewußtsein" gerechnet werden. Andererseits sind sie von großer Exaktheit, deswegen werde ich sie weiter unten mit dem vergleichen, was man in der Wissenschaftsphilosophie "Basissätze" nennt. Zudem muß man sagen, daß die "anschauende" Erkenntnis des Denkens gegenüber der Erkenntnis durch das reine Denken, bei welcher das reine Denken selbst unerkannt bleibt, sachlich eine Steigerung der Erkenntnisform beziehungsweise eine höhere Stufe darstellt. Denn daß der Erkenntnis-Standort von dem aus das reine Denken als "reines Denken" erkannt wird, ein höherer sein muß als der Standort des reinen Denkens selbst, scheint einleuchtend. Die nächsthöhere Erkenntnisstufe über das reine Denken hinaus bezeichnet Steiner als "imaginative Erkenntnis". Man könnte folglich auch sagen, daß es sich - angesichts ihres veranschaulichenden Charakters, angesichts ihrer Zugehörigkeit zum schauenden Bewußtsein, angesichts auch ihres hohen Grades an Exaktheit und angesichts ihres Hinausgehens über das reine Denken - bei den Beschreibungen des Denkens, die wir auf der Grundlage seiner Beobachtung durchführen, genau genommen um Imaginationen des Denkens handelt. Es wäre demnach das, was ich in dieser Arbeit mehrfach als "deskriptive Intuition" bezeichnet habe - die Einsicht in spezifische Eigentümlichkeiten des Denkens - als eine, vielleicht noch elementare, Form der imaginativen Erkenntnis zu bezeichnen. (Auf das erkennende Erfassen des Denkens durch Imagination gibt Steiner einige Hinweise in einem Vortrag vom 3. September 1921 in Stuttgart. GA-78, Dornach 1968, S. 110 ff) 107d Der Gedankengang des letzten Absatzes scheint mir nicht nur sachlich stringent - er deckt sich auch mit dem, was Steiner anläßlich einer Erörterung des etwas problematischen Verhältnisses Denken über das Denken und Anschauung des Denkens sagt. Danach wird aus dem Denken über das Denken in der Tat etwas, das oberhalb des Denkens anzusiedeln ist. Vor diesem Hintergrund ist auch erklärlich, warum Steiner einmal im Denken über das Denken das erkenntnistheoretische Mittel erster Wahl sieht (Wahrheit und Wissenschaft GA-03, 1980, am Ende von Kapitel III, S. 48), und sich auch wiederholt explizit im dritten Kapitel der Philosophie der Freiheit darauf stützt, während er es an anderer Stelle ausdrücklich abzulehnen scheint, wie etwa in GA-322, 1981, S. 50, Vortr. v. 30.09.1920. Der Grund für diese scheinbare Ablehnung des Denkens über das Denken als Erkenntnismittel des Denkens liegt darin, daß aus dem das Denken betrachtenden Denken etwas qualitativ anderes wird als bloßes Denken, und von diesem Gesichtspunkt aus gesehen ist es eben kein Denken über das Denken mehr, das einer Beobachtung des Denkens methodisch zugrunde liegt. Der hier problematisierte Sachverhalt des Denkens über das Denken wird von Steiner relativ ausführlich in Berlin am 28. Februar 1918 über weite Strecken eines Vortrags hin erläutert. (GA-67, Dornach 1962, S. 68 ff) . Steiner erklärt dort etwa (S. 82 f) "Es handelt sich dabei ... darum, daß der Mensch das, was sonst bloß kombinierendes Denken ist, wie es dem zugrunde liegt, was man heute oftmals allein «Wissenschaft» nennt, zum innerlichen Denkleben erweckt. Dann ist das Denken ein Leben im Gedanken. Dann kann man auch nicht mehr über das Denken denken, sondern dann verwandelt es sich überhaupt in etwas anderes. Dann verwandelt sich das Denken über das Denken in eine geistige Anschauung des Denkens, dann hat man das Denken so vor sich, wie man sonst äußere Sinnesobjekte vor sich hat, nur daß man diese vor Augen und Ohren hat, während man das Denken vor der von geistiger Anschauung erfüllten Seele hat." Und weiter unten (S. 83 f): "Goethe wußte, daß, wenn man über das Denken denken will, man eigentlich ungefähr in derselben Lage ist, wie wenn man das Malen malen wollte. Man könnte sich ja denken, daß jemand das Malen malen will, daß er es sogar tut. Aber dann wird man sich wohl sagen, daß über das, was das eigentliche Malen ist, hinausgegangen wird. Ebenso muß über das Denken hinausgegangen werden, wenn es gegenständlich werden soll." Wie aber wird das Denken gegenständlich? Wie gewinnt es für seinen Erkenner Konturen, Formen und Gestalt? Ich schätze in einer analogen Weise wie dem operierten Blindgeborenen die visuelle Welt aus einem zusammenhanglosen Chaos von Farbflächen allmählich gegenständlich wird, und sich aus dem verwirrenden Tumult visueller Eindrücke zunehmend stabile und intellektuell handhabbare Formen und Gestalten herausschälen und heranreifen. Das heißt: Der Denker muß sich mit seinen Denkerlebnissen in analoger Weise gedanklich auseinandersetzen und sie ordnen, vertiefen usf, wie der operierte Blindgeborene sich mit seiner neugewonnenen Welt der rein visuellen Erfahrungen auseinandersetzen muß, damit aus diesen reinen Wahrnehmungen Anschauungen und Gegenstände werden, in denen er sich auch zurechtfindet. Das ist ein sehr subtiler und facettenreicher Vorgang. Der Anschauung des Denkens - so meine ich - liegt folglich zugrunde eine hinreichende Erlebnisgrundlage des Denkens, die nicht nur bloße Erfahrung des faktischen Denkens ist, sondern eine vielfältig gedanklich durchdrungene und nach zahlreichen Dimensionen hin gegliederte und begriffene Erfahrung des Denkens. So wie etwa beim Biologen die Anschauung von Bäumen und Kräutern wesentlich mehr ist als bloße Erfahrung von ihnen. Man könnte folgendes zusammenfassen: Will man das faktische Denken erkennen, dann muß man zunächst auch zu einem wirklichen Erleben des Denkens kommen. Was man aber dann vollbringt, indem man seine Denkfähigkeit auf das dergestalt erlebte Denken richtet und versucht es zu erkennen, ist im erkenntnispsychologischen Sinne schon kein Denken mehr, sondern etwas, das über das Denken hinausgeht - eine höhere Erkenntnisstufe als die des reinen Denkens. Die ist allerdings - wenn ich mich so ausdrücken darf - mit dem reinen Denken artverwandt. Und diese Anschauungen des Denkens sind im eigentlichen Sinne schon Imaginationen. Denn, wie Steiner im selben Vortrag (S. 92) erklärt: "Das Geistige kann nur bildhaft geschaut werden." Der erkenntnistheoretische Ausgangsstandort einer Erkenntnis des Denkens ist nun allerdings in hohem Maße ein analytisch-explikativer, der auf grundlegende Begriffe geht und sie klärt und durchleuchtet. In Wahrheit und Wissenschaft (GA-03, 1980), dem "Vorspiel" zu seiner Philosophie der Freiheit, erhebt Steiner am Ende von Kapitel III, (S. 48) das Denken über das Denken nachgerade zum methodischen Nonplusultra der Erkenntnistheorie: "Die Erkenntnistheorie kann aber nur eine kritische Wissenschaft sein. Ihr Objekt ist ja ein eminent subjektives Tun des Menschen: das Erkennen, und was sie darlegen will, ist die Gesetzmäßigkeit des Erkennens. Von dieser Wissenschaft muß also alle Naivität ausgeschlossen sein. Sie muß gerade darinnen ihre Stärke sehen, daß sie dasjenige vollzieht, von dem sich viele aufs Praktische gerichtete Geister rühmen, es nie getan zu haben, nämlich das «Denken über das Denken»." Was den Charakter dieses Denkens über das Denken angeht, so mag vielleicht als gewisse Orientierungshilfe dienen, was Steiner über das methodische Verfahren bei der Suche nach dem voraussetzungslosen Ausgangspunkt der Erkenntnistheorie in derselben Schrift am Ende von Kapitel II ausführt, wonach diese in einer "rein didaktischen Verständigung über den Anfang einer Wissenschaft" bestehe, die in "rein selbstverständlichen analytischen Sätzen" zu verlaufen habe. Und um die Klärung von Grundsatzpositionen geht es, wenn auch in sehr anderer Art, vielfach im dritten Kapitel der Philosophie der Freiheit. Deswegen läßt sich hier, im engeren erkentnistheoretischen Umfeld bei der Klärung von Grundsatzfragen und -positionen, auch am ehesten von einem Denken über das Denken sprechen. Aber aus diesem analytisch-explikativen Denken der Erkenntnistheorie wird in dem Maße ein anschauendes Denken, wie es sich dem erlebten Denken zuwendet. Was sich schon in Wahrheit und Wissenschaft anbahnt, besonders aber im dritten Kapitel der Philosophie der Freiheit abzeichnet, wenn Steiner dort, und zwar in durchaus synonymer Weise, nicht nur von einem Denken über das Denken, sondern auch einer Beobachtung oder Betrachtung des Denkens spricht. Und was man betrachtet - so viel ist schon dem allgemeinen Sprachgebrauch zu entnehmen - das schaut man auch an. Ob und wie weit Steiner selbst erst im Laufe der Jahre nach Erstausgabe der Philosophie der Freiheit zu einer genaueren, erkenntnispsychologischen Klärung des Verhältnisses Denken über das Denken und Anschauung des Denkens kam, wäre eine interessante Frage, kann hier aber nicht weiter thematisiert werden. Dem normalen, bloß kombinierenden, Denken der Wissenschaft liegt ein naiver Gebrauch des Denkens zugrunde. Und zwar im doppelten Sinne naiv: Den Wissenschaftler interessiert ja nicht das Denken, sondern das Thema, worauf es sich richtet. Und in aller Regel ist er auch von erkenntniskritischen Fragen relativ unberührt. So daß er weder über das Denken, noch über erkenntniskritische Problemstellungen allzu viel weiß. In einer vergleichbaren, wenn auch erkenntniskritisch aufgeklärteren Lage, sind im Grundsatz auch Erkenntnistheoretiker, die - obgleich in erkenntnistheoretischen Kontexten - ebenfalls einen ganz naiven Gebrauch vom Denken pflegen, und letztlich nur dieses kombinierende Denken - diesmal auf alle möglichen erkenntniskritischen Grundlagenfragen von Wissenschaft und Erkenntnis - anwenden. Selbst dann, wenn sie dabei über das Denken denken. Sie kommen hinsichtlich des Denkens über diese naive Verwendungsstufe wenig oder gar nicht hinaus und lassen sich vorrangig von der logischen Struktur gewisser Problemstellungen leiten. Sie treiben zwar Erkenntniskritik, aber das Mittel, mit dem sie sie betreiben, verwenden sie selbst wiederum auf eine naive Weise dergestalt, daß sie es kaum wirklich kennen. Es ist gewissermaßen eine Naivität zweiten Grades. In bezug auf das Denken liefert also die Erkenntnistheorie - wenn sie denn überhaupt bis dahin gelangt - im wesentlichen Vorüberlegungen aber noch kaum Erkenntnis des Denkens im engeren und eigentlichen Sinne. Man könnte - von Steiner vielleicht einmal abgesehen - wahrscheinlich jede beliebige Erkenntnistheorie auf diese Sachlage hin durchsehen. Nicht so sehr im umfassenderen erkenntniswissenschaftlichen Zusamenhang, aber am Beispiel einer isolierten Fragestellung läßt sich das exemplarisch studieren bei Popper wenn er im Buch Das Ich und sein Gehirn, München 1982 dem Materialismus (S. 105 ff) zwar ein sehr schlagkräftiges Selbstwiderlegungsargument entgegenhält, aber über das Denken selbst - verkürzend gesagt - zu kaum einer brauchbaren Aussage kommt. (Ähnlich in Karl R. Popper, Objektive Erkenntnis, Hamburg 1984, S. 232 ff) So spricht er von Argumenten und Gründen. Er ist vorrangig am formalen Einwand und logischen Widersprüchen orientiert, aber das faktische Denken interessiert ihn in diesem Zusammenhang fast nicht. Er würde es als Gegenstand des Erkennens fraglos an die Denkpsychologie delegieren. (Siehe hierzu auch Poppers Logik der Forschung, 8. Aufl, Tübingen 1984, Kapitel I., Grundprobleme der Erkenntnislogik, S. 3 ff) Aus dem Blickwinkel der Erkenntnistheorie sogar mit einem gewissen Recht. Denn am Ausgangspunkt einer Erkenntnistheorie dürfen noch keine empirisch gehaltvollen Sachaussagen beigezogen werden, weil ja alles Empirische problematisch ist. Also im Prinzip auch das Denken. Die Wissenschaft - auch die des Denkens - findet in der Erkenntnistheorie ja erst ihre allgemeine Begründung, deswegen kann die Erkenntnistheorie selbst noch keine empirische Wissenschaft des Denkens im engeren Sinne sein, sondern bestenfalls eine Vorstufe dorthin. (Siehe hierzu etwa Rudolf Eisler, Einführung in die Erkenntnistheorie 2. Aufl. Leipzig 1925, S. 1 ff) Das wirkt in ihrer zugespitzten Form manchmal wie eine etwas paradoxe Forderung der Erkenntnistheorie; aber selbst Steiner hält sich wie eben gezeigt in Wahrheit und Wissenschaft zumindeDaVeiga st programmatisch daran, wenn er am Ende von Kapitel 2 sagt, daß die Erkenntnistheorie in einer "rein didaktischen Verständigung über den Anfang einer Wissenschaft" bestehe, die in "rein selbstverständlichen analytischen Sätzen" zu verlaufen habe. Interessant ist allerdings in diesem Zusammenhang auch, daß er in den Vorbemerkungen zu dieser Schrift (S. 25), die Forderung nach Voraussetzungslosigkeit mit der hintersinnigen Bemerkung versieht: "... soweit das bei der Natur des menschlichen Erkenntnisvermögens möglich ist...". Also könnte man sagen: Das Denken über das Denken findet in Form eines weitgehend naiv getätigten, weil unbekannten, Denkens am ehesten auf dieser Ebene rein selbstverständlicher analytischer Sätze über den Anfang einer Wissenschaft statt. Und soweit dort das Denken thematisiert wird, handelt es sich vorzugsweise um Vorüberlegungen hinsichtlich seiner Erkenntnis. Rigide trennen zwischen einem Denken über das Denken und einer Anschauung des Denkens kann man streng genommen nicht. Denn immer muß ja eine gewisse Erfahrung des Denkens, und sei sie noch so dürftig, in das Denken über das Denken eingang finden, sonst ließe sich darüber höchstens in dem Sinne denken, wie ein Blinder über die farbige Welt denkt. Dann aber wird daraus etwas qualitativ anderes in dem Maße, wie das Denken sich selbst zum ausdrücklichen empirischen Erkenntnisgegenstand wird. Ich meine dies zeigt sich auch sehr deutlich in der Philosophie der Freiheit: Spannt man das dritte Kapitel der Philosophie der Freiheit zwischen den Marken Denken über das Denken und Anschauung des Denkens auf, so enthält es methodisch und sprachlich alle Kennzeichen einer Region des Übergangs vom einen zum andern. Es dürfte eine analoge Übergangsregion sein, wie sie sich anfangs im Bewußtsein desjenigen findet, der sich auf den Weg der Philosophie der Freiheit begibt. Denn daß es von diesem geistigen Anschauen des Denkens alle möglichen qualitativen Abstufungen und Reifegrade in Richtung Imagination gibt, die auch durch systematische Übungen in Richtung der oberhalb der Imagination liegenden Erkenntnisstufen weiter ausgebaut werden können und müssen, halte ich für selbstverständlich. Was bei Steiner augenfällig fehlt - und darin liegt der Anlaß zahlreicher Verständnisprobleme -, das ist eine systematische und eingehende denkpsychologische Aufarbeitung des Zwischenbereichs vor dem Eintritt in die eigentlichen höheren Erkenntnisstufen. Das heißt: der gesamte Bereich der gewöhnlichen Denkpsychologie. Steiner war dieser Mangel übrigens sehr bewußt. Denn eben aus diesem Anlaß äußert er in der Schrift Von Seelenrätseln (GA-21, Dornach 1976, S. 170 f) den Wunsch, in einem psychologischen Laboratorium arbeiten zu können, um zu zeigen, wie das menschliche Wesen zum Schauen veranlagt ist. Genauer spricht er da nicht nur von sich, sondern von einem jeden, der auf dem anthroposophischen Gesichtspunkt steht. So ein Wunsch scheint mir kaum verständlich und überflüssig, gesetzt den Fall, in der Philosophie der Freiheit und den anderen philosophischen Frühschriften wäre bereits alles enthalten, was diese Veranlagung zum Schauen hinreichend demonstrieren könnte. Seine Anknüpfung an die Psychologie macht vielmehr deutlich, daß die Philosophie allein diese Aufgabe kaum bewältigen kann. Vielleicht wäre von diesem fehlenden Teil mehr als Rudimentäres vorhanden, wenn es Steiner, wie ursprünglich einmal beabsichtigt, gelungen wäre, eine philosophisch-akademische Laufbahn einzuschlagen. Die Dinge haben sich anders entwickelt, und so bleibt diese Aufgabe seinen Nachfolgern überlassen. Damit das alles nicht nur abstrakt im Raum steht vielleicht noch ein pragmatischer Hinweis dazu, wie sich der Leser den Übergang zur Anschauung des Denkens plastisch verdeutlichen kann: Es gab vor einiger Zeit im Spiegel einen sehr bemerkenswerten Artikel über einen operierten Blindgeborenen, der das Sehen neu zu lernen hatte. Wenn man sich diesen Artikel vornimmt und sich die Frage vorlegt: Was muß der operierte Blinde tun, damit aus einer bloß visuellen Erfahrung eine visuelle Anschauung wird? dann erhält man eine gute Ausgangsbasis, indem man dieses Procedere auf das Denken überträgt und sich fragt: Was muß der Denker tun, damit aus einer bloßen Erfahrung des Denkens eine Anschauung des Denkens wird? - Ich meine nach dem Studium des Artikels müßte der aufmerksame Leser im Prinzip in der Lage sein diese Frage für sich selbst zu beantworten. Vielleicht wird in absehbarer Zeit der Artikel zu diesem Thema auf meiner Homepage erscheinen, den ich mir schon vor einiger Zeit vorgenommen hatte. Bislang fehlten mir Gelegenheit und Kraft dies zu tun. Bis es soweit ist, steht Ihnen als Navigationshilfe der Fragenkatalog der Vorschau zur Verfügung, an dem Sie sich orientieren können. Wenn Sie die dort aufgelisteten Fragestellungen abarbeiten, dann müßten Sie eigentlich mit dem Verständnis ziemlich genau dort ankommen, wo Sie hin wollen.
Bei der Diskussion Peter Schneiders habe ich schon die These vertreten, daß Steiners Ausdruck der "unmittelbaren Anschauung" des Denkens nicht im zeitlichen Sinne zu verstehen ist, sondern im methodischen. Vor allem auch Steiners Hinweis: "Ein richtiges Verständnis dieser Beobachtung kommt zu der Einsicht, daß das Denken als eine in sich beschlossene Wesenheit unmittelbar angeschaut werden kann. Wer nötig findet, zur Erklärung des Denkens als solchem etwas anderes herbeizuziehen, wie etwa physische Gehirnvorgänge, oder hinter dem beobachteten bewußten Denken liegende unbewußte geistige Vorgänge, der verkennt, was ihm die unbefangene Beobachtung des Denkens gibt." (GA-4, S. 145), stützt diesen Gesichtspunkt. Die "Beobachtung" oder "Betrachtung" des Denkens und seine "unmittelbare Anschauung" stehen offensichtlich für denselben Sachverhalt. So, wie das Denken nur durch das Denken "unmittelbar" beobachtet oder betrachtet werden kann, und nicht durch ein zwischengeschaltetes, nur mittelbares methodisches Verfahren hirnphysiologischer oder neurobiologischer Art, so kann es auch nur durch das Denken "unmittelbar" angeschaut werden mit Hilfe beschreibender Begriffe, die sich ihm durch seine unmittelbare Betrachtung ergeben. So gesehen ist die Anschauung des Denkens etwa durch hirnphysiologische Begriffe lediglich eine mittelbare. Dieses unmittelbare "Anschauen" des Denkens mittels deskriptiver Begriffe ist auch nicht gleichzusetzen mit der "intellektuellen Anschauung" reiner Begriffe und Ideen". Wir haben auch diesen Punkt bereits oben bei der Diskussion der Schneiderschen Schrift erwähnt. Der Begriff der "intellektuellen Anschauung" steht bei Steiner im engeren Kontext einer philosophischen Kritik des Sensualismus, und ist Teil seiner Strategie, die Grundelemente des Erkennens in wahrnehmliche und begriffliche und Tätigkeits-Anteile freizulegen. Er kennzeichnet lediglich des Gegebensein gewisser gedanklicher Entitäten und heißt soviel wie: mit der Denkform ist zugleich der Inhalt des Denkens gegeben. Steiner bezieht sich dabei in "Wahrheit und Wissenschaft" (S. 60) auf das Gegebensein von reinen Begriffen und Ideen, und zwar in dezidierter Abgrenzung zur philosophischen Ansicht, das Denken könne aus sich selbst heraus zu keinen Inhalten kommen. Er richtet sich hier gegen einen von Kant und seinen zeitgenössischen Vertretern unterstellten Sensualismus, dem er mit seinem Hinweis auf die intellektuelle Anschauung begegnet. Es geht also dabei um die Frage: Woher kommen die reinen Begriffe und Ideen? Und dazu sagt Steiner: Es sind reine, und nicht sensorisch fundierte, Schöpfungen des Denkens. Steiner stellt hier zwar ein Beobachtungsresultat dar, insofern seine Einschätzung des Charakters von reinen Begriffen und Ideen auf der Beobachtung des Denkens basiert, aber er thematisiert nicht die Methode der Denk-Beobachtung. Es geht nicht um die methodische Frage: Wie beobachten beziehungsweise erkennen wir das Denken? Oder : Wie ist uns das Denken in der Beobachtung gegeben? An dieser Stelle sei eine erläuternde Bemerkung eingeflochten zu meiner Darstellung des Erinnerungsproblems, wie ich es im Jahrbuch 97 skizziert habe. 108 Ich schrieb dort unter anderem (S. 226): "Alles was von Denkakten erinnerbar ist, muß einen Weg über das Denken genommen haben, da es ein weiteres Erkenntnisprinzip nicht gibt. Damit bleibt mir auch der Weg verschlossen, auf irgend einem anderen Wege von meiner Denktätigkeit unmittelbar Kenntnis zu erhalten als auf dem Wege des Denkens selbst. Ich muß also, während ich denke, mein Denken zugleich begrifflich, das heißt denkend, begleiten und diese Begleiterfahrung in eine erinnerbare Form bringen, anders bekäme ich lediglich Nachricht von den Denkinhalten, aber nicht von dem Tun selbst. Damit ist eine absolut "denkfreie" Erfahrung des Denkens keineswegs ausgeschlossen, vielleicht ist sie sogar die Regel, aber die Kompromißlosigkeit, mit der Rudolf Steiner den "Ausnahmezustand" skizziert, scheint mir etwas überzeichnet." Was die genannte Denkfreiheit der Denk-Erfahrung betrifft, so bin ich mir inzwischen in dieser Hinsicht wesentlich sicherer als seinerzeit, weil eine Klärung des Steinerschen Begriffes von Denk-Beobachtung damals noch nicht stattgefunden hatte. Indessen führt eine solche Klärung auf eben denselben Gesichtspunkt der Denkfreiheit der "reinen Erfahrung" des Denkens. Was das Wissen um das "Tun" des Denkens und die "Kenntnis um die Denktätigkeit" angeht, so war damit ein beschreibendes Wissen oder Beobachtungswissen von diesem Tun des Denkens gemeint. Weil mir aber der Steinersche Beobachtungsbegriff seinerzeit nicht deutlich war, konnte ich auch den Unterschied nicht klar erkennen zwischen dem unmittelbaren Wissen um das Denkgeschehen und seine inhaltlichen Bezüge und dem Beschreibungs- oder Beobachtungswissen - das ist das Wissen um einen Denkbegriff, das sich erst aus einer denkenden Betrachtung der Denk-Erfahrung ergibt. Diese Differenzierung hat sich erst aus der Analyse des Beobachtungsbegriffes ergeben. Wir werden das weiter unten noch näher untersuchen. Von daher stand ich vor dem Rätsel, wie Steiner, wenn er die aktuelle Beobachtung des Denkens ausschließt, überhaupt zu einem Begriff des Denkens kommen könne. Lorenzo Ravagli spricht (Jb 97, S. 88) von einer "Selbsterinnerung der eigenen Denktätigkeit" und ich meine, darin wäre ihm zuzustimmen, soweit unter dieser Erinnerung nicht das Bewußtsein der aktuellen Denktätigkeit zu verstehen ist, sondern jener Inhalt, auf den sich das beobachtende Denken richtet. Diese Erinnerungen sind insofern mit einer Erkenntnis verbunden, als ich weiß, es sind meine Erinnerungen und ich weiß auch ihren Inhalt anzugeben. Was aber mit dieser Erinnerung nicht gegeben ist, das ist ein Begriff des Denkens. Dieser läßt sich erst erwerben durch betrachtendes Denken über diese oder anhand dieser Erinnerungen oder "Erfahrungen des Denken", wie Steiner es nennt. Das, so glaube ich, ist aus dem bisher Dargelegten deutlich geworden und wird nachfolgend vielleicht noch etwas prägnanter werden. Man muß übrigens dieses Erinnern und Beobachten sich nicht zu statisch vorstellen, denn in der Realität laufen die Prozesse sehr dicht beieinander, das wird jeder anhand seiner eigenen Erfahrungen bestätigen. Das eine geht fließend in das andere über, so daß die zeitlichen Zäsuren zwischen Denken, Erinnerung und Beobachtung kaum auffallen und das "Danach" leicht übersehen wird. Eine labormäßige Beobachtung, wie sie etwa von Bühler vorgenommen wurde, ist ja eine hochkünstliche wissenschaftlich-experimentelle Ausnahmeveranstaltung, die wir im täglichen Leben in der Regel so nicht gegeben finden. Top zurück vorwärts Inhalt Anmerkung Gesamtinhalt Home |
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